XXVI. Kapitel

Die Abenteuer von Present-Zoë und Past-Luke

Hach ja, dieser Tag war ja noch nicht schlimm oder verwirrend genug gewesen. Sicherlich saßen die Moiren gerade in ihren drei Schaukelstühlen, wo auch immer die auch hockten, spielten Bingo und diskutierten darüber, wie sie mir noch mal ordentlich eine reinwürgen könnten. Besten Freund töten? Haben wir schon. Schuld an allem geben? Mehr Schuld geht nicht. Sich ungeliebt fühlen? Jap. Eine Priese Liebesdrama und schlechtes Gewissen? Gähn, gibt es keine neuen Ideen? Moment, ich habs! Wie wärs, wenn wir ihrem abtrünnigen Mentor von früher, über den sie eh schongemischte Gefühle hat einen krassen Aufritt geben und das Ganze in einer total abgefahrenen Kulisse? So mit Nebel und Eis und so? Ja! Das klingt doch gut!

Nein! Nein, gar nicht gut! Das ist ne scheiß Idee! Kann ich nicht lieber einen Schub von Alzheimer kriegen und auf einer pinken Blumenwieseaufwachen, wo Michi das Einhorn mein neuer bester Freund wird? Für den Rest meines Lebens? Bitte?

„Zoë? Ist alles okay?", fragte Luke und drehte sich nach mir um. Er steuerte auf den Esspavilion zu. Oder zumindest was davon übrig war. Ich verzichtete auf eine ironische Antwort und war auch nicht heiß darauf, ihm meine Moiren-Bingo-Vorstellung zu unterbreiten, wegen der ich einen Moment nicht geistig anwesend gewesen war.

„Jap.", sagte ich deswegen nur knapp. Für ein Pläuschen mit Luke hätte mich eigentlich eine gemütlichere Location ausgesucht. Aber naja, man konnte ja nicht alles haben. Ich versuchte alles auszublenden, was in den letzten Stunden passiert war und was ich alles getan hatte und setzte mich auf einen Teil der Treppe, den man noch als solche erkennen konnte neben den Hermessohn. Ich musterte ihn unaufällig von der Seite. Mein Gefühl sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte. Und außerdem, hätte er mir nicht schon längst etwas angetan wen er es gewollt hatte. Er sah noch übler aus als letztes Mal im Thronsaal, vielleicht sogar übler als ich. Die Jeans und der Hoodie angesengt, dreckig und voller getrocknetem Blut, sein Körper übersät mit Brandblasen, Wunden, Schrammen und blauen Flecken, seine Haltung irgendwie gebeugt und die Erschöpfung stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass ich ihm am liebsten übers blonde Haar gestrichen und ihn ins Bett geschickt hätte. Wären da nicht seine wachen und aufmerksamen Augen gewesen, die alles wahrnahmen und mit denen er mich jetzt durchdringlich anschaute.

„Du wirst mir das alles wohl nicht glauben. Aber bitte höre mir bis zum Ende zu.", warnte Luke mich vor.

„Oh, keine Sorge, ich bin quasi damit aufgewachsen, Dinge zu glauben die unglaublich sind. Schieß los." Ich gab zu, mein lockeraufgesetzter Ton war wirklich nicht sehr glaubwürdig, aber irgendeinen Selbstschutz musste ich mir ja aufrecht erhalten...oder?

„Hörzu, ich habe einen netten kleinen Trick gelernt, bitte erschreck dich nicht." Noch bevor ich die Augenbrauen spöttisch hoch ziehen konnte, wurde mir weiß vor Augen. Ja, ganz richtig. Weiß. Es war, wie wenn man das Bewusstsein verlor (damit kannte ich mich ja leider zur Genüge aus), nur tausendmal heller. So hell, dass ich aus Reflex meine Augen schließen wollte, aber das ging leider nicht. Die waren ja schon zu. Langsam gewöhnte ich mich an das Weiß und erkannte die Umrisse von Gegenständen, die Silhouette einer Person. War das das Meer, das hier rauschte? Und roch es hier nicht irgendwie...bekannt? Jetzt wurde es deutlich.

Ich befand mich tatsächlich an einem Strand, aber nicht an irgendeinen, sondern an dem des Camps. Und die Person, die sich so unsicher umschaute war Luke, das erkannte ich auch aus den paar Metern Entfernung und trotz der Dunkelheit, es war Nacht oder zumindest sehr später Abend. Wenn auch er jetzt ein sauberes Camp Shirt und eine heile Hose trug.

„Hey! Luke! Was soll das hier?", fragte ich und stapfte durch den Sand auf ihn zu.

„Er kann dich weder hören noch sehen.", sagte Lukes Stimme hinter mir und ich fuhr zusammen.

Da stand...noch ein Luke. Fing das Gift langsam an zu wirken? Wurde ich wahnsinnig?

„Das hier ist meine Erinnerung. Was du da vorne siehst bin auch ich. Bloß acht Jahre jünger." Jetzt wo ich genau hinsah, bemerkte ich es. Luke sah schon damals aus wie Luke aber irgendwie...weniger beschwert. Und seine Geschichtszüge waren um einiges weicher. Der Present-Luke verschränkte die Arme und sah sich selbst zu. Auf seinem Gesicht konnte ich eine Spur von Wehmütigkeit erkennen und ganz ehrlich, ich verstand ihn so gut. Als Elfjährige hatte mein Leben zwar nicht rosig ausgesehen, aber im Vergleich zu jetzt war es das Elysium auf Erden.

Past-Luke drehte sich einmal um sich selbst, so als würde er etwas suchen. Wir gingen näher ran.

„Hallo! Ich bin da! Komm raus!"

„Auf wen wartest du?", fragte ich Present-Luke, dieser winkt ab. Im gleichen Moment taucht aus dem Nichts eine weitere Persona auf, die ich jedoch aufgrund der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Die Statur schien jedoch zu einem Kind zu gehören.

„Du bist zu spät. Ganz der Sohn des Hermes.", sagt das Kind, jedoch klang seine Stimme wie die eines Mannes. Past-Luke schien die Situation nicht ganz geheuer zu sein.

„Wer ist das?", wollte ich wissen.

„Du musst schon zuhören.", erhielt ich als Antwort.

„Aber ich bin da.", verteidigte sich der Junge, jedoch klang er weniger sicher, als er sein Gegenüber mit seinen Worten glauben lassenwollte. Irgendwie war es konisch, Luke gleichzeitig neben mir zu wissen, während sein altes Ego nur einige Meter von uns entfernt stand.

„Da hast Recht. Und ich bin dir auch sehr dankbar, dass du gekommen bist." Das Kind trat aus dem Schatten und ich riss vor Überraschung meine Augen auf. Ich kannte dieses Gesicht, diese Augen, diese Sommersprossen.

„Du bist...William Solace! Der Apollo Sohn!", rief Past-Luke erstaunt aus, in selben Moment in dem ich „Will!", keuchte. Ich hatte ihn erst kennengelernt, als ich als Teenager ins Camp gekommen war, aber ich erkannte die jüngere Version meines besten Freundes auf Anhieb. Im gleichen Augenblick verspürte ich einen Stich im Herzen, weil dieser kleine Junge dort nicht mal im entferntesten wusste, dass er seine Volljährigkeit niemals erreichen würde, dass er einen sinnlosen und mysteriösen Tod sterben würde und das alles wegen mir. Present-Luke sagte nichts.

„Nein. Ich bin nicht William Solace, dies ist nur sein Körper. Ich bin Ophion. Glaube mir, wäre ich stark genug, würde ich nicht den Körper eines armen Halbgottes missbrauchen.", sagte Will/Ophion. In Past-Lukes' Kopf schien es zu rattern. Und ich konnte es nichtglauben. Wills letzte Worte Es tut mir leid, es tut mir so leid, junges Mädchen. Ich wollte dir nicht deinen besten Freund nehmen, ich wollte es wirklich nicht. Aber er war nicht stark genug, ich hätte es besser wissen müssen. Bitte vergib mir und bring deine Aufgabe zu Ende. Die Welt hofft auf dich!, die sich auf Ewig in mein Gedächtnis eingebrannt hatten, machten auf einmal Sinn.

„Ophion hat in Will gewohnt, so wie Euronyme es bei mir tut! Du wusstest es! Warum hast du nichts gesagt, wir hätten seinen Tod verhindern können!", warf ich Luke vor. Dieser gab mir keine Antwort, schaute mich noch nicht mal an. Es schien schwer für ihn zu sein, seine Erinnerung zu durchleben und mich daran Teil haben zu lassen.

„Ich erwarte nicht, dass du mich kennst, das tun die wenigsten. Jedoch wird sich das in einigen Jahren ändern, davon bin ich überzeugt. Etwas Uraltes hat sich geregt, etwas was älter ist als die Götter, die Titanen, die Erde, sogar älter als ich. Die Schöpfungsgöttin Euronyme wird Schritt für Schritt erwachen, und das wird für keinen gut enden." Der Elfjährige schaute Will/Ophion verwirrt an. Ich musste wohl ähnlich drein gucken.

„Sie wird den Titanen genug Kraft geben, um aus dem Tartaros zu fliehen und zunächst die Götter und die gesamte Zivilisation auslöschen. Dann wird sie sich gegen die Titanen wenden, die Welt zerstören und letztendlich eine neue Welt schaffen, in der nur ich und meine Folter existieren."

„Das...klingt unschön.", sagte Past-Luke und ich konnte nicht mit genauer Sicherheit sagen, ob er den Worten Glauben schenkte oder nicht. Ich hingegen fühlte mich wie gelähmt, ich konnte kein Wort sagen.

„Du bist Teil der ältesten und bedeutendsten Prophezeiung der Welt, mein Junge. Du wirst das Zünglein an der Waage sein, was alles entscheidend ist."

