12▪️ Argumente
▪️Nächster Morgen, 25. Juni 2016▪️
Ich spüre sämtliche Knochen und habe Muskelkater an stellen, wo ich noch nicht mal wusste das man dort Muskelkater bekommen kann. Harry und ich sind gestern Abend noch auf der Couch eingeschlafen und erst irgendwann nachts wach geworden. Er hat mir angeboten dort zu schlafen und wollte mir sogar sein Bett zum wiederholten Mal anbieten, allerdings habe ich Dankend abgelehnt und bin in mein Bett gekrochen.
Ich bin direkt eingeschlafen und habe zum ersten Mal seit langem wieder richtig gut geschlafen, dennoch liege ich schon einige Zeit wach und lasse mir Harrys Vorschlag durch den Kopf gehen. Ich hatte gestern mir ihm so viel Spaß wie schon lange nicht mehr, obwohl wir eigentlich nur eine Sightseeing-Tour gemacht haben, aber es war, bis auf dem Moment als ich ihm von Granny erzählt habe, total locker und überhaupt nicht so, als würden wir uns grade mal ein paar Tage kennen. Ich habe nie daran geglaubt, dass man mit jemanden direkt auf einer Wellenlänge sein kann, wurde allerdings besseres belehrt. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass er mir versprochen hat, einen schönen Geburtstag zu bereiten oder daran, dass er vielleicht wirklich nur froh über etwas Gesellschaft ist, aber sollte es nicht egal sein, warum wir beide uns so gut verstanden haben?
Fakt ist, dass weder Juls noch Jen Zeit haben hier nach Panama zu fliegen um mir dabei zu helfen diese dämliche Liste abzuarbeiten und ich mir ziemlich sicher bin, dass ich es ohne jemanden, der mir in den Hintern tritt und für mich da ist, wenn es mir schlecht geht, sicherlich nicht schaffen werde. Juls Vorschlagen einfach wieder nach London zu kommen um mit ihrer und Jens Hilfe wieder etwas Normalität in meinen Leben zu finden und dann einfach noch mal durch zu starten, ist eigentlich eine ganz gute Idee, dennoch bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob ich dann wirklich noch mal den Hintern hoch bekomme.
Aber kann ich Harry, den ich überhaupt noch gar nicht so lange kenne, wirklich zumuten, mich Trauerklos täglich aus halten zu müssen und mir wohl möglich noch bei dem einen oder anderen Punkt zu helfen? Er weiß überhaupt nicht was er sich mit mir auf brummt.
Ich lege mir meinen linken Arm über die Augen. Verdammt selbst diese eine Bewegung verursacht schmerzen in meinem Arm und das obwohl wir gestern gelaufen sind. Es ist ja nicht so, dass wir Ultra viel Sport getrieben hätten. Als ich mein Handy höre gebe ich ein stöhnen von mir und strecke mich unter Qualen in Richtung Nachtschränkchen.
„Ich hoffe es hat einen Grund warum ihr mich wach macht.", beschwere ich mich. „Ich mache dich wach. Jen ist in der Bibliothek und meinte wir sollten dich lieber nicht wecken." „Und warum hörst du nicht einmal auf sie? Nur einmal?", will ich von ihr wissen und höre wie sie leise lacht. „Du hörst dich genauso an wie gestern meine liebe Amilia.", höre ich Juls sagen. „Dabei habe ich gestern keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt." Ich höre sie wieder, oder immer noch, lachen. „Ernsthaft? Wieso hörst du dich dann so fertig an?" „Harry hat mich gestern quasi durch die ganze Stadt gescheucht. Ich glaube so lange war ich noch nie, nur zu Fuß unterwegs.", erzähle ich ihr. „Also war es nicht so gut?" Kurz überlege ich. „Doch, eigentlich war es sogar sehr gut. Wir haben echt wirklich viel gesehen." „Okay und wieso klingt es alles andere als Überzeugend?" Ich seufze. „Vielleicht, weil ich so kaputt bin wie schon lange nicht mehr?", schlage ich vor und höre sie lachen. „Juls echt, dass ist sowas von überhaupt nicht witzig." „Okay, okay. Was habt ihr denn so gesehen und vor allem gemacht? Hat er sich an unsere Forderungen gehalten?", will sie von mir wissen. „Wir haben uns Panama angeschaut.", erinnere ich sie. „Was habt ihr gesehen?", wiederholt sie ihre Frage.
