XXIII. Kapitel
Zwei Dutzend Giganten tanzen Cha Cha Cha
„Das wird schwerer als wir gedacht haben..."
„Ist es wirklich nötig?"
„Ist es. Sie hat starke psychische Schäden davon getragen."
„Ich habe gesagt, es wäre das Beste gewesen, sie sofort zu beseitigen..."
„Wäre es nicht, Athene!"
„Beruhige dich, Artemis..."
„Denkt ihr überhaupt, dass es etwas bringt? Immerhin befindet sich Euronyme in ihrem Kopf..."
„Es muss."
„Wir haben alles falsch gemacht, hätten wir damals einfach nichts getan, hätten wie Euripides nicht auf sie angesetzt wäre es nie so weit gekommen."
„Ja, aber das lässt sich trotzdem nicht mehr ändern."
„Ruhe jetzt! Sie ist schon nicht mehr im Tiefschlaf, sie wacht auf. Wir müssen uns beeilen!"
ΩΩΩ
Ich schaufelte mir einen großen Berg Gyros auf meinen Teller, der vor lauter Reis und gegrilltem Gemüse schon fast überquoll. Ich hatte heute mehr als hart trainiert und mir eine doppelte Portion durchaus verdient. Bevor ich mich an den Hermes-Tisch setzte, machte ich einen kleinen Schlenker zum offenen Feuer, um den Göttern ein Opfer zu bringen.
„Danke Hermes, dass ich bei dir so freundlich aufgenommen werde, als sei ich deine eigene Tochter.", murmelte ich meinen Standardsatz und schmiss dabei die Artischocken in die Flammen. Die mochte ich eh nicht so gerne.
„Heute mal wieder spendabel, Zoë?", hörte ich eine Stimme hinter mir, die nur einem Apollo gehören konnte.
„Klappe, Will.", sagte ich und drehte mich grinsend um. „Sonst kannst du heute Abend Reis aus deiner Unterwäsche puhlen."
Will machte eine Grimasse. „Ich soll dir von Mr D ausrichten, dass er dich heute Abend im Haupthaus sehen will." Er zog seine linke Augenbraue hoch und schaute mich mit diesem typisch spöttisch amüsierten Blick an.
„Ah...okay.", gab ich zurück.
„Bestimmt will er mit dir Gesellschaftsspiele spielen, weil du sein Lieblingshalbblut hier bist."
„Das Reis-Angebot steht noch!", knurrte ich spaßhalber.
„Ist ja gut, ist ja gut..."
„Ich geh jetzt zurück, ich verhunger' hier sonst auf der Stelle.". sagte ich schnell.
„Tu das, bis nachher. Übrigens...schöne Cap." Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, er schien mich abwartend anzuschauen.
Ich tastete auf meinen Kopf, tatsächlich saß dort eine Kappe. Dabei war das wirklich nicht mein Klamottenstil. Bevor ich meine Verwunderung äußern konnte, hatte er sich schon weggedreht. Seltsam. Schon den ganzen Nachmittag hatte ich das Gefühl, dass sich alle in meiner Gegenwart irgendwie...anders verhielten. Außerdem hätte ich schwören können, dass James Drieve aus der Hephaistos Hütte heute Morgen noch keinen Vollbart gehabt hatte. Er hingegen hatte mir beteuert, sich schon seid einem halben Jahr nicht mehr zu rasieren.
Auf dem Weg zurück zu meinem Tisch begegnete ich Clarisse La Rue und ihren muskelbepackten Freunden (ich hatte einmal die Theorie entwickelt, dass alle ihre Gehirnmasse sich in Form von Muskeln in ihre Oberarme verlagert hatte), aber sogar die hatten keine Beleidigung für mich übrig.
Als ich am Tisch saß und aß, beschloss Travis Stoll, der neben mir saß mit mir zu quatschen, obwohl meine Augenlider auf Halbmast eigentlich ein deutliches Zeichen dafür waren, dass ich wirklich nicht dazu in der Lage war, ein Gespräch zu führen.
„Und, wie war dein Tag so?", fragte er mich.
„Anstrengend.", antwortete ich knapp. „Deiner?"
„Voll gut. Ich habe mir neue Sneakers gekauft. Die sind neonorange. Cool, ne?" Zur Demonstration streckte er im Sitzen sein Bein in die Luft, was grotesk komisch aussieht.
„Gekauft oder gekauft?", hakte ich nach.
„Also bitte! Was denkst du von mir?", empörte er sich gespielt. „Was hast du denn gemacht?"
