36▪️ Punkt. Ende. Aus.
Wenn Harry und ich herumalbern, artet es meistens immer etwas aus. Als wir bei seiner in Holmes Chapel waren, war es genauso wie jetzt. Anne hatte uns schon für verrückt erklärt. Eigentlich war es eine ganz simple Sache. Gemeinsam wollten wir beide für seine Familie Brownis backen. Granny's Rezept konnte ich schon mit neun Jahren auswendig, weswegen es eigentlich ganz einfach hätte werden können. Anfangs lief alles gut. Ich habe genau nach Rezept alle Zutaten zusammengesucht, und in eine Schüssel getan, während Harry sie alle zu einer Homogenen Masse zusammen gerührt hat. Das einfüllen des Teiges in die Backform, die Anne uns extra noch rausgesucht hatte, war auch noch problemlos gelaufen.
Bis dahin war noch alles gut, ich habe ohne Probleme die vorbereitete Leckerei in den Ofen bekommen, gleichzeitig hat mein Freund die Reste des Teiges mit einem kleinen Löffel aus der Schale gekratzt. Zeitgleich habe ich Wasser in die Spüle laufen lassen um kurzdarauf das dreckige Geschirr zu spülen, allerdings hat mein Freund mir mit dem Löffel, dass klebrige Zeug auf die Nase geschmiert. Ich wollte das Natürlich nicht auf mich sitzen lassen, nahm ein wenig Schaum aus dem Spülbecken um dieses in sein Gesicht zu pusten. Da Harry, Harry ist und das nicht auf sich sitzen lassen wollte artete es ziemlich schnell in eine kleine Wasserschlaft aus, die ruck zuck zu einer großen wurde. Pitsch nass standen wir in der Küche, als Anne nach uns schauen wollte und hat uns hochkant heraus geworfen – allerdings nicht ohne sich ein grinsen zu verkneifen. Da wir eh schon nass waren, hat Harry mich kurzerhand über seine Schulter geworfen und sich zusammen mit mir unter die Dusche gestellt.
In einer ruhigen Minute hatte Anne mir dann gesagt, wie schön sie es findet ihren Sohn mit mir so glücklich zu sehen, dass sie erst ziemlich skeptisch war, weil Harry eine ganze Weile so sehr von mir geschwärmt hat und es dann doch auf einmal plötzlich alles so schnell zwischen uns ging. Sie ist allerdings positiv von mir überrascht und hat mich in der ziemlich kurzen Zeit in der wir dort waren ins Herz geschlossen. Was definitiv auf gegenseitig beruht, denn ich bin noch immer mehr als positiv überrascht, dass mich dort alle so herzlich Aufgenommen haben. Das Thema Nikka hingegen war vom Tisch. Weder hat sie sich in den vier darauffolgenden Tagen bei meinen Freund gemeldet, noch fand der Kontakt andersrum statt.
Wieder zurück in London ist Harry nicht wie eigentlich geplant zu sich gefahren, sondern hat sich noch einmal bei uns eingenistet. Ich finde es schön ihn weiterhin rund um die Uhr um mich zu haben, bin mir aber auch bewusst, dass es nicht ewig so gehen kann. Grade will und kann ich darüber allerdings noch nicht nachdenken. Juls und Jen gehen ihre normale Tätigkeit nach – sprich sie sind entweder in der Uni oder im Café, welches aufgrund eines Wasserrohrbruches noch viel länger als geplant in Umbauarbeiten steckt. Mein Freund und ich hingegen tragen wieder einen unserer albernen Kämpfe aus. Vorhin glaubte er das Recht zu haben mich ohne speziellen Grunde durchkitzeln zu dürfen. Zugegeben ich bin äußerst kitzelig weswegen ich all meine Kraft zusammen getragen habe und ihn kurzerhand aus dem Bett geschmissen habe und hab dann meine eigenen Füße in die Hand genommen, als er eiserne Rache geschworen hat. Unsere jagt ging schon durch die ganze Wohnung, über die gemachten Betten meiner Freundinne, unter den Küchentisch hindurch und über die Couch. Mittlerweile stehen wir außer Atem in meinem Zimmer und ich glaube wirklich ich muss noch einmal die Flucht über mein Bett wagen, bevor ich ihm einen Waffenstillstand vorschlage.
