Eine eisige Reise
Umtriebig, vom Wind hin und her geworfen, noch einzeln und doch in einer Art Verbund, fliegen die Wassermolekühle in gigantischen Wolken weiter. Hinfort, in ungeahnte Ferne und immer höher steigend bildet sich in der Wolke etwas Einzigartiges. Etwas, das symmetrisch ist, milliardenfach vorhanden und doch aufgrund der unzähligen Möglichkeiten in seiner jeweiligen Form nicht zweimal existiert. Dies ist die Geburtsstunde unserer Schneeflocke, die wir auf ihren Wege begleiten werden.
Zunächst geht alles ähnlich weiter, wie es begonnen hat. Der Wind weht über Stunden und Tage unsere kleine Schneeflocke immer weiter umher, dabei wächst sie und wird schwerer und beginnt allmählich zu sinken. Langsam und in Begleitung Millionen von weiteren Schneeflocken, beginnt der lange Abstieg.
Von oben erst kaum zu bemerken, taucht langsam eine kleine Vorstadt auf, mit Bauten, die etwas weiter auseinander stehen und kleinen Gärten und vielen, vielen Schornsteinen, die tödliche heiße Luft produzieren. Doch unsere kleine Schneeflocke hat Glück. Und entrinnt den heißen Rauschschwaden, die ihren Geburtsort so ähnlich sehen und doch so anders sind.
Weiter geht es. Es wird laut. Immer lauter. Seltsame Fahrzeuge schieben unzählige zuvor gefallene Flocken von grauen Wegen zu einer einzigen schmutzigen Pampe an den Straßenrand und streuen tödliches Zeug hinter sich her, während andere, kleine Gefährte, die schmutzige heiße Luft ausstoßen, laut hupend ungeduldig hinterherfahren.
Und wieder hat unsere Flocke Glück, und fällt geradewegs auf eine Grünfläche. Dann nach einigen Stunden, kurz bevor unsere Flocke von weiteren komplett begraben wird, und immer weniger neue hinabfallen, bemerkt sie, wie einige kleinere Zweibeiner aus einen sehr großen Blechfahrzeug kommen und sich beeilen, in diese großen Steinbauten zu kommen, wobei besonders viele in das gehen, was unserem Flöckchen am nächsten ist.
Dabei grohlen, brüllen und lachen diese, doch es klingt nicht unangenehm, sondern irgendwie nach viel Spaß; auch vernimmt unser Eiskonstrukt sogar einzelne für sie unverständliche Wörter wie z.B. Ferienbeginn, Schnee und Verabredung ... Spielen.
Doch lange kann unser frostiges Unikat da nicht drüber nachdenken, denn nach nur kurzer Zeit kommen diese kleinen Zweibeiner mit dicker Ummantelung wieder hinaus. Und fangen an, viele der anderen hinabgeschwebten Flocken zu kleinen Kugeln zu formen, nur um sich damit abzuwerfen.
Unsere kleine Flocke derweil träumt wieder von den Höhen, aus denen sie kam und schaut sehnsüchtig dabei zu, wie zumindest einige ihrer Begleiter, wenn auch nur für kurz, wieder ein Stück durch den Himmel reisen dürfen.
Die Zeit vergeht und nachdem die kleinen Zweibeiner kurz in dieses Steingebäude verschwinden, kommen sie wieder hinaus. Wieder werden Bälle aus Flocken geformt, doch anders als vorher werden diese nun über die Fläche gerollt, bis sie zu gigantischen kugelförmigen Klumpen in unterschiedlicher Größe geformt werden. Überraschend erhebt sich plötzlich auch unsere kleine Flocke und wird in der kleinsten der Kugeln mit eingerollt. Immer im Kreis hin und her, mal unten, mal oben rollt der Flockenverband umher, bis die kleine Flocke mit so vielen anderen einen Platz ganz oben auf den anderen Kugeln bekommen hat, wo diese nun besonders schön mit den anderen um die Wette funkelt.
