Kapitel 41 - Ein zauberhaftes Weihnachtsfest
Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezembers wache ich schon früh auf, obwohl ich eigentlich ausschlafen könnte. Genervt drehe ich mich auf die andere Seite und drücke mir mein Kopfkissen aufs Gesicht, um die Helligkeit und die gedämpften Geräusche von draußen auszusperren, doch es hat keinen Sinn: Aufregung und Nervosität ballen sich in meinem Magen zusammen und verhindern so, dass ich wieder einschlafen kann.
Nach ein paar weiteren Minuten, in denen ich mich frustriert im Bett umher wälze, stehe ich schließlich stöhnend auf und werfe einen Blick auf den Wecker neben mir. Wie befürchtet stehen die Zeiger der magischen Uhr erst auf zehn nach sieben, trotzdem ist an Schlaf offensichtlich nicht mehr zu denken.
"Was ist nur los mit dir?", schimpfe ich leise mit mir selbst, um niemanden sonst zu wecken. Erst mit etwas Verspätung fällt mir ein, dass niemand hier ist, den ich stören könnte; Ginny und die anderen Gryffindors aus meinem Schlafsaal haben Hogwarts für die Ferien verlassen, um Weihnachten mit ihren Familien zu verbringen.
Mit einem weiteren tiefen Seufzer schleppe ich mich die paar wenigen Schritte zum Badezimmer und spritze mir dann kaltes Wasser ins Gesicht. Die eisigen Tropfen auf meiner Haut machen mich tatsächlich etwas munterer; allerdings zeigt der Blick in den Spiegel, dass ein paar Stunden mehr Schlaf nicht geschadet hätten. Die Schatten unter meinen Augen sind dunkler als sonst, die Lider wirken aufgequollen und meine Haut ist auf der Seite, auf der ich geschlafen habe, zerknittert und leicht gerötet.
Na toll. Dabei wollte ich doch gerade heute gut aussehen!
Frustriert fahre ich mir mit der Hand durch die Haare, greife dann zu einem Waschlappen und beginne, mein Gesicht von den Spuren des Schlafmangels zu befreien. Nach einer halben Stunde, die ich mit Schrubben, Kämmen, Eincremen und Pflegen zubringe, bin ich immerhin einigermaßen zufrieden mit meinem äußeren Erscheinungsbild. Schließlich schlüpfe ich in das dunkelgrüne Hemd und in dazu passende hellblaue Jeans, die ich mir extra für den heutigen Tag gekauft habe und drehe mich anschließend vor dem mannshohen Spiegel des Schlafsaals hin und her.
Mein Spiegelbild starrt mir etwas unsicher entgegen, als ich mich in der reflektierenden Glasfläche betrachte, aber eigentlich muss ich zugeben, dass es keinen Grund für Zweifel gibt: Das Outfit schmeichelt meinen braunen Haaren und Augen und schmiegt sich perfekt an meinen Körper. Ginny wäre vermutlich begeistert, wenn sie mich jetzt sehen könnte.
Ich werfe einen erneuten Blick auf den magischen Wecker und fahre mir dabei genervt mit der Hand durch meine Locken. Trotz der Zeit, die ich im Bad verbracht habe, ist es erst kurz vor acht. Und das wiederum bedeutet, dass ich noch ganze zwei Stunden totschlagen muss, ehe ich mich mit Draco zu unserem verabredeten Frühstück treffen kann.
Mist. Was mache ich denn jetzt bis dahin?
Suchend schaue ich mich in dem großen Raum um, der von vier Himmelbetten dominiert wird, bis mein Blick auf dem Buch landet, das ich momentan lese. Schulterzuckend nehme ich es an mich und mache mich dann auf den Weg in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Genau wie der Schlafsaal ist auch dieser verlassen, aber das stört mich nicht. Zufrieden kuschele ich mich in meinen Lieblingssessel neben dem Kamin und fange an zu lesen, während die Zeit quälend langsam weitertickt.
***
Knappe zwei Stunden später mache ich mich endlich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Nach einem kurzen Blick auf das Thermometer am Eingang des Gemeinschaftsraums entscheide ich mich dazu, meinen Mantel mitzunehmen, um draußen nicht zu frieren. Bereits im Flur bemerke ich, wie gut diese Entscheidung war, denn selbst in den geschlossenen, aber zugigen Korridoren hätte ich mir ohne Jacke vermutlich eine Erkältung eingefangen.
