Eisbären

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Mindestens bis 3 Uhr nachts saß Changkyun vor seinem Laptop, sah sich Gebärdensprachen-Tutorials an und dachte sich jedes Mal danach warum er sich das eigentlich antat.
Er fragte sich selbst, warum er sich so viel Mühe machte für einen Jungen,  den er gar nicht kannte.
Danach versuchte er diese Gedanken wieder aus seinen Kopf zu verbannen, studierte weiter die Zeichensprache.

Nach Stundenlanger Arbeit war er soweit, dass er sich selbst vorstellen konnte. Was so gut wie nur zwei Bewegungen waren, doch immerhin hatte er es geschafft ohne an einem Nervenzusammenbruch zu Grunde zu gehen.

Im Changkyun war eine ungeduldige Person, erst recht wenn es ums Lernen ging. Er merkte sich Dinge nicht leicht, beschwerte sich nun dass er sich schwer tat, sich all diese schwierigen Zeichen zu merken.

Wie solle er denn je mit ihm sprechen können, wenn er seine Sprache nicht verstehen konnte?
Es war, als würde er eine Fremdsprache lernen.

Mühsam und schwierig.

Dementsprechend wenig Schlaf hatte der 22-Jährige getankt als er am Morgen aufwachte, sich selbst verfluchte.
Er schwörte sich, Hyungwon nichts davon zu erzählen denn wenn er dies wissen würde, würde er ihn ewig damit nerven. Sein Mitbewohner fand nämlich immer viele Dinge, mit denen er den Dunkelhaarigen aufziehen konnte. Andersrum fehlte dem Jüngeren noch etwas, um ihn necken zu können.

Er konnte es kaum glauben, dass er sich heute völlig übermüdet zur Arbeit schleppen musste und sich dabei nicht Mal sicher war ob er Yoo Kihyun sehen würde. Schließlich hatte er ihm nach ihrem Treffen nicht mehr geschrieben.

Seufzend stieg er von seinem Fahrrad ab, stellte es an einen der Ständer neben der Bibliothek ab. Ein starker Wind war zu spüren, wehte sein Haar und auch die Kapuze seines Sweatshirts durcheinander und während er versuchte sich davon zu befreien, rempelte er beinahe Jemanden um.

Dieser Jemand war so mucksmäuschenstill an der Säule neben dem Eingang gestanden, dass keiner ihn je bemerkt hätte.

Mucksmäuschenstill und unauffällig.

Changkyun Augen waren geweitet als er den Jungen mit den hellbraunen, leicht durch den Wind verwuschelten Haaren und den kleinen Muttermalen an der Oberlippe sah. Dieser lächelte ihm nur schüchtern zu, winkte dann kurz zur Begrüßung.
Fast schon entwischte Changkyun eine blöde Bemerkung, warum er denn nicht gesagt hatte dass er hier war.
Zum Glück konnte es sich der Jüngere noch verkneifen, verstummte augenblicklich.

,,Hi.", winkte auch Changkyun etwas beschämt und senkte dann lächelnd seinen Kopf.

Als er ihn wieder hob, um Yoo Kihyun in die Augen zu sehen hatte dieser schon sein Smartphone gezückt, tippte in Sekundenschnelle. Das klackende Geräusch der Tasten war nervend, natürlich war sein Smartphone nicht auf lautlos gestellt.

>Du siehst müde aus, ist alles okay?<, fragte er, Changkyun der sein Handy bei der Vibration herausgeholt hatte lächelte sanft und nickte ihm dann zu.
,,Ich hab nur recherchiert und die Zeit vergessen."

Kihyun zeigte ihm einen abwartenden Blick, legte den Kopf schief. Einen hilfesuchenden Blick warf der Jüngste auf das große Eisbär-Plakat, das neben dem Eingang hing. ,,Ü-über Eisbären.. in eh.. in ihrem natürlichen Territorium."

Kihyuns Miene fiel, plötzlich hielt er sich jedoch die Hand vor den Mund und kicherte lautlos vor sich hin.
Changkyun verstand nicht, was so lustig war oder hatte er seine Lüge etwa schon aufgedeckt?
Als der Braunhaarige sich nach einer langen Minute wieder beruhigt hatte, tippte er noch immer schmunzelnd eine Nachricht.

>Meinst du Videos für Erwachsene?<

Kurz stockte Changkyuns Atem, bevor er seinen Blick von dem Smartphone abwandte und in die belustigten Augen des Älteren blickte.
Er hatte sich wahrhaftig gefragt, ob es ein Scherz war oder ob er ihn falsch verstanden hatte.
Wieder kratzte er sich verlegen am Hinterkopf, über die eigentliche Recherche nachdenkend. Wieso hatte er sich keine bessere Ausrede überlegt, hätte sich doch denken können dass Jemand fragte.
Dann schüttelte der 22-Jährige wild den Kopf, versuchte damit Kihyuns Annahme zu verwerfen.

