Kapitel 15 - Quidditch

Auch einige Tage später kann ich mir immer noch keinen Reim auf Malfoys Verhalten machen. Die ganze Geschichte nimmt mich dabei so sehr in Anspruch, dass selbst meine Hausaufgaben darunter leiden. Gestern hätte ich zum Beispiel fast vergessen, meinen Aufsatz für Zauberkunst pünktlich abzugeben! Nur Ginnys Erinnerung ist es zu verdanken, dass ich im Endeffekt doch noch rechtzeitig fertig wurde.

Ginny und Harry haben beide bemerkt, dass mich irgendetwas beschäftigt, aber ich bin noch nicht bereit, mit ihnen über das Thema Malfoy zu sprechen. Und was sollte ich ihnen auch sagen?

Ich weiß ja selbst nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll!

Deshalb sitze ich auch heute wieder alleine in der Bibliothek und grüble darüber nach, was Draco mit seinem Verhalten bezwecken könnte.

Hat er die richtige Antwort wirklich gekannt? Oder wollte er nur, dass ich das denke, damit er besser dasteht? Aber was hatte er dann davon, auf dem Turm so nett zu mir zu sein?

Erschöpft und verwirrt stütze ich meinen Kopf in meine Hände. Je mehr ich über Malfoy, das Quiz und den Astronomieturm nachdenke, desto mehr raucht mein Kopf, aber ich komme einfach zu keinem sinnvollen Schluss.

Frustriert seufze ich auf. Das hat doch keinen Sinn! Wahrscheinlich wollte Malfoy genau das erreichen: Eine verwirrte Hermine, die abgelenkt ist, während er seinen nächsten fiesen Zug plant.

Verärgert, dass Malfoy ständig durch meine Gedanken spukt, schaue ich auf die Uhr.

Verdammt, ich sitze schon wieder seit einer halben Stunde hier und habe nichts erreicht, bis auf höllische Kopfschmerzen, die sich immer weiter in meinem Schädel ausbreiten.

Bei Merlins Hut, es reicht jetzt! Ich werde eh nicht herausfinden, was Malfoy in der Situation geritten hat und ich muss wirklich mit meiner Hausaufgabe für Kräuterkunde fertig werden, bevor nachher das Quidditch Spiel beginnt.

Achja, Quidditch. Heute, fast eineinhalb Monate nach Schulbeginn, findet das erste Quidditch Spiel dieses Schuljahres statt. Alle sind schon ziemlich aufgeregt, vor allem da Gryffindor auf Slytherin treffen wird und das immer DAS Event ist, das niemand verpassen will.

Harry, Ron und Ginny trainieren bereits seit Wochen intensiv mit dem restlichen Gryffindor-Team und ich habe alle drei eher selten in den Freistunden und auch kaum an den Wochenenden gesehen. Ich fühle mich dadurch schon etwas ausgeschlossen, da sie fast jede Minute ohne mich zu dritt verbringen, aber Quidditch ist nun mal nicht mein Sport. Ich schaue gerne zu, aber auf den Besen bringen mich keine zehn Pferde!

Aus diesem Grund freue ich mich umso mehr, dass das Spiel heute Nachmittag ist und meine Freunde dann wieder mehr Zeit für mich haben werden. Auch wenn die Situation mit Ron sich immer noch nicht entspannt hat.

Nach einer weiteren Stunde bin ich endlich fertig mit meinem Aufsatz für Kräuterkunde und verlasse schnellen Schrittes die Bibliothek. In wenigen Augenblicken schon wird Madame Hooch den Startpfiff pfeifen und wenn ich mir noch einen guten Platz auf der Tribüne sichern will, muss ich mich echt beeilen!

Beim Stadion angekommen bahne ich mir einen Weg durch die Massen an Schülern. Es ist bei meiner Körpergröße gar nicht so einfach, zu erkennen, wo ich hin muss, aber nach zehn Minuten habe ich es endlich geschafft. Suchend schaue ich mich um, bis ich die riesige Gestalt von Hagrid entdecke, der relativ weit oben sitzt. Neben ihm ist noch ein Platz frei, daher mache ich mich an den Aufstieg und winke ihm dabei fröhlich zu.

