VIII. Kapitel

Ich will nicht als nicht-vegetarischer holländischer Pfannkuchen enden

Die erste Nacht allein in meiner Hütte war schrecklich gewesen. Nach meinem Besuch auf dem Olymp hatte ich mich mit Will auf das gigantische Bett in der Artemishütte gelümmelt und original Funny Frisch Chili Chips gegessen und dabei Cola aus Dosen geschlürft. Das war echter Luxus im Camp, wo es nur typisches griechisches Essen gab. Das Toastbrot war schon das höchste der Gefühle gewesen, es gab eine Regel, die alles ungesunde (und leckere) Essen verbot. Auf dem Camp-Schwarzmarkt, den die Hermes-Leute betrieben, konnte man zwar auch sowas erwerben, aber 15€ für eine 0,25l Dose Cola war doch etwas viel. Will hatte sich gefreut wie ein kleines Kind an Weihnachten als ich mit der geschmuggeltem Ware, die ich auf dem Olymp an einem Kiosk gekauft hatte, angekommen war. Er wollte alles ganz genau wissen und ich musste alle Erlebnisse des Tages wiedergeben. Mit Details. Das Detail von Auroras gutaussehendem Freund, dem Wolkengott, hatte ich nur kurz erwähnt. Mir war es immer noch peinlich, wie blöd ich mich vor ihm verhalten hatte. Nachdem ich nachgemacht hatte, wie Hera die Nase rümpfte und Will vor lauter Lachen Chipskrümel spuckte fühlte ich mich schon besser. Finnick steckte um kurz vor halb elf den Kopf um Will zu erinnern, dass er jetzt in seine Hütte müsste, wenn er keinen Ärger kriegen wollte.

Erst als Will weg war (nicht ohne sich noch eine Dose Cola als Wegbegeliter mitzunehmen), merkte ich wie müde ich war.

Trotz der Überdosis Koffein dauerte es nicht lange, bis ich eingeschlafen war, doch im Nachhinein wünschte ich mir, dass ich einfach wachgeblieben wäre.

In meinem Traum schien ich in der Luft zu schweben, wie ein Staubpartikel. Ich hatte keinen Körper, keine Hände und keine Stimme, ich konnte noch nicht mal die Augen schließen musste zusehen, was sich einige Meter unter mir abspielte.

Soweit ich das einordnen konnte, war es nachts. Trotzdem hatte ich das Sehvermögen einer Katze oder einer Eule. Wellen schlugen beinah aggressiv gegen einen Felsen, der zwar gigantisch groß und hoch war, jedoch in Relation zu dem tosenden Meer wie ein winziger Rettungsring auf der Titanic wirkte. Wie tausend hungrige Mäuler die auf die Beute warteten, leckten die Wellen an ihm. Auf einem Vorsprung ganz weit oben stand ein Mädchen oder eine junge Frau in einem schwarzen Kleid. Sie war barfuß und obwohl das Kleid nur dünne Träger hatte, die Temperatut wahrscheinlich höchstens fünf Grad betrug und der Wind wirklich beißend war schien ihr nicht kalt zu sein. Ihr dunkelbraunen Haare und der Saum ihres Kleides flatterten im Wind wie eine Flagge. Obwohl ich nur träumte (und ein Staubpartikel war) hatte ich Angst und wollte weglaufen. Irgendetwas an diesem Ort war unheimlich und eindeutig abgrundtief böse. Plötzlich wurde das Bild herein gezoomt, wie bei einer 3D-Computergrafik. Ich war nun auf Augenhöhe mit dem Mädchen, etwa eineinhalb Meter von ihr entfernt und schaute ihm ins Gesicht, direkt in die eisblauen, harten Augen.

Was zum-?!

Wär ich kein Staubpartikel gewesen, hätte ich jetzt aufgeschrien.