„Ich hab noch nie eine Prophezeiung bekommen.", sagte Past-Luke leise. „Die kriegen nur die Großen vom Orakel, die die auf Aufträge gehen."

„Oh, diese hier ist von weit aus größerer Bedeutung. Hör gut zu." Will/Ophion räusperte sich.

Wenn die Schöpfrin endlich erwacht

Wird das verbotene Mädchen geboren.

Sie hat doch gewartet, im Schlafe gewacht,

Die Welt stirbt in Eis, die Zeit ist gefroren.

Das Leben hilft uns ins Gleichgewicht,

wenn wir versinken in eisiger Not.

Das Mädchen bringt uns zurück unser Licht

Oder die Waage gerät aus dem Lot.

Keine Grenzen hat ihre Macht,

Nichtmal der große, heil'ge Rat.

Nur durch des Königs jüngstem Spross,

bleibt sie auf dem rechten Pfad.

Freund und Feind wird Ein

Am Ende seid ihr im gleichen Boot

So erspart ihr euch großen Pein

Und Mädchen und Schöpf'rin finden den Tod."

„Das...Luke! Luke, das ist die letzte Strophe der Prophezeiung!" Es war, als hätte man mir plötzlich pures Adrenalin gespritzt. Ich lachte vor Erleichterung, es war also ganz einfach! Wir mussten uns mit den Titanen zusammen tun um gegen Euronyme anzukommen und alle würden gerettet werden können. Luke lächelte nicht zurück.

„Ich bin nicht blöd, Zoë!", sagte er gereizt. „Aber anscheinend hast du schlechte Ohren! Du musst dafür sterben, okay?! Sterben!"

In diesem Moment wurden die Umrisse wieder schwächer, ich wollte noch nicht weg, ich wollte hören, was Ophion sonst noch zu sagen hatte, ich wollte bleiben! Schließlich wurde es wieder blendet hell und eine neue Umgebung materialisierte sich aus dem Nichts heraus, Luke stand wieder neben mir. Wir befanden uns an einem mir unbekannten Ort, ein Klassenraum mit vielen Sitzreihen, einer Kreidetafel vorne und einer riesige Amerikaflagge rechts am Fenster. Da ich ja nicht in den Staaten zur Schule gegangen war, wunderte mich letzteres ein wenig. Typisch Ammis. In der ersten Reihe saß ein wesentlich ältere Luke (er hatte sogar schon die Narbe, die er eben am Strand noch nicht gehabt hatte), der über einem Blatt Papier grübelte, immer wieder etwas hin kritzelte, es durchstrich und in den kurzen Pausen dazwischen auf seinem Stift rumkaute.

„Du kanntest du Prophezeiung noch bevor du mich gekannt hast...Luke was ist das hier alles?", wollte ich wissen.

„Ist das dein ernst Zoë? Ich eröffne dir, dass du wohl oder übel sterben musst und alles was du tust ist nach dieser blöden Prophezeiung zu fragen?" Er schien tatsächlich sauer zu sein.

„Mir wurde schon oft genug gesagt, dass ich nicht mit dem Leben davonkommen würde. Und hier stehe ich.", erwiderte ich trotzig. „Viel schlimmer finde ich, dass du mir anscheinend eine Menge verheimlicht hast. Bist du deswegen zu den Titanen gegangen? Weil du dachtest, dass es ja eh egal wäre, weil am Ende alle gegen Euronyme kämpfen?", fragte ich herausfordernd.

„Nein! Nein das bin ich nicht! Ich habe mir das Schicksal nicht ausgesucht, genauso wenig wie du auch! Ophion selbst hat mich zu seinem letzten Nachkommen erklärt. Er ist die große, treibende Kraft hinter allem, die einzige, die Euronyme, der ersten Königin, gewachsen ist, verdammt nochmal!"

Das macht irgendwie Sinn.", flüsterte ich leise

„Du glaubst mir?", fragte Luke.

Diesmal antwortete ich nicht. War das alles hier vielleicht der Grund, warum Luke sich so seltsam benommen hatte? Aber andererseits war er immer noch der Feind, auf der Seite der Titanen und diese versuchten immer mit allen möglichen fiesen Tricks zu gewinnen.

Die große Wanduhr tickte laut, wenn ich es nicht besser wissen würde, würde ich sagen dass sie immer lauter wurde. Past-Luke schien das auch zu denken, er schaute auf die Uhr, brach in Schweiß aus und fluchte, als seine Bleistiftmiene abbrach. Jetzt erst fiel mir ein, dass auch Luke zu dieser Zeit, da er ja schon im Camp wohnte, eigentlich gar nicht zur Schule gehen musste.

„Du hast Prüfungsangst.", dachte ich laut und Luke nickte. Past-Luke konnte nicht mehr weiter schreiben und stützte deswegen verzweifelt den Kopf in die Hände. Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür zum Klassenzimmer und ein streng aussehender Mann mit Brille und adrettem Scheitel kam herein. Erst auf den zweiten Blick stellte ich fest, dass sowohl seine Anzugshose, als auch Hemd und Jacket aus Reptilienleder gemacht waren.

„Mr Castellan, haben Sie nicht vor, Ihre Prüfung zu beenden?", fragte er und ich horchte auf. Diese Stimme hatte ich gerade eben schon einmal gehört, und zwar aus dem Mund von Will!

Past-Luke erinnerte sich wohl nicht, denn er stotterte bloß: „Ich...ja...aber mein Schiff-ähm Stift ist..." Ungewollt musste ich kichern. Dass der tolle, stolze und selbstbewusste Luke auch so sein konnte, hätte ich nie gedacht.

„Weißt du Luke, das ist nicht schlimm.", sagte der Mann und seine Stimme wurde augenblicklich freundlicher. „Das einzige was zählt, ist, dass du jetzt gleich aufwachst."

Past-Luke begriff. „Ophion...was tust du in einem Klassenr-" Er stockte. „Ich träume, oder?"

„Sehr richtig. Es ist helligster Tag, aber du musstest kurz einschlafen, damit ich mit dir reden kann."

„Die ganze...die ganze Zeit habe ich geglaubt, ich habe mir dieses Gespräch am Strand bloß eingebildet..." Luke schien fassungslos.

Ophion lachte, in etwa so wie ein Lehrer, der eigentlich schon so sehr Kumpel war, dass man manchmal vergaß ihn höflich anzureden. „Ach wirklich? All die Zeichen? All die Dinge, die ich dir durch den Apollo Sohn geschickt habe? Das kannst du mir nicht erzählen."

Past-Luke schaute auf den Tisch. Anscheinend war die Holzmaserung sehr interessant.

„Der Tag, von dem ich dir erzählt habe, ist gekommen. Das Mädchen wird eintreffen. Von nun an gilt alles was du tust nur einer Sache: Der Erfüllung der Prophezeiung und somit der Rettung der Menschheit -und ihr." Past-Luke schaute auf.

„Okay."Er machte eine Pause. Beschloss er in diesem Moment, zu tun was Ophion von ihm verlangte? „Wie ist ihr Name? Wie alt ist sie? Wie sieht sie aus? Wie erkenne ich sie?", fragte er weiter.

Ophion lachte erneut. „Du wirst es wissen. Wach jetzt auf und gehe zum Campeingang."

„Aber-", begann Past-Luke. Er konnte nicht aussprechen, denn plötzlich verwandelte sich alles in einen Wirbel aus Farben und dem Ticken der Uhr und er wachte auf. Wie abgedreht...ich hatte mich in einem Traum in einer Erinnerung befunden. Ich schaute kurz zu Luke, zu meinem Luke.

„Das ist der Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, oder? Der Tag an dem May, Liam und ich ins Camp gekommen sind."

„Ja. Ich werde diesem Tag niemals vergessen." Seinen Emotionen waren schwer zu lesen. Er hatte schon eine Weile nichts mehr gesagt und jetzt hörte ich doch den Unterschied seiner Stimme zu der seiner jüngeren Version. Diese fuhr tatsächlich gerade aus einem Mittagsschläfchen in den Rängen der Arena auf.

„Komm, zum Campeingang.", befahl Luke und lief los. Ich folgte ihm. Er hielt mich am Toreingang zurück und deutete mit einem Nicken auf die Gestalten die sich uns in langsamem Tempo näherten. Eine vierte Person tauchte auf und die anderen Drei blieben stehen. Ich konnte auf die Distanz nicht die Gesichter der Personen erkennen. Aber das musste ich auch nicht, ich wusste wer das war. Liam, May, Ate und...ich. Der Wind trug einige Wortfetzten zu rüber. Ich hörte: Götter...Zeus...Zoë...Schicksal." Die übliche Palette eben.

Past-Luke war ebenfalls angekommen uns starrte mit offenem Mund in Ates Richtung.

„Warum hast du nichts getan?", fragte ich ihn vorwurfsvoll, auch wenn ich ohnehin wusste, dass Ate sich jeden Moment in Luft auflösen würde.

Luke zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, ich schätze ich war einfach zu baff." Tatsächlich hätte es mich auch jetzt noch fasziniert, wie Ate uns jagte, wir uns Anweisungen entgegen brüllten und mehr oder weniger hilflos waren. Aber inzwischen hatte ich schon so viel gesehen und erlebt, dass mich eine Nebengöttin nicht mehr beeindrucken konnte. Selbst wenn sie mit dem mächtigsten Wesen überhaupt im Bunde stand.

„Herzlich Willkommen im Camp Half-Blood!" Past-Luke hatte die Arme ausgebreitet und grinste auf Hermes-Manier. Nichts lies vermuten, dass er eben eröffnet bekommen hatte, dass sein Leben von nun an komplett anders sein würde.