Als ich bei Hagrid ankomme, bin ich schweißgebadet.

„Hallo Hagrid!"

„Hey Hermine, ich hab mich schon gefragt, ob du noch kommst. Hast du Harry, Ginny und Ron gesehn? Ich wollte ihnen noch viel Glück wünschen, aber ich hab sie nich mehr gefunden."

„Nein, ich hab alle drei schon seit heute Morgen nicht mehr gesprochen. Aber das ganze Gryffindor Team ist in Topform! Die trainieren schon seit Beginn des Schuljahres und mit Harry haben sie ja eh den besten Sucher auf ihrer Seite! Sie brauchen also kein Glück."

„Ginny is als Jägerin auch klasse. Genau wie Ron! Wer hätt gedacht, dass unser Rotschopf mal der beste Hüter der Schule werden würde?" Hagrid klopft sich stolz auf die Brust.

In diesem Moment laufen die beiden Mannschaften auch schon auf das Spielfeld ein. Harry, als Team-Kapitän, führt das Gryffindor-Team an. Hinter ihm folgen Ginny, Demelza Robins und Dean Thomas, die drei Jäger, sowie die beiden Treiber Jimmy Peakes und Richy Cote. Das Schlusslicht bildet Ron.

Die Slytherin Spieler kommen ihnen von der anderen Seite entgegen, gut zu erkennen an ihren schwarz-silbernen Besen und den grünen Uniformen. An der Spitze geht hier Draco Malfoy, der ebenfalls Sucher und Mannschaftskapitän ist. Die restlichen Mitglieder kann ich nicht gut erkennen, aber ehrlich gesagt kenne ich auch nicht so viele Slytherin Schüler aus den anderen Jahrgängen.

In der Mitte des Feldes treffen die beiden Teams aufeinander. Auf Befehl von Madame Hooch machen sich alle Spieler bereit und stoßen sich auf ihren Pfiff hin vom Boden ab. Wie immer bin ich fasziniert, wie schnell und zielsicher die Quidditch Sportler auf den Besen unterwegs sind.

Ich sehe, wie Ron sich vor den drei Ringen in der Gryffindor Hälfte platziert, um den Quaffel abzufangen, bevor die Jäger der gegnerischen Mannschaft Punkte erzielen können.

Momentan hat er allerdings eine kleine Verschnaufpause, da die Gryffindor-Jäger den Ball in ihrem Besitz haben und sich zielsicher über das Feld zupassen.

Mit dem Rest der Gryffindor-Schüler juble ich auf, als es Ginny gelingt, den Quaffel durch den mittleren Ring zu werfen und so die ersten zehn Punkte des Spiels für uns zu entscheiden. Der Jubel geht allerdings in ein Aufstöhnen über, als Ginny kurz darauf beinahe von einem Klatscher getroffen wird, den einer der Slytherin Treiber in ihre Richtung geschlagen hat.

Gerade noch rechtzeitig gelingt es ihr, den Besen herumzureißen, und der großen schwarzen Kugel zu entgehen.

Ich schaue mich nach Harry um und sehe, dass er und Draco sich gegenseitig verfolgen und nicht aus den Augen lassen. Momentan scheint der goldene Schnatz jedoch noch verschwunden zu sein, denn beide Sucher fliegen relativ entspannt um das ovale Quidditch Feld.

Meine Aufmerksamkeit wird wieder auf die restlichen Spieler gelenkt, als das nächste Tor erzielt wird. Dieses Mal sind es jedoch die Slytherin Fans, die sich freuen können. Einer ihrer Jäger hat es offensichtlich an Ron vorbei geschafft, obwohl dieser einer der besten Hüter ist, die ich je gesehen habe.

