1▪️Trauer

Ich wünsche euch einen schönen dritten Advent
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▪️15 Juni 2016▪️

Mit verheult Augen stehe stehe ich vor Jen und Juls, meine besten Freundinnen seit Kindergartentage, allerdings sehen die beiden auch nicht besser aus. Die rothaarige fällt mir um den Hals. "Lia, ich will nicht das du gehst.", lässt sie mich schluchzend wissen. Ich erwidere ihre Umarmung. "Jen, ich komme doch wieder.", erinnere ich die jüngste von unserem dreier Gespann, auch wenn wir drei nur ein paar Monate auseinander sind. "Ich weiß, aber du hast doch überhaupt keine Ahnung, wie lange du weg bleibst.", erwidert sie traurig und ich muss mich echt anstrengen, nicht auch wieder anzufangen. "Wenn sie in spätestens zwölf Wochen nicht wieder hier ist Jen, dann holen wir sie höchst persönlich wieder zurück.", mischt sich nun Juls ein. Die älteste von uns dreien hat schon immer gerne die Zügel in die Hand genommen. Sie ist meistens die vernünftig von uns dreien und hält uns einfach zusammen. "Wenn der Kontakt abbricht und wir überhaupt nicht wissen wo sie oder...." - "Stopp Jen.", unterbreche ich meine beste Freundin und löse mich aus der Umarmung. Meine Hände lege ich auf ihre Schulter und schaue sie ernst an. "Wir werden auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Wir haben das doch schon total oft durchgekaut. Spätestens alle zwei Tage schreiben wir drei und jeden Samstag um Neunzehn Uhr Londoner Zeit skypen wir.", setze ich nun nach. "Ich weiß, aber es kann doch so viel passieren.", kommentiert sie nun und schaut mich mit ihren großen braunen kuller Augen an.

"Okay jetzt lass aber mal die Kirche in Dorf Jen. Amilia beherrscht Kampfsport, weiß sich also zu verteidigen. Was soll denn da passieren?", will Juls von ihr wissen. "Keine Ahnung.... Vielleicht...." - "Nichts vielleicht. Lia setzt sich heute abend in den Flieger, mietet sich ein Doppelzimmer, sucht sich ein Typen für eine Nacht, bekommen....." - "Wow, von nem Typen war niemals die rede.", unterbreche ich die schwarz Haarige, die mich nun grinsend anschaut. "Deine Oma, wollte das du nach ihrem Tod einfach mal die den Kopf frei bekommst. Dinge tust die du sonst niemals tun würdest. Warum also nicht auch mit einem wildfremden Typen, in die Kiste springen und ein bisschen Spaß haben?", erwidert sie. Mit Tränen in den Augen zucke ich mit den Schultern.

Grannys Tod ist nun drei Wochen her und noch immer gibt es keinen Tag der Tränenlos endet. Es hat einfach eine riesen Kluft in mein Leben gerissen und ich habe keine Ahnung wie ich es wieder füllen kann. "Juls, musste dieses Thema nun wirklich sein?", fragt die rothaarige wissen und sieht sie vorwurfsvoll an. "Sorry." Meine beiden Freundinnen ziehen mich in eine fest Umarmung. "Ich weiß gar nicht wie ich die nächsten Wochen ohne euch überstehen soll.", gebe ich etwas verzweifelt von mir. "Wenn dir das alles noch zu früh ist...." - "Kommt überhaupt nicht in Frage! Amilia wollte direkt fliegen, wenn die Beerdigung vorbei ist und wir so auch alles erledigt haben. Nun hat sie es alles erledigt und es wird Zeit das sie die Sache durchzieht.", unterbricht Juls Jen. Ich wische mir meine Tränen aus dem Gesicht. Meine beste Freundin hat einfach recht - ich muss jetzt die arschbacken zusammen kneifen und tun, was ich eben tun muss oder will, um mit all dem umzugehen, vielleicht bringt es ja wirklich etwas.

Vor drei Wochen war die Welt noch im Ordnung. Ich habe drei mal die Woche in ein Nobelrestaurant in London gekelnert und die übrige Zeit mit meinen Freundinnen, Granny und meinen Fernstudium verbracht, weil ich einfach kein Platz an der Uni bekommen habe, aber zugegebenermaßen habe ich auch ein wenig mit der Anmeldung geschludert - zu meinet Verteidigung muss ich aber ehrlich sagen, dass ich grade zu dem Zeitpunkt in eine echt schwere Phase war, was natürlich Überhaupt keine Entschuldigung ist, denn immerhin ging es um meine Zukunft. Ich hatte zu dem Zeitpunkt einfach keine Ahnung was ich machen will. Granny war zwar nicht grade begeistert davon, dass ich nach der Schule erst einmal nur angefangen habe hier und da zu Jobben, hat mich allerdings voll und ganz unterstützt und war dann um so begeisterter, als ich mein Fernstudium für Marketing angefangen habe. Ich habe die Zeit mit Granny so sehr genossen und war heil froh, dass sie im Gegensatz zu ihren Freunden Annelise, Greta und Ludger relativ fit war.

