Veränderungen
Mittlerweile bin ich alleine in der Wohnung. Ich weiß nicht genau, was Max eigentlich klären möchte, aber ich bin mir sicher, dass das noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. In der Zwischenzeit werde ich es bestimmt schaffen, mich ein bisschen um zu schauen. Schließlich habe ich mir wirklich schon lange gewünscht, endlich bei den Ferox zu sein und deswegen kann ich es jetzt gar nicht erwarten, meine neue Fraktion besser kennen zu lernen.
Also mache ich mich auf den Weg. Als erstes will ich in die Grube. Erstaunlicherweise finde ich sogar ziemlich schnell den richtigen Weg, was wohl auch daran liegt, dass es dort sehr lebhaft zu geht und man dadurch bereits aus einiger Entfernung erkennen kann, in welche Richtung man sich halten muss. Nun kann ich hier endlich alles ausgiebig erkunden.
Zu dieser Zeit sind eindeutig mehr Leute an diesem Ort als heute Mittag. Viele sind am Feiern, Tanzen oder Trinken. Außerdem findet in einem Teil zudem ein Schaukampf statt. Alle haben ihren Spaß. Genauso habe ich mir das Leben bei den Ferox vorgestellt und ich fühle mich sofort pudelwohl. Irgendwann fällt mir das Tattoo Studio auf, dass sich auf der zweiten Etage der Grube befindet. Das ist super! Genau das brauche ich dringend. Eine Veränderung. Neue Fraktion, neuer Look.
Somit betrete ich kurze Zeit später das Studio und erblicke eine junge Frau, auf die ich direkt zusteuere.
"Hallo. Kann ich mir hier auch die Haare färben lassen?", komme ich gleich auf mein Anliegen zu sprechen.
"Hallo. Ja, klar. Komm mit!" Ich folge ihr in einen separaten Bereich im hinteren Teil des Studios.
"Was hast du dir denn vorgestellt?", will sie dann wissen. Da ich bereits eine genaue Vorstellung habe, antworte ich sofort.
"Lila!" Ja, ich weiß, das ist schon ziemlich auffällig, aber da sich irgendwie alles in einem Leben in so kurzer Zeit so rapide geändert hat, wünsche ich mir gerade eine krasse Veränderung. Außerdem bin ich doch jetzt bei den Ferox. Da muss ich mich nicht mehr zurückhalten.
Nachdem ich mir aus einer Farbtabelle den richtigen Lilaton herausgesucht habe, will sich die Frau sogleich an die Arbeit machen. Allerdings fällt mir in dem Moment etwas wichtiges ein.
"Wie läuft das hier eigentlich mit der Bezahlung?" Augenblicklich schaut sie mich überrascht an. Natürlich weiß ich selber, dass ich daran eigentlich schon etwas früher hätte denken müssen, am besten bevor ich diesen Laden betreten hatte. Mir würde wahrscheinlich niemand glauben, dass ich 16 Jahre lang bei den Ken, der Fraktion der Gelehrten, gelebt und sogar noch heute früh zu dieser Fraktion gehört habe.
Nach einem kurzen Moment hat sie sich wieder gefasst.
"Wie jetzt? Warum weißt du das nicht?"
"Ja, also, das ist eine lange Geschichte.", sage ich ausweichend.
"OK, wir haben ja nun etwas Zeit, während ich dir die Haare färbe.", ich schaue sie irritiert an.
"Über die Bezahlung sprechen wir hinter her.", fügt sie noch hinzu.
Mit diesen Worten legt sie los und ich erzähle ihr in der Zwischenzeit alles, angefangen mit meinem Leben bei den Ken, dem Tod meiner Mutter, ihrem Tagebuch und dann natürlich dem Tag heute mit der Verfolgungsjagd und dem Gespräch mit Eric und Max. Es tut wirklich gut mit ihr darüber zu reden. Im Laufe des Gesprächs stellt sie sich mir als Tori vor und wir verstehen uns echt super. Ich kann mir außerdem total gut vorstellen, dass wir richtig enge Freunde werden könnten.
Irgendwann kommen wir auf das Thema Eric zu sprechen. Als ich ihr davon berichte, wie er vorhin mit mir umgegangen ist, teilt sie mir mit, dass er andere immer so behandelt und scheinbar auch nicht wirklich viele Freunde hat. Also, liegt seine Unhöflichkeit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an mir. Er ist erst vor einem Jahr zu den Ferox gewechselt, aber Tori weiß nicht, in welcher Fraktion er zuvor war.