Auch wenn ich ihn aus dieser Entfernung nicht genau genug sehen kann, weiß ich, dass Ron gerade sein Gesicht verzieht. Diesen säuerlichen Ausdruck habe ich schon oft beobachten können, wenn er bei früheren Trainings mit Harry einen Ball durchgelassen hat. Ron bedeutet Quidditch sehr viel, vor allem, da er dafür wirklich Talent hat. Deshalb kann er eigene Fehler in diesem Fall nur schwer verkraften.

Die Erinnerung an Rons erste Quidditch Versuche lässt mich grinsen. Ganz am Anfang wurde er noch alle fünf Minuten von Harry ausmanövriert und setzte jedes Mal einen finsteren Blick auf, bevor er zusammen mit mir und Harry in Lachen ausbrach.

Achja, wie sehr ich mir wünsche, wieder so unbeschwert Zeit mit meinen beiden besten Freunden verbringen zu können...Es ist schon so lange her, dass wir zu dritt unterwegs waren und einfach nur Spaß hatten. Lustige Unternehmungen gab es nach dem Krieg mit Voldemort eh kaum und seit ich mit Ron Schluss gemacht habe, ist das Ganze ja auch nicht besser geworden.

Merlin, am liebsten wäre ich einfach wieder im zweiten oder dritten Jahr, damals war alles irgendwie einfacher. Selbst Basilisken, Dementoren und Werwölfen würde ich mit Freuden nochmal begegnen, wenn Ron und ich dann wieder Freunde sein könnten.

Traurig seufze ich auf.

Als ich bemerke, dass ich mit meinen Gedanken mal wieder ganz woanders bin, versuche ich mich wieder auf das Spiel zu konzentrieren.

Slytherin hat gerade den Quaffel von Demelza Robins zurückerobern können, aber Jimmy Peaks lenkt sofort einen der Klatscher so geschickt in Richtung des Jägers mit dem Quaffel, dass dieser ein waghalsiges Ausweichmanöver starten muss und den Ball dabei fallen lässt.

Ginny fängt diesen grinsend unter ihm auf und wirft ihn Dean zu, der einen Jäger und den Hüter von Slytherin austrickst und die nächsten Punkte für Gryffindor sichert.

Ich schaue auf die große Tafel am Rande des Feldes, die den Punktestand anzeigt. Mittlerweile steht es 50 zu 30 für Gryffindor, aber diese Differenz ist so gering, dass man noch nicht mit einem klaren Sieg für Gryffindor rechnen kann. Außerdem erhält die Mannschaft, die den Schnatz fängt, noch einmal 150 Extra-Punkte. Die meisten Spiele werden daher durch die Sucher der Teams entschieden und nicht durch die erzielten Tore.

Plötzlich brüllt Hagrid neben mir auf: „Da, ich glaub, Harry hat den Schnatz gesehn!"

Mit meinen Augen suche ich hastig das Feld ab, bis ich Harry entdecke. Hagrid hat Recht, Harry befindet sich im Sturzflug nach unten, vor ihm ein goldenes Blitzen. Er ist jedoch nicht der Einzige, der dem Schnatz dicht auf den Fersen ist.

Auch Malfoy nähert sich blitzschnell von der anderen Seite und wirklich weiter entfernt ist er nicht.

In diesem Moment fliegt der Schnatz eine schnelle, scharfe Kurve.

„Oh nein! Er fliegt in Malfoys Richtung! Los, Harry, beeil dich!" höre ich einige Gryffindor Fans neben mir schreien.

Leider stimmt es, was meine Mitschüler vor mir erkannt haben. Die Kurve, die der kleine goldene Ball beschrieben hat, hat ihn näher in Dracos Reichweite gebracht. Er hat Harry gegenüber jetzt einen Vorteil, und da auch Malfoy ein ausgezeichneter Flieger ist, wird es für Harry fast unmöglich sein, diesen Rückstand wiedergutzumachen.

„Harry, du schaffst das!" feuere ich meinen besten Freund an, auch wenn dieser das sowieso nicht hören kann.

„Harry, Harry, Harry!"