Dann wird es langsam dunkel, der Wind kälter, und auch das Funkeln lässt nach, nur vereinzelt strahlt mal ein Licht dieser Metallgefährte zu ihnen herüber. Weiter in der Nacht, als es immer ruhiger wird, beginnt ein kleines Wesen mit buschigem Schwarz durch das Flockenmeer zu hüpfen. Es buddelt immer mal wieder und ab und zu gräbt es eine Eichel oder Nüsse aus. Doch pünktlich zum Tagesanbruch verschwindet das vorsichtige, immer mal wieder witternde Tier im Unterholz.
Neugierig wendet sich die Aufmerksamkeit der Flocke nun dieser durchsichtigen Wand zu, die sie vor der tödlichen Wärme schützt. Drinnen ist viel Gewusel, erhöhte Plattformen werden mit runden weißen Gegenständen und silbrigen länglichen Dingern gleichmäßig bestückt; und ein Baum wird mit allerlei bunten Bändern und Kugeln behangen, von denen einige sogar leuchten; und dünne rote Stäbchen mit feurigen Ende werden senkrecht an einigen Ästen drapiert. Als alles dann bunt und strahlend ist, gehen die Zweibeiner hinaus, und damit geht auch das große Leuchten aus. Nur der Baumschmuck und der Mond sorgen für ein wenig Helligkeit.
Am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen die weiße Landschaft zum Glitzern bringen, erwachen im Steinunterschlupf die Bewohner und schon bald nach einigen Klimpern und Klirren tritt der kleine Zweibeiner wieder hinaus und geht zu einen der anderen Steinbauten und spielt da mit einigen anderen im Garten. Währenddessen wundert sich unsere Flocke darüber, dass die großen Wesen unter den Baum bunte Quader legen. Etwas später, kurz bevor der Kleinere zurückkommt, stellen sie noch mit gefährlich dampfenden Dingen gefüllte Metallplatten und Halbkugeln auf die hölzerne Erhöhung. Dann, als der kleinere der Zweibeiner in den Raum mit den Baum kommt, funkeln seine Augen fast so doll wie unsere Flocke, wenn die Sonne darauf scheint. Eilig konsumiert der kürzere der drei einige der dampfenden Sachen mithilfe der länglichen Metallgegenstände, und wartet nun ungeduldig, bis die beiden größeren auch fertig sind. Als es schließlich soweit ist, springt der jüngere Zweibeiner so stark auf, dass die hölzerne Sitzfläche fast umkippt und rennt zu den bunten Quadern, welche er anschließend geschwind und mit immer mehr Strahlen in den Augen von der bunten Hülle befreit.
Zusammen leeren sie anschließend die Holzfläche und beschäftigen sich noch eine ganze Weile mit den Inhalten der mysteriösen Pakete.
Die Flocke ist von dem ganzen Schauspiel zu gebannt gewesen, und bemerkt erst jetzt die Dunkelheit und Ruhe. Eine weitere Nacht ist angebrochen, und überlässt vielen bunten Lichtern nun das Beleuchten der Gegend. Und anders als sonst, scheint diesmal auch keines der Metallgefährte über die grauen Wege zu gleiten.
Am nächsten Tag treffen sich wieder einige der kleinen Zweibeiner auf der Grasfläche und spielen mit den kalten Weiß, wobei sie viel Freude und Gelächter erklingen lassen. Erstaunt ist unsere Flocke noch, als die Wesen sich plötzlich hinlegen und mit Beinen und Armen rudern, dann aufstehen, und wunderschöne Abdrücke in Form geflügelter Figuren hinterlassen.
Es sind schon einige Tage und Nächte vorüber, als unsere Flocke bemerkt, dass es immer wärmer wird, und nun, dem Ende nah, denkt sie nochmal zurück, an all die schönen Erlebnisse, deren Zeuge sie gewesen ist. Zufrieden und glücklich beobachtet sie ein letztes Mal den Sonnenaufgang, bis aus der einzigartigen eisigen Schönheit wieder Wasser wird. Bereit für den nächsten Kreislauf.
Und mit diesem Ende, hoffe ich das es euch gefallen hat. Votet und kommentiert auch gerne
LG Andi
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