XVI. Kapitel
Ich trete einer strenggeheimen Sekte bei (zu der auch DJ Polly gehört)
Habt ihr euch schon einmal gefragt, wie es wohl ist, wenn man vom Herrn des Himmels zum Gott gekrönt wird? Nein? Ich auch nicht. Das war wahrscheinlich der Grund für meine überaus große Nervosität.
Euripides schaute mich kritisch von der Seite an.
„Was wird das? Willst du mir das Blut abquetschen?", fragte er. Ich bemerkte, dass ich meine Finger in seinen Arm gekrallt hatte und lockerte meinen festen Griff.
Wir standen vor der beinahe geschlossenen Tür des Thronsaals, der jedoch nicht als dieser wiederzuerkennen war. Durch einen Spalt konnte man hindurchschauen, er war anscheinend ins Unendliche ausgedehnt und das gewohnte Mobiliar war heraus geräumt. Generell schaffte der Thronsaal dem Betrachter immer das Gefühl, er hätte keine räumlichen Maße, doch heute wurde dieser Eindruck nur bestätigt. In der Mitte war ein Gang, rechts und links saßen augenscheinlich alle Bewohner des Olymps, einige in Jeans und Shirt, andere in antik anmutenden Gewändern. Es erinnerte mich ein wenig an eine Kirche, nur das diese hier komplett im Style "Weiß&Ice" dekoriert war. Da, wo sonst der Altar gestanden hätte, waren im einen Halbkreis die Throne der 12 olympischen Gott aufgestellt. Die Besucher quatschen und lachten fröhlich und warten, darauf dass die Zeremonie begann.
„Aphrodites Gebräu wirkt nicht.", stellte ich fest.
„Du muss nicht aufgeregt sein, dass ist wirklich nur halb so schlimm.", beruhigte er mich.
„Nicht so schlimm? Mir hat niemand gesagt, dass es so ein Massenauflauf wird!", beschwerte ich mich.
„Das letzte Mal, dass jemand zum Gott gekrönt wurde, ist ewig her. Wer war das noch mal...ach ja! Herkules! Ist doch selbstverständlich, dass alle kommen. Außerdem ist das die Gelegenheit, die mysteriöse Zoë Chester mit ihrem Zauberdiadem aus der Nähe zu sehen." Er grinste. „Wusstest du, dass zum Beispiel erzählt wird, dass wenn du pinkelst, das Toilettewasser augenblicklich gefriert?"
Ich versah ihn halbherzig mit einem genervten Blick. „Ha. Ha. Sehr witzig. Wenn ich's mir genau überlege, hätte ich nichts dagegen, die nächsten paar Stunden auf der Toilette zu verbringen."
„Zeus hat mir gerade gesagt, dass alle fertig sind. Hör zu, du musst einfach nur den Gang entlang und dann das tun, was Zeus dir sagt. Nichts Kompliziertes ja? Ich sitze irgendwo in der ersten Reihe bei Rora, wir sehen uns nachher." Er drückte mich noch kurz und schnipste sich dann weg.
Okay. Nichts Kompliziertes. Das würde ich ja wohl hinkriegen.
Die große Doppeltür schwang auf und für einen kurzen Moment fühlte ich mich an meinen ersten Olympbesuch erinnert. Es kam wir vor, als wären seitdem Jahre vergangen.
Der Gang war weitaus länger als gedacht und während ich probierte, nicht nach rechts und links in die interessierten Gesichter zu schauen, ertönten die ersten Töne von einem mir unbekannten Musikstück. Ehrlich gesagt, fühlte ich mich wie eine zu junge, falschgekleidete Braut ohne Bräutigam im falschen Film. Ich ging in einem mir angemessen Tempo und schaffte es sogar in meinen Absatzschuhen nicht zu straucheln. Als ich mir doch einen Seitenblick genehmigte, stellte ich fest, dass jede einzelne Bank länger war als zwei Fußballfelder und glaubt mir, es gab viele Bänke. Sehr viele.
