III. Kapitel
Wir haben keine Zeit zum Spielen
Das 1x1 für Halbgötter
Lieber Leser, Liebe Leserin,
wenn du dieses Buch in den Händen hältst, heißt es entweder, dass du ein Halbgott bist, der/die gerade herausgefunden hat, wer er/sie ist, oder du bist ein/e normal Sterbliche/r, dann dürften die folgenden Seiten für dich leer sein. Es folgt eine kleine Einführung in die griechische Götterwelt und die alten Geschichten (falls du in der Schule nicht aufgepasst hast) und Definitionen, alphabetisch geordnet. Ich hoffe für dich, dass du deine Situation so schnell wie möglich akzeptierst, wenn nicht, dann auch okay. Es ändert sowieso nichts an deiner misslichen Lage. Falls irgendeine Frage unbeantwortet bleibt, dann frag bitte nicht mich, ich habe auch schon so genug zu tun.
Hochachtungsvoll
Mr. D. Campleiter
ΩΩΩ
Ich überflog einen langen Fließtext, in dem es um die Entstehung der Welt ging und der sich ziemlich zäh lesen ließ und wechselte dann zu einem der beiden anderen Büchern. Ich war immer noch beeindruckt von meiner Fähigkeit, altgriechisch lesen zu können. Dieser Mr. D schien zwar kein Kerl von der besonders netten Sorte zu sein, aber ich konnte es kaum erwarten, ins Camp Half-Blood zu kommen. Mays einziges Kommentar zu meiner Frage, was das denn nun für ein Camp sei, war: „Der einzige Ort der für Unsersgleichen sicher ist." Aus dieser Antwort schloss ich, dass es wohl noch sehr viel mehr Halbgötter, wie May uns nannte, gab.
Sie war neben mir eingenickt und nur zu gerne hätte ich es ihr gleichgetan. Meine Augen brannten, ich hatte schon mehr als 200 Seiten der Ilias durchgelesen. Ich wusste nicht, wie lange wir schon unterwegs waren, aber sicher war es klug, ein wenig zu schlafen. Trotzdem nahm ich mir vor, vorher noch die ersten Seiten des orangenen Buches zu lesen, ich war einfach zu neugierig, und dann auszuruhen.
Der Olymp ist das Zentrum der Macht. Das Zentrum des Wissens, der Kultur, der Kunst und der ganzen Welt. Momentan befindet sich der Olymp nicht etwa in Griechenland auf dem Berg Olymp sondern in dem sechshundersten Stockwerk des Empire State Building in New York. Der Rat wird gebildet aus den 12 olympischen Götter, die die Mächtigsten sind, jedoch nicht allein auf dem Olymp hausen. Es existieren circa 1600 Nebengötter, die von Jahrhundert zu Jahrhundert mehr werden. Die 12 olympischen Gottheiten sind wie folgt:
Zeus, Göttervater, Herscher des Himmels und der Blitze
Hera, seine Gattin, Göttin der Familie
Poseidon, Gott des Meeres und der Pferde
Aphrodite, Göttin der Liebe und der Schönheit
Ares, Gott des Krieges
Hephaistos, Gott des Feuers und der Schmiede
Athene, Göttin der Weisheit und der klugen Kriegsführung
Hermes, Götterbote und Gott des einfachen Volkes
Apollo, Zwilling von Artemis, Gott der Musik, Poesie und Kunst, der Sonne und des Orakrls von Delphie
Artemis, Zwilling von Apollo, Göttin des Waldes und der Jagd, der Jungfräulichkeit und der Nacht/des Mondes
Demeter, Göttin der Ernte
Dionysos, Gott des Weines und der Fruchtbarkeit
ΩΩΩ
Erschrocken fuhr ich aus meinem Traum auf. Es war zusammenhangloses, wirres Zeug gewesen. Madame Carbonne, die gedroht hatte, mich mit einem Nudelholz zu schlagen, weil ich aus den goldenen Äpfeln der Hesperiden Apfelmus gemacht hatte und dieses dann in einer Teleshopsendung verkaufen wollte.
