41▪ Versteck
Amilia|| Ich wische mir mit den Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
Na das ist heute doch mal echt super gelaufen. Erst lasse ich mich von meinen möchtegern Eltern überreden, dass sie mir die ganze Sache erklären, dann streite ich mich erst mit Harry und trenne mich sogar irgendwie von ihm, bevor ich mich auch noch mit meinen besten Freundinnen fetze.
Bei Juls und Jen war es eigentlich bloß eine lapalie die sich wieder regeln lässt, sobald ich wieder Zuhause auftauche. Die Sache mit Harry allerdings..... die habe ich sicherlich ganz schön verkackt. Das Verständnis was er allerdings meinen Eltern entgegen gebracht hat, sind bei mir einfach einige Sicherungen durch gebrannt. Er reist selber gerne und will die Welt sehen. Will die schönsten Plätze der Welt erkunden und mehr sehen als bloß Südamerika. Er hat all das aufgegeben, um bei mir zu sein. Um das mit uns zu versuchen. Ich bin, oder war es zumindest, mir ziemlich sicher, dass er es früher oder später bereuen wird und mich wie meine Eltern damals einfach stehen lässt.
Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob Jen und Juls nicht vielleicht recht haben und ich einfach nur überreagiert habe, aber ich war einfach nur geladen. Enttäuscht und Verletzt. Und hab all das an dem falschen ausgelassen. Die Einsicht kommt spät, denn etwas dran ändern kann ich eh nicht mehr, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich zum einen absolut nicht den Mut finden werde, von alleine einen Schritt auf Harry zu zugehen und umgekehrt wird sicherlich auch kein Schuh draus.
Nachdem ich mich auch mit meinen besten Freundinnen Gestritten hatte, habe ich mich auf den direkten Weg nach Cliff gemacht. An einen der Seen steht ein altes Hausboot von Ludger. Als Jugendliche habe ich hier mit Granny eine Menge Zeit verbracht. Ob ein verlängertes Wochenende oder in den Ferien - für sie und mich war es immer schon etwas ganz Besonderes.
Da Ludger den Schlüssel schon immer an einem Nagel über der Tür hängen hat, war es für mich kein Problem auch ins innere des Bootes zu gelangen. Nachdem ich mir etwas heißes Wasser mit Hilfe des Ölkochers erhitzt hatte um mir ein Tee zu kochen, schnappte ich mir noch eine dicke Decke, die Auflage der Hollywoodschaukel und machte es mit hier bequem.
Ich ziehe schniefend die Decke höher und wünsche mir, heute morgen mit Harry einfach nicht auf den Friedhof gegangen zu sein. Wir hätten diesen Ort meiden sollen und einfach zu seinem Freund fahren sollen.
Als eine neue Welle vieler Tränen meine Wange herunter kullern bekomme ich Schluckauf und im selben Moment knurrt mein Magen. Na super. Irgendwie war meine spontane Flucht hier raus ziemlich undurchdacht. Bis zum nächsten Supermarkt ist es ein gutes Stück, welches ich allerdings sicherlich nicht im Dunkeln gehen werde. Ich schlage die Decke um und begebe mich mit Hilfe der Taschenlampe ins innere. Irgendwo in einen der Schränke müssten noch ein paar Müsliriegel sein, die hoffentlich noch nicht abgelaufen sind - denn das letzte Mal das wir hier waren ist schon etwas her. Damals hatte ich mich Granny Gestritten und auch hier Zuflucht gesucht. Jedoch war ich zu diesem Zeitpunkt schlauer und war vor Sonnenuntergang bei Supermarkt gewesen. Als ich die Müsliriegel in einem der unteren Schränke finde, bin ich erleichtert festzustellen, dass sie nicht abgelaufen sind.
Die Einrichtung hier im Inneren ist ziemlich dunkel, altbacken und sporadisch. Es ist ein großer Raum, in dem nur das kleine Badezimmer mit Toilette und Waschbecken seperiert ist. Während die Küche noch ziemlich vollständig ist, fehlen bei Esstisch vier der sechs Stühle, die Schlafcouch hat auch schon bessere Tage gesehen und der Couch Tisch steht auch nicht mehr dort wo er anfänglich mal stand.
Greta und Ludger fahren so gut wie gar nicht mehr hier raus und um ehrlich zu sein, weiß ich absolut nicht wieso es eigentlich ich in ihrem Besitz ist.
Als ich von draußen ein knacken und Schritte höre zucke ich zusammen und schalte die Taschenlampe aus. Jen und Juls würden hier sicherlich nicht rum schleichen. Ich suche in meinen Hosentaschen nach meinem Handy und finde es nicht. „Amilia?“ Ich runzle die Stirn. Ist das Harry? Ich gehe zur Tür, die ich nur angelehnt habe, und öffne diese ein weiteres Stück. „Harry?“, frage ich in die Dunkelheit hinein und sehe ihn ebenfalls mit einer Tischlampe wieder zurück kommen. „Hey.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Hey.“ Einen Weile stehen wir uns schweigen gegenüber. „Was tust du hier?“, will ich leise von ihm wissen. Er zuckt mit den Schultern. „Ich war bei den Mädels und sie meinten, dass du vielleicht hier sein könntest. Ich wollte noch mal mit dir reden.“, antwortet er mir. Ich nicke, beiße mir auf die Lippen und merke wie sich meine Augen erneut mit Tränen füllen.
