Neugierige Fragen
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Beinahe hätte man meinen können, dass Changkyun den ganzen Abend nicht mehr von diesem Sofa aufgestanden wäre.
Auch wenn ein gewaltiges Erdbeben stattgefunden hätte, keiner hätte ihn dazu gebracht aufzustehen.
Weit ausgebreitet, mit einem Fuß auf den Boden baumelnd lag er da, als hätte er einen Laufmarathon hinter sich.
Natürlich war das an Hyungwon nicht vorbei gegangen und er warf öfters einen Blick ins Wohnzimmer, in dem sein Mitbewohner sich befand.
Ein lautes, klägliches Seufzen war zu hören und Hyungwon streckte wieder überrascht den Kopf durch den Türrahmen. ,,Warum bläst du so Trübsal?"
Erneut seufzte der Jüngere, blickte den Blonden an. ,,Wie kann man nur so bescheuert sein?", brummte er, fast schon klang es wie ein Fluchen. Als würde er sich selbst verfluchen wollen.
Die Sorgenfalten thronten auf seiner Stirn, während er sich durchs dunkelbraune Haar fuhr.
,,So wie du, oder was?", grinste Hyungwon kindlich, verschwand kurz wieder in die Küche um sich ein Glas Wasser zu holen. Changkyun starrte an die Decke, fühlte sich als würde sie ihm jeden Moment auf den Kopf fallen. ,,Warum bin ich da nicht von alleine drauf gekommen?"
,,Schwebst du in einer Identitätskrise oder wieso laberst du so nen Mist?", murmelte der Große, nippte an seinem Glas und wollte nun endlich eine Antwort auf seine Fragen. ,,Er spricht Gebärdensprache, natürlich.. er ist taubstumm. Wie konnt ich keinen Gedanken daran verschwendet haben?"
Changkyun warf wütend seine Hände in die Luft, richtete sich dann auf um auf dem Sofa zu sitzen. ,,Das ist doch mega offensichtlich, oder nicht? Ich meine, er hat mich nicht gehört als ich mit ihm gesprochen hatte, er hat nie mit Worten geantwortet..", zählte der junge Koreaner die Tatsachen an seinen Fingern ab und raufte dann sein Haar.
,,Klar.", sagte Hyungwon gelassen, zuckte mit seinen Schultern und betrat das Wohnzimmer, das Glas immer noch in seiner Hand. ,,Was 'klar'?", fragte Changkyun etwas empört, musterte seinen Mitbewohner genau. Dieser, so elegant wie er sich nunmal bewegen konnte, spazierte durchs Wohnzimmer und blieb neben dem Fernseher stehen.
,,Na, dass er gehörlos ist."
Einige Sekunden klappte dem Jüngeren die Kinnlade runter, sofort schüttelte er sich und blickte seinen Gegenüber fragend an.
,,Wie? Du wusstest es?"
Hyungwon zuckte wieder mit seinen Schultern, schlürfte am Glas.
,,Warum hast du mir nichts gesagt?"
Changkyun wirkte wirklich empört und ein Hauch von Enttäuschung war in seiner Stimme zu hören.
,,Du hast nicht gefragt."
,,Hmpffff.", gab der Jüngste des Haushalts von sich und verschränkte sauer die Arme vor der Brust. ,,Außerdem spielt es keine Rolle. Du solltest ihn nicht danach beurteilen."
Warum schaffte es dieser Junge immer wieder binnen Sekunden von 'unglaublich furchtbar' auf 'unglaublich weise' umzuschalten? Als besäße er einen Schalter, den er umlegen konnte.
,,Es wäre jedenfalls hilfreich gewesen, wenn ich es gewusst hätte. Dann hätt' ich mich heut' nicht so blamiert."
,,Du hast Angst, dass du dich blamiert haben könntest?", fragte Hyungwon überrascht, dabei wurden seine Augen riesengroß.
,,Ich hab fast einen Stuhl umgeworfen, als ich es gecheckt hatte."
Mit einem Mal brach der Blonde in schallendes Gelächter aus. Das Glas stellte er schnellstens ab, bevor er es fallen ließ. Lachend hielt sich der Ältere den Bauch, konnte kaum glauben was Changkyun ihm da erzählte.
,,Ey, lach nicht so.", murmelte dieser nur kleinlaut, schmollte sogar etwas und sein Mitbewohner ließ sich, noch immer den Bauch haltend, neben ihm auf das Sofa fallen. ,,Man Kyun, mach dir doch nicht solche Gedanken. Du verhältst dich wie eine frisch verliebte 13-Jährige."