„May, schön dich zu sehen." Er klopfte ihr auf die Schulter und ich meinte zu bemerken, dass sie ein wenig errötete. Kein Wunder, Luke war auch schon als 15-jähriger ein Frauenschwarm gewesen.

„Das sind Zoë Chester und Liam Evans, eine Halbgöttin und ein Sterblicher. Er kann aber durch den Nebel sehen.", stellte sie uns vor. Ich merkte wie ich innerlich wieder zu kochen begann bei Liams Anblick, dieser elende Verräter. Ohne ihn hätten die Jägerinnen damals die Schlacht gewonnen und ich wäre nie in die Hände der Titanen gefallen. Dann fiel mir jedoch wieder ein, dass ich ihn in meinem Wahn getötet hatte und die Wut verpuffte und wurde zu schlechtem Gewissen.

„Zoe, hi, ich bin Luke, dein neuer Mentor." Past-Luke musterte mich eindringlich, aber mein altes Ego war viel zu erschöpft um das überhaupt festzustellen. „Am besten bringe ich die zwei erstmal zu meiner Hütte und du erstattest Mr D Bericht, okay May?"

Meine Freundin nickte knapp und setzte sich dann in Bewegung.

„Hätte ich da schon gewusst, was du für Ärger bedeutest hätte ich mich wohl einfach im Wald oder so verzogen...", seufzte der Luke der neben mir stand und ich war mir nicht sicher, ob es scherzhaft gemeint war oder nicht.

„Schicksal lässt sich nicht ändern.", wollte ich ihn schon belehren, als die Szenerie erneut wechselte.

Wir waren immer noch im Camp, doch diesmal war es wieder dunkel. Vom Feuerplatz klangen Lieder und Gelächter zu uns hinüber. Ich lächelte ein bisschen wehmütig und erinnerte mich an dieses berauschende Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Zu lange war es schon her gewesen, dass ich sorglos Lagerfeuerlieder gemeinsam mit meinen Freunden geschmettert hatte, während das Feuer unsere Gesichter gewärmt und der Wind unsere Rücken gekühlt hatte.

Luke schien von ähnlichen Gefühlen überrollt zu werden. „Das hier war mein letzter Abend im Camp.", klärte er mich auf. „Siehst du Gestalt die sich da von der Menge löst und auf die Hütte zukommt? Das bin ich."

Ich erinnerte mich. „Du hast mir gesagt, du bist müde und willst schon mal schlafen gehen, damit du am nächsten Morgen zum Schwertkampftraining ausgeruht bist. Und dann warst du einfach verschwunden." Meine Stimme klang anklagender als ich es eigentlich gewollt hatte und aus irgendeinem mir sich nicht erschließbaren Grund schossen mir Tränen in die Augen. „Der Moment als ich deine kurze Notiz gefunden hatte... das war eine der schlimmsten Augenblicke meines Lebens gewesen."

„Denkst du, für mich war es leicht? Ophion hat gesagt, dass ich gehen muss. Ich habe mich geweigert, wollte nichts davon wissen, habe um mich geschlagen. Dann hat er mir Bilder gezeigt. Die Erde als einzige Aschewüste, Millionen von toten Menschen, aber vor allem dich, wie du von einer riesigen Klippe springst und ertrinkst." Luke war leise geworden und ich schaute ihn an.

„Du bist nicht zu den Titanen übergelaufen und hast mich im Stich gelassen, du bist Ophions Anweisungen gefolgt. Aber warum hast du mir nichts gesagt?"

„Ich durfte nicht...und ich konnte auch nicht. Von der Sekunde an, in der ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass ich dich um jeden Preis beschützen musste. Nicht weil Ophion es mir sagte, sondern weil ich wollte, verstehst du? Wie eine Wölfin die ihr Junges beschützt oder ein Bruder seine kleine Schwester... Vielleicht ist es wirklich Schicksal, aber das ist eigentlich egal. Das Einzige was für mich gezählt hast seit ihr das Camp betreten habt warst du."

Past-Luke war inzwischen an der Hermes-Hütte angekommen, verschwand kurz darin und kam mit einem Rucksack wieder raus. Dann schaute er sich um, jedoch waren alle Camper beim Rundgesang und Luke so geübt, sich in den Schatten zu bewegen, dass niemand ihn entdeckte.

Plötzlich erloschen für einen Moment der Mond und alle Sterne, dann begannen sie wieder zu leuchten. Es war immer noch Nacht, aber eine andere Nacht. Der Wald in dem wir jetzt standen war dichter und irgendwie düsterer als der im Camp und Lukes Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst. Definitiv keine schöne Erinnerung die er hier durchlebte.

Auf einer dünnen Strohmatte zu unserer Linken schlief Past-Luke unruhig neben einem erloschenen Feuer. Er sah alles andere als gut aus. Und ich konnte riechen, dass seine letzte Dusche schon einige Zeit her war.

„Wie viele Tage sind vergangen, seitdem du weggelaufen bist?", fragte ich.

Present-Luke zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht genau. Ich habe irgendwann den Überblick verloren. Aber bestimmt zwei Wochen. Ich hatte kein Geld und musste mich so rumschlagen. Und du bist die Letzte der ich erklären muss, dass es alles andere als ungefährlich ist, allein als Halbgott umherzuziehen. Gerade sind wir in San Francisco, nicht allzu weit weg vom Mount Tam. Jeden Moment müsste eine Titanenpatrouille hier lang kommen und-" Tatsächlich bog in diesem Moment eine Gestalt in Rüstung um die Ecke, er sah genauso aus wie die Männer und Jungen gegen die ich als Jägerin gekämpft hatte. Sein Speer war auf die Kehle des schlafenden Lukes gerichtet.

„Du! Hey! Halbgott! Sofort aufwachen!" Past-Luke ries die Augen auf und griff nach seinem Schwert, konnte jedoch nicht mehr tun als die Hand an den lederumbundenen Griff legen, wenn er kein Sperr im Hals riskieren wollte.

„Ich bin Luke Castellan, Sohn des Hermes. Und ich bin hier um mich eurer Armee anzuschließen.", krächzte er.

Der Soldat lachte. Er war älter als den Jungen, dem ich ein Auge ausgestochen hatte. „Luke Castellan will sich den Titanen anschließen?" Der Mann lachte. „Eher fresse ich Pegasusscheiße!"

„Du warst schon als junger Halbgott eine Legende, sogar bei denen.", stellte ich staunend fest.

„Naja...ich hab ihnen mehr als einmal ganz schön Ärger gemacht. Legende ist ein wenig hochgestapelt." Lukes bescheidene Seite kannte ich gar nicht...

„Ich verstehe, dass ihr mir nicht sofort vertraut.", begann Past-Luke diplomatisch. „Aber ich-" Die Patrouille ließ ihn nicht ausreden und fletschte die Zähne. „Also entweder hältst du die Klappe und kommst mit oder ich murks dich hier direkt ab. Suchs dir aus."

„Ich hab die Prophezeiung.", presst Past-Luke schnell hervor, bemüht, nicht zu sehr zu atmen. Auch wenn er es zu verstecken versuchte sah ich seine Angst.

„Was für eine Prophezeiung?", hakte der Mann nach und Past-Luke schluckte.

„Ich weiß nicht wie sie heißt, aber ich weiß, dass der Rat der Titanen alles tun würde sie zu erfahren. Und dass sie sicherlich nicht erfreut sind wenn du Schuld bist wenn sie sie nie erfahren." Luke pokerte hoch, das wusste er selbst. Aber es schien sich zu lohnen, der Mann dachte nach, nahm ihm dann das Schwert ab und zwang ihn dann zum Aufstehen.

„Wir werden sehen, wie viel Wahrheit an deinem Gerede dran ist. Los jetzt, beweg dich."

Present-Luke und ich blieben stehen während sein jüngeres Ich von einem Sperr gedrängt im dichten Wald verschwand. Als wir nach einer Minute immer noch nicht in eine andere Erinnerung gesprungen waren fragte ich vorsichtig: „Luke? Alles okay?"

Er zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich hätte mir das alles einfacher vorgestellt. Aber immerhin hasst du mich nicht mehr."

Ich hob die Hände. „Nein Moment, das habe ich nie gesagt. Nur weil ich dir zuhöre, heißt das längst nicht, dass ich dir vertraue oder verzeihe oder so. Ich meine immerhin habe ich gerade gesehen, wie du die Prophezeiung an meinen größten Feind weitergegeben hast." Ich dachte an Euronyme, die schon verdächtig lange ruhig war. „Zweitgrößten Feind. Sag mal, weißt du eigentlich warum die Olle in meinem Kopf schon so lange nichts mehr gesagt hat?"

Luke dachte kurz nach. „Naja ich vermute mal, dass die Zeit für alle im Moment still steht. Falls du dich noch erinnerst, du hast die gesamte Welt eingefroren abgesehen von mir und dir. Und dafür hast du all ihre Kraftreserven aufgebraucht. Außerdem befinden wir uns gerade in sowas wie einem Wachkoma. Würde jemand jetzt an uns vorbei laufen, würde er eine Zoë und einen Luke sehen die wie paralysiert vor sich hin starren."

Plötzlich bekam ich eine Gänsehaut. Ich war nicht gerne wehrlos und der Gedanke, dass Luke mich hier gerade manipulierte war mir nicht gerade jetzt erst gekommen.

„Lass uns weiter.", beschloss Luke und ich fand uns in einem relativ kleinen Raum wieder. Er war spartanisch eingerichtet mit einem Bett, einem Schrank und einem Schreibtisch. Durch das kleine Fenster hatte meinen erhöhten Ausblick auf eine Stadt, an der Golden Gate Bridge erkannte ich, dass es San Francisco sein musste.

„Trautes Heim.", murmelte Luke und räusperte sich, als ich ihn anschaute.