Alle waren still und ich spürte die hundertausenden von Augenpaaren auf mir. Ich hatte einmal gehört, dass die Zeit langsamer vergeht, wenn man angeguckt wird, und nach dieser Erfahrung konnte ich diese Aussage auf jeden Fall bestätigen.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit kam ich endlich vorne an. Alle Zwölf saßen auf ihren Thronen, nur meine Mutter stand mit einem Lächel vorne und erwartete mich. Sie deutete auf einen schlichten weißen Stuhl und ich setzte mich mit dem Rücken zu den Zuschauerreihen. Die elf Götter musterten mich, durchbohrten mich mit ihren Blicken und plötzlich verspürte ich erneut das Gefühl kompletter Nacktheit, genauso wie bei meiner ersten Begegnung mit Euripides. Ich erinnerte mich, dass ich versucht hatte mich zu verschließen und dass es Euripides nicht möglich war, in meinen Kopf einzudringen. Mit halbem Ohr hörte ich meiner Mutter zu, die über Götter, den Olymp und alte Geschichten redete. Ich guckte Zeus genau in die Augen. Es kostete mich sehr viel Kraft den Blick nicht einfach abzuwenden. Was auch immer das Gedankenspielchen war, das er mit mir spielte, ich wollte es nicht verlieren. Mein Kopf fühlte sich an, als würde ihn jemand immer wieder gegen eine massive Wand schlagen und trotzdem gab ich nicht nach. Zeus' Kiefermuskeln zuckten und ich bemerkte aus dem Augenwinkel, dass die restlichen Olympier interessiert dem Blickduell folgten. Ich atmete hörbar aus.
Lass gut sein, Mädchen, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf, Zeus's Stimme.
Was soll das alles?, fragte ich. Hatte ich gerade tatsächlich gesprochen ohne die Lippen zu bewegen? Meine Theorie bezüglich der Telepathie unter Göttern hatte sich somit bestätigt.
Du solltest vorsichtig sein mit deiner Neugier. Sie tut dir nicht gut. Ehe ich antworten konnte, stand Zeus auf.
„Zoë Chester.", sagte er, diesmal laut. „Erhebe dich." Ich tat wie mir gehießen, auch wenn ich am liebsten allein schon aus Prinzip sitzen geblieben wäre. Der Göttervater legte mir eine Hand den Kopf.
„Bist du bereit, einer von uns zu sein?"
„Ja.", antwortete ich.
„Schwörst du auf den heiligen Styx, dem Olymp immer treu zu bleiben?"
„Ja."
„Schwörst du, deine Kräfte nie gegen deine heilige Familie, die Olympier, zu verwenden?"
„Ja."
„Sie ist bereit."
„Sie ist bereit.", wiederholte der ganze Saal. So langsam kam es mir vor, als sollte ich einer strenggeheimen Sekte beitreten und nicht etwa den Göttern. So etwas von albern.
Zeus stimmte einen Sprechgesang an, in dem die Worte Aufopferung, Ehre und Stolz vorkamen. Die restlichen Anwesenden wiederholten jeweils das letzte Wort jedes Verses. Als Zeus seine Hand von meinem Haupt nahm, fühlte ich mich...plötzlich anders. Jemand, der noch nie zum Gott gekrönt wurde (ich nehme an 99,99999% der Menschheit), konnte dieses Gefühl unmöglich nachempfinden. Es war nicht nur, dass ich mich weise und klug fühlte, ich fühlte mich zugehörig. Und irgendwie glücklich.
Die Zuschauer brachen in Zufall aus, wie als hätte ich etwas Besonderes geleistet. Artemis stand nun wieder neben mir, auf der anderen Seite Zeus. In einem Bereich saßen alle Halbgötter und angeführt von Will johlten und pfiffen wie bei einem Fußballspiel. Ich konnte mir nicht helfen und musste strahlend lächeln. Ich hatte zwar immer noch keine Ahnung, was mein Götterdasein bedeutete, in wie fern die Prophezeiung eintreffen würde, was genau die olympischen Götter mit mir vorhatten und welche Rolle Euripides spielte, aber für den Moment war das einfach egal. Die Ausgelassenheit und Fröhlichkeit war so vollkommen, dass man sie beinahe greifen konnte.
