XXI. Kapitel

Liam und der Hollywood-Horror-Drehort

„Hey! Mädchen! Du!", raunte mir jemand durch die Gitterstäbe zu und steckte seine Finger rüber in meine Zelle. Ich ignorierte ihn so gut ich konnte uns starrte weiter geradeaus. Ich nahm an, dass ich mich in einem Verlies auf dem Otrys, dem Stützpunkt der Titanen befand. Zusammen mit jede Menge anderer Typen, die seit Jahrzehnten anscheinend weder Tageslicht noch ein weibliches Wesen zu Gesicht bekommen hatten. Ich konnte mir immer noch nicht erklären, wie sich der Kampf so ins Schlechte hatte wenden können, wir waren schließlich kurz davor gewesen, zu gewinnen!

„Komm 'rüber und lass dein hübsches Gesicht seh'n, Kleine!", forderte mich ein anderer Gefangener auf. Im schlechten Licht konnte ich seine verfaulten Zähne erkennen und ein Schauder überlief mich.

Ich hatte bisher keine Lichtquelle entdeckt, irgendetwas Magisches wahrscheinlich. Auf jeden Fall stellte dieser Kerker jeden Hollywood-Horror-Drehort in den Schatten. Die groben, kalten und mit Moos bewachsenen Mauern, die rostigen Gitter, der muffige Geruch...wirklich, es gab bessere Alternativen, wenn man dumm herumsitzen wollte.

Ich trug immer noch meine Uniformjacke mit den Sternen, meine Jeans und Schnurstiefel. Lukes Messer und meine Bogen-Spange hatten sie mir abgenommen, natürlich. Trotz meiner Klamotten fühlte ich mich seltsam...nackt. So wie eine Schildkröte, die plötzlich ohne ihren Panzer auskommen musste. Das Gefühl, was mich begleitete seit Luke mir in der Grotte das Diadem aufgesetzt hatte war verschwunden, mehr als das. Ich wusste genau wer ich war, nämlich eine göttliche Jägerin die sich ihren Kopf mit dem mächtigsten Wesen überhaupt teilte, trotzdem war es...anders.

So muss es sich wohl anfühlen, sterblich zu sein, kam mir in den Sinn. Anscheinend wollten die Titanen oder wer auch immer mich hatte entführen lassen nicht, dass ich ihnen gefährlich wurde. Ich konnte Euronymes Abwesenheit so deutlich spüren wie die Wand, an die ich mich lehnte. Mit meiner Hand betaste ich meinen Kopf und war mich nicht ganz sicher, was ich hoffte: Dass das Diadem immer noch auf meinem Kopf saß, mit göttlichem unsichtbaren Sekundenkleber festgeklebt oder dass da nichts mehr war.

Ersteres war der Fall.

Ich wusste zwar, dass es ohnehin nicht funktionieren würde aber stand auf und ging auf die Zelltür zu. Ich rüttelte an ihr, erst nur halbherzig, dann richtig. Wie erwartet passierte nichts. Der Mann in der Zelle rechts von mir entblößte wieder seine Zähne und der unangenehme Geruch erreichte mich augenblicklich.

„Süße, sieh's ein, du kommst hier net raus. Sieht alles schäbig aus, wa? Ist es aber net. Höchste Magie." Er lachte, als würde ihn der Gedanke daran amüsieren. Ich fragte mich, nach wie vielen Jahren in diesem Keller man wohl anfing, langsam den Verstand zu verlieren. Er presste sein Gesicht gegen die Gitterstäbe und sah dabei ziemlich grotesk aus. Ich seufzte und wandte mich ab.

Plötzlich wurde es unglaublich hell im Zelltrakt und ich drehte mich wieder um. Ich musste blinzeln, doch langsam erkannte ich eine Gestalt mit einer Laterne in der Hand direkt vor meiner Zeller.

Nein, man konnte nicht einfach eine Taschenlampe oder so nehmen, es musste eine stillechte Laterne sein!

Als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, erkannte ich die Person.