„Mein Zimmer bei den Titanen. Nicht hübsch aber okay. Seit der letzten Erinnerung sind einige Jahre vergangen und ich bin inzwischen Leutnant geworden." Seine Miene schien von Mal zu Mal finsterer zu werden. Ich wollte gar nicht wissen, was für Dinge er hier hatte tun müssen.

In diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen und Past-Luke trat ein. Nur dass ich ihn jetzt – abgesehen von der Kleidung – kaum noch vom Present-Luke unterscheiden konnte. Luke war schon immer sehr reif für sein Alter gewesen, aber jetzt sah er aus wie ein Mann, nichts war mehr in seinem Gesicht zu finden von dem Jungen, der am Boden des Waldes kauerte weil jemand einen Sperr auf ihn richtete.

Past-Luke schaute sich um als wäre er im Stande etwas verbotenes zu tun und schloss die Tür ab. Dann setzte er sich aufs Bett und holte einen handgroßen Spiegel aus seinem Nachtisch hervor. Mit seinem Handärmel wischt er darüber und plötzlich zeigte er ein Bild.

„Krass", staunte ich und beugte mich über Past-Lukes Schulter und obwohl ich wusste dass er mich weder sehen noch spüren konnte weil alles hier schon passiert war ich darauf bedacht, ihn nicht zu berühren oder ins Ohr zu hauchen.

„Ich wollte grad schon fragen, was zum Hades du mit einem Spiegel tust. Du würdest ja nicht mal zu den Feiertagen einen Blick hineinwerfen." Automatisch hatte ich ihn aufgezogen wie früher und als mir das bewusst wurde, verblasste mein Grinsen.

„Das ist meine Verbindung zu Ophion.", erklärte Luke mir knapp und ich schaute genauer hin. Da sah ich – mich. Mich wie ich vorm Haupthaus stand und May in den Arm fiel. Neben ihr stand Liam und etwas weiter dahinter Euripides, der mich angrinste. Wie eine Kamera, die langsam auf die Handlung zurollt bewegte sich auch das Bild. Past-Luke sah ein wenig traurig aus, als hätte er Heimweh, oder bildete ich mir das nur ein?

„Mein Dad hat mir das wichtigste erklärt, am besten brechen wir auf, bevor die meisten Camper aufgestanden sind.", erklärte Euri gerade und mir wurde so einiges klar.

„Das war der Morgen nachdem ich anerkannt wurde, das erste Mal diesen üblen Alptraum hatte und auf meinen Auftrag geschickt wurde. Und du siehst das ganze durchs Wills Augen, weil ein Teil von Ophion in ihm lebt." Meine Stimme war ganz dünn geworden und erneut musste ich feststellen wie schmerzhaft ich meinen besten Freund vermisste. Present-Luke nickte bestätigend.

„Du hast mich gestalkt!", warf ich ihm dann vor. „Jeden glücklichen Moment hast du mitbekommen und jeden traurigen auch. Das ist mies!"

„Nein...ich habe nur gesehen was Will gesehen hat. Und denk ja nicht dass ich nichts Besseres zu tun hatte als deinem Leben zuzusehen."

Hatte er nicht eben noch gesagt, dass ich das Wichtigste in seinem Leben war? Ich machte ihn nicht darauf aufmerksam, er war wohl gereizt und ich wollte das nicht noch unterstützen.

Das Bild auf dem Spiegel veränderte sich und wurde zu einer dunkelgrünen Rauchwolke.

„Luke, hörst du mich?", fragte eine Stimme und ich identifizierte sie sofort als die von Ophion.

Past-Luke nickte und die Stimme fuhr fort. „Die Götter haben langsam verstanden, dass es sich bei Zoë um das Mädchen aus der Prophezeiung handelt, die ich ihnen vor einigen Jahrzehnten zugespielt habe. Um ihre Fähigkeiten zu testen schicken sie sie auf einen Auftrag mit Euripides, dem Sohn des Zeus als Aufpasser und dem Sterblichen Liam als zusätzlichem Klotz am Bein. Was sie nicht wissen ist, dass eine von Euronymes treusten Dienerinnen Ate dem Trio den Weg freikämpft und sie deswegen zu dem verschollenen geglaubtem Diadem finden werden. Und hier kommt deine Aufgabe: Du musst die Titanen davon überzeugen, dass sie eine Gruppe Kämpfer in der Höhle platzieren wo sich das Diadem befindet. Soweit klar?"

„Ja, Vater.", sagte Past-Luke und ich schaute seine ältere Verion fragend an.

„Er ist nicht mein wirklicher Vater. Eher sowas wie mein Ziehvater.", erklärte er mir.

Nur durch des Königs jüngstem Spross, bleibt sie auf dem rechten Pfad. Wenn man Euronyme als Königin betrachtete, war Ophion der König dazu. War Luke etwa der, der gemeint war anstatt Euripides? Es machte Sinn. Und dies war der Moment in dem ich beschloss, Luke zu vertrauen. Was auch immer hier passierte, er war mein einziger Verbündeter.

„Und jetzt kommt der schwierige Teil. Und der wichtigste. Egal was passiert, ob du das Leben deiner Männer oder dein eigenes auf Spiel setzten musst, Zoë muss das Diadem bekommen. Setz es ihr auf den Kopf. Nur dann wird sich Euronyme weiter erheben können, nur dann wird sie sich stark genug fühlen um zu handeln und nur dann wird die Prophezeiung sich weiter erfüllen. Hast du mich verstanden? Das Diadem hat oberste Priorität!" Ophions Stimme klang dringlich und zur Untermalung seiner Worte zeigte er ein Bild der Höhle in Afrika und blendete die dazugehörigen Koordinaten ein. Danach ein Bild des Diadems, das sich drehte wie in einer Teleshoppingsendung.

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Ich fasste mir sicherheitshalber an den Kopf, das Diadem war noch da. Es war beim Blick in den Spiegel so selbstverständlich geworden, dass ich seine Schönheit schon fast vergessen hatte.

„Niemand hat dir das Ding geklaut.", bemerkte Luke und ich war mir nicht sicher, ob er die Situation mit einem Witz auflockern wollte oder eher genervt war.

„Also war meine Intuition richtig?", fragte ich. Dann fiel mir ein, dass er mich ja nur durchs Wills Augen gesehen hatte und Will war nunmal nicht mit auf dem Auftrag gewesen. „Ich hatte immer im Gefühl, dass der Auftrag trotz allem zu einfach war. Zwar bin ich mehrmals fast gestorben aber...es war komisch. Ich hatte die Zwölf im Verdacht, aber die ganze Zeit war es Ate."

Present-Luke nickte. „Warum eigentlich Ate? Sie ist so ein niedriger Nebengott, viel weniger mächtiger als ich. Warum spielt sie so eine große Rolle?", wollte ich wissen.

Er zuckte mit den Schultern. „Das musst du die Moiren fragen. Ate hatte eine Rechnung mit Zeus offen. Sie hat ihn dazu gezwungen, einen unsinnigen Eid zu leisten und Hera war außer sich vor Zorn. Es ging um Herakles und noch einen Haufen anderer Halbgötter. Also hat Zeus Ate vom Olymp verbannt und sie hat ihm das nie verziehen. Euronyme hat sich ihre Wut zu nutzen gemacht und immer weiter angefacht. Aber Ate war nicht die einzige Göttin die schon seit Jahren auf ihrer Seite steht. Ein Dutzend andere Nebengötter spionieren schon lange auf dem Olymp. Deine Schwester Chione zum Beispiel."

Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, Chione in Schutz zu nehmen, auch wenn wir uns kaum kannten und sie nicht gerade die perfekte Schwester zum Klamotten tauschen und über Jungs tratschen war. „Sie hatte keine Wahl. Ich bin mir sicher, dass es eine ganz plausible Erklärung für Chiones Handeln gab."

„Darf ich dich daran erinnern, dass du sie eben beinah umgebracht hättest?", fragte Luke.

„Das war nicht ich. Das war Euronyme.", presste ich hervor. Ich schämte mich für das, was ich unter ihrem Einfluss getan hatte. Und noch mehr schämte ich mich dafür, dass ich dieses Gefühl der unglaublichen Macht unglaublich fand. Aber das musste ich Luke ja nicht auf die Nase binden.

Past-Luke starrte immer noch auf den Spiegel und ich begriff wie einsam er sich bei den Titanen gefühlt haben musste. Es war keine Überraschung, dass Luke sich schnell nach oben gearbeitet hatte, er war in allem was er tat mehr als gut. Aber all das was er hier erreicht, all die Freundschaften die er hier womöglich mit anderen Kriegern geschlossen hatte, waren eine Lüge. Nichts war ihm geblieben außer mir, dieser Blick in den verzauberten Spiegel und der Gedanke, ein Held zu sein. Wenn auch nicht der, der am Ende den Applaus bekam.

Wie als hätte er meine Gedanken erraten, sagt er: „Der Aufstieg bei den Titanen war alles andere als einfach, glaub mir. Die Prophezeiung haben sie dankbar entgegen genommen, aber die ersten Monate habe ich nur Kartoffeln geschält. Das Problem an einem Abtrünnigen, der auf die eigene Seite wechselt ist, dass man weiß, was für einen dreckigen Charakter er hat. Dass er jeder Zeit wieder seine Meinung ändern und einen verraten kann."

Ich dachte nach. Diese Aussage bestätigte meinen vorherigen Gedankengang nur noch. Ich spürte so etwas wie Mitleid für Luke, verdrängte es aber schnell wieder. Er war genauso stolz wie ich und wenn ich eins nicht leiden konnte, dann war es Mitleid.

„Wenn du willst, zeige ich dir jetzt den Kampf in der Höhle.", schlug der Sohn des Hermes nach einer Weile vor.