ΩΩΩ
Das ich beim Tanzen leise vor mich hinzählen musste, war nicht gerade förderlich für die Konversation zwischen Euripides und mir. Ich musste mir die ganze Zeit auf meine Füße gucken, um nicht zu straucheln. Nein, Tanzen war ganz bestimmt nicht mein Ding. Die Musik, die von überall her zu kommen schien war zwar nicht ganz mein Geschmack aber sehr beruhigend.
„Und, wie fühlt's sich so an als Göttin?", versuchte Euripides erneut mich zum Reden zu bringen.
„Hm, gut.", antwortete ich mit zusammen gekniffenen Lippen. „Ich weiß nicht, ich fühle mich irgendwie ein bisschen betrunken."
Euripides lachte. „Wenn ich mich nicht irre, bist du heute sechzehn geworden. Dann darfst du so etwas doch gar nicht wissen, ode-" Ich hatte ihm einen Moment in die Augen geguckt und war ihm prompt auf die Füße getreten.
„Sorry...", murmelte ich.
„Ist gut, lass uns 'ne Pause machen." Mit diesen Worten zog er mich geschickt an den Tanzenden vorbei. Wie er schon prophezeit hatte, drehten sich die Leute nach mir um und flüsterten, aber mir war das plötzlich wirklich egal. Vielleicht fing Aphrodites Getränk an zu wirken.
Am Buffet entdeckte ich Aurora mit einem jungen Mann in Smoking stehen.
„Das ist Orion, ihr Freund. Er ist eigentlich Titan, hat aber schon vor Zeus' Sturz auf Kronos hat er die Seiten gewechselt.", klärte mich Euripides auf.
Als Aurora uns entdeckte, winkte sie uns heran und stellte uns vor.
Orion war ziemlich ruhig und Aurora wie immer ziemlich aufgedreht, lachte und redete viel. Sie sah umwerfend aus.
„Seit ihr bereit für DJ Pooooooolly?!", schallte es durch den gesamten Saal über die Musik hinweg. Die Tanzfläche leerte sich augenblicklich und die jüngeren Götter und Halbgötter, die bis jetzt nur schüchtern herumgestanden hatten, antworteten mit einem Grölen.
„Jetzt kommt der beste Teil des Abends, Apollo ist der coolste DJ den du finden kannst!", erklärte mir Aurora und zeigte auf das DJ Pult, was ich vorher nicht einmal bemerkt hatte. Ich glaubte, dass Apollo seine etwas jüngere Erscheinungsform gewählt hatte, er war nur schwer wiederzuerkennen. Aurora schnipste und das Kleid, was ich unter meinem Peplos trug, kam zum Vorschein.
Euripides deutete auf Will, der mit anderen Campern schon auf der Tanzfläche war.
„Geh ruhig hin.", meinte er. Ich lächelte.
„Genau das habe ich vor."
ΩΩΩ
Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte gefühlt. Aber im positiven Sinne. Ich war frei und glücklich, meine Sinne nicht getrübt sondern schärfer als je zu vor. Ich wollte alle meine Gedanken in die Welt hinausschreien, wollte allen mitteilen, wie ich mich fühlte. Mir war egal, was irgendjemand von mir dachte, was morgen sein würde, ich lebte allein in diesem Augenblick und ich wünschte mir, dass er niemals aufhörte. Was auch immer das für ein Gefühl das war, ich liebte es.
Und bevor man mir nach sagte, ich hätte ein bisschen zu viel getrunken (Also bitte! Ich bin 16! Sehe ich aus, als würde ich es über mich bringen, Regeln zu brechen?), schwöre ich hiermit, nur Cola zu mir genommen zu haben.
Euripides unterhielt sich gerade mit einigen anderen Nebengöttern, die ich noch nie gesehen hatte, über die laute Musik hinweg. Ich zog ihn am Arm ein Stückchen zu Seite.
„Hallo!", sagte ich.
„Na, Eisprinzessin? Amüsierst du dich schön?", fragte er lächelnd.
