Kapitel 29
Als ich die Augen aufschlug, lag ich noch immer auf den kalten, harten Holzfliesen. Meine Augen brannten wie Feuer wegen all der vergossenen Tränen und mein Kopf dröhnte wegen des Flüssigkeitsmangel. Ich rappelte mich langsam vom Boden auf und taumelte ins Badezimmer. Das kalte Wasser war eine Genugtuung und mit jedem Tropfen Wasser ließen meine Kopfschmerzen ein wenig nach. Trotz meiner deutlich geröteten Augen verließ ich mein Zimmer und begrüßte meinen Vater. Wie immer schenkte er mir keinerlei Beachtung. Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Sofort lag meine Aufmerksamkeit wieder auf dem Mädchen, welches mich in Licht hüllte und mir das Gefühl gab, mehr als nur eine Spielfigur zu sein. Schnell ging ich zu ihr und tippte ihr auf die Schulter, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie mir in die Augen blickte, doch im nächsten Moment war da etwas anders in ihrem Blick, was ich als Sorge erkannte. Sie legte ihre Hände auf meine Wangen und zog mich zu sich hinunter. Augenblicklich begann mein Herz schneller zu schlagen und ich hatte das Gefühl, mich in ihren dunklen Augen zu verlieren.
“Hast du geweint?” , fragte sie mich plötzlich. Ihre Hände lagen noch immer auf meinen Wagen. Sie zwang mich, in ihre Augen zu blicken.
“Es ist nichts” , sagte ich nur knapp und löste mich aus ihrem Griff. Es tat weh, sie anzulügen. Warum musste es nur sie sein? Weshalb konnte mein Vater niemand anderen wählen? Ich wollte sie nicht belügen und erst recht nicht verletzen.
“Tana?” , die Erwähnung meines Namens riss mich wieder aus den Gedanken. Fragend sah ich sie an und wartete darauf ,dass sie das Wort ergriff.
“Du kannst mir alles sagen, ich möchte nicht, dass du traurig bist, okay?” , sagte sie schließlich und sah mich mitfühlend an. Ich nickte nur stumm und sah ihr in die Augen. Diesmal nahm ich ihre Hand und zog sie mit mir in den Bus. Sie war so warm.
Akiko und ich waren mittlerweile so gut wie immer zusammen und es war nicht überraschend, dass uns unsere Mitschüler schon nach kurzer Zeit als Paar bezeichneten. Weder Akiko noch mich interessierte es, was sie sagten. Tatsächlich begann ich sogar, es ein wenig zu genießen. Mit jemandem Tag, den ich mit Akiko verbrachte, wuchs meine Sehnsucht nach ihr und mein Herz schlug in ihrer Gegenwart so laut, dass man es gar nicht mehr überhören konnte. Aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen Monate. Schließlich lud mich Akiko zu sich nach Hause ein. Zum ersten Mal seit langem betrat ich ein Haus und wurde nicht nur mit Kälte begleitet, sondern mit Fürsorglichkeit und Liebe. Es war wesentlich kleiner als bei mir daheim, aber es gefiel mir. Trotz des ganzen Platzes im Haus meines Vaters drohte ich zu ersticken. In Hass und Verachtung. Bei Akiko war der Platz zwar geringer, aber ich hatte das Gefühl endlich wieder Atem zu können. Ich sah mich eingehend um und versuchte, mir alles einzuprägen. An ein paar Wänden hingen Bilder von Akiko und einem anderen Mädchen, was ein wenig größer als sie war und etwas älter wirkte. Die Möbel waren in bunten Farben und auch die Wände waren bunt gestrichen. In diesem Haus lag so viel Wärme, wie ich mir nie hätte vorstellen können. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen und dann bemerkte ich, dass mich jemand beobachtete. Das Mädchen, welches mich interessiert ansah, hatte lange dunkle Haare und hellbraune Augen, im Licht glichen sie Bernstein. Sie war offensichtlich älter als Akiko, aber nicht viel, eventuell 2 oder 3 Jahre. Ich ging davon aus, sie sei Akikos ältere Schwester und mein Verdacht bestätigte sich durch Akiko, die mich lächelnd aufklärte. Mein Blick verlor sich in ihren dunklen Augen, die wirkten, als wären sie direkt aus dem Himmel gebrochen worden. Sofort begann mein Herz schneller zu schlagen. Warum konnte ich nur nie den Blick von ihr abwenden? Plötzlich packte sie meine Hand und zog mich mit sich. Das Zimmer, in das sie mich zog, war wesentlich kleiner als das zuvor und wirkte wie ein Kinderzimmer. Es gab ein kleines Fenster, vor dem ein Bett stand, ein Nachttisch stand daneben und auf der anderen Seite des Raumes stand ein Schreibtisch und ein Kleiderschrank. Bilder von Akiko hingegen an der Wand. Noch immer hielt Akiko meine Hand fest und jagte meinen Puls in die Höhe. Ich drehte mich zu ihr um und verlor mich in ihren dunklen Augen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Plötzlich klopfte es an Akikos und sie ließ meine Hand los. Akikos Mutter öffnete kurz darauf die Zimmertür. Lächeln lehnte die Frau mit den nussbraunen Haaren im Türrahmen und sah zwischen Akiko und mir hin und her. Es war ungewohnt, so viel Liebe und Fürsorge zu empfangen.
“Entschuldigt die Störung, ich wollte fragen, ob du auch etwas essen möchtest?” , wandte sich Akikos Mutter an mich. Ich nickte schweigend und sah dabei zu, wie ihre Mutter lächelnd wieder das Zimmer verließ. Aus heiterem Himmel legte Akiko ihre Arme um mich und drückte sich an mich , genau an die Stelle, an der mein Herz verräterisch schnell schlug. Zögerlich legte ich die Arme ebenfalls um sie. Ich wusste nicht, ob es richtig war, was ich tat, da ich so eine Situation nicht gewohnt war. Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich zu Akiko, noch immer umarmte sie mich. Alle meine Muskeln waren angespannt und ich atmete nur so flach wie möglich, um meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Langsam strich ich ihr durch die langen Haare und hoffte, ich machte keinen Fehler.
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