Kapitel 16 - Vielsaft-Trank
Drei Tage nach dem Quidditch Spiel laufe ich langsam durch einen der Korridore von Hogwarts. In ein paar Minuten fängt der Zaubertrankunterricht an, aber ich habe eigentlich überhaupt keine Lust. Für mich ist das wirklich unüblich, denn normalerweise freue ich mich auf jede einzelne Schulstunde, unabhängig vom Unterrichtsfach.
Insbesondere auf alle Fächer, die ich mit Draco zusammen habe, würde ich gerade liebend gerne verzichten. Denn nach meinem Zauber am Samstag, den die ganze Schule gesehen hat, kann ich Malfoy kaum noch in die Augen schauen. Selbst die Tatsache, dass niemand, nicht mal er, wissen kann, wer den Spruch gewirkt hat, ändert etwas an meinen Gefühlen. Ich würde mich daher am liebsten in meinem Bett verkriechen und nie wieder herauskommen.
Ich fühle mich jetzt also sowohl unwohl, wenn Ron in meiner Nähe ist, als auch wenn ich Draco sehe. Und das Schlimmste an der ganzen Geschichte ist, dass ich selbst nicht mal weiß, warum ich den silbernen Fuchs in den Himmel projiziert habe.
In der Situation wollte ich Malfoy einfach nur...helfen? Ihn aufmuntern? Ich konnte es einfach nicht ertragen, ihn so enttäuscht und unfair behandelt zu sehen.
Weshalb? Keine Ahnung. Das ist genau der Punkt, der mich selbst zur Verzweiflung bringt. Seit wann bedeutet mir Malfoy genug, um so etwas zu tun?
Als mir auf einmal jemand von hinten eine Hand auf die Schulter legt, schrecke ich auf.
„Hallo Hermine. Alles gut?"
Ich drehe mich zu der vertrauten Stimme um. Harry steht hinter mir und sieht mich besorgt an.
„Mir geht es gut. Wieso?" frage ich.
„Sicher? Ist wirklich alles okay? Du siehst nicht so aus, wenn ich ehrlich bin, und außerdem bist du gerade einfach am Klassenraum für Zaubertränke vorbei gelaufen."
Verblüfft schaue ich mich um. Erst jetzt nehme ich meine Umgebung wieder wirklich wahr, ich war vorher so in Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkt habe, wo ich hinlaufe. Harry hat Recht, ich habe die Tür zum Zaubertränke-Klassenzimmer verpasst und bin ungefähr 10 Meter zu weit gegangen. Ohne Harry wäre ich vermutlich immer noch in die falsche Richtung unterwegs. Mit der flachen Hand schlage ich mir gegen die Stirn.
„Oh, stimmt. Keine Ahnung, wie das passieren konnte."
„Das ist doch sonst nicht deine Art, was ist denn momentan mit dir los?" fragt Harry mich.
„Gar nichts, wirklich. Ich habe nur über ein paar Sachen nachgedacht und nicht auf den Weg geachtet" versuche ich, mich aus der Situation herauszureden.
Harry schaut mich nur skeptisch an und ich winde mich unter seinem prüfenden Blick.
Bitte, bitte Harry, lass es einfach gut sein! flehe ich ihn stumm an. Ich weiß selbst, dass ich zur Zeit alles andere als auf der Höhe bin und dass das so auf keinen Fall weitergehen kann. Durch die ganzen Probleme mit Ron und jetzt auch noch die Situation mit Malfoy, die ich selbst nicht verstehe, bin ich gar nicht mehr ich selbst. Aber gerade mit meinen Freunden möchte ich darüber einfach nicht sprechen. Zumindest noch nicht.
„Hermine, du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, wenn dich irgendwas bedrückt, oder? Ginny, Hagrid und ich, wir sind immer für dich da. Und wir machen uns Sorgen um dich, du scheinst in letzter Zeit mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Ich will dich gar nicht ausfragen, weil du offensichtlich noch nicht bereit bist, darüber zu sprechen. Aber denk dran: Wann immer es dir schlecht geht oder du Unterstützung brauchst, kannst du auf uns zählen."
Gerührt schaue ich Harry an. Ich habe so viel Glück, ihn zum Freund zu haben!
