Epilog
Ein halbes Jahr später
Amilia|| Etwas gehetzt wirbel ich durch die Wohnung. Wo hatte ich noch gleich mein Reisepass hingelegt? Und mein Ladegerät? Bevor ich eines der beiden Sachen finde, höre ich mein Handy schellen. Der Klingelton verrät mir, dass es Harry sein muss - doch wo genau hatte ich dieses blöde Teil liegen lassen? Als ich es finde, verstummt der Ton auch schon. Seufzend lasse ich mich auf den Sessel fallen und rufe meinen Freund zurück.
„Ich habe schon gedacht du wärst noch am schlafen.“, bemerkt dieser als er das Telefonat annimmt. Na was für eine freundlich Begrüßung. „Von wegen. Ich weiß ja nicht was du heute morgen schon so getrieben hast, aber meine Tasche ist schon gepackt. Ich bin quasi startklar.“, lass ich ihn wissen und höre ihn lachen. „Quasi startklar, macht mir ein wenig Angst. Dir ist klar, dass ich so gut wie zu dir unterwegs bin und wir dann auch zeitnah los müssen.“, kontert er. Ich verdrehe die Augen. „So gut wie heißt ich habe noch ein wenig Zeit den Rest zusammen zu suchen.“, entgegne ich und stehe wieder auf, um weiter nach den beiden Sachen zu suchen. Mein Ladekabel ist nicht ganz so wichtig, Harry hat seins sicherlich eingepackt und ganz zu Not Borge ich mir einfach eins von den Mädels. Bei dem Reisepass wird es allerdings schon ein wenig. „Okay, meine kleine Chaosqueen, seh einfach bitte zu, dass du rechtzeitig fertig wirst. Alles klar?“
Ich verdrehe die Augen. Chaosqueen. So schlimm bin ich nun auch nicht. „Klar. Schatz du kennst mich doch.“ „Deshalb mache ich mir ja ein wenig Sorgen.“ „Harry!“ „Kannst du dich noch daran erinnern, als wir zu meine Schwester gefahren sind?“, höre ich ihn fragen und stöhne innerlich genervt auf. Das er jetzt mit solchen Kamellen kommen muss, ist natürlich typisch. „Natürlich. Zu meiner Verteidigung: Es war deine spontane Idee. Ich hatte absolut nicht viel Zeit, mir alles zusammen zu suchen.“, versuche ich mich zu verteidigen, auch wenn es nicht ganz so stimmt. Harry hatte mich Donnerstags Abends gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit zu Gemma zu fahren. Freitag war ich noch ein paar Stunden für Juls eingesprungen, bevor ich nach Hause bin um ein paar Sachen zusammen zu suchen. Vielleicht habe ich vergessen, Zahnbürste und Schlafhose einzupacken, aber er hat auch ständig genervt, ich solle mich doch beeilen, damit wir nicht in den Nachmittag Verkehr kommen.
Unseren jetzigen Trip haben wir mehr oder weniger vorbereitet. Mehr, die ganzen Vorbereitungen drum herum. Ich musste eine Vertretung für mich im Café finden und bin meiner Mutter unheimlich dankbar, dass sie sich bereit erklärt hat, die nächsten Wochen die Buchhaltung zu übernehmen. Wir haben einen Hinflug nach Sao Paulo und ein Hotelzimmer für die ersten Nächte gebucht. Wir wollen definitiv nach Rio, aber was danach kommt, das haben wir noch nicht weiter geplant.
Es war meine Idee unsere abgebroche Reise, die wir, zufälligerweise, gemeinsam begonnen haben vielleicht doch einfach gemeinsam zu beenden - schließlich war sie es die uns zusammengeführt hat.
„Die Tatsache, dass du noch immer Sachen zusammensuchen musst, obwohl der Tage schon wochenlang feststeht, gibt mir doch ein wenig zu denken.“, kommentiert Harry und ignoriert meine Verteidigung gänzlich. „Mein Reisepass hat Füße bekommen und mein Adapter wurde bestimmt von Jen oder Juls versteckt.“ „Natürlich.“ „Wie weit bist du und wie lange brauchst du noch bist du hier bist?“ „Fertig. Ich warte nur noch auf Liam, dann machen wir uns auf den Weg zu dir.“ „Und bis dahin, habe ich die beiden Sachen auch gefunden.“, stelle ich klar. „Ich bin gespannt.“ „Darfst du auch sein, noch bevor ihr hier seid, stehe ich unten und warte auf euch.“, verspreche ich und will gerade auflegen.
„Hey Lia.“ „Mhm?“ „Ich liebe dich.“ Lächelnd lehne ich mein Kopf gegen den Türrahmen meines Zimmers. Die drei Worte kursieren schon ein paar Wochen zwischen uns und es ist immer wieder unglaublich diese drei Worte von ihm zu hören und ich finde es noch immer unglaublich, dass wir beide Gefühlsmäßig diese Ebene erreicht haben.
„Und das obwohl ich so eine Chaosqueen bin?“ „Natürlich. Gerade deswegen.“ Ganz unbewusst, nehme ich den Kettenanhänger zwischen meinen Fingern. Harry hat mit diesen kleinen Kaugummi Automaten geschenkt, als wir ein halbes Jahr zusammen waren. Mit diesem hat alles zwischen uns in Panama angefangen - so irgendwie hat er ja recht.