„Wir haben uns die Kathedralen angeschaut, waren in der Ruinenstadt und auf den traditionellen Markt in der Altstadt, die wir uns auch noch nebenbei angeschaut haben und ich bin sowas von froh, dass Harry mich davon abgehalten hat mit diesen Micha zu gehen, denn so schön ist diese Altstadt überhaupt nicht, und dann waren wir noch am Panama Kanal, aber nur kurz, weil es schon angefangen hat zu dämmern und Harry lieber wieder in Richtung Hotel wollte.", gebe ich ihr die Kurzfassung. „Okay und was ist mit den einundzwanzig Sachen oder die Tatsache, dass du zumindest mal einen Tag auf andere Gedanken kommen solltest?" Ich seufze. „Einundzwanzig Sachen Nein. Das geht an einem Tag überhaupt nicht, wenn man die Geschäfte so ziemlich meidet - immerhin wollten wir uns die Stadt anschauen und nicht shoppen gehen und bevor du irgendwas sagst, Harry kann nichts dafür, er selber hat vorgeschlagen in das Shopping Center zu gehen, allerdings habe ich dankend abgelehnt." Ich hole Luft und setzte mich ein wenig auf und merke direkt das ziehen in den Waden. Mein Muskelkater ist echt schlimmer als gedacht. „Das mit den auf anderen Gedanken kommen, hat in gewissen Maßen allerdings sehr gut geklappt. Er hat echt ein Händchen dafür jemanden Abzulenken.", lasse ich sie noch wissen, bevor sie etwas sagen kann.
„Du magst ihn also?", will sie von mir wissen. „Er ist Nett und wir haben uns echt gut verstanden." „Das klingt doch gut, nebenbei ist er doch auch echt heiß.", höre ich sie sagen und verdrehe nur die Augen. „Oder findest du nicht?" „Keine Ahnung." Sie gibt ein genervtes stöhnen von sich. „Okay, okay. Siehst du ihn denn wieder bevor du nach Hause kommst?", will sie von mir wissen. Ich beiße mir auf die Lippen. „Keine Ahnung, ob ich überhaupt nach Hause komme und ja mein ganzes hin und her tut mir echt Leid." „Kein Ding. Verstehe mich nicht falsch, ich werde auf jeden Fall hinter dir stehen, wenn du nach Hause kommst und ich erkläre mich auch bereit, dich auf deinen Nächste Reise zu begleiten, dennoch fände ich es echt toll, wenn du es jetzt durchziehst. Es tut dir gut und hilft vielleicht auch mit allem ein wenig besser klar zu kommen, immerhin war es Grannys letzter Wille. Aber verrate mir doch mal woher der Sinneswandel kommt." „Harry hat vorgeschlagen, dass wir einfach ein wenig Zeit mit einander verbringen, weil mein Problem im Moment einfach das Allein sein ist.", verrate ich ihr. „Du hast mit ihm drüber geredet?", will sie überrascht von mir wissen. Ich zucke mit den Schultern auch, wenn ich genau weiß, dass sie es nicht sehen kann. „Nur grob und auch nur, weil er gefragt hat und ich es unfair gefunden hätte, wenn ich überhaupt nichts erzähle, wo er doch schon so freundlich war und mit mir den Tag verbracht hat.", erkläre ich ihr. „Und dann hat er es einfach so vorgeschlagen?"