„Danke Harry, das weiß ich. Und es bedeutet mir so viel! Ihr seid wie eine zweite Familie für mich. Ich verspreche, dass ich mich immer an euch wenden werde, wenn ich euch brauche."
Mit diesen Worten umarme ich ihn und er drückt mich an sich.
„So, und jetzt sollten wir gehen. Sonst kommen wir noch zu spät zum Unterricht!" sage ich lächelnd.
„Ah, da ist sie ja wieder, unsere Hermine. Schön, dass sich manche Dinge eben doch nicht ändern" erwidert Harry lachend.
Zusammen betreten wir den Kerkerraum in der Nähe des Slytherin Gemeinschaftsraums, in dem Professor Slughorn bereits auf uns wartet.
„Liebe Schüler, da wir jetzt endlich vollzählig sind, möchte ich gerne mit dem Unterricht beginnen. Heute werden wir uns mit dem Vielsaft-Trank beschäftigen, durch den Personen das Aussehen einer beliebigen anderen Person annehmen können. Wahrscheinlich wundern Sie sich, weshalb ich Ihnen die Herstellung dieses Trankes beibringe, da das Rezept in Hogwarts bisher nicht gelehrt wurde. Nun, ich habe mit unserer lieben Schulleiterin Professor McGonagall gesprochen und sie stimmt mit mir überein, dass Nichtwissen und Verbote häufig mehr Schaden anrichten, als das sie nutzen. Wir möchten Ihnen daher zeigen wie dieser Zaubertrank funktioniert, da jegliche falsche Anwendung mit schlimmen Nebenwirkungen einhergehen kann."
Als ob ich das nicht wüsste. Mir ist noch sehr gut in Erinnerung, wie ich als halb verwandelte Katzenfrau aussah.
„Wissen müssen Sie vor allem drei Dinge: Erstens, die Wirkung des Zaubertranks hält circa eine Stunde an. Zweitens ist es sehr wichtig, dass die Zutaten in der vorgegeben Reihenfolge zusammengemischt werden, da sonst unvorhergesehene Effekte auftreten. Die Herstellung dauert zudem mehrere Wochen, da bestimmte Mondphasen zu beachten sind. Wir werden daher heute mit dem Trank beginnen und in den nächsten Unterrichtsstunden mit dem Brauen fortfahren. Und drittens ist die Anwendung dieses Zaubertrankes nur sehr eingeschränkt erlaubt, da die Verwandlung häufig für fragwürdige Zwecke genutzt wird."
Auch das kann ich bestätigen.
„Ihr werdet allerdings nicht alleine an diesem Projekt arbeiten. Stattdessen habe ich mir überlegt, euch in Zweier-Teams einzuteilen, wobei die Team-Mitglieder ungefähr dieselben Kenntnisse und dasselbe Ausgangsniveau haben sollten."
Voller Vorfreude klatscht Slughorn in die Hände.
Ohje, mir schwant Übles. Außer mir ist nur Malfoy exzellent im Zaubertränke brauen und wenn Slughorn die Schüler nach ihrem Vorwissen einteilt, dann...
„Das erste Team setzt sich aus Hermine Granger und Draco Malfoy zusammen" unterbricht Slughorn meinen nervösen Gedankengang mit genau den Worten, die ich befürchtet hatte.
Verdammt nochmal, das wird ja langsam echt zur Gewohnheit! Haben sich die Lehrer alle gegen mich verschworen? Ernsthaft, wieso kann ich nicht einmal mit jemand anderem zusammengesetzt werden?!?
Das einzig Positive ist, dass wir diesmal immerhin nicht Amortentia brauen werden. Nach dem Debakel zu Beginn des Schuljahres habe ich von Liebestränken nämlich erstmal genug.
„Die weiteren Paare sind: Harry Potter und Padma Patil, Susan Bones und Ginny Weasley, Sina Lewis und Hannah Abbott, Pansy Parkinson und Parvati Patil, Lavender Brown und Seamus Finnigan, Dean Thomas und Ernie Macmillan, Megan Jones und Millicent Bullstrode, Antony Goldstein und Oliver Rivers, Justin Finch-Fletchley und Lisa Turpin" fährt Professor Slughorn fort. „Suchen Sie sich bitte jeweils einen Arbeitstisch, schlagen Sie Ihre Bücher auf und suchen Sie dann die Zutaten zusammen, die Sie benötigen".
