XVII. Kapitel
Ich führe ein Gespräch mit mir selbst und verpasse dem Sohn vom CurryKing eine Verbrennung
Ich hatte die Nacht schon immer viel lieber gemocht als den Tag. Wenn es dunkel war, und still, fühlte ich mich aus irgendeinem Grund sicherer, wie als wenn man in Gesellschaft einer unsichtbaren Freundin ist, die alle Geheimnisse kannte, sie aber nicht verrat. Wenn die Realität ungeschminkt war, wenn jeder Mensch im Schlaf durch seine eigenen Welten streifte und es nur noch mich auf diesem Planten gab. Auf dem Olymp gab es so viele schöne Plätze, die bei Nacht noch schöner waren. Der große Garten, Euripides‘ Schaffarm, der Nymphemsee, Zeus heiliger Tempel… Besonders gerne war ich auch in dem Amphitheater und auch heute hatte ich mich für einen nächtlichen Besuch entschieden. Ich war auf den Straßen nur Gruppen von Tennage-Göttern und einer Junggesellenabschiedsgemeinschaft von Satyrn begegnet, sonst war jeder Olympbewohner brav zuhause. Wöchentlich fanden im Amphitheater Aufführungen statt. Von Shakespeare bis Euripides (Ja, ein antiker Dichter wurde nach Euri benannt), hin zu modernen Poetry Slams, alles war dabei. Ich hatte Muskelkater, denn das Training auf dem Olymp war anders als im Camp. Ganz anders. Im Camp durfte man trainieren. Man musste nicht. Und wenn man gerade keine Lust hatte, dann schwänzte man eben einen Tag. Ähnlich wurde das mit der Schule gesehen. An jedem zweiten Montag bekam man Aufgaben, die man erledigen durfte. Wenn man am Ende des Jahres bei der zentralen Prüfung der Sterblichen-Schule versagte, war das sein eigenes Problem.
Es war also eine ziemliche Umstellung für mich, plötzlich von meiner Mum und Co unterrichtet zu werden, denn glaubt mir, das war alles andere als lockerer Unterricht. Meine Mutter feilte mit mir an meinen Schießkünsten, Athene erprobte ihre Geduld daran, mir alle literarischen Werke der Antike nahezubringen, Apollo verpasste mir einen Crashkurs in göttlicher Heilkunst und Ares brachte mir 1000 verschiedene Wege bei, den Gegner mit allen erdenklichen Waffen außer Gefecht zu setzen.
Athene hatte mir aufgetragen, Die Orestie zu lesen. Und welcher Ort kam dafür besser infrage als ein Theater? Irgendwie konnte ich mich jedoch nicht konzentrieren, viel zu oft schaute ich auf meine Handyuhr. Zwei Uhr Sechsundreißig. Um Drei hatte ich mich mit Euripides verabredet. Ich lächelte. Wir trafen uns nichts nachts, weil wir uns heimlich sehen mussten, nein, aber es hatte meiner Meinung nach viel mehr Stil. Ich konnte es kaum erwarten. In der Woche seid meiner Krönung war nicht viel passiert. Ich hatte meine Ausbildung als Göttin begonnen, war in den Olymp umgezogen, und traf mich mit Euripides.
Ich schätze, wir waren so etwas wie ein Paar. Genau darüber geredet hatten wir aber noch nicht. Ich grinste wie ein Teenager, der anstatt eines funktionierenden Gehirns Zuckerwatte im Kopf hatte. Deprimierend, wenn ich mir vorstellte, dass ich mir mal geschworen hatte, nie so zu werden. Die Schicksalsgöttinnen hatten aber auch einen verdammt guten Tag gehabt, als sie mich ausgerechnet Euripides haben treffen lassen.
„Glaubst du an Schicksal?“, sagte eine Mädchenstimme hinter mir. Definitiv nicht Euri, der früher dran war. Ich fuhr aus meiner Lektüre hoch, von der ich sowieso kein einziges Wort behalten hatte.