,,Nein, ich schwöre."

Kihyun hob seine Hände bis zum Haaransatz, bewegte Zeige- und Mittelfinger, den Handrücken in Changkyuns Richtung, in die Höhe als würde er einen Hasen imitieren. Das Handy noch immer in seiner rechten Hand, störte etwas seine Sprache.
Changkyun war verwirrt und das bemerkte sein Gegenüber sofort.

>Das heißt du sollst keine Angst haben :)<

Ein liebliches Lächeln entwischte dem Jüngeren, als er diese Nachricht las, das wohl platzierte Smiley dahinter bemerkte. Er versuchte die Geste, soweit er sich erinnerte, nachzuahmen, brachte Kihyun erneut zum Kichern da seine Hände hinter seinen Kopf legte, somit ungewollt Hasenohren darstellte.

,,Lachst du weil es falsch ist oder weil ich behindert dabei aussehe?", fragte er unsicher, hielt seine Hände noch immer am selben Platz. Kihyun steckte sein Handy zurück in die Hosentasche, schritt etwas auf den Jüngeren zu und ergriff beide Arme des Anderen um sie an die richtige Stelle zu bringen.

Etwas wie in Trance ließ Changkyun es zu, dass der Ältere noch immer seine Handgelenke hielt, ehe seine Arme zu schwer wurden und er sie sinken ließ. Dies trug dazu bei, dass auch Kihyun seine Hände wieder von den Handgelenken seines Gegenübers nahm. Der Anblick des sanft lächelnden Älteren zog den Bibliotheksarbeiter vollkommen in den Bann, ließ das Sprechen für kurze Zeit nicht zu.

,,Ich muss jetzt arbeiten.", kam es dann schließlich doch aus Changkyun, der auf den Eingang der Bibliothek zeigte.
Noch immer schwirrte der Gedanke durch seinen Kopf, dass Kihyun extra wegen ihm hierher gekommen war. Doch so schnell der Gedanke gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder als Kihyun in sein Smartphone tippte.

>Ich wollte mir nur den 2. Band des Romans, den ich lese, ausleihen.<

,,Aah.", meinte Changkyun, versuchte gelassen zu klingen, als hätte er es sich schon erwartet.
,,Ich werd' dir den Gefallen tun und es dich ausleihen lassen.", fügte er dann grinsend hinzu, Kihyun lächelte und nickte.

>Muss ich meinen Namen wieder aufschreiben? Yoo Kihyun<, schrieb er, als Changkyun sich schon hinter den Tresen gestellt hatte, während Kihyun etwas weiter weg am Regal nach dem besagten Buch suchte. Er bestand darauf es selbst zu tun, um vielleicht auf der Suche Exemplare zu finden, die er noch nicht kannte.

Grinsend lehnte sich der 22 Jährige an die Innenseite des Tisches, verschränkte die Arme wartend vor der Brust. 
Er beobachtete den schweigenden Jungen am Regal, wie er öfters über einen Buchrücken strich, um die Textur der Buchstaben zu spüren.

Der Dunkelhaarige legte bei der Beobachtung seinen Kopf schief, erschrak etwas als eine tiefe, raue Stimme den Vorraum erfüllte.

,,Du hast da getrockneten Sabber."

Changkyuns Kopf schellte in die Richtung, aus der die Stimme kam und musste zu seinem Erstaunen feststellen, dass er diesen Jungen gar nicht wirklich kannte.
Sofort grinste der Fremde Braunhaarige von ein Ohr bis zum Anderen, ließ es nahezu Boxerhaft wirken. Sein Haar war verwuschelt, gestylt wurde es mit einer grünen Bandana.

Auch nach mehreren Sekunden war das Grinsen des Jüngeren nicht verschwunden und Changkyun, dessen Stirn seitdem in Falten lag, fragte sich was dieser Jemand von ihm wollte.

,,Bist du n Arbeiter hier, oder wieso stehst du da?", fragte der junge Mann, seine Miene hatte sich urplötzlich in einen ernsten Ausdruck verwandelt. Ungeduldig tippte er mit den Fingern auf dem Tisch. ,,Ja? Brauchst du was?"

Die Augenbrauen des Fremden zuckten in die Höhe, bemerkte dass Changkyun immer wieder zum Regal schielte um sich zu vergewissern dass Kihyun nicht einfach verschwunden war.
Der Braunhaarige zeigte, einen Mundwinkel nach oben gezogen, auf das Buch vor sich. ,,Oh. Ausleihen?", fragte Changkyun.

,,Nein, ich hätt gern einmal nen doppelten Cheeseburger und ne Cola."

Changkyun verdrehte die Augen, nahm das Buch an sich und scannte den Buchrücken ein. ,,Name?"