„Nein. Er hat es erst viel später vorgeschlagen. Nachdem ich euer Päckchen geöffnet habe und mir bewusst wurde das ihr auf jeden Fall hinter mir steht und...." - „Als wenn Jen und ich das nicht von vorne rein klar gesagt haben.", unterbricht sie mich etwas empört. „So meine ich das dich gar nicht. Als ich euer Päckchen bekommen habe war es, als hätte jemand einen Schalter in mit umgelegt. Alles hat irgendwie Sinn gemacht, auch wenn ich ihn jetzt nirgends mehr finden kann, und als ich Harry dann gesagt habe, dass das eigentlich Problem das Alleinsein ist, meinte er. Ich solle mich einfach ihm anschließen.", erkläre ich ihr nun weiter. „Klingt doch eigentlich nach einer ganz klugen Idee, was hast du gesagt?", will sie von mir wissen. Ich schließe kurz die Augen. „Das ich eine Nacht drüber schlafen will.", verrate ich ihr. „Und was hat die Nacht dir so geraten?" Ich seufze. „Wenn ich das wüsste Juls, könnte ich dir das sagen.", gebe ich von mir. „Okay, wo genau ist denn das Problem?", will sie von mir wissen. „Ich kenne Harry doch gar nicht." Ich höre sie stöhnen. „Lia, so kannst du das je jetzt auch nicht sagen, immerhin habt ihr den gestrigen Tag miteinander verbracht." Etwas gequält setze ich mich noch einmal anders hin bevor ich sehr langsam, fast in Zeitlupe, die Füße aus dem Bett schwinge und aufstehe. „Amilia rede mit mir.", fordert sie von mir. „Wer gibt mir die garantie, dass es zwischen uns klappt, wenn wir den ganzen Tag aufeinander hängen?", will ich von ihr wissen. „Mach es doch nicht so kompliziert. Ihr wollt schließlich nicht gleich eine Beziehung anfangen und nach drei Tagen Heiraten, sondern einfach nur zusammen reisen und vielleicht den einen oder anderen Punkt von Grannys Liste gemeinsam abhaken.", entgegnet sie. „Trotzdem sollten wir uns verstehen, findest du nicht?", will ich von ihr wissen. „Natürlich, aber ob es so ist, findest du nur heraus, wenn du es Probierst." Ich lehne mich am Fenster an der Wand. „Und wenn nicht?" „Dann ist es ebenso. Dann kannst du immer noch deine Sachen packen und nach Hause kommen, wenn du dann immer noch unbedingt nach Hause willst.", sagt sie mit voller Überzeugung.
Sie schafft es sogar, dass ich ganz kurz ebenso überzeugt bin wie sie, allerdings kommt mir dann schon wieder ein ganz anderer Punkt, der mich daran zweifeln lässt. „Wir haben mir schon ein Flug für ihn zwölf, oder jetzt nur noch elf, Wochen gebucht. Kannst du dich erinnern? Das haben Jen und du ganz heimlich gemacht, als ich am Tag meiner Abreise noch bei Ludger und Greta war.", erinnere ich sie und bin lang nicht mehr so böse wie an dem Tag an dem sie mir per Nachricht geschrieben haben, dass sie beschlossen haben mir ein Dateline zu setzen und erwarten, dass ich in zwölf Wochen, meinen Hintern wieder nach London bewege, weil sie dann doch nicht ganz so lange ohne mich sein wollen.
