2 - Zum Buchenhof?

Geza konnte es kaum erwarten, abends zu Hekate hochzugehen. Sie wollte ihr unbedingt von der Begegnung erzählen. Zuerst aber sollte sie den Umhang ausziehen. Sie rannte in ihre Kammer. Das Einzige, was in diesen Raum passte, war ein schmales Bett und eine Kiste mit all ihren Habseligkeiten. Geza warf den Umhang über die Truhe und schaute aus dem Fenster. Es war sehr klein und fast direkt unter der Decke. Es war noch nicht dunkel genug, Hekate schlief ganz sicher noch. Geza seufzte, wie sollte sie die Zeit bis dahin verbringen? In das große Zimmer, wo Tante Ursula und Hedwig nachmittags immer spannen und webten? Die Gesellschaft der zwei konnte ihr gestohlen bleiben! Sie ging lieber in die Küche, die war um diese Uhrzeit sowieso fast leer. Da war es warm und ruhig.

Geza musste nicht lange laufen, ihr Zimmer befand sich fast direkt gegenüber von der Küchentür. Sie hatte richtig geschätzt, nur die Küchenhilfe war da. Sie saß auf einem Hocker über einer Schüssel mit Wasser, wischte mit einem Lappen über einen Teller und blickte ins Leere. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders und stand nicht auf, als Geza die Küche betrat. Das störte Geza nicht, sie fühlte sich eh nicht wie ein Teil der Hausherrenfamilie. Ansonsten war die Küche leer. Die restliche Dienerschaft hatte um diese Tageszeit keine Aufgaben hier.

In der Küche fühlte sich Geza viel wohler, vor allem um diese Zeit. Das Feuer prasselte friedlich im Ofen und die Flammen sahen wie grotesk tanzende Figuren aus. Das rötliche Licht spiegelte sich in den Pfannen, die um die Feuerstelle herum von der Decke runterhingen. Geza setzte sich auf einen niedrigen Hocker neben den Ofen. So konnte sie in Ruhe in das Feuer starren, ohne dass sie jemanden störte. Die Luft war sehr stickig und es roch nach Rauch und Ruß. Nach und nach wurde Geza wieder warm. Obwohl draußen die Sonne schien, war es draußen ziemlich kalt und ihr Umhang war eigentlich nicht dick genug. Eine graue Katze schlich um ihre Beine herum, miaute und schnurrte. Geza kraulte sie hinter den Ohren. Sie schaute ins Feuer, das Knistern der Holzscheite und das Schnurren der Katze wirkten sehr beruhigen auf Gezas aufgewühlte Gedanken.

Sie ließ die Begegnung mit Richard und den anderen Rittern Revue passieren. Richard hat einen großen und vor allem einen positive Eindruck hinterlassen. Wohlwollend erinnerte sich Geza an die breiten Schultern und das kantige Gesicht. Aber Richard gefiel ihr nicht nur optisch. Am eindrucksvollsten fand sie immer noch seine Art und Weise mit ihr zu sprechen. Er wusste nicht genau, wer sie war, und war trotzdem höflich und freundlich. Maximilian hatte sie ja zunächst für eine Magd gehalten, das war auch klar, das Kleid aus grober Wolle war nicht gerade herrschaftlich. Geza war sich fast sicher, dass auch Richard so dachte. Nichtdestotrotz hat er sich ihr gegenüber nicht überheblich verhalten. Was Geza noch beeindruckte, war die Methode, mit der er ihr aufs Pferd und wieder runter geholfen hat. Strenggenommen, hat er sie dabei gar nicht berührt. Es war zwar allgemein bekannt, dass ein Ritter, laut Codex, jede Frau, unabhängig von ihrer Herkunft und Status, respektvoll zu behandeln hatte. Allerdings war genauso allgemein bekannt, dass einige Ritter diese Regel gerne missachteten. Vor allem waren die Ritter aus Maximilla, der Provinz nördlich von Quercus, für ihre Exzesse mit Mägden und Bäuerinnen bekannt. An Richard hatte sie nichts dergleichen bemerkt. Sein freundschaftlicher und respektvoller Ton in allem, was er gesagt oder getan hatte, war das, was Geza in ihrem Alltag so sehr vermisste und brauchte.