„Ich liebe dich auch.“, lasse ich ihn wissen. „Und das obwohl, ich ständig versuche dein Chaos zu bändigem?“ „Natürlich. Gerade deswegen.“, wiederhole ich seine Worte und höre ihn lachen. „Wobei ich schon sagen muss, dass deine Versuche mein Chaos zu bändigen noch nicht wirklich so erfolgreich sind.“, setze ich nach. „Ja, da hast du natürlich recht, aber ich glaube das mir ohne dein kleines Chaos auch ein bisschen was fehlen würde.“, kommentiert er. „Sehr gut. Ich gebe mir auch ziemlich Mühe, dich immer mal wieder auf Trab zu halten.“
„Wenn wir gerade beim Thema sind: Schau mal auf das Regal in deinem Zimmer. Das mit den Bildern. Gestern Morgen hast du dein Reisepass dort drauf gelegt.“, erinnert er mich. Tatsächlich liegt das blöde, aber äußerst wichtige Dokument zwischen den Bilderrahmen. „Danke. Weißt du zufällig auch wo mein Ladegerät ist?”, frage ich ihr und hoffe er hat Ideen, die ich noch nicht hatte. „Ja, das habe ich eingepackt, weil du es gestern Abend bei mir liegen gelassen hast.“, antwortet er mir. „Und das sagst du mir erst jetzt?“ „Ja, sorry. Du steckst mich anscheinend etwas an mit deinem kleinen Chaos und es beweist doch nur, dass du manchmal etwas zerstreut bist.“, höre ich ihn sagen und verdrehe die Augen.„Übrigens ist Liam jetzt da. Du hast also noch eine gute Viertelstunde.“
Natürlich.
„Fahrt vorsichtig. Bis gleich.“, gebe ich schnell von mir und lege auf bevor er noch etwas erwidern kann. Schnell habe ich meinen Reisepass eingesteckt und checke dann noch einmal schnell, ob ich auch wirklich alles in den Ordner gelegt habe, den ich für die Buchhaltung unseres Cafés nutze. Ich habe gestern Morgen noch einmal alle Rechnungen sortiert und alles bisher angefallenen offen Posten beglichen, damit Elisa nicht ganz so viel zu tun hat und sich nur um die aktuell laufenden Sachen kümmern muss. Noch dazu habe ich alles Schritt für Schritt festgehalten und auch für meine beiden besten Freundinnen viele kleine Zettelchen geschrieben.
Mittlerweile führen wir drei seit sechs Monaten das Café gemeinsam und es läuft genauso gut wie auch vorher als noch Jens Großeltern ihre Finger im Spiel hatten. Wir haben noch insgesamt drei weitere Mitarbeiter, die uns tatkräftig im Service unterstützen. Während sich die jüngste unseres Trios mittlerweile hauptsächlich aufs Backen konzentriert, hat Juls die Hosen hinter der Theke an. Ich wieder rum kümmere mich fast ausschließlich um die Buchhaltung, den Bestellungen und alles andere was noch so auf Papier anfällt, wie zum Beispiel auch die Erstellung des Dienstplans, allerdings nur in Absprache mit den anderen beiden. Jeden Freitag, nehmen wir uns ein bis zwei Stunden Zeit, treffen uns im Büro und bequatschen alles was in der Woche vorgefallen ist, dafür ist die Arbeit Zuhause, wenn es sich nicht gerade um einen Notfall handelt, ein absolutes Tabu Thema.
Insgesamt denke ich habe das wir einen guten Mittelweg gefunden haben, Freundschaften beziehungsweise Privatleben und die Arbeit zu trennen.
Ich stelle meine Rucksack vor der Haustür, gehe dann noch einmal zur Toilette und lege meinen beiden Freundinnen jeweils eine Tafel Schokolade aufs Kopfkissen. Verabschiedet haben wir uns bereits gestern voneinander, als ihre Freunde, meine Eltern, Greta und Ludger und die Jungs bei Harry zum Essen waren. Wir Mädels haben dann noch den Abend gemeinsam hier mit einem Glas Wein ausklingen lassen - allerdings mussten diese heute Morgen schon ganz früh raus.
Als es an der Tür klingelt, drücke ich den Summer, schalte dann noch eben überall das Licht aus, bevor ich die Tür aufreiße und gleich gegen Harry pralle. „Bevor wir hier sind, bist du unten ja?” Ich strecke ihm die Zunge heraus nehme meine Strickjacke und will auch gerade meinen Rucksack nehmen als mein Freund mir zuvor kommt. „Was ist mit einem Schlüssel?“, will er von mir wissen woraufhin ich ihm einen Vogel zeige und ihm erkläre, dass ich ihn sehr wahrscheinlich irgendwo verlieren würde. „Okay, aber du hast alles?“, hake er noch mal nach. Kurz überlege ich. „Ja, ich denke schon. Zumindest Reisepass und Portemonnaie - alles andere ist nicht ganz so wichtig.“, antworte ich und sehe wie er die Augenbrauen hochzieht. „Flugtickets?“ Ich drücke ihn einen kurzen Kuss auf die Lippen und schließe die Türe. „Die hast du.”
Unten angekommen, begrüße ich kurz Liam, während Harry meinen Rucksack im Kofferraum verstaut. Gemeinsam steigen wir Hinten ein. „Hast du eigentlich deine Liste gefunden?“, will Harry von mir wissen. Wir haben erst gestern darüber geredet, dass ich Grannys Liste mitnehmen könnte, damit wir gemeinsam die letzten Punkte abhaken könnten. Nichts dramatische, eher banale Dinge wie etwas typisches für das Land zu machen, Nackt baden oder die Mahlzeiten vertauschen.
„Einen Punkt habe ich allerdings gestern schon mit den Mädels abgehakt.“, lasse ich ihn wissen und ziehe den Zettel aus meiner Hosentasche. „Ach ja? Welchen.“, will er neugierig wissen und faltet das Blatt auseinander. „Die letzte Nummer vierundwierzig.“
Er zieht die Augenbrauen hoch und ich zeige auf die Nummer.
44. Verliebt dich Lia - und zwar richtig ✅
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