Zweideutige Gespräche
Lillys POV
Jetzt heißt es wieder auf den Zug aufzuspringen. Und ich glaube kaum, dass mir Eric dabei behilflich ist, so wie Zeke vorhin. Also, muss ich es diesmal wohl alleine schaffen. Eric rennt vor mir und schwingt sich gekonnt und ohne große Mühe in das Abteil. Nun bin ich dran. Ok, wie hatte Zeke es vorhin gemacht? Mit dem Fuß auf das Trittblech und die Hand an den Haltegriff. Bei ihm sah es auch gar nicht schwer aus.
Ich springe ab, schaffe es sogar auf das Trittblech, doch ich verfehle den Griff und fliege so der Länge nach in den Zug. Erics Reaktion nach zu urteilen, muss das Ganze für Unbeteiligte äußerst amüsant gewesen sein, denn er lacht lauthals los.
„Sehr witzig!", grummle ich nur. Da ist mir Zekes Gesellschaft doch tausendmal lieber. Sobald ich eine passende Gelegenheit finde, werde ich ihm das auch mitteilen.
Immer noch lachend, reicht er mir seine Hand. Kurz überlege ich, ob ich sie annehmen soll. Schließlich lasse ich mich nicht gerne auslachen, doch ich entscheide mich letztendlich dazu und so hilft er mir beim Aufstehen.
„Alles ok?", fragt er jetzt und grinst mich an.
„Wenn du endlich aufhörst zu lachen, schon!", murmle ich.
Man kann es ihm ansehen, dass er sich sichtlich zusammenreißen muss, allerdings kann er den nächsten Spruch scheinbar nicht stecken lassen.
„Ich hoffe nur, dass du vorhin etwas eleganter in den Zug gelangt bist! Denn so einen Auftritt vergessen die Ferox nicht so schnell!" Das ist meine Chance! Nun kann ich es ihm heimzahlen!
„Dank Zeke ist mir das zum Glück erspart geblieben! Der weiß halt genau, wie man ein Mädchen behandelt!" Dazu setze ich einen leicht verträumten Blick auf.
Sofort bemerke ich, wie sich seine Mine etwas verfinstert und er wieder ernst wird.
„So, so. Der gute Zeke!", meint er dann nur und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. Das macht mich jetzt verrückt. Er will mir offensichtlich etwas über Zeke erzählen. Warum macht er es dann nicht einfach? Natürlich ist mir klar, was er vorhat. Er erwartet, dass ich nachfrage. Obwohl es mich schon interessiert, was er gerade denkt, habe ich absolut keine Lust auf sein Spiel einzugehen.
„Ja genau der!", meine ich deswegen nur.
„Das ist sehr interessant!" Jetzt reicht es mir wirklich! Das nervt total!
„Was willst du mir sagen? Spuck es doch endlich aus! ", sage ich ohne weiter drum herum zu reden und stelle mich an die gegenüberliegende Wand.
„Ich denke nur, dass dein Vater nicht so begeistert sein wird, davon zu erfahren.", meint er schulterzuckend.
„Wovon?" Was will er eigentlich?!
„Na, so wie es sich anhört, scheint ihr euch ziemlich gut zu verstehen.", wirft er mir den nächsten Brocken zu.
„Ja, wir verstehen uns gut und wir hatten heute viel Spaß zusammen. Was ist daran so schlimm?", will ich leicht genervt wissen.
„Ich kenne Zeke schon seit meiner Initiation und deswegen weiß ich, was er für eine Wirkung auf Frauen haben kann. Allerdings hatte er bisher noch keine ernsthafte Beziehung, was dazu geführt hat, dass er schon viele Frauen enttäuscht hat, die auf mehr gehofft hatten."
„Und warum genau erzählst du mir das?" Geschmeidig schrittet auf mich zu und bleibt direkt vor mir stehen.
„Damit du auf dich aufpasst, Lilly!" Langsam verstehe ich gar nichts mehr. Will er jetzt Zeke nur schlecht machen? Oder ist da vielleicht doch etwas Wahres dran? Macht er sich etwa Sorgen um mich?
„Ich bin schon ein großes Mädchen, ich kann gut auf mich selber aufpassen!", dabei grinse ich ihn frech an. Er kommt noch ein Stück näher und stützt sich mit dem rechten Arm neben mir an der Wand ab. Dann beugt er sich etwas zu mir herunter und schaut mir tief in die Augen.
„Also, unter groß verstehe ich aber was anderes." Jetzt fängt er wieder so an. Allerdings kann ich das auch.
„Du scheinst dich damit ja gut auszukennen!", kontere ich ohne meinen Blick von ihm zu lösen.
„Darauf kannst du dich verlassen, Kleine.", meint er und dabei wird seine Stimme ein bisschen tiefer.
Irgendwie erinnert mich diese Situation total an gestern auf dem Dach. Was hat Eric nur an sich, dass ich mich von ihm angezogen fühle. Ich kann einfach nicht anders, als auf seinen Spruch einzugehen.