Der Großteil des Stadions scheint auf Gryffindors Seite zu stehen. Das wundert mich zwar eigentlich nicht, denn Hufflepuff und Ravenclaw waren noch nie große Fans von Slytherin, aber seit der Schlacht um Hogwarts ist die Rivalität zwischen den Häusern noch größer geworden. Das Haus mit dem Schlangenemblem ist dadurch fast so etwas wie ein Außenseiter geworden, was mir ehrlich gesagt missfällt. Klar, viele der Slytherin Schüler haben sich in der Schlacht auf Voldemorts Seite gestellt und für ihn gekämpft. Und man kann auch nicht leugnen, dass die meisten Anhänger Voldemorts ehemalige Slytherins sind. Das heißt aber doch nicht automatisch, dass alle Slytherin Schüler von Grund auf böse sind.

Als ich bemerke, dass ich den Spielverlauf schon wieder aus den Augen verloren habe, suche ich schnell den Himmel ab.

Harry und Draco sind nicht schwer zu finden. Fast Seite an Seite rasen sie hinter dem goldenen Schnatz her, der jedoch nicht sehr leicht zu fangen ist. Im Moment sind sie in meine Richtung unterwegs, so dass ich beide Sucher gut erkennen kann.

Malfoy hat immer noch eine Armlänge Vorsprung, die jedoch immer mehr zu schwinden scheint.

Plötzlich beugt sich der blonde Slytherin noch etwas dichter an seinen Besen, der dadurch einen weiteren kleinen Schub an Geschwindigkeit erhält. Der Schnatz beschreibt erneut eine wahnwitzige Kurve, um den beiden Suchern zu entgehen, aber es ist zu spät: Jubelnd reißt Malfoy die Faust nach oben, die fest um den geflügelten Ball geschlossen ist.

Die Slytherin Fans stimmen mit ein, triumphierend lassen sie ein Siegesgeschrei hören.

Übertönt wird dieses allerdings durch Buhrufe von unzähligen anderen Zuschauern.

Ich kann es nicht fassen. In meiner gesamten Schulzeit und während der Quidditch Weltmeisterschaft habe ich noch nie erlebt, dass eine Mannschaft in dieser Art und Weise ausgepfiffen wurde. Und obwohl auch ich natürlich enttäuscht darüber bin, dass Gryffindor verloren hat, finde ich so ein Verhalten furchtbar. Slytherin hat immerhin fair gewonnen! Dieses Mal habe ich von beiden Teams kaum Fouls mitbekommen und Draco hat den Schnatz nun mal vor Harry erwischt.

Ich sehe nach oben, wo die Spieler beider Teams immer noch auf ihren Besen sitzen und in der Luft schweben. Dracos Gesicht, das nach dem Fangen des Schnatzes reinen Stolz ausgestrahlt hat, geht immer mehr in Wut und etwas anderes über, dass ich nicht genau benennen kann.

Wieder einmal tut er mir leid. Das hat er wirklich nicht verdient. Und erneut reagiere ich, ohne Nachzudenken: Ein kurzes Murmeln und ein kurzer Schwenk mit dem Zauberstab reichen aus, um meine Botschaft in den Himmel zu schreiben.

Um mich herum höre ich überraschte Ausrufe, als immer mehr Schüler und Lehrer meinen Zauber bemerken. Viele Arme zeigen nach oben, bis auch die Quidditch Spieler einer nach dem anderen den Kopf in den Nacken legen, um zu sehen, was da vor sich geht.

Das Tuscheln und Geraune wird immer lauter. Hunderte Stimmen vermischen sich zu einem lauten Hintergrundgeräusch, so dass einzelne Wortfetzen kaum auszumachen sind.

Es ist mir jetzt schon peinlich, was ich getan habe, auch wenn niemand wissen kann, von wem die Botschaft stammt. Außerdem werden die wenigsten verstehen, was sie bedeutet.

Aber Dracos Gesichtsausdruck, als er den silbernen Fuchs sieht, der wie ein Sternbild am Himmel steht, verrät mir, dass er es sofort versteht.

Ich glaube, ich habe Draco Malfoy noch nie so sprachlos gesehen.

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