,,Ich bin nicht verliebt.", protestierte der Schmollende, starrte beleidigt auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers. ,,Aber 13 schon?", grinste Hyungwon, legte anschließend aufmunternd seinen Arm um seinen Kumpel.
,,Ich weiß, du denkst dir das Leben besteht nur aus Geräuschen, doch vielleicht findest du Kihyun genau deswegen so interessant, weil er anders ist als du." ,,Woher willst du das wissen?"
,,Ich kenne dich, Kyun.", sagte Changkyuns Kumpel ernst, blickte ihm dabei finster in die Augen.
Der Dunkelhaarige wich diesem Blick jedoch aus und entgegnete:,,Aber du kennst ihn nicht."
,,Ich bin mit ihm drei Jahre lang zur Grundschule gegangen."
Changkyuns Herz blieb urplötzlich stehen, er konnte seinen Ohren nicht trauen und starrte dem Blonden misstrauisch ins Gesicht. Für einen kurzen Moment glaubte er, sein Gegenüber würde lügen, sofort schlug er sich diesen schwachsinnigen Gedanken wieder aus dem Kopf.
Ein sanftes Lächeln schlich sich auf die vollen Lippen Hyungwons, ließ ihn fürsorglich wirken. ,,Wow, ich wusste gar nicht dass..s-solche Menschen normal zur Schule gehen."
,,Du sagst es so als wären Gehörlose Aliens."
,,Nein, nein.", wimmelte der 22-Jährige sofort ab, hielt seine Hände dabei schützend vor seine Brust als würde Hyungwon ihm jeden Moment eine verpassen wollen. Er hatte keine Ahnung, wie er im Bezug darauf sprechen sollte, er wusste auch nicht welche Ausdrücke er benutzen konnte. ,,Ich hatte nur noch nie mit so Jemandem zu tun."
,,Du hast auch nicht wirklich mit ihm zu tun."
Da war es wieder: dieses freche, selbstsichere Grinsen und Changkyun verdrehte seine dunklen Augen. ,,Aber ich will.."
♫
Wenn sich Jemand in diesem Saal heute unwohl fühlte, war es definitiv Im Changkyun in der siebten Reihe. Es war der nächste Tag, somit ein neuer Morgen an dem der junge Koreaner sich gleich schlecht fühlte wie am Abend davor.
Fast schon als würde er sein Gesicht verstecken wollen, hockte er tief auf einem der Stühle.
Er war nur wirklich froh, dass Jooheon heute nicht anwesend war, ansonsten würde er im Erdboden versinken wollen und nicht mehr auf die Oberfläche zurückkehren.
Doch wie es das Schicksal eben so wollte, öffnete sich am Ende des Saals die große, schwere Tür und ein hektischer, zu spät kommender Jooheon stapfte die Treppen hinunter bis zur siebten Reihe.
Außer Puste ließ sich der Ältere auf den Platz neben Changkyun fallen, packte sofort fleißig seine Sachen auf den Tisch.
,,War noch im Sekretariat.", flüsterte er, lächelte dann liebevoll ehe er seine Aufmerksamkeit wieder dem Referendar schenkte.
Changkyun hingegen hockte nur angespannt neben dem Rothaarigen, blickte ab und zu herum und versuchte sich sein unwohles Gefühl nicht anmerken zu lassen.
,,Was war eigentlich gestern mit dir los?"
Verdammt, genau diesem Gespräch wollte der 22-Jährige aus dem Weg gehen.
Innerlich ohrfeigte er sich selbst für den peinlichen Auftritt von gestern. Er hatte inständig gehofft, dass keiner sich daran erinnern konnte.
Erst recht nicht Yoo Kihyun.
,,Du sahst ziemlich fertig aus, ging's dir nicht gut?", fragte der Ältere besorgt, seine Augen musterten Changkyuns Profil. Dieser presste seine Lippen aufeinander, dann zwang er sich ein Lächeln auf, blickte den Rothaarigen an.
,,Mir war etwas schlecht, danke der Nachfrage."
Einerseits war Changkyun erleichtert, dass Jooheon ihn nicht auf Kihyun ansprach, andererseits hätte er gern mehr über den stummen Jungen erfahren.
Auch wenn er den Vorfall von gestern als ziemlich peinlich einstufte, hatte er das Verlangen den Älteren zu fragen. Fragen, woher er Kihyun kannte und wie er damit umgehen konnte.