Seufzend sieht er mich an. „Ach Lia.“ Er macht ein paar Schritte auf mich zu, greift nach meinen Armen und und zieht mich in eine warme Umarmung. „Es tut mir Leid.“ Beruhigend streicht er mir über den Rücken.
„Ich habe im Auto ein paar Sandwiches, weil Jen meinte, dass du wahrscheinlich hier nichts zu Essen hast. Was hältst du davon, wenn ich sie schnell aus dem Auto hole und wir uns irgendwo hier in Ruhe hinsetzen und reden.“, schlägt er vor. Ich nicke. „Klingt gut.... denke ich.“ Er löst sich von mir, drückt mir ein Kuss auf die Stirn und geht an mir vorbei. Kurz schaue ich ihm nach und hoffe, dass er mich nun einfach nicht alleine lässt - es sich vielleicht doch noch mal anders überlegt.
Als ich die Autotür höre und mich sicher bin, dass er wieder zurück kommt, gehe ich ins innere und suche nach den Öllampen. Als ich sie in der Kiste neben der alten Couch gefunden habe, suche in meiner Handtasche, die auf der besagten Sitzmöglichkeit liegt, das Feuerzeug und versuche mich zu erinnern wie ich dieses Teil an mache. Ich brauche zwei Versuche ehe sie brennt. Ich nehme nicht gegen die zweite, bevor ich raus gehe und die brennende an einem der Hacken als ich die zweite ebenfalls zum leuchten bringe, kommt Harry um die Ecke.
„Wow, mit ein wenig Licht scheint es ja gleich ein wenig gemütlicher.“, stellt er fest. Ich nicke. „Drinnen müssten noch welche sein, wenn du willst geh ich sie suchen.“, gebe ich leise von mir und erhalte ein Kopfschütteln zur Antwort. „Passt schon.“ Er kommt auf mich zu und reicht mir eines der verpackten Sandwiches. „Ich hab dir eins mit Käse, Schinken, Oliven, Salat, Gurken und Mayonnaise geholt. Ich hoffe, dass ist in Ordnung.“, sagt er und erhält ein nicken als Antwort ehe ich die Stirn runzle. „Wo haben sie es dir denn mit Mayo gemacht?“ Er zuckt mit den Schultern. „Nirgendwo, ich habe nichts drunter machen lassen und dir Mayo im Supermarkt gekauft und sie selber drunter geschmiert. Ich weiß doch wie sehr du es so liebst zu essen.“, antwortet er mir. Überrascht schaue ich ihn an. „Das hättest du nicht tun müssen.“ „Ich wollte aber. Akzeptier es.“ Ich nicke und beiße mir wiederholt auf die Lippen. „Danke. Obwohl ich es absolut nicht verdient habe.“, gebe ich mit gesenktem Blick.
„Ich würde das nicht behaupten.“ Ich schaue ihn an. „Ehrlich Amilia. Ich gebe zu ich war anfänglich echt sauer auf dich, weil ich finde das du mit Sachen um dich geworfen hast die völlig überzogen und an den Haaren herbei geführt waren, aber ich bin hier und glaube mir ich bin absolut nicht bereit, dass mit uns wegen so einer blöden Sache schon aufzugeben.“, stellt er klar. „Ich hätte meine Laune nicht an dir auslassen sollten. Es tut mir ehrlich leid.“, lasse ich ihn wissen. Lächelnd sieht er mich an. „Ich bin beruhigt, dass du das so sieht. Ich bin nämlich ziemlich Planlos hier her gekommen und weiß bis jetzt noch nicht wie ich dich davon überzeugen soll, dass das mit uns noch nicht vorbei ist.“
„Sollte nicht ich die jenige sein, die sich darüber Gedanken macht?“ „Machst du dir denn Gedanken darüber?“, will er von mir wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Irgendwie schon, allerdings muss ich auch ehrlich sagen, dass ich total feige bin und sicherlich nicht bei dir aufgetaucht wäre. Auch nicht in den nächsten Tagen.“, gestehe ich. Diesmal zuckt er mit den Schultern. „Wie gut das du mich hast und ich jetzt hier bin.“ Ich bringe ein schwaches Lächeln und ein leichtes nicken zustande. „Na los lass uns setzten.“, fordert er von mir, legt seine Hand in mein Rücken und schiebt mich zur Hollywoodschaukel.