Um so schlimmer, hat es mich allerdings getroffen, als Greta mich vor drei Wochen auf der Arbeit angerufen hat, um mir mitzuteilen dass Granny ihr nicht die Tür auf macht, obwohl sie schon vor eine Stunde verabredet waren, meine Großmutter aber eigentlich immer eine sehr, sehr pünktliche war, und sie auch nicht ans Handy geht. Mit meiner Einverständnis hat sie die Polizei geholt, weil ich bei dem Verkehr mindestens eine Stunde gebraucht hätte, die die Türe aufgemacht haben und Granny dann leblos im Bett aufgefunden hat. Ihr Herz hat einfach aufgehört zu schlagen, hatte der Arzt mir nachher erklärt.

"Juls hat recht und ich sollte jetzt auch wirklich los, immerhin will ich noch bei Greta und Ludger vorbei und muss auch schon in dreieinhalb Stunden am Flughafen sein.", gebe ich von mir um nicht noch mehr in Gedanken zu versinken. "Sollen wir wirklich nicht mit zum Flughafen? Wir fahren dich doch gerne.", versucht Juls es noch einmal. Diese Diskussion führen wir schon, seit ich beschlossen habe das mit der Liste von meinem dreizehnten Geburtstag, durchzuziehen. Eigentlich bleibt mir auch überhaupt nichts anderes übrig, denn immerhin hat sie mich noch in ihrem Testament daran erinnert und mir für den ganzen "Spaß" auch noch um die 500000 Pfund vermacht.
Ich schüttel den Kopf. "Nein, nein, schon gut. Wahrscheinlich würde ich mich nicht mal in den Flieger steigen, wenn ihr mit kommt." "Wie du willst, aber wenn du dich dazu entscheidest doch nicht zu Fliegen und einfach noch ein bisschen Zeit brauchst, dann wird dir das niemand übel nehmen.", versichert Jen mir. Ich nicke. "Ja ich weiß." Die beiden zerdrücken mich noch einmal gleich zeitig ehe sie sich von mir lösen. "Wir haben da übrigens noch etwas für dich, weil wir ja nicht kommen können.", lässt Jen mich wissen, dreht sich um und verschwindet in ihr Zimmer. Mit einem Kissen kommt sie wieder. "Wir haben dir ein Tröstekissen gekauft, welches du ganz doll drücken kannst, wenn es dir mal schlecht geht und wir nicht da sind.", erklärt Juls mir während meine andere beste Freundin mir das Kissen in die Hände drückt. Wieder füllen sich meine Augen mit Tränen. "Lia, wenn du nun schon wieder anfängst zu flennen, dann sperre ich dich auf den Dachboden.", warnt Juls mich grinsend. Ich erwidere das grinsen und wische die Tränen weg. "Okay ihr zwei, dann sollte ich jetzt aber wirklich abdüsen.", gebe ich von mir, umarme jede einzelne einmal fest und nehme dann meine gepackte Reisetasche. Kurz ziehe ich die beiden noch einmal in eine flüchtige Umarmung, bevor ich zu sehe, dass ich verschwinde.

Die beiden wohnen in eine große Wohnung mitten in London, gegenüber vom Regent's Park. Sobald ich auch wieder in London bin, werde ich das dritte, freie Zimmer beziehen, welches ich schon für die letzten drei Wochen in Beschlag genommen habe. Ich hätte es ja schon viel früher haben können, allerdings fande ich es bei Granny viel schöner, aber das Haus ist nur für mich alleine viel zu groß und da auch viel zu viele schöne Erinnerungen darin stecken, hat Großmutter, ohne mein wissen, schon weit vor ihrem Tod, dass Haus verkauft, allerdings eine Klausel in den Vertrag einbringen lassen, dass ich nach ihrem Tod mindestens noch zwei weitere Jahre drin wohnen bleiben dürfte - was ich aber auf keinen Fall will.

Mit meiner Reise- sowie Handtasche und das Kissen welches mir die Mädels grade geschenkt habe, bin ich nach einer dreißig Minütigen Taxi fahrt an dem betreuten Wohnen für ältere Menschen angekommen, in dem Greta und Ludger wohnen. Das ältere Paar wohnt schon seit einigen Jahren hier, weil sie Gesundheitlich nicht mehr alt so fit sind. Die kleine rundliche Frau mit den grauen Haaren öffnet mir lächelnd die Tür. "Amilia schön das du heute noch vorbei gekommen bist.", gibt sie freudig von sich und zieht mich in eine feste Umarmung, die ich sichtlich genieße. Annemarie, Greta und Ludger kenne ich ebenfalls schon mein leben lang und sind neben meine Granny meine nächsten, älteren, Bezugspersonen - immerhin kenne ich meine Eltern nicht. "Ich habe doch gesagt, dass ich bevor ich zum Flughafen fahren noch einmal schnell Tee trinken komme.", erwidere ich. "Ich hoffe du hast Zeit mitgebracht, auch wenn du nur schnell einen Tee trinken willst.", entgenet sie. Ich stelle meine Taschen ab und lege das Kissen auf die Taschen. "Ich habe heute morgen extra Gewürzkuchen für dich gebacken.", lässt sie mich wissen.