Gesagt getan schnell wie der Blitz springe ich auf mein Bett und bin in schnellen Schritten über das Bett hinweg. Mit einem großen Sprung schaffe ich es von der weichen Schlafmatratze aus meinem Zimmer, komme allerdings hier das erste Mal ins staucheln. Socken und Fliesen sind eindeutig keine gute Kombination, was ich auch bei meinen nächsten Schritten feststelle, als zusätzlich noch eine leere Cola Flasche im Weg kommt, denn kaum bin ich um die Ecke, stolpere ich über besagte Flasch, rutsche wieder und falle einmal der Länge nach hin. „Scheiße Amilia, hast du dir wehgetan?", will Harry von mir wissen und ist in null Komma nix unten bei mir auf den Boden. Ich richte mich auf. „Nein ich glaub nicht.", gebe ich von mir und fasse mir an die Stirn. „Außer, dass es vielleicht eine kleine Beule geben wird." „Du hättest dir wer weiß was brechen können." Ich schaue Harry an. „Ehrlich du Neunmalklug? Darauf wäre ich nicht gekommen.", zicke ich ihn an und entschuldige mich im nächsten Atemzug direkt schon wieder.
Harry winkt es ab, steht auf und hält mir seine Hand hin. „Na los auf mit dir. Wir müssen doch schauen ob bei dir wirklich noch alles dran ist.", fordert er mich auf. Ich nehme seine Hand und lasse mich von ihm hochziehen. Ich verziehe ein wenig das Gesicht. „Doch nicht alles gut?" Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber ich blute nicht und gebrochen scheint auch nichts zu sein, also denke ich mal, dass alles halb so wild ist.", erwidere ich und lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen. „Vielleicht sollten wir einen Waffenstillstand einrichten solange wir wissen wie es gesundheitlich um dich steht und ehe wir dann wieder anfangen, polstern wir dich erst einmal aus, bevor du dir hier noch ernsthafte Verletzungen zuziehst.", gibt er scherzend von sich. „Du bist manchmal so verdammt doof, dass es schon weh tun müsste.", schieße ich zurück. „Und du bist manchmal äußerst zickig." „Ich bin eine Frau. Ich darf das. Du als Mann müsstest normalerweise damit umgehen können.", informiere ich. „Du hast Recht.", höre ich ihn sagen. Ich runzle die Stirn. Meinte er grade wirklich ich hätte Recht? Etwas skeptisch schaue ich zu ihm hoch. „Wirklich?", will ich ungläubig wissen. Er nickt. „Ja du hast definitiv Recht." „Muss ich mir Sorgen machen?", frage ich ihn noch immer ziemlich skeptisch erhalte allerdings ein Kopfschütteln als Antwort. „Gemma hat mir schon ziemlich früh beigebracht, dass es manchmal einfach besser ist, der Freundin Recht zu geben – ganz egal welche Meinung man selber ist." Wieder runzle ich die Stirn. „Und welcher Meinung bist du?" Er seufzt. „Das du eine Frau bist und diese manchmal einfach ziemlich zickig sein können, aber ich als Mann damit definitiv klar kommen muss, weil es sicherlich auch an mir einige Macken gibt, die du wohl oder übel hin nehmen wirst." Ich nicke. „Stimmt.", stimme ich zu, strecke mich und drücke meine Lippen auf seine.
Ehe wir uns versehen, wird der Kuss immer Leidenschaftlicher. Ich spüre seine warmen Hände unter meinem T-Shirt und genieße wieder mal seine Berührungen und mache es ihm gleich. Ich bin äußerst froh, als wir uns in Richtung Schlafzimmer bewegen und stocke, als es an der Tür schellt. Ich versuche es zu ignorieren und mich weiterhin auf Harry zu konzentrieren, scheitere allerdings kläglich als es noch ein zweites, drittes und sogar viertes Mal klingelt. „Ich glaube ich sollte die Tür aufmachen.", nuschle ich gegen seine Lippen. „Ich finde die Idee schlecht. Wirklich äußerst schlecht.", informiert er mich und versucht mich wieder in einen nächsten Kuss zu verwickeln, allerdings löse ich mich dann doch von ihm. „Vielleicht ist irgendwas passiert.", erkläre ich ihm.