„Die Frage ist doch wohl eher ob ich daran glaube, ob man sein Schicksal verändern kann.“, antwortete ich und drehte mich um. Auf einem Platz in der ersten Reihe saß ein Mädchen, die Beine lässig übereinandergeschlagen. Sie stand auf und kam näher. Ihr langes Haar war schwarz, ihre Augen ebenfalls dunkel. Mit ihrer bronzefarbenden Haut und einem silbernem Kopfschmuck sah sie aus wie eine persische Prinzessin. Wogegen ihre Kleidung nicht wirklich prinzessinentauglich wirkte. Das Mädchen trug eine dunkelgrüne Hose und ein silbernes Top mit aufgesticktem Pfeil und Bogen. An ihrem braunen Ledergürtel hingen ein Jagdmesser, eine kleine Tasche und ein Seil, dazu ebenfalls braune Stiefel. Besonders fiel mir jedoch der lederne Handschutz auf, den ich selbst nur zu gut kannte. Ich trug ihn bei Eroberung der Flagge oder im Training wenn ich schoss um Reibungen oder Verletzungen vorzubeugen.
„Und?“, fragte sie.
„Ich glaube, dass das Schicksal vorgegeben und alles im Vorhinein bestimmt ist. Wenn man versucht etwas zu verhindern, wird es dadurch erst Recht eintreten.“
„Kluge Worte für jemand, der gerade erst sechzehn geworden bist.“, sagte das Mädchen. Irgendetwas an ihr war noch anders, aber ich wusste nicht was. Auf jeden Fall war ihre Aura nicht stark genug für die einer Göttin.
„Wenn ich mich nicht irre bist du auch nicht gerade älter. Wer bist du?“, wollte ich wissen.
Sie kicherte kurz, wie ein kleines Mädchen. „Oh doch, du willst gar nicht wissen, wie alt ich schon bin. Aber keine Sorge, ich will nichts Schlimmes von dir. Ich will dir helfen. Schließlich bist du doch meine Namensvetterin.“
„Du…du bist Zoë Nachtschatten! Die Jägerin!“ Plötzlich wusste ich sofort was anders an ihr war. Das Mondlicht fiel einfach durch sie hindurch, sie war quasi transparent.
Zoë deutete in den Himmel. „Siehst du das Sternenbild dort oben? Das ist die Jägerin. Als ich gestorben bin, hat mich deine Mutter dort verewigt. Seitdem schaue ich hier runter und beobachte alles. Eigentlich darf ich gar nicht hier sein, schließlich bin ich tot…aber ich habe Hades einen Gefallen versprochen. Und ich habe im Gefühl, dass die Moiren wollen, dass ich mit dir rede. Und wie du selbst gerade schon so schön gesagt hast: Das Schicksal lässt sich nicht verändern.“
„Du willst mit mir über Schicksal reden?“ Eigentlich war ich immer froh, dass ich, Zoë Chester, Zoë Nachtschatten nie begegnen musste weil sie tot war. Ich war kein schlechter Mensch, aber das Gefühl vielleicht nur eine billige Kopie der echten Zoë zu sein, war nicht gerade toll. Ich wollte nicht, dass Leute von mir erwarteten, dass ich mich auch einmal für das Allgemeinwohl opferte, dass ich vernünftig und weise war, eine gute Anführerin oder sonst etwas.
„Über die Prophezeiung.“, korrigierte sie mich. „Hast du sie soweit verstanden?“
„Einigermaßen. Könntest du eigentlich mit das Leben gemeint sein? Du heißt schließlich auch Zoë.“
„Nein. Nach meinem Besuch hier werde ich wahrscheinlich nie wieder Kontakt zu jemandem aufnehmen können. Und selbst jetzt in dieser Gestalt kann ich Gegenstände nicht berühren. Ich könnte noch nicht mal ein Blatt Papier falten. Außerdem passt der Rest nicht auf mich. Erinnerst du dich an die letzten beiden Verse?“, fragte sie mich.
„Nur durch des Königs jüngstem Spross / Bleibt sie auf dem rechten Pfad. Mir bleibt gar keine andere Wahl, als die Prophezeiung rauf und runter zu können. Morgens und abends wenn ich Zähne putze springt sie mir quasi aus dem Spiegel entgegen.“
„Weißt du, wer gemeint sein könnte?“, hakte sie nach.