„Falls du dich nicht erinnerst, ich war dabei.", informierte ich ihn.

„Ich weiß.", sagte Luke. „Aber ich würde dir gerne alles aus meiner Perspektive zeigen.

Es ist unglaublich heiß und ich wische mir den Schweiß von der Stirn. Zoë und ihre beiden Begleiter müssen jeden Moment hier eintreffen. Meine Männer warten, ihre Anweisungen sind klar. Den Jungen außer Gefecht setzten, den Gott beschäftigen und das Mädchen mir überlassen.

Ich weiß, dass das Diadem die meisten ein wenig unruhig macht. Und da schließe ich mich ein. Ein Teil von mir will sich dieses wunderschöne, mächtige Ding einfach schnappen und weglaufen. Der vernünftige Teil siegt, als ich mir selbst Zoës Gesicht vor Augen führe.

Doch auf einmal ist das gar nicht mehr nötig. Denn da steht sie. Jeden Tag der letzten drei Jahre habe ich sie in Ophions Spiegel gesehen aber Zoë tatsächlich vor mir zu sehen ist eine ganz andere Sache. Irgendwas regt sich da in meiner Brust und ich muss es unterdrücken. Ich schaffe es nicht, also weiche ich ihrem Blick aus.

„Luke...Castellan, richtig?", fragt der Gott zu ihrer Linken und ich hasse ihn jetzt schon. Zoë hat Will einiges über diesen schleimigen Kerl erzählt, also weiß ich auch gut Bescheid. Natürlich denken alle, er ist derjenige der laut Prophezeiung die Kontrolle über Zoë hat, aber sie liegen alle falsch. Rechts von ihr steht der Sterbliche und schaut uns ängstlich an.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Zoë mich mit den Augen festhalten will, wie sie mir etwas sagen will, aber ich ignoriere jetzt. Wichtig ist bloß, die meine Rolle zu spielen. Vor den Titanen und all den anderen habe ich es inzwischen perfektioniert, aber ich bin mir nicht sicher ob ich auch Zoë täuschen kann.

„Ihr habt euch Zeit gelassen. Wir warten schon 'ne halbe Ewigkeit.", höhne ich und ekel mich ein wenig vor mir selbst. Einige meiner Kämpfer blecken die Zähne, die meisten hassen es, vor einem Kampf zu reden. Aber ich muss Zoë unbedingt klarmachen, dass ich das Arschloch bin für das sie mich hält.

„Verstehe. Ihr habt nichts Besseres zu tun. Stand das nicht in der Jobbeschreibung? Das ist aber schade, Sohn des Hermes.", provoziert Euripides mich.

„Ich bin kein Sohn des Hermes. Ich diene Vater Kronos. Die Olympier sind nicht mehr meine Familie, ich gehöre nicht zu euch.", zische ich und kann mir nur knapp daran hindern, auf den Boden zu spucken. Dieser Nebengott macht mir immer wütender und ich kanalisiere die Wut einfach und lenke sie um. Zoës Blick wirkt gekränkt und das bricht mir irgendwie das Herz. Euripides bemerkt es auch und mit einer tröstenden Geste seines Armes hält er sie zurück.

„Gebt ihr direkt auf oder müssen wir dir erst deine göttliche Birne zu Brei schlagen?", frage ich nun.

„Das hättest du wohl gerne!", gibt mein Gegenüber zurück.

Meine Stimme ist jetzt ganz ruhig. „Okay. Soll mir recht sein. Angriff." Meine Männer reagieren sofort. Sie heben ihre Waffen in die Luft und stürzen mit Gebrüll los. Eigentlich ist es ein wirklich unfairer Kampf. Ich erlaube mir ein kurzes Grinsen, als Euripides feststellt, dass seine göttlichen Kräfte hier nicht viel ausmachen können. Zoë hingegen scheint irgendwie den Sterblichen beschützen zu wollen und stellt sich todesmutig vor ihn. Jeder ihrer Pfeile trifft sein Ziel, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet, aber wir sind ihnen einfach überlegen. Sie ist abgelenkt von dem Versuch einen meiner jüngeren Kämpfer mit ihrem Bogen auszuknocken, dass sie gar nicht mitbekommt, wie ich mich hinter sie schiebe. Ohne zu zögern hebe ich meine Faust und schlage so hart zu wie ich kann.

Der Kampf um mich herum tobt weiter, der Sterbliche hat schon längst das Bewusstsein verloren und wird gerade an den Beinen an den Rand gezogen. Alle sind inzwischen mit Euripides beschäftigt. Er ist verdammt nochmal gut. Ich fluche, ich habe mich ablenken lassen und deswegen ist Zoë auf dem harten Steinboden aufgeschlagen.

Schnell lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Zoë und schmeiße sie wie eine Stoffpuppe über meine Schulter. Hinter einem Felsen in einer kleinen Kuhle im Steinwerk, die das Wasser wohl vor langer Zeit hier rein geschliffen hat, lege ich sie ab. Meine Armeejacke schiebe ich ihr unter den Kopf damit sie wenigstens ein wenig weicher liegt.

Jetzt erst kann ich mir Zeit nehmen, sie in Ruhe zu betrachten. Das spärliche Höhlenlicht zaubert kleine Goldreflexe in ihr braunes Haar und wenn man von der Platzwunde auf ihrer Stirn, den blutigen Lippen und ihrer Wange, die langsam anschwillt absieht, ist sehr hübsch geworden. Nicht mehr das kleine Mädchen sondern fast schon eine junge Frau. Diese Erkenntnis ist so neu dass ich mich selbst wundere, es nie bemerkt zu haben, wenn ich sie beobachtet habe.

Einer plötzlichen Eingebung folgend streiche ich ihr eine verschwitze Strähne aus dem Gesicht, halte dann aber in der Bewegung inne. Das ist nicht der Grund warum ich hier bin. Schnell rappel ich mich auf und laufe zu dem Sockel, auf dem das Diadem liegt. Aus meiner Tasche ziehe ich ein Tuch und wickel es darin ein. Ich weiß nicht was passiert, wenn ich es mit meiner nackten Haut berühre, aber ich will es lieber nicht herausfinden. Vorsichtshalber betrachte ich es auch nicht weiter, wer weiß, zu was es mich dieses mächtige Artefakt bewegen könnte.

Zurück bei Zoë zögere ich, ihr das Diadem aufzusetzen. So gerne würde ich jetzt einmal mit ihr reden, wenigstens ein einziges Mal. Vorsichtig lasse ich das Diadem auf den rauen Höhlenboden fallen und befeuchte das Tuch mit etwas Wasser aus meiner Trinkflasche. Sanft betupfe ich Zoës Gesicht und bete, dass ich nicht allzu fest zugeschlagen habe und sie aufwacht.

Und tatsächlich, nach einigen Sekunden flattern ihre Augenlieder und ein breites Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Das Lächeln wird mir allerdings von den Lippen geschlagen, denn das erste was meine ehemalige Schülerin tut, ist mir ordentlich Eine zu kleben.

„Wofür war das denn?", frage ich ungläubig und halte mir die Wange. So habe ich mir unser erstes Gespräch nicht wirklich vorgestellt. Ihre eisblauen Augen funkeln wütend, fast so als wollte sie Blitze auf mich hetzten. Ich bin mir sicher, dass ich, wenn sie es gekonnt hätte, jetzt ein toter Mann wäre.

„Ich rede nicht mit Verrätern oder Lügnern.", faucht sie und will sich aufrichten. Keine gute Idee. Behutsam drücke ich sie wieder zurück.

„Hör zu.", flüstere ich. „Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss-"

Sie lässt mich nicht ausreden. „Du hast gesagt, du passt auf mich auf! Du hast es versprochen!", klagt sie mich an und zeigt mir die kleine Narbe, die immer noch an unsere Blutsbrüderschaft erinnere. Ich habe meine auch noch und betrachtete sie oft um mir klar zu werden, dass ich nicht total durchdrehte. Ich drückte ihre Hand. „Ich passe auf dich auf. Und deswegen tut es mir umso mehr leid, dass ich das jetzt tue. Aber so sagt es die Prophezeiung." Und ein komischer, unglaublich alter Typ auch, ergänze ich im Kopf.

„Was? Was tut dir Leid? Was musst du tun? Und was zum Hades für eine Prophezeiung?!" Zoës Gesicht ist ein einziges Fragezeichen und ich wünsche mir so sehr, ihr alles sagen zu könne. Vielleicht wäre es ja das Beste. Mehr als einmal habe ich Ophion schon darum gebeten, aber er hat gesagt, man darf das Schicksal nicht noch mehr aus dem Gleichgewicht bringen. Etwas Schreckliches würde passieren. Ich widerstehe also der Versuchung und nehme das Diadem vorsichtig hoch, wieder ohne dass meine Haut mit ihm in Berührung kommt.

Langsam scheint Zoë zu begreifen. Zwar nicht, warum ich all das tue, aber immerhin was ich tue. Ich kann in ihrem Gesicht die Bewunderung sehen als sie das Diadem aus der Nähe sieht und muss lächeln. Eine Erinnerung schießt mir in den Kopf. Als ich ihr das Camp gezeigt habe, die Hütten, die Arena, den Speisepavillion und den See, da hat sie genauso geguckt. Plötzlich ist sie wieder das kleine Mädchen.

Ich schüttele die Erinnerung ab und seufze. Ich muss es tun und zögern bringt hier gar nichts. Ich schiebe es ihr in die Haare und es sieht so natürlich dort aus, als wäre sie schon damit geboren. Zoës Augen weiten sich vor Überraschung, aber erstmal passiert nichts. Ich frage mich, ob es nicht funktioniert, als sie anfängt zu leuchten. Ihr gesamter Körper leuchtet und entweder bilde ich es mir ein, oder sie schwebt wirklich einige Zentimeter über dem Boden. Das Licht wird so gleißend hell, dass ich das Gesicht abwenden will, aber nicht kann. Dazu bin ich viel zu fasziniert. Götter, sie ist so schön.