Das Mädchen war - Ich. Nicht direkt ich aber ähnlich. Sehr ähnlich. Unglaublich ähnlich, gruselig ähnlich. Ihre Haare waren länger und ein wenig dunkler als meine. Die Wangenknoche traten stärker hervor, die Augenhöhlen waren etwas eingefallen und von dicken Augenringen umringt, Als hätte sie (ich?) seit Tagen nichts gegessen oder geschlafen, trotzdem war die Ähnlichkeit unfehlbar. Wenn ich sie genauer anguckte war ihr ganzer Körper knochiger als meiner. Ich war auf keine Fall dick, wie den auch bei dem ganzen Training und gesundem Essen im Camp, aber sie hatte eindeutig weniger auf den Rippen als ich. Ungesund dünn und hager. Mit der Blässe machte sie jeden Twilight-Vampir neidisch, in dem schwarzen Kleid und durch die Schatten, die das Mondlicht auf ihr Gesicht warf wirkte sie unheimlich. Der Gesichtsausdruck war hart und entschlossen, die Lippen aufeinander gepresst. Ich stellte fest, dass ihre Unterlippe blutig gebissen war und mir lief ein Schauer über den Rücke. Ihre Haare waren vom Wind zerzaust, aber trotzdem erkannte ich eine silberne Spange. Meine Spange. Das war ich. Auch wenn ich diesen Ausdruck meinen Augen nicht kannte. Hart. Kalt. Entschlossen. Von Bitterkeit gekennzeichnet und so, als hätten sie schon alles Böse in dieser Welt gesehen. Eine Träne lief meinem Gegenüber still über die Wange. Wobei ich doch sonst nie weine. Schon im ersten Heim hatten die älteren Kinder klar gemacht: Weinen ist was für Schwächlinge. Die Hände waren zu Fäusten geballt und sie (ich...keine Ahnung) murmelte etwas, das in dem Getöse des Windes unterging.

Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, klang Ates Stimme wie ein Echo von überall her.

Dann sprang mein Ego von der Klippe. Das Kleid flatterte gewaltig und blähte sich auf wie ein Ballon.

Plötzlich schwebte ich nicht mehr als Zuschauer in der Luft sondern steckte in dem Körper. Ich fiel und fiel und hörte nicht mehr auf zu fallen und in meiner Brust hatte sich so ein Schluchzer festgesetzt, dass ich Angst hatte, daran zu ersticken. Ich fühlte jetzt das, was mein anderes Ich fühlte. Eine so starke und tiefe Traurigkeit, das es mich fast zerriss. Und ein klitzekleines bisschen Erleichterung. Bevor ich etwas Weiteres denken konnte, tauchte ich ins kalte Wasser ein und meine Lungen füllten sich damit.

ΩΩΩ

Ich hatte nach dem Alptraum kein Auge mehr zugekriegt, deswegen war es kein Wunder, dass ich am Morgen völlig verschlafen an dem Tisch im Haupthaus saß. Mr D, der mir gegenübersaß trug auch nicht wirklich zur Verbesserung meiner Laune bei. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen und Mr D öffnete zischend eine Dose Pepsi. Ja, der durfte Cola trinken! Auch wenn Cola am Morgen eigentlich echt widerlich ist.

Zeus hatte mir am vergangen Abend nur grob erzählt, worum genau es sich bei dem Auftrag handelte. Dass ich gehört hatte, wie er meinte, dass der Auftrag unlösbar ist, hatte ich nicht erwähnt. Ich sollte ein Art Diadem finden, was seit ein paar tausend Jahren verschollen war. Okay, das klang nun wirklich nicht sehr schwer. Für meine Verhältnisse.

Ich hatte schon weitaus beeindruckendere Dinge geleistet. Ich hatte mithilfe eines IKEA-Regals gegen den Stier des Minos gekämpft (lange Geschichte), drei Halbgötter aus den Fängen von Orchomenos dem Anggeblich-Burgerbrater befreit (noch längere Geschichte), die Furien aus der Teekanne des Vergessens trinken lassen (fragt nicht), drei Urmetalle aus Unterwelt, Meer und Himmel beschafft, um damit eine Büroklammer, die ganz Chicago gerettet hat, zu schmieden (okay, das war echt verrückt) und noch so ein paar andere durchgedrehte Aufträge erfüllt.