Obwohl ich Harry murren höre gehe ich zur Tür und öffne diese, bloß um dann die beiden besten Freunde meiner Granny zu erblicken. „Greta? Ludger? Was macht ihr denn hier? Ist irgendetwas passiert?", will ich direkt wissen und schaue sie besorgt an. „Nein, keine Sorge liebes. Wir haben bloß mal gedacht wir besuchen dich mal.", antwortet Greta mir. Ziemlich skeptisch schaue ich sie an. Seit ich aus Südamerika zurück bin, gehen die beiden mir gekonnt aus dem Weg und nun plötzlich wollen sie mich besuchen? Einfach so? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. „Okay, warum?" „Nun sei doch nicht so skeptisch. Wir haben Kuchen mitgebracht, lässt du uns rein?", mischt sich nun Ludger ein. Ich zögere einen Augenblick schiele zu Harry der mir mittlerweile etwas gefolgt ist und nicke dann doch – warum auch immer. Ich gehe zur Seite und lasse das ältere Pärchen rein.
„Oh du hast besuch.", stellt die grauhaarige Frau fest nachdem erst sie und dann ihre Begleitung mich in eine lange Umarmung gezogen haben. Ich nicke. „Ja, das ist Harry. Mein Freund. Harry das sind Greta und Ludger. Freunde meiner verstorbenen Oma.", stelle ich die drei vor, die sich daraufhin die Hand geben. „Dein Freund. Milia du hast nie etwas von einem Freund erzählt. Wo hast du ihn den aufgegabelt?", will Ludger von mir wissen, nachdem ich mich zu Harry gestellt habe, der direkt einen Arm um meine Hüfte legt. „Es ist noch ziemlich frisch. Wir haben uns in Panama kennengelernt.", antworte ich und fühle mich etwas Unbehagen. Skeptisch schaut Greta mich an. „Du hast dir ein Südamerikaner mit nach Hause gebracht?" „Also das hört sich nun ziemlich Abwertend an." „Ich war selber nur zum Urlaub in Panama. Ich komme ebenfalls hier aus London.", mischt sich nun mein Freund ein. „Wir haben uns in Panama zusammengeschlossen, sind gemeinsam ein wenig durchs Land gereist, haben uns kennengelernt und als Amilia dann wieder abgereist ist, habe ich gemerkt, dass da eindeutig mehr zwischen uns ist. Also habe ich meine Tasche gepackt und bin ebenfalls zurück nach England gekommen.", setzt er nun erklärend nach. „Also hat Juls doch nicht geflunkert, als sie Ende letzter Woche meinte du seist mit deinem Freund ein paar Tage weg!?", höre ich Greta sagen. „Nein hat sie nicht. Harrys Mum hat mich eingeladen mit zu fahren, wenn er seine Familie in Holmes Chapel besucht und ich konnte es schlecht ablehnen – was auch gut so war.", erwidere ich. „Dann scheint es ja wirklich ernst zwischen euch zu sein, wenn du nach so kurzer Zeit schon seine Familie kennengelernt hast. Normalerweise drückst du dich doch immer.", kommentiert nun der Glatzköpfige Mann. Ich zucke einfach nur mit den Schultern. Ich habe absolut keine Lust mich hier vor ihnen rechtfertigen zu müssen. „Ich koche uns schnell Tee und dann erzählt ihr mir, warum ihr plötzlich das Bedürfnis hattet mich zu besuchen, wo ihr beide es doch wart, die mir in letzter Zeit eher aus dem Weg gegangen seid.", beschließe ich und nehme Harrys Hand um ihn mit in die Küche zu ziehen.
„Es tut mir Leid.", gebe ich direkt von mir, als wir außer Reichweite sind. Stirnrunzelnd schaut er mich an. „Was genau?" „War es dir grade nicht total unangenehm? Ich mein..." – „Alles gut. Wirklich. Ist es dir lieber, wenn ich jetzt gehe? Es wäre absolut in Ordnung.", unterbricht er mich. Ich schüttle schnell den Kopf. „Nein, auf keine Fall. Außer du willst jetzt gehen, dann kannst du das natürlich machen. Dann schreibst du mir nachher einfach deine Adresse und ich komme einfach zu dir.", antworte ich ihm. „Wenn das für dich in Ordnung ist, dann können wir nachher auch gemeinsam zu mir fahren.", schlägt er vor. Ich schaue ihn an und muss grinsen, als ich an Gemmas Kommentar denken muss. Nimm Lia mit – dann könnt ihr gemeinsam deine Staubbude putzen. „Damit wir deine Staubbude putzen können?“ Stöhnend sieht er mich an. „Du solltest nicht alles glauben, was meine Schwester sagt. Sie selber war erst vor fünf Wochen mit ihren Freundinnen in London und hat die Tage in meiner Wohnung gewohnt. Ich glaube kaum, dass die fünf kein Handschlag gemacht haben.“, erwidert er. „Okay.“, ist das einzige, was ich dazu sage und drücke ihm erst ein Kuss auf die Wange, bevor ich ihm die eben aus dem Schrank geholten Teller und Tassen in die Hand drücke. Schnell habe ich auch Wasser aufgesetzt, die Teekanne herausgeholt und Teebeutel hinein gehängt. Als das Wasser gekocht ist, schütte ich es in die Kanne und schaue Harry auffordernd an. Gemeinsam gehen wir zurück zu dem älteren Ehepaar, die es sich schon längst auf der Couch gemütlich gemacht haben.