„Na, vielleicht kannst du mich ja mal bei passender Gelegenheit davon überzeugen!" Während ich das sage, fahre ich ihm mit dem Zeigefinger über die Brust. Als ich ihm erneut ins Gesicht sehe, begegne ich seinem lustvollen Blick.
„Du solltest langsam wirklich aufpassen, was du zu wem sagst.", haucht er mir zu. Ich spüre seinen heißen Atem direkt an meinem Mund.
„Warum?", frage ich weiter nach. Scheinbar weiß er nicht, was er dazu sagen soll. Das kann ich in seinen Augen erkennen. Hurra! Jetzt habe ich es geschafft. Das will ich auskosten und füge grinsend hinzu.
„Kann es vielleicht sein, dass ich dich aus dem Konzept bringe?"
OK, dieser Spruch gefällt ihm gar nicht. Er fängt sich wieder, tritt einen Schritt zurück und meint nur, als wenn nichts gewesen wäre.
„Das hättest du wohl gerne!" Denkt der wirklich, dass ich nicht bemerke, was ich für eine Wirkung auf ihn habe? Aber da wechselt er bereits das Thema.
„Du hast also 2 Tattoos?"
„Und du hast Zeke und mich belauscht!" Ich bin etwas schockiert. Warum hat er mich dann nicht sofort von Zeke weggerissen, sondern erst als Zeke mich berührt hatte? Ist er etwa eifersüchtig? Doch das kann ich mir bei ihm eigentlich nicht vorstellen. Dazu ist er nicht der Typ. Außerdem sind wir ja nicht zusammen.
„Das tut jetzt nichts zur Sache.", meint er einfach nur und fordert mich dann harsch auf.
„Zeig sie mir!"
„Warum sollte ich!" Dabei verschränke ich die Arme vor der Brust. Von ihm lasse ich mich nicht so herumkommandieren.
„Weil du heute schon wieder gegen den Hausarrest verstoßen und somit auch gegen deinen Vater gehandelt hast." Ich schaue ihn nur weiter unbeeindruckt an. Ein weiteres Mal lasse ich mich von ihm nicht erpressen.
„OK, weil ich mich sehr für Tattoos interessiere.", versucht er es jetzt anders.
„Der Grund ist schon etwas überzeugender, aber da fehlt trotzdem noch was!", meine ich mit einem abwartenden Blick, woraufhin er die Augen verdreht.
„Bitte, Lilly!", murmle er dann genervt.
„Geht doch!" Nun gehe ich einen Schritt auf ihn zu und halte ihm mein Handgelenk hin. Er betrachtet das Tattoo genau. Dann fährt er kurz mit den Fingern darüber, so dass sich eine Gänsehaut über meinen kompletten Körper zieht.
„Es sieht wirklich gut aus.", sagt er.
„Danke, so habe ich immer etwas, dass mich an meine Mutter erinnert." Unwillkürlich muss ich sofort an sie denken und werde schlagartig traurig. Ich wende den Blick von ihm ab. Um nicht in Tränen auszubrechen, spreche ich ein anderes Thema an.
„Haben deine Tattoos auch irgendeine Bedeutung?", frage ich deswegen, immer noch ohne ihn anzuschauen.
„Ja, alle.", meint er nur knapp.
„Verrätst du mir die Bedeutung von einem deiner Tattoos?" Jetzt blicke ich ihn wieder an. Er scheint zu überlegen. Im nächsten Moment wendet er sich Richtung Tür.
„Morgen! Jetzt müssen wir abspringen." Mit diesen Worten nimmt er meine Hand und zieht mich zum Ausgang. Gemeinsam springen wir, so dass ich diesmal keine Bruchlandung hinlege. Auch danach lässt er mich nicht los, erst als wir das Hauptquartier betreten. Dort dreht er sich zu mir.
„Du musst dich jetzt beeilen. Max wird bald zurück sein."
„OK!" Ich will schon losstürmen, als er mich noch mal an der Hand festhält.
„Denk an morgen. Ich erwarte, dass du pünktlich bist." Unwillkürlich muss ich die Augen verdrehen.
„Denkst du etwa, ich würde es wagen, den ach so tollen Anführer warten zu lassen." Nun beugt er sich näher zu mir und flüstert in mein Ohr.
„Morgen musst du mir übrigens auch noch dein zweites Tattoo zeigen!"
Dabei zieht sich ein angenehmer Schauer über meinen Rücken. Dadurch schafft er es wirklich mich für einen kurzen Moment aus der Fassung zu bringen. Hilfe! Das passiert mir heute bereits zum zweiten Mal, zuerst bei Zeke und jetzt wieder. Was ist nur los? Bevor ich überhaupt irgendetwas erwidern kann, ist er verschwunden. Schnell mache ich mich auch auf den Heimweg und schaffe es gerade noch rechtzeitig.