Das Diadem hatte, wie ich von Mr D erfahren hatte, Euronyme gehört, der Schöpfungsgöttin. Sie war vergleichbar mit dem Gott der Christen. Nach einer der ältesten Theorie der alten Griechen war Euronyme als erste Göttin dem Chaos entstiegen, hatte das Wasser vom Land getrennt, Licht geschaffen, Berge, Täler, Flüsse, Pflanzen und Tiere entstehen lassen. Aus dem Wind schuf sie dann eine Schlange, die sie schwängerte (Ja, diese Göttin war von einer Schlange geschwängert worden). Sie legte dann ein Ei (weil Menschen oder Götter ja auch Eier legen) und die Schlange brütete es aus. Aus dem Ei „schlüpfte" dann der restliche Kosmos, also Mond, Sterne und andere Planeten. Daraufhin setzte sie auf jeden Planten einen Titan und eine Titanin. Mit ihrem Boyfriend der Schlange ließ sie sich auf den Berg nieder, der später der Olymp wurde. Wie das nun mal eben so ist bei junger Liebe zofften sich die beiden gewaltig und das war's auch schon mit LoveForever. Euronyme schlug der Schlange die Zähne aus (die einzig wahre Lösung wenn man Streit mit seinem Freund hat) und verbannte ihn unter die Erde. Die Zähne fielen auf die Erde und es wurden die ersten Menschen daraus. Danach soll sie wohl verschwunden sein, weil sie durch die Schöpfung all ihre Lebensenergie verbraucht hatte. Jedoch nicht ohne vorher zu schwören, dass sie eines Tages in einer anderen Gestalt zurückkommen würde. Ihr Diadem hatte sie auf der Erde versteckt. Laut einer alten Geschichte in einem Sumpfgebiet, wo nun das heutige Amsterdam liegt. Auch wenn es jetzt total lächerlich klingt, daran hatten die alten Griechen geglaubt. Es wiederspricht jeglichen Gesetzten der Natur und klingt eher so, als hätte ein Typ auf Crack sich mit seinen Kumpels getroffen und ein paar Blätter Papyrus vollgekritzelt, aber so ist das nun mal. Ich hatte schon so viele verrückte Sachen erlebt, dass ich die Schöpfungsgeschichte nie in Frage gestellt hatte. Willkommen in meiner Welt, glaubt mir, man gewöhnt sich dran.

Es war kein Geheimnis, dass die Titanen aus dem Tartaros (einem Art ausbruchsicheren Knast) ausgebrochen waren und ihre Kräfte sammelten. Wäre das hier ein Märchen wären sie der böse Wolf gewesen und wir Rotkäppchen oder so. Besonders viel wusste ich allerdings nicht über die Titanen. Natürlich das, was in den alten Geschichten stand und das sie die Weltherrschaft wollten (wie alle Bösewichte), jedoch nicht im Geringsten strak genug waren, um uns zu schaden.

So sicher schienen sich die Götter jedoch nicht zu sein, denn sonst hätte sie keine Angst, dass die Titanen das Diadem der Euronyme finden und es nutzen könnten. Mr D sagte das natürlich nicht direkt, aber ich konnte das seinen Worten entnehmen.

„Da wir nicht genau wissen, wo das Diadem versteckt ist, kriegst du einen sterblichen und einen göttlichen Begleiter. So sind alle drei menschenähnlichen Lebensformen vertreten.", sagte Mr D und riss mich aus meinem Fast-Schlaf. Es war aber auch verdammt mies, um sechs Uhr morgens ins Haupthaus gerufen zu werden.

Normalerweise darf man sich seine beiden Begleiter für einen Auftrag selbst aussuchen, also protestierte ich: „Ich gehe mit Will und nicht mit einem Gott und einem Sterblichen. Und was soll bitteschön ein Sterblicher können was ich nicht kann? Und ich will mir auch nicht von einem Gott helfen lassen."

„Tja liebe Zoja." Er kannte genau meine richtigen Namen! „Diesmal ist es anders. Theseus hätte ohne die sterbliche Ariadne längst nicht aus dem Labyrinth geschafft. Und wenn du zum Beispiel einen Riesen töten willst, bedarft es an einem Gott und einem Halbgott. Die beiden warten vor dem Haupthaus. Ich sollte dir jetzt vielleicht viel Glück wünschen aber dazu hab ich keine Lust. Ich würde an dem Ort suchen, an dem Euronyme zuletzt gesehen wurde. Bis irgendwann vielleicht falls du das überlebst."

Nach diesen motivierenden Worten widmete er seine volle Aufmerksamkeit wieder seiner Coladose. Arsch.

Wütend verließ ich das Haupthaus und wäre dabei beinah in Will rein gerannt.