„Also wieso seid ihr hier? Doch nicht bloß um euch Bilder von Südamerika anzusehen.“, will ich direkt wissen und verteile das Geschirr, während Harry sich hinsetzen. Die beiden schauen sich an und schon weiß ich eindeutig, dass etwas los ist. „Wir wollten mal schauen wie es dir so geht.“ „Achso, weil ihr in den Tagen seit ich zurück bin auch so viel Zeit für mich hattet. Ehrlich. Greta, Ludger ich kenne euch schon mein ganzes Leben, dass etwas komisch ist, ist mir nicht erst gestern aufgefallen.“
Greta seufzt. „Okay du hast gewonnen. Wir waren und bloß nicht sicher, wie wir mit dir reden sollen.“ Ich quetsche mich neben Harry. „Über was wollt ihr mit mir reden?“ Wieder schauen sich beide an. „Über das Pärchen vom Friedhof. Wir wissen, dass sie Kontakt zu dir aufgenommen haben.“, lässt Ludger mich wissen. Ich nicke. „Am Friedhof. Ich habe sie aber stehen lassen. Es kamen auch einige Briefe, die ich ungeöffnet weggeworfen habe.“, erzähle ich ihnen. „Ja das haben wir gehört. Bist du denn überhaupt nicht neugierig, was in den Briefen steht?“, will Greta von mir wissen. Ich schüttel den Kopf. „Nein nicht wirklich.“
„Drei Wochen bevor deine Großmutter gestorben ist, hat sie uns angerufen und meinte ihr Sohn und seine Frau seien bei ihr aufgetaucht. Sie hat nicht viel erzählt, bloß das die beiden anscheinend noch quietsch lebendig sind, wieder hier in der Nähe wohnen, teil eures leben werden und vor allem dich kennenlernen wollen.“, erzählt Ludger. Obwohl ich es geahnt habe, bin ich dennoch überrascht. „Deine Granny meinte, dass sie nicht wüsste wie sie es dir erkläre soll und hat es deswegen immer und immer wieder vor sich hin geschoben.“, setzt seine Frau nach. Ich merke wie Harry seine Hand auf mein Knie legt worauf ich kurz zu ihm schaue.
„Und was wollt ihr nun von mir?“, frage ich sie und schaue zu ihnen. „Das ich mich mit ihnen treffe und so tue als wäre alles Friede Freunde Eierkuchen?“ „Nein....“ - „Gut.“, unterbreche ich Gretas Mann. „Ich habe nämlich nicht vor ein Treffen oder Gespräch mit ihnen zuzustimmen. Sie waren so lange verschwunden und nun können sie auch bleiben wo der Pfeffer wächst.“ Beide nicken verständnisvoll. „Milia, dass verstehen wir. Wirklich. Aber du solltest auch daran denken, dass sie deine übrige Familie sind. Keiner von beiden hatte Geschwister, deine Großmutter auch nicht. An Familie bleiben dir nur die beiden.“, versucht die alte Frau auf mich einzureden. „Du und Ludger und Jen und Juls und ihre Familien, waren mir in der Vergangenheit mehr Familie als die beiden es jemals waren.“, erinnere ich sie. „Das stimmt schon, aber....“, ich schüttel den Kopf und falle Ludger dann ins Wort. „Es gibt kein aber. Mir ist es egal wer die beiden sind. Für mich steht einfach fest, dass ich sie nicht kennen lernen will. Punkt. Ende. Aus.“
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