„Oh, du wachst gerade rechtzeitig zum Frühstück auf.", sagte Liam, schob sich ein Lachshäppchen in den Mund und kaute genüsslich. Ach ja stimmt, wir waren ja in der Business Class unterwegs, da gab es sogar Lachs zum Frühstück.
„Fehlt nur noch der Champagner.", scherzte ich. Ich hatte keinen sonderlich großen Appetit, am liebsten hätte ich weiter in den Bücher gelesen, die May mir vorherige Nacht gegeben hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich gerade einmal fünf Stunden geschlafen hatte. Sie holte aus ihrem Rucksack eine Bürste und kämmte damit ihre sandfarbenen, ellebogenlangen Haare.
„Würde dir auch gut tun.", meinte sie und reichte mir dann die Bürste. Ich nahm die sie an und fuhr mir einmal grob durch die schulterlangen, haselnussbraunen Haare, die wirklich dringend eine Bürste nötig hatten. May wühlte wieder in ihrem Rucksack und kramte drei Dosen Cola light heraus und öffnete ihre mit einem zischen. Ich war fasziniert und betrachtet den Rucksack prüfend.
„Das ist besser als Champagner.", freute sich Liam und tat es ihr gleich.
„May, was hast du noch alles in deinem Rucksack? Daunendecken? Einen Ersatzreifen?"
Sie schüttelte ihren Rucksack und er machte ein Geräusch, wie wenn man mit dem Fahrrad eine Treppe runter fährt.
„Geschenk von meinem Dad.", sagte sie und lächelte schelmisch.
„Dem Geschäftsmann?", fragte ich.
„Nein, dem Apollo."
„Apollo ist dein Vater?", fragte ich, und ich merkte selbst, dass das etwas dämlich klang.
„Jap.", bestätigte sie. „Und das ist sein Geschenk an mich zu meinem letzten Geburtstag. Hat circa das Volumen einer Doppelgarage." Ich hörte zum ersten Mal Stolz in ihrer Stimme mitschwingen, wenn sie von ihrem Vater sprach. Ich verglich im Kopf das Bild von dem Mann aus dem Buch mit ihr. Zwischen dem halbnacktem Typen aus Stein und ihr konnte ich keine Ähnlichkeit festmachen. Aber der junge Mann, Anfang dreißig, der in einem roten Sportwagen abgelichtet worden war, sah ihr doch in gewisser Weise ähnlich. Die Haarfarbe, das zufriedene Lächeln, die Form des Kinns...
„Du bist also die Tochter des Apollo." Ich wiederhohlte es, warscheinlich weil ich es selbst nicht wirklich glauben konnte.
May nickte erneut.
„Und ich?", wollte ich wissen.
„Hast du etwa noch nicht Kapitel 7 gelesen?", fragte Liam. Ach ja, ihn hatte ich schon beinah vergessen. "Da steht, dass man erst in diesem Camp anerkannt wird." Er konnte das Zeug lesen? War das nicht nur Halbgöttern vorbehalten?
Verärgert schaute ich ihn an. Es störte mich, dass er einen auf Besserwisser tat.
„Ich glaube kaum, dass ich mir etwas von einem Sterblichen sagen lassen muss.", erwiderte ich schnippisch. Er war mir lieber gewesen, als er geschlafen und nichts gesagt hatte.
„Anscheinend hast du es ja nötig.", sagte er und toppte, wenn überhaupt möglich, meinen eingeschnappten Tonfall.
„Anscheinend hast du 'ne ordentliche Backpfeife nötig!", erwiderte ich gereizt. Der alte Herr, der schon gestern kurz davor war, sich zu beschweren, warf mir einen bösen Blick zu.