Er wollte sich vorsichtig an das Thema herantasten, langsam, sodass man seine Interesse nicht bemerkte und fragte deshalb:,,Du.. dieser Junge, der gestern bei dir war...‘‘
,,Ja?‘‘, flüsterte der junge Mann mit den vollen Lippen und dem verwuschelten, purpurroten Haar. ,,Kennst du den schon lange?‘‘
Ein kurzes Schweigen herrschte, in dem die beiden nur der Vorlesung folgten. Sobald es jedoch wieder uninteressant wurde, antwortete Jooheon:,,Warte, meinst du Kihyun?‘‘
Seine Augen waren geweitet, als hätte er einen Geist gesehen und sein Mund stand einen Spalt offen. Jooheon war ein wahrhaftiger Meister der Mimik.
Changkyuns Hände, etwas schwitzig, suchten erneut den Kugelschreiber, dann kritzelte er etwas auf seinen Block.
,,Joa, kann schon sein. Weiß nicht wie er heißt.‘‘, log der Dunkelhaarige Schulter zuckend, versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. Es gelang ihm und Jooheons Blick wurde nachdenklich.
,,Ich kenn‘ ihn schon ewig, wegen meiner Mum.‘‘
Changkyun wünschte sich wahrhaftig er würde mehr erzählen, ohne dass er nachfragen musste und somit riskierte auffällig zu wirken. Wie lange hat er sich nicht mehr gewünscht, dass eine Person mehr erzählte als nötig?
,,Kennst du ihn etwa?‘‘, fügte Jooheon neugierig hinzu, seine dunklen Augen suchten wieder Changkyuns. Dieser presste seine Lippen aufeinander, schüttelte seinen Kopf in Zeitlupe. ,,Wenn du wüsstest.‘‘, dachte er sich, hätte so etwas jedoch nie ausgesprochen.
,,Es sah nicht so aus als hättet ihr normal gesprochen.‘‘, fuhr Changkyun sein Verhör fort, glaubte allmählich dass dies hier der falsche Ort für solche Gespräche war. Immer wieder unterbrachen sie ihre Fragen kurz, wandten sich dem Unterricht zu und kehrten dann zurück. ,,Nun ja..‘‘, fing Jooheon an, blickte etwas betrübt auf das Notizbuch auf dem Tisch. Er knabberte an seiner vollen Unterlippe, man konnte ihm die Schwere dieser Frage förmlich ansehen. ,,Er spricht nicht.‘‘
Als hätte Changkyun dies nicht gewusst, gab er ein interessiertes Summen von sich, kratzte sich abwartend an der Schläfe. ,,Ich spreche in Gebärdensprache mit ihm.‘‘
Die alleinige Tatsache, dass sich Changkyuns Vermutung bestätigt hatte, ließ ein schwaches Gefühl von Selbstsicherheit in ihm aufkeimen. ,,Warum kannst du das?‘‘, fragte er, merkte wie die Geräusche um ihn herum immer dumpfer wurden. Leiser, bis sie nur noch Hintergrundgeräusche waren. ,,Er ist mein bester Freund, ich wollte ihn verstehen ohne dass nur er mich versteht.‘‘
,,Wie meinst du das?‘‘
,,Na, durch's Lippen lesen.‘‘, flüsterte der Ältere so leise, dass es sich beinahe wie ein Hauchen anhörte. Sein Blick immer auf den Referendar inmitten des Saales gelegt, wandte ihn beim Reden nicht ab.
Hunderte Gedanken bildeten sich in Changkyuns Kopf. Gedanken wie ˋLippen lesenˋ und endlich war es ihm ersichtlich, warum der fremde Junge verstanden hatte, nur nicht antwortete.
,,Und wie ist es dann so.. mit Jemandem befreundet zu sein, der nur Gebärdensprache spricht und Lippen lesen kann?", fragte Changkyun etwas zu explizit und bereute seine Frage im nachhinein.
Denn Jooheons Stirn legte sich urplötzlich in Falten, er zog seine Augen zu Schlitzen und blickte seinen Sitznachbarn prüfend an. ,,Wieso interessiert dich das so?", fragte er, konnte sich ein Grinsen einfach nicht verkneifen.
Der Dunkelhaarige versuchte sich jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen, zuckte gespielt lässig mit den Achseln und brummte anschließend: ,,Naja, weil..ich hab euch halt gesehen und dann wurde ich neugierig."
Ein kleines Kichern entwischte Jooheon, dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. ,,Ich kann dir ja seine Nummer geben, wenn du willst."
Das triumphierende, gar neckende Lächeln verschwand nicht aus dem Gesicht des Rothaarigen. Er erwartete sich, dass Changkyun so rot wie eine Tomate werden würde, wartete auf dessen Reaktion auf seine Frage.
Der 22- Jährige sah ihn jedoch überrascht an, seine Augen glichen großen Äpfeln und ein kleines, liebevolles Schmunzeln befand sich auf den schmalen Lippen des Jüngeren. ,,Wirklich...Kannst du das?"
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