Mit einem weiteren Blick auf die Uhr beschleunige ich meine Schritte etwas. Natürlich ist das passiert, was mir immer passiert, wenn ich in einem Buch versinke: Ich habe komplett die Zeit vergessen, so dass ich mich jetzt sogar beeilen muss, wenn ich pünktlich ankommen möchte.
Nur wenige Minuten später bin ich dann endlich da. Vor mir erstreckt sich Hogsmeade mit seinen vielen kleinen Häusern und Geschäften, die heute dank des Schnees aussehen wie mit Puderzucker bestäubt. Tief einatmend sauge ich genießerisch den Geruch nach Butterbier und Honig ein, der so typisch für den einzigen Ort in Großbritannien ist, der nur von Hexen und Zauberern bewohnt ist.
Schnellen Schrittes biege ich abseits vom Trubel der Hauptstraße in eine kleine, versteckte Seitenstraße ab, in der sich Madame Puddifoot's Café befindet. Dank der Ferienzeit befinden sich heute kaum Pärchen an den runden Tischen der gut beheizten Stube, die für meinen Geschmack etwas zu kitschig dekoriert ist. Neben den typischen Rüschen des Lokals zieren heute auch glitzernde Schneeflocken und goldene Sternschnuppen die Tische und Bänke. Umherfliegende Engel, die auf winzig kleinen Blasinstrumenten spielen, komplettieren das Bild.
Ich entdecke Draco in einer gemütlichen, kleinen Nische und lasse mich mit einem Lächeln neben ihm nieder.
"Hallo, Granger, gut siehst du aus. Grün ist wirklich genau deine Farbe!"
Mit einem verschmitzten Lächeln überbrückt der blonde Slytherin den kleinen Abstand zwischen uns, um mir einen Begrüßungskuss zu geben. Ich weiche ihm jedoch aus und schaue mich unauffällig nach möglichen Beobachtern um, die diesen doch recht öffentlichen Austausch von Zärtlichkeiten mitbekommen könnten. Und wie befürchtet sind die Blicke der wenigen anwesenden Gäste tatsächlich ausnahmslos auf uns gerichtet.
Draco, der natürlich sofort versteht, was mein Problem ist, zieht in typischer Malfoy Manier eine Augenbraue hoch und mustert mich dann mit einem durchdringenden Gesichtsausdruck.
"Was ist los, kleine Streberin? Ist es dir etwa peinlich, mich vor Publikum zu küssen?", fragt er schließlich ausdruckslos.
"Nein, natürlich nicht!", erkläre ich hastig, damit er gar nicht erst auf falsche Gedanken kommt. "Das ist es nicht, es ist nur...ich - ich kann einfach mit Liebesbekundungen in der Öffentlichkeit nicht viel anfangen, das ist alles. Es ist mir unangenehm, verstehst du? So was geht niemanden außer uns was an. Und schau dich doch mal um, alle starren uns sowieso schon an, die warten doch nur darauf, dass wir ihnen eine gute Show liefern!"
"Na und? Sollen sie doch", erwidert Malfoy, während er mit einer Hand liebevoll über meine Schläfe streicht und schließlich meinen Nacken liebkost. "Wovor hast du denn Angst, kleine Streberin? Davor, was sie über dich denken könnten? Scheiß doch einfach mal auf die Meinung von anderen und tu, was du wirklich willst."
"Das kann ich nicht", flüstere ich. Gleichzeitig spüre ich, wie sich vor Frustration ein Kloß in meiner Kehle bildet. Wieso kann ich nicht einfach so sein, wie alle anderen? Wieso mache ich es mir selbst immer so schwer?
"Doch du kannst. Vertraust du mir?"
Dracos Hand, die immer noch in meinem Nacken liegt, fährt nun mit federleichten Berührungen weiter meinen Hals entlang, bis sie die Unterseite meines Kinns erreicht und dieses leicht anhebt. Fast wie in Trance sucht mein Blick automatisch den seinen, und die silbergrauen Tiefen, die mir mittlerweile so vertraut sind, geben schlussendlich den Ausschlag.
"Ja, ich vertraue dir."
Einen kurzen Moment zögert der blonde Slytherin, um mir dadurch die Chance zu geben, mich ihm zu entziehen. Doch das tue ich nicht. Stattdessen schließe ich die Augen, blende alles und jeden um mich herum aus, mit Ausnahme von Draco. Erst will es mir nicht so recht gelingen, aber als ich seine Lippen dann auf meinen spüre, wird meine Angespanntheit fast sofort hinweg gespült und durch eine Welle von Glücksgefühlen ersetzt. Und mit einem Mal scheint mir das hier - dieser Kuss mit Draco in einem Café voller Leute - das Natürlichste auf der Welt zu sein.