Lustlos sehe ich mich nach Malfoy um. Wie gesagt, seine Gegenwart ist mir momentan noch unangenehmer als sonst, deshalb würde ich mich am liebsten einfach in Luft auflösen.
Malfoy hat mich offensichtlich schon entdeckt, denn als ich ihn endlich ausmachen kann, kommt er bereits schnellen Schrittes in meine Richtung gelaufen.
Als er mich erreicht, begrüßt er mich mit den Worten: „Okay Granger, bringen wir es hinter uns."
Ich verdrehe die Augen. Charmant wie immer, der liebe Draco. Da seine Begrüßung eher kühl ausfällt, muss ich mir aber immerhin keine Gedanken darüber machen, dass er mir das Fuchs-Sternbild zuschreiben könnte. Das erleichtert mich schon mal.
„Klar, Malfoy. Je schneller wir fertig werden, desto besser" entgegne ich etwas spitz. „Hier steht, zum Brauen des Trankes benötigt man folgende Zutaten: Florfliegen, Blutegel, Flussgras, Knöterich, gemahlenes Horn eines Zweihorns, kleingeschnittene Baumschlangenhaut und ein Stück von der Person, in die man sich verwandeln möchte."
(Die Anleitung im Buch hätte ich nicht wirklich gebraucht. Ich habe schon so viele Vielsafttränke gebraut, dass ich die Zutatenliste fast auswendig kenne.)
„Ich gehe das Zeug dann mal aus dem Zutatenschrank holen. Bereite du schon mal den Kessel vor!" erwidert Draco in seiner typischen arroganten Art.
Oh Merlin, manchmal geht mir Malfoys bestimmerisches Auftreten echt auf den Keks. Ich bin doch nicht sein Hauself, den er einfach herumkommandieren kann! Bevor ich ihm das allerdings sagen kann, hat der blonde Slytherin sich schon auf dem Absatz umgedreht und sich auf den Weg zum Vorratsschrank gemacht. Erneut verdrehe ich die Augen. Es ist doch immer wieder schön, mit diesem eingebildeten Kerl zusammenzuarbeiten.
Den Kessel vorzubereiten dauert nicht lange und deshalb werfe ich einen schnellen ersten Blick in die Anleitung für den Vielsaft-Trank. Die genaue Reihenfolge, in der die Zutaten zugegeben werden müssen, kenne ich nämlich nicht mehr so genau. Der Ausschnitt, den ich dabei überfliege, kommt mir allerdings sehr bekannt vor:
Ehe als letzte Zutat etwas von der Person hinzugefügt wird, deren Aussehen erlangt werden soll, sieht der Trank aus wie dunkler, träge blubbernder Schleim. Wenn dann die letzte Zutat in den Trank gegeben wird, nimmt er als deren persönliche Essenz individuell unterschiedliche Färbungen an.
Ohja, an das dunkle, schleimige Aussehen des Vielsaft-Trankes kann ich mich noch gut erinnern. Und an den ekligen Geruch des Tranks, den ich benutzt habe, um mich in Bellatrix Lestrange zu verwandeln...Uh, selbst die Erinnerung daran verursacht einen widerlichen Geschmack in meinem Mund und mir wird schlecht.
In diesem Augenblick kehrt Draco an unseren Tisch zurück und lenkt mich Merlin sei Dank ab.
„Hier sind alle Zutaten. Also, womit müssen wir anfangen?" fragt er mich und krempelt seine Ärmel hoch.
Ich bekomme seine Frage aber kaum noch mit. Fassungslos starre ich seine Unterarme an, die er nun unbekleidet auf dem Tisch abstützt. Denn etwas ist anders, als ich es erwartet hätte, etwas fehlt. Das einzige was ich sehe, ist makellose Haut.
Von einem Tattoo, beziehungsweise dem dunklen Mal, das ihn als Todesser Voldemorts gekennzeichnet hat, fehlt jede Spur.
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