Schweigend setzen wir uns, packen unsere Sandwiche aus und fangen an zu essen. Oder daran rum zu knabbern, dass passt eher zu meiner Variante. „Was geht dir durch den Kopf?“, will Harry von mir wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Alles und dann doch nichts.“ „Okay, dass macht mich überhaupt nicht schlauer.“, seufzt er. „Ich weiß. Geht mir ähnlich.“
Wiederholt seufzt er. „Okay, dann fangen wir doch einfach mal bei uns an. Bist du wirklich der Meinung, dass es mit uns keinen Sinn macht?“, will er von mir wissen. Ich habe die Schultern und schüttel dann mit den Kopf. Ich schaue ihn an. „Im Prinzip nicht. Ich hab dich gern ehrlich. Ich würde sogar behaupten ich war schon lange nicht mehr so verliebt, aber Fakt ist...“ - „Das wir beide bis heute Morgen noch ziemlich Glücklich waren und dieser komische Zwischenfall das auch nicht kaputt machen kann.“, fällt er mir ins Wort. „Bist du dir sicher? Was ist wenn du in ein paar Wochen feststellst, dass die verdammte Wolke doch nicht so rosarot ist? Das ich eine Nervige Ziege bin. Das das alles überhaupt nicht so ist wie du es gedacht hast? Das du dir wünscht deine Reise nicht hierfür aufgegeben zu haben un....“ - „Das wird so nicht passieren.“, unterbricht er mich. „Das weißt du nicht.“ „Doch. Ich mein klar, keiner kann uns die Garantie dafür geben, dass das mit uns auch wirklich hält, aber ich kann dir garantieren, dass ich es nicht bereuen werde, dass ich meine Reise durch Südamerika abgebrochen habe. Dafür habe ich die Zeit bisher mit dir einfach unheimlich genossen.“, erklärt er sich nun. Ich öffne den Mund und will grade ein aber los werden, schlucke dieses Wörtchen allerdings runter und schließe den Mund wieder.
Mit gerunzelter Stirn sieht er mich an. „Hey rede mir. Was genau geht dir durch den Kopf.“ Ich zucke mit den Schultern. „Es tut mir Leid. Ehrlich.“ „Okay, Entschuldigung angenommen. Allerdings glaube ich kaum, dass es das war, was dir durch den Kopf gegangen ist.“ „Es...“, setze ich an und schüttel dann wieder den Kopf, weil ich Harry einfach nicht mit meinen ganzen blöden Kram zu belästigen. „Hey, du kannst mit mir reden, dass weißt du doch.“, gibt er von sich, rutscht zu mir rüber und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe. „Es ist eine Sache, dass Elisa und Adrian damals einfach abgehauen sind. Es tut aber verdammt weh, zu wissen das sie bloß weg sind um ihre Freiheit aus zu kosten. Das ist verdammt nochmal einfach eine Nummer zu groß. Ich wünschte einfach sie hätten mir irgendeine Lüge aufgetischt.“ Mein Freund, oder was auch immer Harry momentan ist, nickt. „Auch wenn ich noch nie in so einer Situation war: Ich verstehe dich da absolut. Ehrlich, aber eine Lüge hatte früher oder später sicherlich alles viel schlimmer gemacht.“ Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht.“
Harry legt sein Sandwich auf die Seite, legt einen Arm um mich und zieht noch näher zu sich. „Versprichst du mir was?“, frage ich ihn und merke wie er nickt. „Fast alles.“ „Wenn dir irgendwann mal wieder nach Reisen ist, dann....“ - „Werde ich dich überreden mit zu kommen. Wir werden gemeinsam planen wo es hin geht.“, fällt er mir ins Wort. Ein wenig muss ich lächeln. „Nein, eigentlich wollte ich sagen, dass du bitte vorher mit mir redest und nicht einfach ab haust, so wie die beiden es auch getan haben.“ „Niemals, dass würde ich nicht tun. Du darfst weder mich noch irgendjemand anderem mit den beiden auf eine Stufe stellen. Nur weil sie so blöd waren, heißt es nicht das wir anderen das auch gleich sind. Uns liegt etwas an dir, was wir sicherlich nicht auf dem Spiel setzten werden.“, versichert er mir nun. Ich nicke und bringe ein schwaches Lächeln zustande. „Okay.“
Ich lehne meinen Kopf gegen seine Schulter und genieße einen Augenblick seine wärme. „Ist alles wieder gut zwischen uns?“, will er vorsichtig von mir wissen. Ich richte mich auf und schaue ihn mit gerunzelter Stirn an. „Ich war total mies zu dir und du willst das alles einfach so vergessen und da weiter machen wo wir heute morgen standen?“, hake ich nach und erhalte ein nicken als Antwort. „Genau so ist es. Du warst sauer auf Elisa und Adrian und vielleicht wäre es gar nicht so ausgegangen, wenn ich mir den einen oder andere Kommentar den ich von mir gegeben habe verdrückt hätte. Nur damit ich es mal klarstellen kann, ich stehe voll und ganz auf deiner Seite.“, antwortet mir. „Also vergessen wir unseren blöden Streit einfach?“ „Wenn du dazu bereit bist.“ Ich nicke und merke wie meine Augen sich schon wieder mit Tränen füllen. Er drückt mir liebevoll seine Lippen auf meine Stirn, während ich meine Arme um ihn schlinge.
Vielleicht war der Tag ja doch nicht so schlimm, denn wenn Harry mir mein Verhalten verzeihen kann, ist die Sache mit den Mädels schon längst geklärt.
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