Die Stimme von Onkel Hinrich ließ sie aufschrecken. Entsetzt fuhr sie herum. Er kam doch sonst nie in Küche. Sie hatte doch gar nichts gemacht! Erleichtert stellte sie fest, dass die Stimme aus dem Schornstein kam. Der Küchenofen und der Kamin im großen Zimmer hatten den gleichen Schlot. Geza überlegte, was die Diener alles durch den Ofen belauschen konnten und wie viel sie schon belauscht haben. Die Vorstellung, wie die Dienerschaft über die Verwalterfamilie lästerte fand sie äußerst amüsant. Von ihr würden sie aber nichts zu berichten haben, wenn Geza sich im großen Zimmer befand, dann sprach sie in der Regel kein Wort. Wenn sie denn sprach, dann wählte sie ihre Worte mit Bedacht.

Sie konzentrierte sich wieder auf Onkel Hinrichs Stimme, die dumpf durch den Schlot hallte.
"Kinder, raus mir euch. Ich habe mit eurer Mutter zu reden."
Nach einer Pause fuhr er fort: "Ursula, wir müssen jetzt eine Sache entscheiden. Es geht um Gustel."
Daraufhin ertönte Tante Ursulas schrille Stimme: "Du weißt, dass ich ihrer Mutter geschworen habe, dass ich sie wie meine eigene Tochter erziehen und ausbilden werde."
"Darum geht es nicht", unterbrach Onkel Hinrich seine Frau, "Sie hat heute im Wald den jungen Fürsten und zwei andere Ritter getroffen und hat ihnen den Weg hierher gezeigt. Und der Fürst hat gefragt, warum Gustel noch nie auf den Jugendabenden war."
"Und?", fragte Tante Ursula nach.
Onkel Hinrich seufzte: "Wir müssen entscheiden, ob wir sie dieses Jahr mitnehmen!"
Tante Ursula gab einen belustigten Laut von sich: "Warum sollten wir das machen, das war all die Jahre kein Problem."
Onkel Hinrich erklärte ihr: "Jetzt schon. Die Fürstin ist mit meiner Arbeit überhaupt nicht zufrieden, sie hat gemerkt, dass ich etwas Mehl für uns behalten habe. Nun möchte ich es mir nicht auch noch mit ihrem Sohn verderben. Er hat spezifisch nach Gustel gefragt. Er möchte sie da sehen."
"Hm", machte Tante Ursula, "Ganz ehrlich, mir wäre es wichtiger, dass Egon und Hedwig gesehen werden. Egon sollte sich langsam eine Frau suchen und auch Hedwig sollte sich umschauen."
"Das wäre mir auch wichtig. Aber wichtiger ist, dass ich jetzt nicht in Ungnade bei den Fürsten falle. Du weißt, dass mein Vater alles für dieses Gut und diese Arbeitsstelle getan hat. Ich will das alles behalten. Die Fürstin ich schon nicht sehr gut auf mich zu sprechen und ich habe keine Lust, dass mir... uns! Uns das gleiche auch mit ihrem Sohn passiert", erklärte Onkel Hinrich, "Ich denke, wir müssen Gustel dieses Mal mitnehmen. Was denkst du?" 

Geza vergas fast das Atmen beim Zuhören. Die Jugendabende am Buchenhof waren der Höhepunkt des Jahres für alle jungen Menschen im Königreich Arbor. Geza spitzte die Ohren.
Tante Ursula seufzte: "Wahrscheinlich hast du Recht. Dann werden wir sie dieses Mal mitnehmen. Wir müssen uns nur, was wegen der Haare überlegen."
Geza blickte aus dem Fenster. Inzwischen war es dunkel und die Mondsichel schien durch die Zweige einer großen Eiche durch.