„Geht's noch? Jetzt stehe ich extra für dich so früh auf und du wirfst mich fast um.", seine Stimme klang verschlafen und nicht richtig böse. Eher monoton wie die eines Roboters. Will war sein Schlaf heilig.

Hinter ihm standen, ich traute meinen Augen kaum, Euripides und ein Junge, der mir irgendwie bekannt vorkam, dessen Gesicht ich jedoch nicht einordnen konnte. Er hielt Händchen mit einem Mädchen, das mir dafür jedoch sehr bekannt vorkam.

„May!", rief ich und sie fand sich in einer Umarmung wieder.

„Hey Zoë." Sie grinste, auf die typische Apollo-Art, die ich so gut von ihrem Zwillingsbruder kannte. Sie war wirklich die weibliche Ausführung von meinem besten Freund.

„Könnte ich vielleicht auch so eine Begrüßung kriegen?", witzelte Euripides.

„Hi.", sagte ich und streckte ihm die Zunge raus. „May, was macht ihr hier?"

„Plötzlich stand der Typ" sie zeigte auf Euripides „in meinem Zimmer und hat mich geweckt. Er hat mir erzählt, dass du einen unglaublich wichtigen Auftrag erfüllen musst und dafür die Hilfe von Liam brauchst."

Natürlich! Der Junge war Liam! Der Liam, den ich vor fast vier Jahren unter einem zerbrochen Waschbecken gefunden hatte! Der Liam, der mit mir Hals über Kopf von London nach New York geflogen war, den ich beinah unter dem Einfluss von Ate getötet hatte.

Ate. Der Traum. Liam. Das konnte kein Zufall sein.

Liam hatte sich, wie auch May verändert. Er hatte kaum noch kindliches an sich. Ich musterte ihn. May und Liam zu sehen und dann noch der Klang von Ates Stimme in meinem Ohr... das alles erinnerte mich unangenehm an meine Ankunft im Camp Half-Blood. May schien bemerkt zu haben, dass mein Blick an ihren verschränkten Händen kleben geblieben war. Sie lächelte verlegen.

„Liam und ich...wir sind zusammen."

„Ja.", bestätige Liam mit einer überraschend tiefen Stimme.

„Schon gut, wir haben's kapiert.", unterbrach Euripides. „Nachdem ich Liams Eltern klargemacht habe, dass ihr Sohn auf eine Hochbegabtenschule in New York geht und wir bei Starbucks gefrühstückt haben sind wir direkt hergekommen. Und ich habe keinen Bock, hier jetzt noch länger rumzustehen."

Ich war mir zu 99,9% sicher, dass Liams Eltern nicht zugestimmt hatten, aber ich wusste ja bereits, zu was Nebel alles in Stande war. Und ich war mir auch sicher, dass sie nicht mit einem Überschallflugzeug um den halben Planet geflogen waren, sondern Euripides irgendeinen Göttertrick angewendet hatte.

„Mein Dad hat mir das wichtigste erklärt, am besten brechen wir auf, bevor die meisten Camper aufgestanden sind.", bestimmte Euripides. Ich hatte in der Campbibliothek nach ihm gesucht. Er war der jüngste Sohn von Zeus und Hera. Jung im Sinne von ungefähr 3000 Jahren. Es war eigentlich total unfair, dass so ein steinalter Typ so gut aussah.

Jetzt schon hatte sich einen kleine Traube von Schaulustigen um uns gebildet. Ein Gott und ein Sterblicher am selben Tag im Camp, das war noch nie passiert. Ein paar Töchter der Aphrodite warfen Euripides schmachtende Blicke.

„Leute, geht zurück in eure Hütten! Es ist noch früh." Finnick kam, mindestens genauso verschlafen wie Will, zum Haupthaus gestapft. Die Aphrodite-Girlies kicherten und setzten sich mit den Anderen in Bewegung. Finnick war nicht nur Hüttenältester der Apollo-Hütte und Liebling von Mr D, er hatte auch relativ viel zu sagen im Camp und damit Respekt inne. Er warf Euripides einen misstrauischen Blick zu.

„Ich geh eben ein paar Sachen packen.", sagte ich.

„Ich komme mit.", verkündete May fröhlich und hackte sich bei mir ein. Wir überließen den Jungs ihrem Schweigen.