Ich war schließlich die diejenige gewesen, die Liam gerettet hatte (okay, mit Mays Hilfe) und ich war kurz davor ihm das unter die Nase zu reiben. May, die mich lange genug kannte, um zu wissen, dass ich das mit der Backpfeife durchaus ernst gemeint hatte, sagte schnell: „Sicher wird sich dein göttliches Elternteil zu dir bekenne, sobald wir im Camp sind."
Das Camp Half-Blood liegt in der Nähe von New York, in Long Islands. Es ist ein Ort, den Sterbliche nicht sehen und auch nicht betreten können. Der Mittelpunkt ist das Haupthaus, in dem der Campleiter, alle Betreuer und der Trainer Chiron wohnen. Ebenso ist dort das Orakel von Delphi untergebracht. Die Camper wohnen in 12 Hütten, die hufeisenförmig aufgestellt sind. Für jede olympische Gottheit ist eine Hütte vorhanden. Einige Hütten stehen nur als Ehrengaben im Camp und werden nicht benutzt. Die Halbblute schlafen jeweils in der Hütte, die ihrem göttlichen Elternteil gewidmet ist. Sobald ein Halbblut die Grenzen des Camps betritt, wird es innerhalb kürzester Zeit anerkannt und kann in seine/ihre Hütte einziehen. Die Tische unter dem Speisepavilion sind ebenfalls je einer Göttheit gewidemet. Wer noch nicht anerkannt wurde, kommt in die Hütte des Gottes Hermes, da er unter anderem der Gott der Reisenden ist. Die Grenzen des Camps sind beschützt mit einem Zauber, der von Zeus selber stammt. Innerhalb der Campgrenzen befinden sich ebenfalls das Trainingsgelände, die Arena, der See, Erdbeerfelder und der Wald. In diesem wird monatlich das Spiel Eroberung der Flagge gespielt (Regeln S. 247). Zudem wird das Umgehen mit Waffen trainiert, Wagen lenken, Schwimmen, Rudern, Klettern und Laufen.
ΩΩΩ
An meinem Autofenster flog die Stadt New York vorbei. Ich konnte meinen Blick nicht von den Menschen, Lichtern, Häusern und Autos losreißen. Es war zwar erst fünf Uhr morgens, aber es schien, als sei die halbe Stadt schon auf den Beinen. Ich hatte schon einige tolle Städte gesehen, und dabei interessiere ich mich noch nicht mal für sowas, aber New York toppte wirklich alles. Dank Mays Kreditkarte konnten wir uns ein Langstrecken Taxi leisten. Ich wollte gar nicht daran denken, was ich gemacht hätte, wenn ich allein ohne Geld in so einer Millionen Stadt gelandetwäre. Liam hatte (zu meiner Freude) schon einige Zeit lang nichts gesagt und May schaute (wiedereinmal) grübelnd aus dem Fenster. Nach der fünfzig minütigen Fahrt hielt das Taxi am Fuß einen kleines Berges mitten in der Pampa.
„Miss, sind sie sicher, dass sie hier raus wollen?", fragte der Taxifahrer unsicher.
„Natürlich.", antwortete May und bezahlte. Wahrscheinlich hatte dieser Mann mit dieser Fahrt mehr eingenommen als an zwei Tagen zusammen. Aber das war schließlich nicht mein Problem. Das Taxi fuhr davon, wir standen allein im Nichts und so weit das Auge reichte, war nichts zu sehen.
„Und jetzt?", fragte Liam und sprach damit meine eigenen Gedanken aus.
„Hinter diesem Berg ist das Camp. Wir sind fast da. Bei Zeus, ich bin so glücklich, dass ich dich heil hierher bringen konnte.", sagte May.
„Da, Süße, wäre ich mir mal nicht so sicher.", sagte eine Stimme hinter mir, die mir einen Schauder über den Rücken jagte. Ich drehte mich um und der Anblick der Gestallt ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
„Zeit zum Spielen, meine Süßen."
(A/N: an der Seite könnt ihr euch einen Teil des Percy Jackson Soundtrack anhören, den ich beim schreiben dieses Kapis in Dauerschleife gehört hab ;))
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