Ich weiß, was jetzt zu tun ist. Zum zweiten Mal heute hebe ich meine Hand gegen sie und lasse sie auf ihr Gesicht runter sausen. Einen Moment habe ich Angst, sie könnte von ihr abprallen wie an einer Rüstung, aber das Erlischen des Lichts und ein hässliche Geräusch verrät, dass ich Erfolg hatte. Ich glaube ich habe ihr die Nase gebrochen.

„Was ich die ganze Zeit noch sagen wollte ist, dass du dich verändert hast. Du bist unglaublich hübsch geworden.", sage ich noch leise. Aber ich glaube, sie hat es schon gar nicht mehr gehört, denn ihre Augen sind längst geschlossen. Kurz will ich ihren Puls überprüfen, nicht dass ich sie zu fest getroffen habe, da fällt mir ein, dass sie ja jetzt eine Göttin ist. Ein gewöhnlicher Schlag eines gewöhnlichen Halbgottes kann ihr jetzt kaum noch etwas anhaben.

Schließlich kann ich mich von ihrem Anblick losreißen und steh aus der Hocke auf. Euripides ist eine Ecke gedrängt und sieht erschöpft aus.

„RÜCKZUG!", brülle ich und augenblicklich hören meine Männer auf zu kämpfen. Durch die gesamte Höhle kann ich hören, wie dieser arrogante Gott aufatmet. Blitzschnell verschwinden meine Männer durch den großen Ausgang und auch ich mache mich aus dem Staub. Gerade noch kann sehen, wie Euripides seine letzte Kraft zusammen nimmt, zu Zoë sprintet und sich ungläubig vor ihr auf die Knie fallen lässt. Ich weiß genau, dass er die Anweisungen hat, ihr den Kopf zu verdrehen und ich glaube kaum, dass er wirklich echte Gefühle für sie hegt, aber jetzt gerade bin ich einfach nur froh, dass Zoë nicht allein ist.

Wir waren wieder in Lukes Zimmer bei den Titanen. Past-Luke lag auf dem Bett und starrte an die Decke, Present-Luke lehnte an der Schreibtischkante und schaute mich an. Ich konnte seinen Blick nicht wirklich deuten und wusste auch nicht genau was ich sagen sollte. Er brach schließlich das Schweigen. „Glaubst du mir jetzt?", sagte er schließlich und ich nickte monoton. Ich war immer noch total überrollt von dem ganzen Ereignis. Ich hatte tatsächlich all das gefühlt was Luke gefühlt hatte und mich mit seinen Augen gesehen. Das war ein enormer Vertrauensbeweis, ich wusste nicht ob ich so einfach einen Freund in meinen Kopf lassen könnte.

„Wie hast du das gemacht?", fragte ich. „Das war abgefahren!"

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Es hat gewisse Vorteile, Ophions Erbe zu sein. Du willst gar nicht wissen, was ich noch alles kann."

„Du wusstest also die ganze Zeit, dass ich eine Göttin war?", wollte ich wissen. „Seit unsere ersten Begegnung im Camp.

„Ja.", antwortete Luke. „Ophion hat es mir relativ früh die Prophezeiung erklärt und gesagt, dass du das Kind zweier Götter bist."

Mir kam ein Gedanke. „Dann weißt du auch, warum Artemis sich auf Boreas eingelassen hat? Schließlich ist sie eine jungfräuliche Göttin."

„Du weißt ja, dass Ate die Göttin der Verblendung ist und ihre Opfer zu unüberlegten Handlungen führt. Und du erinnerst dich auch noch an den Liebestrank, denn Aphrodite dir eingeflößt hat, damit du dich in Euripides verliebst."

Ich grinste „Du magst ihn auch nicht, oder? Da kannst du dich mit Finnick zusammen tun."

„Wie kommst du nur darauf?", fragte er ironisch zurück. „Auf jeden Fall hat Ate Aphrodite dazu gezwungen, deiner Mutter ein noch viel stärkeres Gebräu einzuträufeln. Und so wurdest du geboren."

Das klang plausibel. Und irgendwie verwunderte es mich auch gar nicht mehr.

Auf einmal erfüllte ein leises Zischen den Raum, langsam schwoll es an.

„Was ist das?", fragte ich Luke, doch meine Frage beantwortete sich selbst als Past-Luke aufsprang und schnell den Spiegel aus seinem Nachtschrank nahm. Anscheinend wollte Ophion mit ihm kommunizieren.

Mein altes Ego saß auf einem Stuhl in der Artemis Hütte und futterte Paprika Chips und trank Cola (natürlich stilecht aus Dosen).

„Kannst du dir das vorstellen? In einem Moment war ich noch unglaublich glücklich und im nächsten erzählt mir diese Zoë Nachtschatten, dass das alles nichts mehr als eine große Lüge ist und Aphrodite mir einen verdammten Liebestrank eingeflösst hat!" Ich war definitiv sehr aufgebracht.

„Dabei wäre das gar nicht mal so nötig gewesen, du hast ihn angeschmachtet wie eine Sahnetorte!", kam aus dem Off begleitet von einem Kichern. Will.

„Also erstmal habe ich ihn gar nicht angeschmachtet.", rechtfertigte Past-Zoë sich mit einem leichten Grinsen. „Und außerdem, was soll das überhaupt heißen? Wie eine Sahnetorte?"

„Kam er denn zu eurer Verabredung?" Will war wirklich interessiert.

„Ja, kam er.", sagte ich. „Und ich habe ihn direkt damit konfrontiert. Aber er hat sich einfach nur entschuldigt und seinen besten Hundeblick aufgesetzt."

„Ich hoffe doch sehr, du hast ihm dafür eine geklebt?", sagte Will.

„Naja, ich hab dir doch gezeigt, dass ich jetzt diese abgefahrenen Sachen mit Eis machen kann? Ich hab ihm gewissermaßen eine Eisverbrennung verpasst.", sagte ich verlegen. Will und der Past-Luke kicherten gleichermaßen, was seltsam war weil ich Luke noch nie vorher kichern hatte sehen.

„Richtig so, Zoë!", feuerte Past-Luke mich an, obwohl ich ihn ja gar nicht hören konnte.

„Das Schlimmste kommt noch...", begann Past-Zoë. „Ich hab nicht nur Euripides eine Kostprobe meiner Kräfte gegeben, ich habe heute Morgen den Rat gewissermaßen...angegriffen." Schweigen. Und auch Past-Luke glaubte wohl, er hatte sich verhört. Ich musste jetzt auch schlucken, wenn ich nochmal so drüber nachdachte. Noch nie war in einer Geschichte die Rede von jemand, der einen Angriff auf die Götter überlebt hatte. „Und dann haben sie einfach so getan, als wäre es ein Ausrutscher gewesen und werden mich quasi dazu zwingen, den Jägerinnen der Artemis beizutreten." Wieder Schweigen.

„Also das Leben eines Halbgottes ist ja wirklich aufregend. Aber mit dir als beste Freundin gibt es eine Garantie für Aufregung."

Der Spiegel verfärbte sich wieder und Ophion begann zu sprechen.

„Luke? Du musst es den Titanen erzählen. Sag, einige deiner Informanten bei den Campern haben es dir erzählt. Sie müssen wissen, dass Zoë bei den Jägerinnen ist."

Past-Luke legte die Stirn in Falten. „Du hast ein Problem damit, dass sei zu den Jägerinnen geht?", hakte Orphion nach.

„So ist es nicht...", stritt Past-Luke ab. „Der Jägerinnenschwur ist nur so...entgültig. Der einzige Ausweg ist der Tod."

„Du machst dir Hoffnungen wegen des Mädchens?" Ophion klang zum ersten Mal wirklich überrascht.

„Nicht direkt...", begann Luke. „Ich bin nicht verliebt oder so. Es ist nur die einzige vertraute Person die ich habe, ich sehe sie jeden Tag und seit der Höhle...keine Ahnung. Der ganze Schicksalskram..." Er brach ab. Ich warf Present-Luke einen Blick zu aber seine Miene war unlesbar.

„Mein Sohn", begann Ophion sanft. „Selbst ich weiß nicht, wie die ganze Sache ausgeht. Ob Zoë sich Euronyme hingibt oder nicht, ob die Titanen und die Götter gemeinsame Sache machen können, ob du stirbst oder nicht. Aber in einer Hinsicht ist die Prophezeiung sehr deutlich. Das Mädchen wird sterben, sonst gewinnt Euronyme."

Past-Luke schlug die Augen nieder. „Das ist ungerecht, ich will nicht dass sie stirbt. Ich brauche sie." Zum zweiten Mal wurde ich nun in Lukes Erinnerung damit konfrontiert, sterben zu müssen. Komischerweise machte mir das viel weniger aus als es sollte.

Ich intensivierte meinen Blick aber Luke zeigte kein Gefühl. Ich konnte es nicht glauben, der große Luke, für den ich als junger Teenager definitiv geschwärmt hatte und den ich auch später, trotz meiner Wut, immer idealisiert hatte, war verliebt? In mich?

„Immerhin in einer Hinsicht kann ich dich beruhigen. Sie wird niemals eine echte Jägerin sein.", sagte Ophion.

„Was?", sagten Past-Luke und ich gleichzeitig.

„Jägerinnen schwören auf ihre Jungfräulichkeit. Aber ein Toter kann auch nicht auf sein Leben schwören." Obwohl man Ophion nicht sehen konnte, war ich mir sicher dass er grinste.