„Ja..... Ich verstehe nicht ganz was das mit dem Thema nun zu tun hat.", informiert sie mich. Ich streiche mir die Haare hinters Ohr. „Harry will weiter ziehen. Er bleibt nicht hier in Panama City. Wer weiß wo wir eventuell in elf Wochen sind." Sie räuspert sich. „Ähm, da sollte ich dir vielleicht etwas beichten: Unsere Buchungsbestätigung war vielleicht etwas gefälscht. Nur ein bisschen. Ich mein du kennst Jen, sie hatte an dem Tag einfach ein wenig Panik, dass du nicht so schnell wieder kommen würdest, weil wir fest davon überzeugt waren, dass du erst wieder kommst, wenn so ziemlich jeder Punkt auf der Liste abgehakt ist." Ich höre wie sie Luft holt. „Dann haben wir auf jeden Fall beschlossen, dir ein wenig in den Hintern zu treten oder dich zumindest etwas unter Druck zu setzen.", beichtet sie mir. Ich weiß grade echt nicht ob ich lachen oder heulen soll. Die beiden sind doch echt immer wieder aufs Neue unbezahlbar. „Na super." „Es war ja nicht böse gemeint." „Ich weiß, aber das verkürzt meine Anzahl an Ausreden grade um eins.", lasse ich sie ehrlich wissen und höre sie doch tatsächlich lachen. „Na wenn es sonst nichts ist, lass uns die anderen Ausreden doch auch noch ausradieren.", schlägt sie vor. Ich seufze. „Ich kenn ihn nicht.", wiederhole ich mich, allerdings überzeugt noch nicht mal mich der Punkt. „So genau stimmt das nicht, dass weißt du selber. Andere begeben sich extra auf Reisen, um neue Leute kennen zu lernen." „Ich aber nicht." „Aber Granny hat voraus gesagt, dass sich eine Freundschaft fürs Leben entwickelt, wenn du jemanden die Kaugummis schenkst.", erwidert sie. Ich verdrehe die Augen. Immer wieder dieses Thema. Es war einfach nur Zufall, dass Harry mich angesprochen hat und wir dann auch noch im selben Hotel wohnen. Das hat verdammt noch mal nichts mit Grannys Liste zu tun. „Jetzt fang nicht wieder damit an.", stöhne ich. „Okay, dann nicht. Dennoch finde ich echt, dass du Harrys Angebot annehmen solltest."
„Ja vielleicht sollte ich das wirklich.", höre ich es aus meinen Mund kommen und überrasche mich damit selber extrem. „Bist du dir sicher?", hakt sie nach, aber nicht um mich zu verunsichern, sondern einfach nur um sicherzustellen, dass ich es auch wirklich ernst meine. „Ich denke schon, schließlich kann ich mich jederzeit Abkapseln oder?" „Auf jeden Fall. Allerdings solltest du das wohl eher mit Harry klären." Ich seufze schon wieder. „Vielleicht, wenn er nicht seine Meinung schon längst geändert hat. Vielleicht wollte er gestern auch einfach nur nett sein, als er es vorgeschlagen hat.", gebe ich von mir. „Genau. Schließlich hat er auch nur vorgeschlagen, den gestrigen Tag mit dir zu verbringen, weil er nett sein wollte.", kommentiert sie. „Vielleicht." „Vielleicht fällt auch grade in diesem Moment ein Regal voll mit Büchern auf unsere lieben Jen oder der Kerl neben uns schmeißt eine Portion Spagetti aus dem Fenster." Etwas verwirrt öffne ich das Fenster ganz und lasse so etwas mehr frische Luft rein - im Gegensatz zu gestern scheint es heute etwas Frisch zu sein. „Warum sollte Pad, so heißt er doch oder, das tun?", will ich schließlich wissen und ignoriere ihre Aussage, dass Jen vielleicht etwas passieren könnte. „Wieso sollte Harry etwas sagen und es dann nicht so meinen?", erwidert sie.
„Punkt an dich." Sie lacht. „Yeay. Gibt es noch mehr Punkte die dagegen sprechen?", will sie von mir wissen und hört sich so entschlossen an, alles ins gute zu wandeln. „Keine Ahnung, ich denke ich bin schon wieder an dem Punkt, an dem ich überhaupt nicht weiß was ich machen soll oder nicht." „Dann spulen wir ein klitzekleines bisschen zurück und tun einfach so, als ob ich dich niemals gefragt hätte ob du dir sicher bist.", schlägt sie vor. „Und was bringt das?" „Da hast du selber gesagt, dass du es vielleicht tun solltest." „Stimmt." „Stimmt?", sie hört sich ein wenig überrascht an. „Ja." „Also nimmst du Harrys Angebot an?" Ich runzle kurz die Stirn und versuche mich an alle Vor- und Nachteile zu erinnern die grade auf dem Tisch gelandet sind, scheitere allerdings kläglich an die Nachteile. Wieso kann ich nicht einfach so überzeugt von der ganzen Sache sein, wie auch Juls und Jen, wenn sie denn bei unserem Gespräch anwesend gewesen wäre. Probieren geht über Studieren und ich kann zu jedem Zeitpunkt meine Sachen packen und doch wieder nach London zurück kehren. Es ist also eine ganz einfache Sache.
„Vielleicht"
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