Sofort stand Geza auf und rannte aus der Küche raus. Das Küchenmädchen erschreckte sich und ließ einen Teller fallen, der am Boden zerbrach. Auf der Treppe traf sie auf ihre Base und ihren Vetter. Hedwigs Nasenlöcher waren geweitet und die Augen zu engen Schlitzen verengt.
"Uns ist zu Ohren gekommen, dass du heute mit dem Fürst gesprochen hast!", kreischte sie.
Egon sagte gar nichts, er schubste Geza. Zum Glück stand sie nur auf der zweiten Stufe, sonst hätte sie sich ernsthaft verletzen können.
"Wie konnte es dazu kommen! Du hattest eine Aufgabe! Nicht gesehen zu werden und selbst das hast du versaut!"
Geza hatte sich inzwischen ihre Antwort überlegt: "Es war reiner Zufall. Er und seine Freunde haben sich verlaufen und fragten mich nach dem Weg. Da konnte ich nicht nein sagen."
Hedwig schien noch wütender zu werden. Das wurde sie immer, wenn sie sauer war und Geza nichts falsch gemacht hatte. Sie stolzierte an ihr vorbei, Egon folgte seiner Schwester und gab Geza im Vorbeigehen einen kräftigen Stoß, sodass sie gegen das Treppengeländer knallte. Eigentlich sollte sie das schon gewohnt sein, aber jedes Mal aufs Neue tat es in ihrem Brustkorb weh. Es war ein Wunder, dass sie sich in all den Jahren keine Rippe gebrochen hatte.

Geza flitzte so schnell sie konnte die Treppe zum Dachboden hoch und stürzte zur Tür hinein.
"Hekate! Du glaubst nicht, was ich gerade erfahren habe!", rief sie und schaute sich um.
In der Ecke flatterte die Eule erschrocken mit den Flügeln und pfiff: "Beim großen Mond! Geza! Du hast mich erschreckt!"
Geza legte die Hand auf den Mund, sie war wirklich etwas zu laut. Es hätte gerade noch gefehlt, wenn jemand aus Tante Ursulas Sippe sie hier oben hören würden. Geza setzte sich auf die zwei Kisten mit dem Teppich und Hekate ließ sich auf einem alten Tischchen nieder, der direkt danebenstand.
"Dann erzähl mal", forderte sie die junge Frau auf.
"Also", flüsterte Geza, "Ich habe gerade ein Gespräch zwischen meinem Onkel und meiner Tante belauscht, aus Versehen natürlich. Es kann gut sein, dass ich mit auf die Jugendabende darf! Das durfte ich sonst nie! Ich musste immer hierbleiben!"
"Was ist denn so besonders an diesen Jugendabenden?", wollte Hekate wissen und legte den Kopf schief.
Geza musste kurz überlegen, wie das der Eule erklären sollte.
"Alle Fürsten-, Ritter- und Verwalterfamilien, die anwachsende Kinder haben, fahren im Herbst für drei Tage in unsere Hauptstadt. Da können sich die jungen Menschen untereinander kennenlernen, schauen wer einem sympathisch ist, um später zu überlegen, wen man später heiraten kann", erklärte Geza.
Hekate drehte den Kopf auf die andere Seite und blinzelte.
"Was meinst du mit 'heiraten'?", fragte sie.
Geza musste wieder grübeln. Wie sollte sie einer Eule erklären, wie das Konzept einer Heirat funktionierte?
"Also...", sie wollte es versuchen, "Das heißt, man sucht sich eine andere Person, mit der man eine Familie und auch Kinder haben will. Dann wird man offiziell in der Kirche miteinander verbunden und lebt ab da, in den meisten Fällen, zusammen bis der Tod sie scheidet"
Mit einem fragenden Blick schaute sie zu Hekate. Hatte sie das gut erklärt? Hekate stellte ihren Kopf wieder gerade auf.
"Bei uns ist auch so ähnlich, nur ohne Kirche", meinte die Eule nachdenklich.
Geza musste lachen, sie fand das jedes Mal unheimlich süß, wie Hekate versuchte Dinge aus dem menschlichen Leben zu verstehen und Parallelen mit ihrem eigenen Dasein zu ziehen.
"Da freust du dich drauf?", fragte Hekate und Geza nickte.
"Ja. Außerdem habe ich heute jemanden kennengelernt, den ich gerne wiedersehen würde", gestand sie.
"Du willst ihn heiraten?", pfiff Hekate begeistert.
Geza prustete.
"So schnell geht das bei uns nicht. Da muss man sich zumindest ein paarmal getroffen und miteinander geredet haben, bevor man das entscheidet", versuchte Geza es Hekate klarzumachen.
Diese pfiff aber nur: "Bei uns geht das viel schneller." 