Past-Luke schien zu verstehen und Kiefer klappte runter. Ich errötete, und das passierte mir so gut wie nie. Götter bei all dem Trubel hatte ich das fast schon vergessen.

Present-Luke grinste. „Jetzt will ich es aber auch wissen. Wer war es? An wen hast du deine Jungfräulichkeit verloren?", fragte er.

„Darüber rede ich nicht mit dir.", stellte ich klar.

„Ach nein? Bist du dazu zu prüde?" Luke lachte und ich war fast schon ein wenig erleichtert. Ich kannte nur einen witzigen Luke, der ständig Scherze auf anderer Kosten machte und dessen schiefes Grinsen auf seinem Gesicht eingemeißelt war. Der harte Anführer-Luke und nun dieser, der in einigen Momenten sogar fast schon gebrochen schien, hatte ich bisher noch nie wirklich lachen gesehen.

„Es geht dich einfach nichts an.", sagte ich spitz und hoffte, dass das überschüssige Blut schnellstmöglich aus meinem Kopf verschwand.

„Bitte sag mir nicht, dass es eine Wette war." Luke kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. „Oder lass mich wenigstens das Haus raten! Apollo?"

„Nein.", knurrte ich. „Aphrodite. Und es war furchtbar. Ich hab da noch in der Hermeshütte gewohnt und...du kennst doch diese Rüstungsräume im Wald. Jemand hat es geschafft billigen Rum ins Camp zu schmuggeln und ich erinnere mich nicht mehr. Dieser Mark war noch blauer und ich hätte eigentlich schwören können, dass...es nicht geklappt hat." Ich merkte wieder, dass meine Wangen wärmer wurden. Gerade wollte Luke zu einem Kommentar ansetzten, da hob ich meinen Zeigefinger in die Höhe. „Kein.Wort." Zu meiner Überraschung ließ er das Thema tatsächlich fallen.

„Als nächstes ist der hier", Luke zeigte auf sein jüngeres Ich, „zu den Titanen gegangen und hat ihnen alles erzählt. Auch wenn ich es nicht wollte, weil mir klar war, dass sie dich gefangen nehmen und befragen würden."

„Sie hätten es niemals geschafft!", verteidigte ich mich. Wir waren stärker als die Kämpfer! Wäre Liam nicht gewesen..." Ich ließ den Satz in der Luft hängen. Hätte ich damals nur in der Schule gewusst, wozu er eines Tages fähig sein würde. Ich glaube ich hätte ihn einfach unter dem Regal liegen gelassen.

„Er wurde beeinflusst, Zoë.", sagte Luke als hätte er meine Gedanken erraten. „Liam hat keinen starken Charakter gehabt und für Ate war es ein Kinderspiel. Für die meisten Sterblichen ist es schwer Macht abzugeben, wenn sie sie einmal erst gespürt haben."

„Nicht nur für Sterbliche.", murmelte ich und dachte daran, dass es doch in dieser ganzen Situation um Macht ging. Die Titanen wollten ihre wieder, die Götter wollten ihre behalten und Euronyme war so einsam und rachesüchtig, dass sie ihre Macht missbrauchen wollte.

„Die Erinnerung, die ich dir jetzt zeige, ist die letzte. Ich möchte, dass du sie wieder mit meinen Augen siehst.", bereitete Luke mich vor.

„Bist du sicher, dass du das willst? Es ist sehr intim."

„Vor dir gibt es nichts zu verstecken.", ließ Luke mich wissen und das Licht aus der nackten Glühbirne an der Decke wurde stärker und stärker, ein Zeichen, dass wir wieder die Szenerie ändern würden.

Nervös gehe ich auf und ab. Ich weiß genau, dass sie da drinnen ist, ich höre wie sie mit dem Rat diskutiert. Ich stöhne, sowas bringt auch nur Zoë. Kronos selbst hat befohlen, dass ich hier vor dem Thronsaal warten soll bis ich hereingerufen werde, aber am liebsten würde ich jetzt weglaufen. Ich kann ihr nicht in die Augen gucken und noch weniger weiß ich, ob ich meine Rolle so unverfroren weiterspielen kann.

Aus dem Saal ertönt ein kurzer, spitzer Mädchenschrei. Ich zucke zusammen und tausend Dinge, die sie Zoë antun können, schießen mir durch den Kopf. Verflucht nochmal, warum wollte Ophion, dass ich sie verrate? Ich fühle mich schuldig.

Zoë schreit wieder und meine Nackenhaare stellen sich auf. Schon oft genug habe ich mitbekommen, dass die Titanen ihre Gefangenen mit reiner Geisteskraft foltern und oft genug sind sie danach verrückt geworden.

Die beiden Thronsaalwachen schauen mich misstrauisch an, trauen sich aber nichts zu sagen. Schließlich bin ich der große Leutnant Castellan.

Plötzlich schwingt die große Doppeltür auf und ich weiß, was das bedeutet. Ich soll eintreten, ich werde sie sehen.

Schnell fahre ich mir mit der Hand übers Gesicht, jetzt kommt es darauf an. Mein Blick streift Zoë, die wie verloren in der Mitte steht und wirklich übel aussieht, dann wende ich mich Kronos zu.

„Herr?", sage ich ehrfürchtig und verbeuge mich.

„Leutnant Castellan." Er klingt zufrieden und bedeutet mir, mich zu setzten.

„Luke!", fleht Zoë plötzlich und ihr Blick ist so verletzt und schmerzerfüllt, dass ich am liebsten weggucken würde. Das darf ich mir nur nicht erlauben. Abschätzig mustere ich sie und setzte mich dann wieder in Bewegung. Das Diadem leuchtet und taucht ihr Gesicht in geheimnisvolles Licht, obwohl sie immer noch das die kleine Zoë ist, meine kleine Zoë erkenne ich jetzt das Göttliche in ihr.

Wie aus dem Nichts klammert sich jemand von hinten an mich, verdreht meinen Arm und drückt mir die Luftzufuhr ab.

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich den im Camp bekannten Affengriff verwendet habe, aber ich erinnere mich. Zoë atmet schwer in mein Ohr. Ich weiß nicht, was sie mit der ganzen Aktion bezwecken will, wahrscheinlich ist sie bloß verzweifelt, aber in Nullkommanichts habe ich mich befreit und drücke sie mit all meinem Gewicht auf den Boden fest.

„Tolle Unterhaltung Leutnant Castellan!", applaudiert Atlas.

„Wo bleibt deine Ehre? Von hinten angreifen ist feige, habe ich dir das nie beigebracht?", grinse ich mit dem Wissen, dass sie mich nur noch mehr hassen wird. Aber das soll sie ja auch.

„Erzähl mir nichts von Ehre und Feigheit, Verräter!", faucht sie und steht auf. Meine Hand, die ich ihr gönnerhaft hingehalten habe, ignoriert sie.

Ich drehe mich zum Herrn der Zeit um. „Ich habe es Euch gesagt, Herr. Zoë ist die wohl kratzbürstigste Halbgöttin überhaupt." Und die mutigste dazu, ergänze ich in Gedanken.

Sie muss das wohl direkt unter Beweis stellen, denn sie korrigiert mich. „Göttin, ich bin eine verdammte Göttin.

Kronos lächelt und erneut muss ich einen Schauder unterdrücken. Wenn er so betont freundlich ist, hat der die schlimmsten Absichten.

„Luke, seit du unseren kleinen Auftrag so fabelhaft ausgeführt hast, ist deine kleine Freundin keine Halbgöttin mehr.", belehrt er mich. Natürlich stellt er die Sache mit dem Diadem als seine Idee da, ich habe ihn wirklich überzeugt. Ophion wird erfreut sein, das zu hören.

„Das alles war ein Auftrag? Nichts von dem was du gesagt hast, war wahr?" Zoë Stimme klingt dünn, so als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen, dabei habe ich sie noch nie weinen sehen.

Ich hasse mich selbst für das, was ich erwidere: „Zoë, du musst dringend lernen, dich nicht zu sehr von deinen Gefühlen lenken zu lassen. Wärst du schlauer gewesen, wärst du jetzt im Camp und nicht bei uns."

Das stimmt, nur kann sie nichts dafür. Es ist meine Schuld.

Ihre Trauer und Verzweiflung schlagen um in Wut und sie macht einen Satz auf mich zu. Oft genug habe ich sie schon durch Wills Augen trainieren gesehen um zu wissen, was sie als nächstes vorhat. Ich fange den Schlag, der mir sicher das Nasenbein gebrochen hätte, ab und umklammere ihre Handgelenke.

„Ruhig Zozo", rutscht es mir raus aber ihre Augen sprühen vor Wut.

„Ich hasse dich!", schleudert sie mir entgegen und obwohl es genau das ist, was ich erreichen will versetzt es mir einen Stich.

„Zoë, setzt dich doch bitte.", weist sie Kronos an und ich weiß was nun kommt. Sie werden Euronyme befragen wollen, mit aller Macht.

Formell redet Rhea die Weltenschöpferin an und tatsächlich, es funktioniert. Ich bin erleichtert, denn ich weiß, dass Kronos all seine Wut an Zoë ausgelassen hätte, wenn Euronyme stumm geblieben wäre.

Verdammt, warum hat Ophion mir gesagt wie ich Zoë in diese Situation bringe aber nicht wie ich sie wieder heraus kriege?

Rhea und Kronos reden mit Euronyme, aber darauf kann ich mich nicht konzentrieren. Ich muss dringend eine Lösung finden, bei der ich mich trotzdem nicht als Verräter entpuppe. Mir fällt nichts ein.

„Kronos, du hast eine Warze am Hintern.", höre ich im Hintergrund und dieser Satz lässt mich aufhorchen. Das ist nicht mehr Euronyme die da spricht.