In der Hütte angekommen lies sich May auf einen Stuhl fallen. Wahrscheinlich hatte Will ihr gestern am Telefon erzählt, was es Neues gab. Die beiden telefonierten mindestens zwei Mal im Monat miteinander.

Ich kramte aus dem Schrank eine Jeans und meine Tarnfleckenhose heraus, dazu ein paar Camp-Shirts und ein schwarzes Top mit Totenköpfen. Meine Lederjacke und Unterwäsche für zwei Wochen. Das müsste reichen, vielleicht würden wir unterwegs einen Waschsalon finden. Im Bad steckte ich die nötigen Sachen in eine Plastiktüte. Aus dem Bücherregal zog ich genau die drei Bücher, die May mir damals im Flugzeug gegeben hatte. Ich stopfte das ganze zusammen mit einer übriggeblieben Cola Dose und meinen Ersparnissen (beachtlichen 68 Dollar, 2 Pfund, 55 Cent und ein paar antike Drachmen) in einen Trekkingrucksack, der wirklich schon bessere Zeiten gesehen hatte. Ich hatte ihn für 3 Dollar auf einem Flohmarkt gekauft. May schien Mitleid zu bekommen und hielt mir ihren Rucksack hin, den sie von ihrem Vater bekommen hatte. Er hatte ein Rosenmuster und war im siebziger Jahre Look. Nicht zu vergessen, dass er das Volumen einer Doppelgarage hatte.

Ich schaute sie erstaunt an. „Aber...da sind alle deine Sachen drin."

Sie winkte ab. „Ich bleib sowieso vorerst im Camp. Der ist dafür, dass du auf Liam achtest. Er ist nicht feige oder schwach...aber er ist ein Sterblicher. Und er weißt nicht, worauf er sich einlässt. Er wurde von den Moiren bestimmt also wird er es tun. Er kann ganz schön stur sein...Der Rucksack ist schon leer und du kannst ihn eh viel besser gebrauchen als ich."

Dankbar nahm ich ihn an und kippte den Inhalt des Trekkingrucksacks in Mays Verzauberten. Ich packte noch ein paar weitere Bücher und Karten von Griechenland und Europa und anderes Zeug, das im Weg lag und mir irgendwie nützlich erschien ein. Meine Spange saß fest in den Haaren und Lukes Messer baumelte in einer Scheide an meinem Gürtel.

Ich war bereit. Wozu genau? Keine Ahnung.

ΩΩΩ

Finnick drückte mich.

„Viel Glück Zoë. Du schaffst das, ganz sicher. Du hast schon so viel geschafft, das wird ein Klacks für dich."

Ich erwähnte nicht, dass dieser Auftrag hier etwas anders war. Bis jetzt hatte ich immer entweder ihn oder Will, oder beide, an meiner Seite gehabt. Bis jetzt hatte ich einen Auftrag bekommen, weil das Orakel von Delhi mich dazu auserkoren und mir eine Prophezeiung mitgegeben hatte. Bis jetzt war ich noch nie mit dem Wissen, dass ich eine Tochter der Artemis war, losgezogen. Bis jetzt hatte ich noch nie einen so schlimmen Alptraum unmittelbar vorher gehabt. Bis jetzt hatte noch nie ein so ungutes Gefühl im Bauch gehabt. Ich könnte die Liste jetzt gerne noch ein wenig fortführen, aber Pessimismus brachte mich hier an dieser Stelle nicht weiter. Finnick machte sich ernsthaft Sorgen um mich und das wahrscheinlich nicht ohne Grund.

„Pass auf dich auf und mach keine Dummheiten, versprichst du das?" Er sprach jetzt leiser, legte seine Hände auf meine Schultern und blickte mich mit seinen besorgten Augen an. Sie waren von einem intensiven grün, dass sich, einmal gesehen sofort ins Gedächtnis einbrannte. Unter anderem auch, weil alle anderen Kinder des Apollo (und glaubt mir, dass sind viele!) blaue oder türkise Augen haben. Sein Geruch, eine Mischung aus Apfelshampoo und Ölfarben, weckte in mir jede Menge alte Erinnerungen. Ich nickte. Will grinste und klopfte mir auf den Rücken.