Geza hätte sich gerne weiter mit Hekate unterhalten, aber im Flur ertönte Egons Stimme.
"Gustel! Es gibt Abendbrot! Du sollst kommen!"
Geza verabschiedete sich leise von Hekate und lief die Treppe runter.
"Wieder warst du bei deiner garstigen Eule!", kommentierte Egon und zog sie fest am Zopf. Geza verkniff sich einen Schrei und folgte ihrem Vetter in das große Zimmer. 

Im Kamin brannte ein Feuer, schräg davor standen zwei Bänke, auf denen normalerweise Tante Ursula, Hedwig und auch sie selbst Wolle und anderes Material zu Stoff verarbeiteten. Mittig in Raum befand sich ein großer Tisch, wo immer gegessen wurde. Auch heute war es nicht anders. In der Mitte der Tischplatte war ein Brotkorb platziert, drumherum haben die Diener noch Butter und Schinken aufgetragen. Am Kopfende stand ein Krug mit Met, aus dem Onkel Hinrich und Egon tranken. Vor den Plätzen der Frauen fand man Tassen mit frisch gemolkener Milch. Geza setzte sich an ihren üblichen Platz, am weitesten vom Kopfende entfernt. Kaum hatte sich Egon gesetzt, wurde mit dem Essen begonnen. Geza setzte sich dazu und langte nach einer Scheibe Brot und einer Scheibe Schinken. Sie war neugierig, ob das Abendbrot so verlaufen würde wie immer. Würde man sie auch heute ignorieren oder würde man sie heute schon auf die Jugendabende ansprechen? Wenn ja, dann musste Geza so tun, als ob sie zum ersten Mal davon hörte. Wenn Onkel Hinrich und Tante Ursula erfuhren, dass sie durch den Küchenschlot gelauscht hatte, dann konnte sie die Fahrt in die Hauptstadt wahrscheinlich wieder vergessen.

Endlich wandte sich Onkel Hinrich an Geza: "Gustel, Ursula und ich wir haben uns gedacht, dass du dieses Jahr mit auf die Jugendabende darfst."
Jetzt musste Geza eine begeisterte dennoch natürliche Reaktion vortäuschen. Sie hob ihren Blick, machte große Augen und öffnete den Mund. Dann bedeckte sie den Mund leicht mit der Hand und stieß ein "Wirklich? Vielen Dank!" aus.
Onkel Hinrich nickte und Tante Ursula stimmte mit ein. Ihre zwei Kinder, die zum ersten Mal davon hörten, schauten verwirrt zu ihren Eltern.
"Wie bitte?", fragte Egon, "Wir lassen sie doch sonst immer zuhause."
Die Schwester nickte vehement.
Onkel Hinrich setzte sein Glas schwungvoll ab und beendete das Gespräch: "Die Sache ist entschieden."