"Was ist?", fragt Draco mich lächelnd, während er mich spielerisch am Ohr zupft und sich wieder etwas in seinem Stuhl zurücklehnt.
"Gar nichts", antworte ich ebenfalls lächelnd, immer noch mehr als glücklich.
In diesem Moment drängt sich die beleibte Bedienung einen Weg zu uns, um unsere Bestellung aufzunehmen. Draco bestellt für uns beide Butterbier und etwas zu essen, und ich nutze die kleine Pause, um mich noch einmal umzusehen. Offensichtlich haben die anderen Besucher von Madame Puddifoot's Café mittlerweile das Interesse an mir und meinem blonden Slytherin verloren, denn niemand schaut mehr auch nur ansatzweise in unsere Richtung.
Beruhigt wende ich meine Aufmerksamkeit wieder Malfoy zu. Überrascht bemerke ich dabei das in rotes Geschenkpapier eingewickelte Päckchen, das direkt vor mir auf dem Tisch steht, und das vor einer Sekunde garantiert noch nicht da war.
"Frohe Weihnachten, Hermine!", sagt Malfoy grinsend, da ihm meine Überraschung natürlich nicht entgangen ist.
"Danke! Ich hab natürlich auch ein Geschenk für dich, warte, ich muss es nur kurz -"
"Dafür ist doch gleich noch Zeit", unterbricht Draco mich. "Pack erstmal dein Geschenk aus."
"Okay", erwidere ich, und mache mich dann daran, das wunderschöne dunkelrote Papier zu entfernen. Dabei gehe ich möglichst vorsichtig vor, um ja nichts von der Verpackung kaputt zu machen. Nach einigen wenigen Sekunden habe ich es schließlich geschafft, nur um eine weitere Lage brauner Folie vor mir zu sehen.
"Da warst du aber sehr gründlich", ziehe ich den blonden Slytherin auf, der mich gespannt beim Auspacken beobachtet.
"Natürlich", erwidert dieser, "ich wollte ja nicht, dass es kaputt geht."
"Wieso sollte es denn kaputt gehen -", setze ich an, aber als sich die zweite Lage Papier löst und ich das Geschenk schließlich in den Händen halte, verschlägt es mir derart den Atem, dass ich den Satz nicht mehr zu Ende bringe. Ich erkenne sofort, was da vor mir liegt, und ich kann nicht fassen, dass es wirklich mir gehören soll.
Sprachlos starre ich Draco an, der einen äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat.
"I-Ist das...ist das eine Erstausgabe von "Die Geschichte von Hogwarts"?", flüstere ich nach einer gefühlten Ewigkeit stotternd, immer noch zu schockiert, um klare Sätze bilden zu können.
"Ja", antwortet der blonde Slytherin sichtlich stolz.
"W-woher wusstest du, dass...dass ich mir das schon immer gewünscht habe?"
Meine Stimme klingt weiterhin belegt und rau, zu groß ist der Kloß in meinem Hals, der einfach nicht verschwinden will.
"Naja, das wusste ich natürlich nicht, aber da du doch so eine kleine Streberin bist und die Hälfte deines Lebens in der Bibliothek verbringst, habe ich mir schon gedacht, dass du dich über eine Erstausgabe freuen würdest. Und da wir einige sehr alte Bücher in Malfoy Manor lagern, war die Beschaffung auch ni-"
Weiter kommt er nicht, denn in diesem Moment werfe ich mich stürmisch in seine Arme, vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge und die Hände in seinen weichen, seidigen Haaren. Kurz spüre ich, wie sich die Muskeln in seinem Oberkörper vor Verblüffung anspannen, aber dann schlingt auch er seine Arme um mich und drückt mich.
"Danke, Draco. Das ist das beste Geschenk, das du mir überhaupt machen konntest. Du hast keine Ahnung, wie viel mir das bedeutet!"
"Gern geschehen, Granger. Ich bin froh, dass es dir gefällt."
Ich kuschele mich noch enger an ihn, zu berauscht und glücklich, um mich noch um mögliche Zuschauer zu scheren, und atme tief seinen Geruch ein. Und in exakt diesem Augenblick durchströmt mich eine unumstößliche Gewissheit. Eine Eingebung, die mir noch vor wenigen Stunden eine Heidenangst eingejagt hätte, die mich jetzt aber nicht einmal mehr beunruhigt. Eine Erkenntnis, die meinen Kopf mit völliger Klarheit erfüllt und nur einen einzigen Gedanken zulässt:
Ich liebe Draco Malfoy, und zwar von ganzem Herzen.
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