Den restlichen Abend verbringe ich mit meinem Vater. Wir essen gemeinsam und ich erfahre immer mehr über ihn. Am Abend gehe ich nicht zu spät ins Bett, weil ich morgen ja zeitig aufstehen muss. Doch ich kann nicht wirklich einschlafen, weil ich lange über diesen Tag nachdenke. Irgendwie habe ich heute so viel erlebt und einige Dinge kann ich mir absolut nicht erklären.
Zum einen diese Situation mit Zeke im Zug. Ich habe keine Ahnung, was da los war. Und vorhin, als sich Eric von mir verabschiedet hatte. Was war das? Es ist nicht so, dass ich noch nie einen Freund gehabt hätte oder noch nie verliebt war. Allerdings hatte ich bisher immer alles im Griff. Dass ich mich mal so gefühlt habe, wie heute, ist mir nicht bewusst. Was machen diese beiden Männern nur mit mir?
Bin ich etwa dabei mich zu verlieben? Aber wenn ja, in wen? Ich bin total verwirrt. Früher hätte ich mit meiner Mutter über solche Sachen sprechen können, doch nun muss ich alleine damit klarkommen. Mist, da sind wieder die Gedanken an Mum. Jetzt hier alleine im Bett kann ich sie zulassen und schon fließen die Tränen unkontrollierbar über meine Wangen.
Sie fehlt mir total. Gerade in diesem Moment, denn sie hatte immer und in jeder Situation ein offenes Ohr für mich und einen guten Ratschlag parat. Ich drehe mich auf den Bauch und drücke mein Gesicht in das Kissen, welches bereits nach kurzer Zeit durchweicht ist. Ich weiß nicht genau, wie lange ich noch so da liege, doch irgendwann schlafe ich vor Müdigkeit und Erschöpfung ein.
Am nächsten Morgen spüre ich deutlich, dass ich diese Nacht nur wenig Schlaf abbekommen habe. Nach einer ausgiebigen Dusche und einem guten Frühstück mit meinem Vater geht es mir schon etwas besser. Allerdings begleitet mich die Müdigkeit den ganzen Tag, so dass ich am Nachmittag abgespannt und kaputt nach Hause komme. Heute ist Dad bereits unterwegs, deswegen treffe ich ihn nicht mehr an. Das heißt aber auch, dass er mich nicht einsperren kann.
Ich schmeiße mich als erstes auf mein Bett und da würde ich nun am liebsten für den Rest des Tages liegen bleiben. Auf Eric habe ich eigentlich gerade gar keine Lust. Mein Gehirn funktioniert heute nicht richtig und ich möchte nichts Unbedachtes machen. Doch was wird passieren, wenn ich einfach nicht gehe? Sollte ich das wagen? Oder würde ich mir durch so eine Aktion noch mehr Schwierigkeiten bescheren? Morgen soll ich endlich offiziell vorgestellt werden. Womöglich würde Eric das verhindern und ich habe keine Lust hier weiter eingesperrt zu sein.
Mühsam richte ich mich auf und krame schnell in meinen Klamotten. Dort finde ich ein Neckholdertop, welches einen freien Blick auf mein Tattoo am Rücken ermöglicht. Darüber ziehe ich mir noch ein einfaches Shirt. Mehr mache ich nicht, schließlich ist das ja kein echtes Date oder so was. Warum soll ich mich also verrückt machen? Diesmal benutze ich die Tür und die Treppe, um aufs Dach zu gelangen. Als ich oben ankomme, sehe ich Eric schon am Rand warten. Er steht mit dem Rücken zu mir und bemerkt mich nicht. Offensichtlich rechnet er nicht damit, dass ich auf die normale Weise auf das Dach gelange.
Als ich auf ihn zu gehe, fällt mir auf, dass er ein Hemd trägt. Warum denn das? Soll das hier etwa doch so etwas wie ein Date sein? Es steht ihm wirklich gut und betont seine Muskeln deutlich. Ich kann nicht umhin ihn eingehend zu mustern. Lautlos bewege ich mich auf ihn zu und will ihn erst ansprechen, wenn ich direkt hinter ihm stehe. Allerdings scheint er ein ziemlich gutes Gehör zu haben, denn er dreht sich bereits in meine Richtung, bevor ich die Möglichkeit habe, meinen Plan in die Tat umzusetzen.
„Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du hast es dir anders überlegt." spricht er mich an. Das ist ja eine super freundliche Begrüßung.
„Um ehrlich zu sein, habe ich wirklich mit diesem Gedanken gespielt. ", erwidere ich deswegen. Wenn er mir jetzt nur Vorwürfe machen will, werde ich mich schnell wieder verkrümeln. Doch in diesem Moment kommt er auf mich zu, bleibt vor mir stehen und nimmt meine Hände in seine.
Er schaut mir tief in die Augen und meint dann mit einer etwas sanfteren und weicheren Stimme.
„Schön, dass du dich nicht umentschieden hast und jetzt hier bist. Ich habe mich wirklich auf heute gefreut und mir was Besonderes für dich überlegt."
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