Geza und ihre jungen Verwandten standen nach dem Essen auf und verließen das große Zimmer. Egon und Hedwig gingen nach rechts in ihre Zimmer und Geza nach links zu der Treppe.
Kaum war sie aus dem Blickfeld ihrer Base verschwunden, hörte sie wie Hedwig stöhnte: "Ich sehe es jetzt schon. Sie wird uns die Jugendabende versauen."
Ein Laut der Zustimmung kam als Antwort.
Aber Geza war es egal, sie durfte mit zum Buchenhof! Sie würde endlich was anderes sehen als das Gut Kupferstrom und das Dorf daneben!

* * * 

Der Tag der Abreise kam schneller als Geza dachte. Sie hatte nicht so viele Sachen, deswegen dauerte ihr Packen nicht so lange. Für Hedwig und auch Egon wurden lange im Vorfeld Kleider und Gewänder genäht. Da Gezas Mitreise eine sehr spontane Entscheidung war, hatte sie nur das gute Sonntagskleid mitzunehmen. Aber Geza war sich sehr sicher, dass ihre Garderobe auf das bescheidene blaue Kleid beschränkt bliebe, selbst wenn sie man schon lange hätte mitnehmen wollen. 

Auf dem Hof stand eine Kutsche, die noch etwas wuchtiger war als die der Fürstin. Zwei Knechte befestigten die Reisekisten an einer Plattform hinter der Kutsche. Ein anderer nahm die Funktion des Kutschers ein und auch zwei Mägde standen bereit und warteten auf die Abreise. Onkel Hinrich stand vor der offenen Tür zur Kutsche und grunzte nachdenklich.
"Was ist denn los? Was guckst du da?", fragte Tante Ursula ihren Mann, als sie und die anderen die Treppe runterkamen.
"Ich überlege, wie wir alle hier reinpassen sollen", antwortete Onkel Hinrich und besah sich die Gruppe, seine Frau, seine zwei Kinder, seine Nichte und zwei Mägde.
"Wir können Gustel immer noch hierlassen", schlug Hedwig leise vor.
Ihr Vater stellte sich taub und runzelte nachdenklich die Stirn. Während er also überlegte, schaute Geza zu dem Dachbodenfenster hoch. In dem schwarzen Umriss saß Hekate und schaute auf sie runter. Geza lächelte und blinzelte ihr zum Abschied zu, sodass ihre Verwandten es nicht mitbekamen. Die Eule neigte den Kopf und verschwand auf dem Dachboden. 

Inzwischen hatte Onkel Hinrich das Platzproblem gelöst.
"Also", gab er kund, "Gustel, du sitzt auf dem Kutschbock. Hedwig gib ihr deinen Umhang. Wir wollte ja nicht, dass Gustel sich erkältet und uns dann alle ansteckt."
Hedwig stöhnte, zog ihren Umhang aus und warf ihn achtlos Geza zu, die ihn trotzdem fing, umlegte und sich bedankte.
Onkel Hinrich fuhr dabei fort: "Eine der Mägde geht auch auf den Kutschbock und die zweite muss dann eben hinten auf der Kiste sitzen. Der Rest geht in die Kutsche!"

Das Verwaltungsgut Kupferstrom stand in etwa in der Mitte zwischen der Eichenfeste und der Grenze zur Provinz Fagis, wohin die Reise ging. Es war eine ganze Tagesreise bis zur Grenze.

 Dank Gezas Stellung im Haushalt ihres Onkels war sie nicht wirklich Teil der Familie, aber auch kein Teil der Dienerschaft. Also wäre es komisch, wenn sie jetzt anfinge sich jovial mit ihren zwei Reisegenossen auf dem Kutschbock zu unterhalten. Sie bewunderte deshalb stumm die Landschaft, die an ihr vorbeizog. Die Straße schlängelte durch Dörfer, Felder und Eichenwälder. Die Menschen in den Siedlungen und die Bauern auf den Feldern unterbrachen ihre Arbeit und verbeugten sich kurz, wenn die Kutsche vorbeifuhr. Die Männer zogen dabei Mützen und Hüte ab. 