„Wird schon schiefgehen. Und bringt mir irgendwas Nettes mit, ja?"

Ich boxte ihn. „Wenn ich Zeit finde, was in einem Souvenirladen zu kaufen...Klar."

Euripides und Liam hatten sich schon in Bewegung gesetzt. „Ciao William Amadeus."

Ich hole die Beiden ein. Sie hatten geredet und verstummten.

„Also, was ist dein Plan?", wollte Liam wissen.

„Wir suchen das Diadem, finden es und sind vor dem Wochenende wieder zuhause.", sagte ich ironisch. Liam verdrehte die Augen.

„Nein ehrlich, ich bin dafür, dass wir in Amsterdam anfangen, nach einem Hinweis zu suchen. Schließlich ist das der Ort, an dem das Diadem versteckt ist. Stand zumindest so bei DemiGoogle. Euripides, kannst du irgendwie eine magischer Wolke heraufbeschwören, die uns nach Amsterdam bringt?", wollte ich wissen.

„Ich würde nichts lieber tun als das, aber es besteht die Gefahr, dass wir so einen wichtigen Hinweis übersehen. Euronyme hat das Diadem so versteckt, dass es ein Gott nicht finden kann, also ist alles Göttliche von mir vorerst tabu." Er zuckte endschuldigend mit den Achseln. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob es wirklich nötig war, dass er mitkommt oder ob er einfach als Beobachter mitkam um zu prüfen ob ich wirklich die war, für die sie mich halten.

„Ich geh jetzt aber nicht bis zum Flughafen zu Fuß. Außerdem hasse ich Europa. Amerika ist viel besser. ", meckerte Liam.

„Erstens, haben wir gar nicht das Geld für drei Flugzeugtickets nach Amsterdam, zweitens bin ich in Europa geboren und drittens, hast du eine bessere Idee? Immer nur her damit! Wenn dir das ganze jetzt schon zu viel wird, kannst du gerne umkehren.", fuhr ich ihn an. Liam antwortete nicht, sondern holte den Deckel einer Bierflasche aus seiner Tasche und warf ihn schwungvoll in die Luft. Er landete mit einem Klirren auf dem Asphalt und erstmal passierte nichts. Dann begann der Bierdeckelt immer heller zu leuchten und ich musste mich abwenden. Als ich wieder hinschaute, stand da ein ungefähr fünfzigjähriger Mann in schrecklichen Badeshorts. Der Bauch quellte über, ein Goldkettchen hing um seinen Hals und die Haarspitzen waren blond gefärbt. Er sah aus wie ein schrecklicher Badetourist auf einer Partyinsel.

„Wer hat den großen Ganymedes gerufen?", fragte er und seine Doppelkinne bebten.

„Geilomedo? Bist du...der Gott des Biers? Oder des Ballermanns?", fragte ich und unterdrückte ein Lachen. Liam warf mir einen bösen Blick zu und Euripides unterdrückte ein Grinsen. „Er ist der Mundschenk der Olympier.", erklärte er.

„Das war ich zumindest einmal...", korrigierte Ganymedes sehnsüchtig.

„ Mein Name ist Liam Evans. Vielleicht erinnert ihr euch noch, großer Herr. Vor etwa eineinhalb Jahren habe ich euch einen großen Gefallen getan. Ihr wisst noch? Anny-Lisa? Die im roten Kleid? London?" Ganymedes schien nachzudenken. „Ach ja! Ich erinnere mich! Also, ich war zwar ganz schön betrunken, aber ja. Ich bin dir eine Kleinigkeit schuldig."

„Wir würden gerne nach Amsterdam, möglichst ins Zentrum, wenn es geht Sir."

Ganymedes überlegte nicht lange sondern schnippte in die Finger. Ich hatte für einige Sekunden das Gefühl, dass mir jemand die Augen zuhielt und ich die Orienteirung verlor. Ein ganz schön unangenehmes Gefühl. Dann standen wir plötzlich mitten in einer Menschenmasse vor dem Amsterdam Centraal, dem Hauptbahnhof. Niemand schien bemerkt zu haben, dass wir mitten aus dem Nichts aufgetaucht waren.