„Liam, heiliger Hades, ich bin so froh, dass du hier bist! Weißt du wie diese beschiessene Tür auf geht? Wir müssen so schnell wie möglich weg, alle zehn Minuten kommt hier eine Wache lang!" Ich fasste neue Hoffnung, anscheinend war dieser Knast doch nicht so ausbruchssicher wie ich dachte. Wobei- wie konnte ein Sterblicher das schaffen? Und dann auch noch sein seltsamer Auftritt im Jägerinnenlager... Langsam beschlich mich eine ungute Vorahnung. Automatisch wich ich einen Schritt zurück und das Lächeln auf meinen Lippen war wie weggewischt.

Liam räusperte sich, er sah blas und angestrengt aus, versuchte dies jedoch mit einer lockeren Haltung zu überspielen.

„Zoë...ich will nur reden, ja? Ich tue dir nichts.", sagte er und hob dabei beschwichtigend beide Hände.

„Du bist ein Verräter!", platzte es aus mir heraus, Liam ging nicht drauf ein.

„Beruhigst du dich sodass ich mich mit dir unterhalten kann oder muss ich dazu erst einen Wächter rufen?", fragte er und ich hörte einen leicht spöttischen Unterton heraus.

„Wie kannst du nur! Wie kannst du das nur tun! Bei den 12 Heldentaten des Herkules, ich habe dich aus einem verdammte Klo vor einem Höllenrund gerettet, okay?! Ich war mit dir auf einem Auftrag! Wir haben so viel zusammen durchgestanden! Du bist Mays Freund! SCHÄMST DU DICH NICHT!?"

Er zuckte kurz zusammen, behielt aber den überheblichen Gesichtsausdruck bei. Mit jeder Sekunde gewann er an Selbstbewusstsein. Wenn die Gefangen nicht durch das Licht auf ihn aufmerksam geworden waren, dann spätestens jetzt nach meinem gebrüllten Vorwurf.

„Die Titanen geben mir etwas, was ihr mir nicht geben könnt.", sagte er ruhig.

„Ach ja? Und was?"

„Das Gefühl wichtig zu sein. Das Gefühl Kontrolle zu haben." Seine Augen blitzten leicht auf.

„Du...unloyaler Arschsack!"

„Das heißt ‚illoyal'.", korrigierte er mich grinsend. Sogar als Möchtegern-Bösewicht war er immer noch ein verdammter Besserwisser.

Ich biss die Zähen zusammen und knurrte: „Du kannst so froh sein, dass mich dieses Gitter daran hindert, dir so richtig eine reinzuhauen. Es gibt wichtigeres als Macht."

„Das sagt gerade du! Du bist Göttin, du beherbergst die große Euronyme, du hast mehr Macht als alle Götter und Titanen zusammen."

„Erzähl mir nicht, du wolltest mich hier besuchen um mir Komplimente zu machen.", erwidere ich kalt und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mich der Verrat kränkt.

„Nein, in der Tat nicht. Ich möchte dich warnen."

„Warnen wovor? Dass du ein mieser Verräter bist? Das weiß ich schon, Danke."

Liam schnalzt verärgert mit der Zunge. „Ich nehme dich mit hoch zum Rat. Dort werden sie dir Fragen stellen. Ich verspreche, es tut nicht weh. Wenn du dich aber weiterhin so verhältst kann ich für nichts garantieren."

„Wenn du weiterhin so tust, als wärst du der ober Big-Boss und nicht mein Freund, dann kann ich für nichts garantieren!"

Er lacht kurz und ich zucke zusammen, es ist das Lachen, das ich von ihm kenne.

„Siehst du deinen hübschen kleinen Armreif? Er blockiert dich, deine göttlichen und halbgöttlichen Fähigkeiten wie auch den Kontakt zu Euronyme. Und so blöd, mit bloßen Händen auf den heiligen Rat der Titanen loszugehen, bist noch nicht einmal du oder?"

Tatsächlich, ich hatte das Metallding um mein linkes Handgelenk noch gar nicht gemerkt. Scheiße. Für wen hielt sich Liam eigentlich?!

Ich trat wieder einen Schritt nach vorne sodass ich nur zehn Zentimeter von ihm entfernt stand.

Dann spuckte ich ihm ins Gesicht. „Mal sehen."

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Das ist wohl so ziemlich das kürzeste Kapitel überhaupt aber naja. Das nächste wird lang und actionreich, versprochen :)

xoxo

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