Die Reise ging nach Westen, in die zentrale Provinz des Königreichs Arbor. In Fagis residierte der König von Arbor und seine Familie. Sein Zuhause war der Buchenhof. Ähnlich wie auch die Eichenfeste war er zuerst nur eine Burg und im Laufe der Zeit bildete sich eine Stadt darum. Der Buchenhof galt als Hauptstadt des Königreiches und war auch die größte Stadt in ganz Arbor. Geza konnte es kaum erwarten, dort anzukommen. Sie war noch nie in einer Stadt gewesen und versuchte sich vorzustellen, wie es dort sein würde. Viele Menschen? Große Häuser? Wie würden wohl die Straßen sein? Geza fiel es schwer ruhig sitzen zu bleiben, allerdings war ihr bewusst, dass der Wagen schon sehr alt war und zu intensive Bewegungen zum Verhängnis werden könnten. 

Gegen Abend wurde es kälter, Nebel legte sich auf die Wiesen und die Feuchtigkeit kroch unter Gezas Umhang. Es wurde dunkel und die Sterne begannen scheinen. Weiter unten an der Straße befand sich eine große Wirtschaft, eine Grezherberge. Sie schien sehr voll zu sein, überall brannte Licht und man konnte von weitem Stimmengewirr und Lachen hören. Der Hof war voll mit Kutschen und Wägen, Knechte und Mägde schlenderten um sie herum, als das Gefährt vom Gut Kupferstrom einfuhr. Der Besitzer der Wirtschaft rannte ihnen entgegen, er war völlig außer Atmen und schwitzte.
"Herzlich Willkommen in der Wirtschaft an der Grenze", begrüßte er die Reisenden und verbeugte sich, "Sie haben Glück! Ich habe noch ein Zimmer für euch und Betten für eure Diener!"
Er ging voran und alle anderen folgten ihm. Er führte sie in ein Zimmer und Geza kniete sofort vor dem brennenden Kamin nieder.
"Hier haben wir zwei komfortable Betten, es wird für alle Platz sein! Macht euch bequem! Bald wird euch jemand ein Abendbrot hochbringen! Und eure Sachen werden auch gleich gebracht! Schönen Aufenthalt!", redete der Wirt mit einem aufgesetzten Lächeln und ging darauf mit den zwei Mägden und dem Knecht.
"Also... Wer schläft jetzt wo? Und mit wem?", fragte Hedwig und schaute arrogant auf Geza runter.
Geza schaute auch in die Runde. Um ehrlich zu sein, hatte sie nicht das Bedürfnis mit jemandem aus der Verwalterfamilie ein Bett zu teilen.
"Ich schlafe hier", entschied sie. Einen Moment kam ihr die Sorge, dass sie zu bestimmt klang. Tante Ursula mochte das gar nicht. Aber heute war sie wohl zu müde, um zu nörgeln.
Vor dem Kamin lag ein weiches Schafsfell, Geza fragte: "Kann ich mir  ein Kissen und eine Decke von einem der Betten nehmen?"
Onkel Hinrich nickte und sie machte es sich gemütlich.

Kurz darauf brachten die Arbeiter der Herberge die Reisekisten hoch und ein Mädchen balancierte ein Tablett mit Brot und einem Krug hinein. Wieder allein, setzten sich die fünf Reisenden auf die Betten und aßen. Aber Geza war so müde, dass sie gar kein Hungergefühl verspürte. Nach einigen Bissen flocht sie sich die Haare zu einem Zopf und danach rollte sie sich auf ihrem Lager zusammen. Das Knistern im Kamin und die Stimme des Wirts, die durch dem Gang "Sie haben Glück! Ich habe noch ein Zimmer für euch!" trällerte, lullten Geza ein und bald schon schlief sie tief und fest. 

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