„Um ehrlich zu sein: Jedes zehnte Lebewesen auf diesem Planeten könnte dafür in Frage kommen. Hermes ist König der Diebe. Ares ist König des Krieges. Der Verkäufer vom CurryKing Imbiss könnte genauso gut gemeint sein. Man interpretiert immer viel zu viel in Prophezeiungen hinein, ich hab' Erfahrung. Das ist nicht meine erste.“
„Vielleicht hast du Recht…aber denk mal bitte nach. Das ist, was ich getan habe. Als Tote hat man da ganz schön viel Zeit zu. Denken wir mal ganz offensichtlich. Wer ist der König?“ Dieses Gespräch erinnerte mich sehr an das erste mit meiner Mutter. Mich wunderte es nicht, dass sie sehr viel Zeit mit Zoë verbracht und mich nach ihr benannt hatte.
„Der König der Götter ist Zeus.“, sagte ich.
„Sein jüngster Spross?“
„Euripides.“
„Und?“
Die Ex-Jägerin schüttelte enttäuscht den Kopf. Wie als wäre sie von meiner Auffassungsgabe enttäuscht. „Das Gespräch am Pool. In Amsterdam. Mit Euripides.“
„Du hast wirklich nichts Besseres zu tun als mich zu beobachten oder?“
„Ich glaube, du hast es verdrängt. Weil du nicht war haben wolltest, dass noch nicht alles aus dem Busch ist. Hör zu, ich erzähle dir eine Geschichte ja? Vor sehr langer Zeit liebte ein Mädchen einen Jungen. Sie liebte ihn so sehr, dass sie alles aufgegeben, dass sie ihre Familie und Freund verlassen wollte. Und das tat sie. Für ihn. Ihre Familie verbannte sie, sie hatte nichts mehr. Und weißt du, was dann geschah? Der Junge ließ sie einfach fallen. Sie war für ihn ein Mittel zum Zweck gewesen, mehr nicht. Er hatte ihr etwas vorgespielt.“ Sie schaute mich eindringlich an.
„Musstest du mir wirklich diese Geschichte in der dritten Person erzählen? Ich finde, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen wirkt etwas melodramatisch. 'Jungs sind alle Arschlöcher ´ hätte auch gereicht. Außerdem kenne ich dein Lebensgeschichte. Ich habe dich mal gedemigooglelt.“, bemerkte ich
Sie lächelte zaghaft. „Gut möglich. Ich hätte natürlich auch sagen können, Jungs sind alle Arschlöcher, wenn du das dann besser verstehst.“ Sie wurde wieder ernst. „Denk an das belauschte Gespräch im Thronsaal. Die Zwölf kannten die Prophezeiung. Und sie dachten schon damals, dass es um dich geht. Die Tatsache, dass du zur Göttin wurdest hat sie nur bestätigt. Die Prophezeiung selbst bietet ihnen eine Lösung: Euripides. Ich bin nicht allwissend…aber objektiv betrachtet…“
„Objektiv betrachtet was?! Objektiv betrachtet haben sie Euripides auf mich angesetzt damit ich ihnen nicht gefährlich werde? Objektiv betrachtet ist es seine Aufgabe mein Freund zu sein? Das ist der größte Quatsch den ich je gehört habe.“ Ich war völlig außer mir. Ich wollte es nicht wahr haben, aber alles sprach tatsächlich dafür.
„Er ist perfekt. Sieht gut aus, hat Humor und einen toller Charakter, aber sie wollten auf Nummer sicher gehen, falls du ihm nicht verfällst. Bei deinem ersten Olympbesuch hat dir Aphrodites Tochter ein Getränk gebracht. Kurz vor deiner Krönung…da hat dir Aphrodite persönlich die volle Dröhnung gegeben. Du hattest gar keine andere Wahl als ihn zu küssen. Und aufgrund der Bitten des Rates hatte Euripides seine Rolle gespielt. Das ist der Grund warum ich Jägerin war. Weil Jungs alle, in deinen Worten, Arschlöcher sind.“
„Nein nein nein. Das stimmt nicht! Das kann nicht stimmen! Und überhaupt, warum erzählst du mir das eigentlich?“
„Das hier ist die größte…Sache, die mir je in meinem Leben untergekommen ist. Ich weiß nicht, wo das alles drauf hinausläuft, aber jeder hat eine Aufgabe. Alles wurde schon festgelegt, lange bevor Euronyme selbst die Erde geschaffen hat. Und meine Aufgabe ist nun mal, den großen Stein ins Rollen zu bringen.“ Ich starrte sie immer noch wie entgeistert an. Euripides spielt mir etwas vor. Weil der Rat es so vorgibt. Sie alle wollen mit mir spielen. Es ist alles nicht echt nicht echt nicht echt.