Außerdem erfahre ich ebenfalls, dass er dieses Jahr für die Durchführung der Initiation zuständig sein wird. Na, das kann dann ja ein Spaß werden. Vielleicht sollte ich mich bemühen, mich vorher etwas gut mit ihm zu stellen, um mir diese Zeit nicht selber schwerer zu machen, als ohnehin schon.
Nachdem Tori mit meinen Haaren fertig ist, lasse ich mir zusätzlich noch zwei Tattoos stechen. Ein großes und zwar den Schriftzug 'Everything can change in an instant', der sich in einer verschnürkelten Schriftart über meinen oberen Rücken zieht. Dieser Spruch passt einfach perfekt zu meiner derzeitigen Situation. Darunter ist eine Feder abgebildet. Diese hat für mich ebenfalls eine besondere Bedeutung, denn genauso fühle ich mich gerade. Wie eine Feder, die vom Wind hier hin oder dahin geweht wird.
Zum anderen trage ich jetzt am Handgelenk den Namen meiner Mutter, wieder in einer schwungvollen Schriftart mit vielen Schnörkeln. Erst danach lässt Tori mich endlich in den Spiegel schauen. Zuerst betrachte ich meine Haare.
"Wow!", ich bin absolut sprachlos. Das ist noch viel besser geworden, als ich es mir vorgestellt habe. Auch die Tattoos sind super schön. Total überwältigt von ihrer Arbeit, falle ich Tori glücklich um den Hals.
"Vielen, vielen Dank, es ist alles so toll! Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll."
"Schön. Ich freue mich, dass es dir so gut gefällt.", sie betrachtet mich lächelnd.
"Achso, und was ist jetzt eigentlich mit der Bezahlung? Kann ich das später bei dir bezahlen?", fällt mir wieder ein.
"Betrachte es einfach als mein Begrüßungsgeschenk für dich.", meint sie nur.
"Was? Nein, das kann ich nicht annehmen."
"Doch, das wirst du. Schließlich sind wir doch Freunde.", sagt sie bestimmend.
Daraufhin bedanke ich mich ein weiteres Mal überschwänglich bei ihr und drücke sie erneut. Nachdem ich mich verabschiedet habe, möchte ich mit einem letzten Blick in den Spiegel aus dem Studio gehen, aber da fällt mir etwas Wichtiges ein. Mein Vater wollte nicht, dass ich die Wohnung verlasse. Meine Haare verraten mich allerdings. Da muss ich mir was einfallen lassen. Was habe ich für Möglichkeiten? Mhh, mir fällt nichts ein, oder vielleicht doch?
Ich weiß zwar nicht, ob das klappt, allerdings wäre es einen Versuch zu mindestens wert. Also drehe ich mich nochmal zu Tori um.
"Hast du zufällig ein Kapuzenshirt, das du mir leihen könntest?"
"Klar. Warte kurz!" Es dauert nicht lange und sie kommt mit einem schwarzen Kleidungsstück wieder.
"Den kannst du gerne behalten."
"Vielen Dank für alles." Schnell ziehe ich den Pullover über und als ich das Studio verlasse, setze ich die Kapuze auf.
Nun kann ich nur hoffen, Max damit täuschen zu können, wenigstens bis morgen. Wenn er misstrauisch werden sollte, muss ich mir eine Ausrede überlegen, zum Beispiel kann ich sagen, dass mir kalt ist. Oder ich rede ihm ein, dass ich mir die Haare erst gewaschen habe und sie noch nicht ganz trocken sind. Es wird schon irgendwie klappen.
Allerdings sollte ich mich langsam beeilen. Hoffentlich ist er inzwischen nicht wieder zurückgekommen, sonst wären alle meine tollen Ausreden umsonst. Schnell bewege ich durch die Gänge. Doch als ich um die nächste Ecke biege, erkenne ich ausgerechnet Eric, der mir entgegen gelaufen kommt. Mist! Wenn ich jetzt umdrehen würde, wäre das viel zu auffällig. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass er mich nicht erkennt oder nicht beachtet. Deswegen halte ich meinen Blick gesenkt, so dass mir die Kapuze möglichst weit ins Gesicht rutscht.
Inzwischen sind wir auf derselben Höhe angelangt. Gerade in dem Moment, wo ich denke, dass ich es geschafft habe und er mich nicht bemerkt hat, werde ich am Handgelenk gepackt und zu ihm herumgedreht. "Lilly?!"
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