Oh ich liebe diesen Kuchen....

"Aber ich muss in spätestens drei Stunden am Flughafen sein.", gebe ich von mir, weil bei denen kurz gerne mal ewig lange sein kann. Ich biege grade um die Ecke, als mich Ludger direkt in eine Umarmung zieht. Er vergisst gerne mal, dass ich keine fünf mehr bin und wirbelt mich durch das kleine Wohnzimmer. "Die kleine Milia ist da.", sagt er ganz euphorisch. Er ist der einzige der bei meinem Namen gerne mal das A weg lässt. "Also ehrlich, klein ist ja wohl das falsche Wort. In zehn Tagen wird sie 21. Das ist alles andere als klein.", kommentiert Greta. "Für mich wird sie immer die kleine Milia bleiben. Das weiß sie und dass wird sich auch nicht ändern, wenn sie offiziell in allen Ländern volljährig ist.", gibt er stur von sich und grinst mich an. Ich schaue Greta an, die bloß die Augen verdreht.

Wir drei setzten uns an dem runden, gedeckten Tisch. "Hast du dir nun eigentlich schon überlegt wo es hingehen soll?", will Greta von mir wissen, schüttet Tee ein und verteilt Kuchen. "Ja erst einmal nach Panama und von dort will ich dann mal schauen, wo es mich hinverschlägt.", gebe ich von mir. "Panama? Kindchen was willst du denn in Panama?", fragt mich Greta entsetzt. "Granny meinte, dass ich etwas wagen soll und das nichts einen Sinn haben muss. Ich denke mal Panama ist ganz schön.", antworte ich ihr und verheimliche ihr dabei, dass Jen, Juls und ich unabhängig von einander verschiedene Länder auf einen Zettel geschrieben haben und dann einfach ein Los gezogen haben, der für mich entschieden hat, wo es hin geht. "Sie muss es doch selber wissen.", nimmt Ludger mich in Schutz. Dankend schaue ich ihn an und stecke mir ein Stück von dem Kuchen in den Mund.

Gemütlich haben wir den Kuchen gegessen, auch wenn ich andauernd auf die Uhr geschaut habe. Vor zehn Minuten haben wir mir dann ein Taxi bestellt und stehen mittlerweile auch an der Tür.
"Was wir aber noch Fragen wollten, du willst wenn du zurück kommst, wirklich nicht weiter in dem Haus wohnen?", fragt er mich schließlich und bekommt ein Kopfschütteln als Antwort. "Nein auf keinen Fall. Zum einen ist das Haus viel zu groß für mich und zum anderen hängen einfach viel zu viele Erinnerungen dran. Ich bleibe bei Juls und Jen, meine Sachen sind eh schon alle dort."
"Verstehen kann ich dich. Dir ist es also recht, wenn wir diese komische Klausel auflösen? Dir steht dann immerhin noch etwas Geld zu.", erwidert Ludger, auch wenn ich keine Ahnung habe wie er das genau meint. Warum sollte mir Geld zustehen, wenn das Haus eh bereits verkauft ist? Allerdings wundert mich kaum noch etwas. Die letzten Tage haben immer mehr den Anschein gemacht, als hätte Granny Punkt für Punkt durchdacht und wollte absolut nichts den Zufall überlassen. "Natürlich. Ähm wärt ihr denn so lieb und würdet ab und zu auch mal auf den Friedhof fahren? Ich habe gestern zwar schon die ganzen Blumen und Kränze von der Beerdigung weggeworfen und alles schön bepflanzt und Juls und Jen haben versprochen auch zwischendurch mal zu gehen um die Blumen zu gießen, aber die beiden sind nun mal auch am Arbeiten und in der Uni un..." - "Mach dir keine Sorgen. So lange du weg bist, schauen wir neben den Mädels auch regelmäßig nach dem Grab.", verspricht mir Greta und als ich sie anschaue sehe ich Tränen in ihren Augen, die ich die ganzen letzten Wochen vermisst habe. Sie war Grannys beste Freundin und hat, zu mindest in meiner Anwesenheit, keine einzige Tränen vergossenen. Mich hat es etwas gewundert, dennoch war ich heil froh sie und auch Ludger und Annelise an meine Seite zu haben, die drei haben mir einfach eine Menge abgenommen und Dinge mit mir erledigt, an denen ich niemals gedacht hätte. Ich umarme sie fest. "Danke.", gebe ich leise von mir.

"Nicht dafür. Allerdings musst du uns hoch und heilig versprechen, in Panama auf dich auf zu passen und das du dich ab und an mal bei uns meldest.", fordert die grauhaarige Frau und bestimmend von mir. "Auf jeden Fall. Ich werde euch sogar regelmäßig wunderschöne Karten schreiben.", verspreche ich ihr. "Gut und wehe dir wenn nicht."

Beide umarme ich noch einmal, bevor ich meine Sachen nehme und die Wohnung verlasse, um Grannys angeordneten Abenteuer zu beginnen.








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