„Es tut mir Leid, ich habe keine Zeit mehr. Ich befinde mich schon viel zu lange in der Welt der Lebenden. Mach es gut, Zoë Chester. Und denk daran, Schicksal ist Schicksal.“ Bevor ich etwas Weiteres sagen konnte, wurde sie durchscheinender und durchscheinender, bis sie schließlich komplett verblasste. Ich sah zum Himmel und einige Sterne leuchten kurz auf, als wollte sie noch einmal Leb wohl sagen. Ich wusste nicht, wie lange ich auf die Stelle gestarrt hatte, wo sie gestanden hatte während mir alles und doch nichts durch den Kopf ging, aber ich erwachte erst aus meiner Starre, als ich von hinten umarmt wurde und mir jemand „Hey Eisprinzessin“ ins Ohr flüsterte. Euripides. Die Wut erwachte in mir als ich mich aus seinen Armen wand und ihn von mir schubste.
„Was fällt dir eigentlich ein, noch herzukommen?! Hn?! Hattest du mir überhaupt je vor mir zu sagen, dass alles nur Fake ist?! Oder wolltest du ewig so weiter machen?! Für zwei Götter ist ‚ewig‘ nämlich verdammt lange! Ich kann nicht glauben, dass du mich wirklich angelogen hast! Jedes einzelne Wort von dir war eine einzige verdammte Lüge!!!“ Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Dass er es abstritt, dass er lachte und mir erklärte, alles sei nur ein Missverständnis, nicht aber hatte ich damit gerechnet, dass er es zugab.
„Es tut mir Leid. Ehrlich und Aufrichtig.“ Ich hätte es lieber gehabt wenn er mich angeschrien hätte. Dann hätte ich zurück schreien konnte. Aber nein, er war ganz ruhig. „Du bist toll, wirklich. Ich denke, nein ich weiß, dass ich mich irgendwann auch in dich verliebt hätte.“
„Soll das ein Trost sein?“ Meine Stimme klang plötzlich brüchig.
Vorsichtig legte Euripides mir seine Hand auf die Schulter. „Hör zu…bitte lass uns reden und-“
Er konnte nicht aussprechen denn ich schlug seine Hand weg und bei der Berührung meiner Finger stieß er einen seltsamen Laut aus. Erst verstand ich nicht wirklich, doch dann wurde es mir klar. Ich hatte ihm eine Kälteverbrennung verpasst, und zwar eine ziemlich beträchtliche.
Mit den Worten „Ich will dich nie, nie, wieder sehen verstanden?!“ stürmte ich aus dem Freilichttheater. Er kam mir nicht hinterher. Vielleicht war das auch gut so, denn bereits nach wenigen Schritten strömten mir Tränen übers Gesicht.
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Uff…dass hat lange gedauert ich weiß :/ Mal wieder weniger Action und mehr “Aufklärung“, das ändert sich aber in den nächsten Kapiteln, versprochen :D
Falls ich vor Weihnachten nicht mehr update, wünsche ich euch allen naja…was man sich an Weihnachten so wünscht. Frohe Weihnachten :P
xoxo
Paula <3
PS: Ich muss wirklich eine Geschichte (PJ FF) empfehlen: Dark Sun Rising von xxCopyCatxx. Wer Probleme mit Englisch hat oder zu faul ist, kann die genauso tolle Übersetzung von Demigod_Owl lesen (: Die Story ist der Hammer, man hat das Gefühl, sie stammt wirklich aus Riordans Feder!
PPS: Über 30k?! Das ist das beste nachträgliche Geburtstags- und vortägliche Weihnachtsgeschenk überhaupt! :*
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