Der Herr der Zeit scheint es auch zu realisieren und in Sekunden ist der schmeichelnde und ehrfürchtige Blick von seinem Gesicht gewischt. Er wird wütend und augenblicklich weniger menschlich und irgendwie...hässlich. So habe ich ihn noch nie gesehen. Mir bleibt keine Zeit, den Titanen zu betrachten, denn Zoë schreit so laut und schrill dass es mir durchs Mark geht. Ich muss mein Gesicht abwenden.

„SPRICH ZU UNS EURONYME!", verlangt Kronos und gibt meiner ehemaligen Schülerin das erste Mal die Gelegenheit, Luft zu holen.

„Sie ist weg, okay?", flüstert sie ängstlich. Kronos verzieht sein Gesicht wieder zu einer hässlichen Fratze, sogar seine Frau traut sich nicht, etwas zu sagen.

„Herr!", rufe ich und bereue es im gleichen Moment wieder. Kronos schaut mich an und ich habe kurz Angst, dass er auch mich diesen unvorstellbaren Schmerzen aussetzten will. „Das hat keinen Sinn...!" Immerhin hat Zoë nun nicht mehr seine volle Aufmerksamkeit.

„Wie bitte?!", fährt er mich an.

Götter, wie rede ich mich jetzt da wieder raus? „Ich meine...ihr stumpf Schmerzen zuzufügen macht keinen Sinn. Wir müssen Euronyme dazu bringen mit uns zu reden. Euronyme kann nicht wollen, dass ihr Körper zu sehr leidet. Wir müssen systematisch vorgehen." Ich horche meinen eigenen Worten nach und verstehe jetzt erst richtig, was ich da eben vorgeschlagen habe. Scheiße!

Das Mädchen, dem ich mein ganzes Leben verschrieben habe, schaut mich flehentlich an. Da ist kein Ärger mehr, nur noch blanke Angst. Sie bewegt ihre Lippen, aber ich kann ihr nicht ins Gesicht gucken.

„Ein guter Einfall, Leutnant Castellan.", lobt mich Kronos und ich beiße mir auf die Zunge. Er wendet sich wieder Zoë zu und lächelt.

„Rede mit der großen Schöpferin. Bitte sie, zum Vorschein zu kommen. Ich weiß, du kannst das.", sagt Rhea sanft.

Zoë schüttelt schwach den Kopf und ich weiß nicht, ob sie nicht kann oder will. Ihre Augen zucken.

„Überleg nochmal.", schlägt Rhe vor während Kronos Zoë fokussiert.

Nun fangen auch ihre Gliedmaßen und ihr Kopf an zu zucken wie als ob Elektroschocks durch ihren ganzen Körper jagen. Was habe ich nur getan?

Sie kann nichts sagen, weil sie sich sonst wohl die Zunge abbeißen würde, aber immer noch gibt sie sich nicht die Blöße zu weinen.

„Wir haben sehr viel Zeit, junge Göttin.", sagt Kronos freundlich auch wenn es eine Drohung ist.

Goldenes Blut, Ichor, fließt aus ihrer Nase uns sie hat ihre Fingernägel so tief in ihre Handflächen gegraben, dass sie auch dort blutet.

Die Zuckungen hören auf und Zoë sieht einen Moment wieder aus klaren Augen in die Welt.

„Litt...risch ma, fone krag sü." Die gemurmelten Worte aus ihrem Mund machen keinen Sinn.

„Wie du willst.", sagt Kronos, der das ganze wohl wieder als Beleidigung sieht. „Wenn du nicht kooperieren willst..."

Zoë rollt sich auf dem Boden ein wie ein kranker, ungeschützter Welpe.

„Siehst du was wir alles machen können? Mit den Menschen die du liebst?" Kronos scheint es Spaß zu machen. Ich habe schon gehört, dass er eine Region im Gehirn beeinflussen kann, die mit den größten Ängsten belastet ist und den größten Alptraum seines Opfers wahr werden lassen kann. Ich will gar nicht wissen, was sie jetzt sieht.

Zoë schluchzt laut auf und zum ersten Mal in meinem Leben, abgesehen von dieser komischen Vision, in der sie von der Klippe springt, sehe ich sie weinen. Sie schlingt die Arme um ihre Beine und wippt auf und ab, während die Tränen in Sturzbächen fließen.

„Ich glaube, Euronyme ist wirklich weg.", sagt Rhea vorsichtig. Sie ist eine falsche Schlange, aber von all den Titanen hat sie das größte Herz.

Kronos stößt einen Wutschrei aus und Zoë krümmt sich ein letztes Mal. Ihr Schrei vermischt sich mit Kronos und dann verliert sie das Bewusstsein. Ich atme auf.

„Jemand soll sie wegbringen. Wir werden sie morgen wieder befragen.", weist Rhea an und redet dann leise auf Kronos ein. Das ist meine Chance. Ein paar Wachen zerren sie an den Armen hoch, aber ich gehe zielstrebig auf sie zu.

„Loslassen.", befehle ich. „Ich regel das. Nicht, dass sie wieder aufwacht und euch überwältigt." Rhea nickt mir aus dem Augenwinkel zu und ich hebe sie hoch. Mir wird die Tür geöffnet und ich verlasse den Saal. Endlich.

Anstatt sie zurück in ihre Zelle zu bringen, steige ich die Treppe hoch zu meinem Zimmer und lege sie auf meinem schmalen Bett ab. Die Tür wird verschlossen und zur Sicherheit klemme ich noch einen Stuhl drunter.

Hektisch krame ich den Spiegel heraus. „Ophion? Hallo? Sag mir was ich machen soll!" Nichts tut sich. Ich klopfe drauf, aber ich schaue nur in mein eigenes hektisches Gesicht.

„So eine Höllenhundscheiße!", fluche ich. Meine einzige Chance ist es wohl, Zoë aufzuwecken und sie dazu zu bringen, uns an einen sicheren Ort zu schnipsen.

Sie sieht fast schon ein wenig friedlich aus wie sie da liegt. Vorsichtig tupfe ich ihre immer noch tränennasse Wangen ab und rede auf sie ein.

„Hey...Zozo ich bin hier. Sie werden dir nicht mehr wehtun, ich gebe dir mein Ehrenwort. Bitte...wach einfach nur auf! Ich flehe dich an!"

Ihre Augenlieder flattern und schließlich schafft sie es, sie zu öffnen. Ein Paar eisblaue Augen schauen mich verwirrt an.

„Wir müssen so schnell wie möglich vom Otrys weg, verstehst du? Sie dürfen nicht wissen, dass du hier bist, sonst werden sie dir wieder weh tun und ich will nicht, dass du verrückt wirst. Also bitte vertrau mir einfach, sonst fliegt meine Tarnung auf!" Ich war nie ein Freund vieler Worte gewesen, aber es gibt so viel, was ich ihr sagen will, dass ich gar nicht mehr aufhören kann. Sie scheint wieder ohnmächtig zu werden.

„Sag mal hörst du mich eigentlich Zoë?" Nichts. „Ach vergiss es...Ich bringe dich einfach raus hier, Zozo. Alles wird gut, das verspreche ich, okay? Alles wird gut."

Ihre Augen rollen zurück und ich weiß, dass sie jetzt wieder ausgeknockt ist. Und in genau diesem Moment fasse ich einen Entschluss. Es ist egal, was Ophion sagt oder nicht sagt, ich muss hier weg. Ich kann keine weitere Sekunde bei den Titanen bleiben. Nur wie soll ich mit einem bewusstlosen Mädchen von San Francisco nach New York? Darüber werde ich mir später drüber Gedanken machen müssen. Ich packe meine wenigen Habseligkeiten in einen Rucksack. Die Campkette, Ophions Spiegel, Nektar und Ambrosia. Dann schnappe ich mir Zoë, die mir erstaunlich leicht vorkommt, und klettere aus dem Fenster des ersten Stocks.

Der stechende Schmerz, den der Giftdolch verursacht hatte, und das Pochen kehrten zurück. Ebenso wog etwas schwer auf meinem Kopf. Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, was passiert war.

Euronyme, Diadem, Schlacht, Luke. Ich saß auf der kaputten Treppe des Esspavillions und mein ehemaliger Mentor neben mir. Ich musste erstmal die Millionen Dinge verarbeiten, die ich gerade erfahren hatte. Luke schaute mich abwartend an.

„Glaubst du mir?", sagte er leise und ich fiel ihm einfach um den Hals. „All die Jahre...", murmelte ich und drückte ihn fest. Er erwiderte erleichtert die Umarmung. „Es tut mir so leid, Zozo."

Ich löste mich. „Dir muss nichts leidtun. Gar nichts."

Er betrachtete mich nachdenklich. „Ich will, dass die Zeit für immer gefroren bleibt. Aber wir müssen weiter machen."

Ich seufzte und schaute mich um. Immer noch war alles und jeder in der Bewegung erstarrt. „Ich weiß. Vertraust du mir?"

„Ist das ein Witz?", fragte er zurück. „Natürlich."

„Gut, ich habe nämlich einen Plan. Und ich werde dabei draufgehen."

Verdammt, ein Jahr ist es jetzt her. Ich hab jetzt mein Abi und generell passiert grad sehr viel in meinem Leben, aber hier bin ich wieder, diesmal wirklich mit dem vorletzten Kapitel. Eigentlich wollte das Ende auch noch mit dranhängen, aber es ist so lang geworden, dass ein Cut wohl besser war.

Ihr dürft mir gerne Fragen über die bisherige Handlung stellen, schließlich kann man Kleinigkeiten über so lange Zeit schnell vergessen.

Vielen Dank fürs Dranbleiben! Bald ists geschafft!

Paula

PS: In den nächsten Tagen werde ich den Titel von Zoë – a Percy Jackson Story in Euronyme ändern, nicht wundern!

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