,,Kim Taehyung."

Etwas genervt von diesem Auftritt tippte der Ältere den Namen ins Programm ein, schob das ausgeliehene Schriftwerk wieder in die Richtung des Kunden, setzte ein liebevolles Lächeln auf. ,,Viel Spaß beim Lesen deines Buches."

,,Danke..", kurz hielt Taehyung inne, tat so als würde er auf Changkyuns Brust etwas lesen wollen. ,,Arbeiter ohne Name.", lächelte er, drehte sich schwungvoll um und stolzierte aus der Bibliothek.

Augenblicklich warf Changkyun einen Blick an sich herunter, bemerkte erst jetzt dass er seine Weste gar nicht angezogen hatte. Schnell fischte er sie aus dem Rucksack, den er achtlos auf den Boden geschmissen hatte und schwung sie sich um den Oberkörper.

Dieser junge Mann, womöglich Student, blieb Changkyun noch einige Minuten im Kopf.
Dann suchten die Augen des Arbeiters wieder im Raum herum, erkundeten ihn als würde er etwas wichtiges verloren haben. Und tatsächlich: Kihyun stand nicht mehr an diesem Regal, war somit spurlos verschwunden.

Genervt seufzte Changkyun, fragte sich warum er sich nicht zumindest verabschiedet hatte und als er seinen Kopf wieder abwandte, zuckte er kurz zusammen.
Yoo Kihyun lächelte, stand tatsächlich vor dem Tresen und hob glücklich das Buch hoch, das er gefunden hatte. Ein erleichterndes Gefühl breitete sich in dem Körper den Angestellten aus und er musste unweigerlich lächeln.

Changkyun nahm das Buch an sich, betrachtete einige Sekunden den Titel und während er den Buchrücken einscannte, schossen Kihyun einige Gedanken durch den Kopf.

Etwas abgelenkt betrachtete er die Arbeit des Dunkelhaarigen. Sah ihm dabei zu, wie er mit den schlanken, fast eleganten Fingern den Namen in den Computer eintippte und schürzte seine Lippen gedankenverloren.

Kihyun fragte sich wirklich, ob Changkyun selbst bemerkte wie sehr er sich Mühe für ihn gab. Er fragte sich, wann sich das letzte Mal Jemand so viel Mühe für ihn gegeben hatte, sogar versuchte die Gebärdensprache zu lernen. Meist reagierten die Menschen ziemlich abweisend auf seine Beeinträchtigung, ließen ihn schlecht fühlen.

Sie gaben ihm das Gefühl, dass er weniger Wert war als jemand, dessen Gehör perfekt funktionierte. Und während Kihyun darüber nachdachte, den Kopf leicht schief legte wünschte Changkyun sich dass er für ewig dort stehen blieb. 

Kurzerhand schnappte Kihyun sich einen der kleinen Blöcke, die auf dem Tresen lagen. Mit einem herumliegenden Kugelschreiber schrieb er in Sekundenschnelle eine Frage auf, schob den Block in Changkyuns Richtung.

>Falls du dich für Gebärdensprache interessierst, kann ich dir gerne dabei helfen :)<

Changkyun brauchte einige Sekunden um zu realisieren, worauf Kihyun hinaus wollte.

Er wusste also, dass Changkyun sich mit dieser Zeichensprache auseinandergesetzt hatte. Also wusste er auch, dass der Dunkelhaarige möglicherweise Interesse an ihm hegte.
Schwer schluckte der 22-Jährige, traute sich fast nicht in Kihyuns Augen zu sehen. Doch als er seinen Kopf hob, entdeckte er einen liebevoll lächelnden Jungen, der nichts als Güte in seinem Ausdruck trug.

Zwischen dem Block und seinem Gesicht sah der Mitarbeiter hin und her, überlegte ob dies ein Vorschlag auf ein mögliches Treffen wäre.

,,Ehm.. ich." 

Während Changkyun sich etwas zusammen reimte, griff der Braunhaarige wieder nach dem Block, kritzelte erneut schnelle Silben auf eines der blauen Blätter. Dann presste er seine Lippen aufeinander, schob es ihm vor die Nase. 

>Wann hast du Feierabend?<

Changkyun konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, blickte mit hochroten Ohren auf die Frage. ,,Um halb 7.", antwortete er, Kihyun nickte lächelnd. Ein äußerst warmes Gefühl ummantelte Changkyuns Brust und er konnte das Lächeln gar nicht mehr verhindern. 

>Ich hole dich ab.<, schrieb er wieder, die Silben hatten einen verspielten Schwung. Der Dunkelhaarige nickte fest, konnte es kaum erwarten und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Drei Stunden würde er hier verharren müssen und während er sich ausmalte warum Kihyun ihn nach einem Treffen fragte, verschwand der Ältere schon winkend aus der Bibliothek.

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