„Pardon, hoe laat is het?", fragte ich eine Dame mit einem Hund, die gerade an uns vorbei ging. Sie deutete auf die große Uhr, die am Bahnhof hing. Viertel nach zwölf, mittags. Ungefähr sechs Stunden Zeitverschiebung, merkte ich mir.

„Hast du die Alte grad auf Holländisch angequatscht und gefragt wie spät es ist?", fragte Euripides.

„Ich hab mal in den Niederlanden gewohnt.", antwortete ich.

„Und es heißt Niederländisch, nicht Holländisch.", verbesserte Liam. Er ging mir schon wieder auf die Nerven.

„Es ist jetzt Mittagessenszeit.", sagte ein Mann mit einem langen Trenchcoat , einem breitkrempligen Hut und einer riesigen Sonnenbrille auf akzentfreiem Amerikanisch. Er sah aus wie ein Agent der FBI. Und ich war mir sicher, dass er eben noch nicht dagewesen war. „Habt ihr Hunger auf ein leckeres Käsebrot? Oder Pfannkuchen? Die sind hier wirklich viel besser als in Griechenland."

„Gerne.", sagte ich. Der Mann ging los und ich setzte mich auch in Bewegung. Euripides hielt mich am Arm zurück.

„Spinnst du?! Der ist stand plötzlich einfach so da und hat was von Griechenland gelabbert! Das ist bestimmt kein Freund!"

Ich machte mich los. „Das ist mir klar. Aber willst du sonst machen? Er kann uns vielleicht unbewusst helfen. Ich weiß nämlich echt nicht, wo wir hier nach etwas antik Griechischem suchen sollen. Seid einfach auf der Hut."

Der Mann führte uns schweigend über durch die Menschenmenge, über Straßen und kleinen Brücken. Ich war beeindruckt von der Schönheit der Stadt. Die nostalgischen Speicherhäuser standen gefährlich in Kanalnähe, an jeder Ecke fand man kleine süße Geschäfte, die Sonne schien, Boote fuhren auf dem Kanal, Menschen fuhren mit Fahrrädern, von allen Seiten her klang ein Wortteppich herüber. Ich hatte die niederländische Sprache schon immer gemocht, dieses Kratzen in der Kehle und die Wortmelodie. Mr-FBI blieb schließlich vor einem kleinen, runtergekommenen Café in einer Seitenstraße stehen. Café-Imbiss zur goldene Drachme stand in Niederländisch an die Wand gepinselt. Das Innere war abgedunkelt und es stank nach Alkohol und Zigarrenrauch. Und nach noch etwas, eine Mischung aus nassem Hund und Pfefferminzkaugummi. Niemand saß darin. Mir war jetzt doch etwas unheimlich. Liam zeigte auf eine der unzähligen Bilder an der Wand. Im Schummerlicht konnte ich nicht wirklich etwas erkennen. Liam wollte etwas sagen aber Mr-FBI kam ihn zuvor: „So, jetzt gibt es erstmal Mittagessen."

„Gute Idee.", stimmte ich zu. Vielleicht trügte mich das schlechte Gefühl ja wirklich. Spätestens jedoch als Mr-FBI laut auflachte, wusste ich, dass es nicht so war.

„Aber meine Lieben, nicht für euch gibt es Mittagessen. Sondern für mein kleinen Schätzchen!"

Wie auf Kommando lösten sich seltsame Gestalten aus dem Schatten. Die Tür fiel und Schloss, Mr-FBI nahm die Sonnenbrille ab und entblößte seine vernarbten Augenhöhlen. Wir waren in eine Falle getappt.

Die Schatten stellten sich als eine Mischung aus schlankem Jagdhund, Panther und Fledermaus heraus. Sie waren zwar nur etwa kniehoch aber ganz schon viele und die spitzen Zähne verhießen nichts Gutes.

„Liam, geh zwischen uns! Euripides, ich hoffe du kannst kämpfen! Wehr die Viecher ab und sorg dafür, dass keins von denen Liam zu nah kommt!", befahl ich.

Ich zog Lukes Messer aus der Scheide am Gürtel und Euripides hielt ein kurzes Krummschwert in der Hand. Die Biester griffen alle auf ein Mal an, einige flatterten in der Luft, andere blieben auf dem Boden. Eine nach dem anderem zerfielen sie bei der Berührung des Metalls zu Staub, doch ich hatte das Gefühl, dass die schwarze Mauer aus unseren Feinden immer näher kam und dichter wurde. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Mr-FBI mit verschränkten Armen an der Bar lehnte und uns zuguckte, wo er noch nicht einmal Augen hatte. Ein Tier hatte sich zu Euripides durchgedrängt und biss ihn in den Unterarm. Das goldene Blut der Götter, Ichor, quoll heraus.