„Ach...nur ein bisschen trainiert. Ich durfte nicht mit in die Stadt.", sagte ich zwischen zwei Bissen. Eigentlich war mein Tag ziemlich frustrierend gewesen. Nachdem mir Clarisse heute volle Kanne reingewürgt hatte, dass ich allein im Camp bleiben müsste und mich Neulingen unglaublich genervt und darüber spekuliert hatte, wer wohl mein göttliches Elternteil war, war meine Laune so im Keller, dass ich den Rest des Nachmittags damit verbracht hatte, mir von James Drieve beibringen zu lassen, wie man einen Nagel schmiedet. Da ich aber auch darin alles andere als erfolgreich war, hatte ich beschlossen, bis zum Abendessen einfach durch den Wald zu streifen und meine Eltern zu hassen, weil sie mich allein gelassen hatten.
„Hm, dann nächstes Mal wieder.", sagte Travis schulterzuckend und schaufelte sich eine volle Gabel Artschocken in den Mund. Der hatte wirklich keinen Geschmack. Den Rest des Essens verbrachte ich schweigsam und als ich vor dem großen Essenpavillion stand und gerade ab wägte, ob ich mich früh schlafen legen sollte oder nicht, kam Mr D (sein gemustertes Hemd hässlich wie eh und je) auf mich zu.
„Zora, da bist du ja! Ich warte schon eine halbe Ewigkeit!", brachte er mir vorwurfsvoll entgegen. Dass er ein Gott war und Ewigkeit für ihn also eine ganz andere Bedeutung hatte als für mich verkniff ich mir.
„Zoë...", korrigiere ich ihn leise. Es hatte eigentlich ohnehin keinen Sinn mehr, ihm meinen Namen beizubringen. Wobei ich davon ausging, dass er ihn mit Absicht falsch verwendete.
„Jaja. Auf jeden Fall, folge mir bitte."
„Habe ich...etwas ausgefressen?", fragte ich vorsichtig. Zum Campleiter bestellt zu werden bedeutete in 90 Prozent der Fälle nichts Gutes.
Mr D sagte nichts und ich lief ihm einfach zum Haupthaus nach.
Dort angekommen setzte ich mich auf die kackbrauen Couch, von der aus ich einen guten Blick auf alle zwölf Hütten hatte. Mr D öffnete zischend eine Dose Pepsi und ließ sich auf einen weißen Ledersessel fallen, der so gut in die Einrichtung passte wie sein Hemd auf eine Modenschau von Karl Lagerfeld. Also gar nicht.
„Und? Wie geht es dir?", erkundigte er sich nach einer Pause.
„Sie erkundigen sich doch gerade nicht wirklich nach meinem Wohlergehen oder?", fragte ich zurück.
„Warum nicht?" Wieder eine Gegenfrage.
„Weil sie dafür nicht der Typ sind, Mr D."
„Oh, das verletzt mich aber... Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.", sagte er trocken.
„Ich fühle mich als hätten zwei Dutzend Giganten Cha Cha Cha auf mir getanzt.", gab ich zurück und wunderte mich selbst über meine Offenheit.
„Hm-hm.", erwiderte er und nickte. „Ich möchte übrigens, dass du das Camp auf weiteres nicht mehr verlässt. Auch nicht für Stadtbesuche."
Ich sprang auf. „Wie bitte?! Warum nicht! Ist das eine Strafe? Ich bin alt genug und-" Ich hielt inne. Ich war fünfzehn Jahre, das wusste ich ganz sicher. Aber es war nicht Dezember, lange nicht mehr. Es war...was war es für ein Datum? Und wie hatte ich meinen sechzehnten Geburtstag verbracht wenn er schon vorbei war? Ich konnte mich nicht erinnern.
„Mr D, was ist heute für ein Tag...?", fragte ich zögernd. Entweder wurde ich verrückt oder hier lief etwas gewaltig schief. Ich wusste nicht, was mir lieber war.
Mr D setzt gerade zu einer Antwort an, als die Tür ruckartig geöffnet wurde und jemand quasi ins Zimmer stolperte. Es war Finnick. Er war atemlos und sein tränenüberströmtes Gesicht war gerötet.
„Finny...was zum Hades...?"
Finnick öffnete den Mund, heraus kam jedoch nur ein Schluchzen.
„Ganz ruhig, atmen Finnick, atmen. Was ist los?", versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Sie...sie müssen im helfen!", gab er schließlich von sich.
Mr D schien nun ebenfalls in Alarmbereitschaft zu sein und hatte sich blitzschnell von dem hässlichen Ledersessel erhoben.
„Wem muss ich helfen? Finnick-", er sagte sogar seinen Namen richtig „was ist passiert?"
Finnick brachte nur noch einen Namen hervor, bevor er zusammenbrach: „Will..."
Ich melde mich nach langer Pause zurück, urgh...
Parallelen zum V. Kapitel sind zu finden :)
Euch allen einen guten Rutsch und danke, dass ihr noch hier seid :P
xoxo
Paula aka bookaholiker
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