„Sowas von! Das ist die beste Geburtstagsparty, die ich jemals hatte!"
„Freut mich."
„Sag mal, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du verdammt gut aussiehst? Also für dein Alter hast du dich echt super gehalten!" Er lachte.
„Ein offenes Kompliment von dir? Dir muss es wirklich gut gehen."
„Und wie! Was hältst du davon, wenn ich dir mal etwas zeige?"
„Jetzt? Du willst einfach so weg?" Er sah plötzlich unsicher aus. „Hör zu Zoë...das ist ja eigentlich eine gute Idee, aber du hast keine Ahnung was...also du..." Er ließ den Satz in der Luft hängen.
„Mir geht's prima! Im Ernst jetzt! Ich war noch nie mehr ich selbst!"
„Eben nicht! Ich habe ihnen von Anfang an schon gesagt, es ist eine bescheuerte Idee...", sagte er, mehr zu sich selbst.
„Jetzt hör auf, so komisches Zeug zu labern! Wie schnipst man sich noch Mal?"
Er seufzte. „Okay...von mir aus. Es ist gar nicht schwer. Du musst dir nur mit all deiner Gedankenkraft einen Ort vorstellen und dann in die Finger schnipsen. Aber es ist verboten für neue Götter ohne Übun-" Zu spät. Ich hatte seine Hand gepackt und wir standen plötzlich im tiefsten Wald. In meinen Ohren klang noch die laute Musik nach.
„Hat doch super geklappt.", grinste ich.
Euripides seufzte erneut. „Wo genau sind wir, wenn ich fragen darf?"
„Im Wald, nahe bei Long Island. Ich zeig dir einen Ort, der mir sehr viel bedeutet, ja? Du bist der erste, den ich dahin mitnehme."
Wir mussten nur eine halbe Minute durch den Schnee stapfen, bis ich vor einem Baum anhielt. Einem Baum mit besonders dickem Stamm. Ich kletterte eine Stückchen hoch und schaute runter in Euripides' verdutztes Gesicht.
„Komm schon, bitte!"
Schließlich waren wir an der Astgabelung angelangt, auf der Luke und ich zu Blutsgeschwistern geworden waren.
Es war eine ebenso klare Nacht, wie vor vier Jahren und Mond und Sterne (die ich nun, da ich meine Mutter und Aurora kannte, mit ganz anderen Augen sah) strahlten am Himmel. Euripides setzte sich neben mich und rieb sich über die Arme.
„Dir ist gar nicht kalt oder?"
Ich schüttelte den Kopf als Antwort. Ich war plötzlich ganz still, wusste nicht einmal warum genau ich herkommen wollte. Ich konnte nur in den Himmel schauen und sah Lukes Gesicht vor mir, als er mir versprach, immer auf mich aufzupassen. Ich schüttelte die Erinnerung ab.
„Ich wusste gar nicht, dass du auf Romantik stehst. So mit Mondschein."
„Wusste ich eigentlich auch nicht...Du meintest dir ist kalt oder? Warte." Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm und konzentrierte mich darauf, dass die meine Immunität gegen die Kälte auch auf ihn überging. Es funktionierte, und ich ließ meine Hand einfach liegen. Ich wusste nicht genau was es war, aber ich hatte das Gefühl, ich wurde dazu gedrängt, näher an ihn heran zu rutschen. Also tat ich es.
„Hör zu, ich habe keine Ahnung, was ich hier gerade tue..."
„Ich weiß." Die Antwort überraschte mich, aber in diesem Moment hatte ich schlicht nicht das Bedürfnis nachzufragen. In mir drin herrschte so ein Durcheinander, dass ich am liebsten auf der Stelle in einen traumlosen Schlaf gefallen wäre. Und weil ich das nicht tun konnte, tat ich das, wonach eine Stimme in meinem Kopf die ganze Zeit schon verlangte.
Ich küsste ihn.
__________
Ich muss sagen, ich bin nicht wirklich zufrieden mit dem Kapitel, aber euch noch länger warten lassen macht es auch nicht besser...
xoxo
Paula alias bookaholiker <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top