Er ließ sich davon nicht ablenken und biss die Zähne zusammen. Auch ich machte immer wieder. Eine einziges Viech unschädlich zu machen war nicht schwer, aber die Anzahl und Hartnäckigkeit der Tiere machte es zu Knochenarbeit. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht erst zehn Minuten, vielleicht auch schon eine halbe Stunde.

„Irgendeine...Idee?", fragte Euripides leicht keuchend. Es war wirklich anstrengend.

Ich dachte krampfhaft nach. Jeder Gegner hatte Schwächen, man musste sie nur erkennen. Meistens war eine Schwäche sogar ganz offensichtlich. Unsere Schwäche war Liam, den wir zusätzlich zu uns selbst verteidigen mussten. Also was war die Schwäche unseres Gegners? Mir fiel Keiner aus den alten Geschichten ein, der unser Mr-FBI beziehungsweise seine seltsame Haustiere sein könnte.

Sie hatten uns hierher geführt, in dieses Café, nicht irgendwo anders hin. Mr-FBI hatte kein Augenlicht mehr. Die Kreaturen waren pechschwarz und aus dem Schatten erschienen. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der total abwegig war.

„Denkst du...du kannst Liam und mich für ne halbe Minute...decken?", fragte ich. Er nickte knapp und ich nahm mir Mays Rucksack vom Rücken. Wenn ich mich geirrt hatte, war der Auftrag hier schon zu Ende und wir würden als nicht-vegetarische holländische Pfannkuchen enden. Ich betete in mich hinein. Bitte. Bitte, Vater Zeus, Mama oder wer auch immer, bitte lass mich die verdammte Taschenlampe eingesteckt haben! Das Schicksaal war ein einziges Mal gnädig mit mir. Ich griff nach einer Taschenlampe und machte sie an. Zum Glück waren die Batterien nicht leer (im Ernst, sowas passiert mir immer) und der Lichtkegel traf auf die Hund-Panther-Fledermäuse und sie zerfielen reihenweise zu Staub. Schließlich richtete ich die Lampe auf Mr-FBI persönlich und er tat es seinen „kleinen Schätzchen" nach. Euripides musterte mich mit einem halb bewundernden halb überraschten Blick. In Liams Gesichtsausdruck lag Erleichterung.

„Nichts wie weg hier!", sagte Euripides und ich konnte ihm nur zustimmen.

„Wartet! Das Bild!", rief Liam. Ich riss den Rahmen von der Wand und zerschlug das Glas mit meinem Messerknauf. Das Bild in der Hand rannte ich heraus. Im Tageslicht musste ich einige Male blinzeln bis ich die Zeichnung genauer betrachten konnte.

„Jungs, ich glaube ich weiß, wo wir als nächstes hinmüssen..."

_________________________

So, ich weiß, dass hat wirklich wieder eine Ewigkeit gedauert und es tut mir leid.. :(

Dafür ist es wieder ein richtig langes (4350 Wörter :O) und (ich denke/hoffe) interessantes Kapitel :D

Leider ist die Leserzahl in den letzen Kapitel immer mehr zurück gegangen und auch die Votes und Kommis...

Als "Autor" motivieren Kommentare immer ungemein uns ich freue mich wirklich über jedes Wort, ruhig auch (konstruktive) Kritik :)

Wenn es euch gefällt dürft ihr auch gerne voten oder die Geschichte weiterempfelen :P Wir sind nämlich nur noch 800 von 10k entfernt! O.o

DANKE DAFÜR!!!

Und ehe ich es vergesse: Es gibt hier eine PJ FF auf Wattpad die echt Wahnsinn ist! Sie heißt "Chroniken der Halbgötter" und ist wirklich total empfelenswert! Der Autot i_dont_get_it (kann man ihn einen Kollegen nennen?) updatet auch tausend mal öfter als ich und verdient wirklich 50k+ :=)

XXX

Paula (fangirl312)

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