18 - Neue Sorgen
"Vierzehn Jahre vergehen schneller, als man denkt", meinte Geza zu ihrem Mann.
Beide standen auf der Haupttreppe und schauten Theodor zu. Auf dem Burghof übte er sich unter Wilhelms Leitung im Umgang mit dem Kurzschwert, inzwischen konnte er das sehr gut . Theodor war in diesen Jahren zu einem Jugendlichen herangewachsen. Er hatte lange Arme und Beine und sein Kopf schien etwas zu groß für den Rest seines Körpers zu sein. Geza machte sich manchmal Sorgen um den Jungen, weil er gefühlt immer Hunger hatte. Doch Richard behauptete, dass das in seinem Alter die normalste Sache der Welt war. Theodors Haare waren aschblond und, wenn man genau hinsah, erkannte man Strähnen in seinem Haar. Sie waren von einem noch helleren Blond. Geza hatte ihm außerdem einen leichten bronzenen Hautton vererbt.
"Wie schade, dass meine Mutter ihn jetzt nicht sieht", murmelte Richard, "Er ist schon so groß, bald ist er schon erwachsen!"
Geza lehnte sich an Richard an.
"Pater Bonifatius würde jetzt sagen, dass sie ihn bestimmt sehen kann", sagte Geza und strich Richard tröstend über den Oberarm.
Richards Mutter war vor einigen Jahren in ihrem Kloster verstorben und wurde in der Familiengruft beigesetzt. Das gesamte Fürstentum hatten um sie getrauert und auch die Königsfamilien und die anderen Fürsten hatten an dem Verlust anteilgenommen.
Auch Geza und Richard hatten sich verändert. Richard war mit den Jahren etwas dicker geworden und rasierte sich seltener als früher, zu Gezas Missvergnügen. Seit der Eulenschlacht humpelte er und die Wunde hatte sich in eine lange Narbe verwandelt.
Was Geza betrifft, von dem dürren Mädchen, das vor Jahren mit Richard vor dem Altar stand, war fast nichts mehr übrig. Seit Theodors Geburt hatte ihre Figur etwas femininere Formen angenommen. Ihre Haare waren dichter und der Unterschied zwischen dem Blond und dem Braun hatte einen stärkeren Kontrast.
So stand das Fürstenpaar auf der Treppe und schauten ihrem Sohn beim Üben zu. Beide waren sehr zufrieden, Richard hatte seinen Arm um Geza gelegt und der Kopf der Fürstin ruhte auf seiner Schulter. Die Sonne ging gemächlich unter und tauchte die Eichenfeste in goldenes Licht. Aus der Stadt klang der ruhige Lärm des zu Ende gehenden Markttags und die Glocken läuteten zum Abendgottesdienst.
Auf einmal kam ein Bürgerwehrsoldat den Bergfried runter und rannte auf das Fürstenpaar zu. Am Treppenabsatz blieb er stehen und verbeugte sich.
"Herr, Herrin, ein Ritterzug kommt aus dem Wald auf die Burg zu. Sie sind unter Fagis' Wappen. Es ist keine Kutsche dabei", teilte er mit.
Geza uns Richard schauten sich ratlos an. Sie bekamen sonst nie so plötzlich Besuch von der Königfamilie. Normalerweise schickten sie einen Boten vor, der die Ankunft ankündigte. Geza marschierte auf der Stelle in die Küche und Richard nahm ihr etwas Arbeit ab, indem er die Sache mit den Gästezimmern an die Hausdiener kommunizierte. Der Besuch und sein Gefolge mussten schließlich irgendwo schlafen.
Schließlich trafen Gäste und Gastgeber in der Eingangshalle aufeinander. Die Fürsten und Ritter begrüßten Darian, König Elriks jüngeren Sohn.
"Prinz Darian, wir wussten gar nicht, dass Sie bei uns vorbeikommen werden!", meinte Richard und die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
"Entschuldigt mich bitte, ich bin sehr überstürzt abgereist und hatte keine Möglichkeit euch vorzuwarnen", rechtfertigte sich der Prinz und begrüßte Geza mit einem respektvollen Nicken, "Ich hoffe, ich mache euch nicht zu viele Umstände..."
Darian lächelte entschuldigend und die Fürsten beteuerten sofort, dass er keineswegs Umstände bereitete. Richard geleitete Darian und sein Gefolge in die große Halle, während Geza ich die Küche flitzte, um das improvisierte Festmahl ein letztes Mal in Augenschein zu nehmen, bevor es aufgetragen wurde.
"Unterhaltet die Gäste so lange es geht", bat sie ihren Mann und ihren Sohn.
"Beeil dich bitte!", beteuerte Richard.
Geza schnaubte nur.
"Du hast gut reden! Ich muss hier ein Festessen auf den Tisch setzten!", flüsterte sie, damit die Gäste nichts hörten.
Es stand viel Gemüse und Obst zur Verfügung. Die Küche hatte nicht genug Zeit, um ein Fleischgericht auf den Tisch zu zaubern. Doch Geza war sich sicher, dass eine Kräutersuppe, warme Gemüsepasteten und frische Kirschen zu dem Anlass passten. Sobald die Suppe fertig war, wurde sie aufgetragen und Geza folgte den Dienern eilig.
Darian und seine Ritter waren sehr zufrieden und auch die Bewohner der Eichenfeste waren sehr glücklich mit den unerwarteten Festessen. Geza fiel aber auf, dass ihr Mann und Darian die Köpfe zusammensteckten und angespannt über etwas tuschelten.
"Ihr seht aus wie zwei Verschwörer", kommentierte Geza.
"Sind wir so auffällig?", fragte Richard.
Geza konnte da nur nicken.
"Wenn alle mit Essen fertig sind, könnt ihr doch unauffällig in den Ratssaal gehen", riet sie ihnen.
Die beiden Männer nickten und schenkten ihre Aufmerksamkeit der Kräutersuppe.
Sie hielten es aber nicht lange aus, und als die Gemüsepasteten aufgetragen wurden, unterhielten sie sich wieder leise miteinander.
Nachdem die Diener die Schalen mit den Kirschen gebracht hatten, entspannte sich die Atmosphäre. Die älteren Ritter setzten sich zusammen an einen Tisch und sangen Balladen, während sie an Met nippten. Diese improvisierte Musikbegleitung diente den jungen Rittern und Knappen, welche die Zeit nutzten und mit den Jungfern der Eichenfeste tanzten. Da jetzt jeder beschäftigt war, schlichen sich Richard und Darian aus der großen Halle. Geza beaufsichtigte die Feier eine Weile lang, doch die Neugierde nagte an ihr. Worüber unterhielten sich die beiden Männer? Auch das plötzliche Auftauchen von Darian war alles andere als normal. Schließlich rief sie ihren Sohn und Theresa zu sich. Die beiden sollten ein Auge auf die Feier haben. Sollte ein Konflikt oder etwas Ähnliches entstehen, so würden sie auf der Stelle zu ihr in den Ratssaal rennen und sie und ihren Mann holen.
Geza klopfte an die schwere Tür des Ratssaals und trat ohne eine Antwort abzuwarten ein. Richard und Darian saßen zusammen am Tisch. Richard kaute auf der Unterlippe und Prinz Darian spielte nervös mit den Fingern, während er etwas sagte. Beide zuckten zusammen, als Geza die Tür öffnete, doch die Spannung fiel von ihnen, als sie sahen, wer eingetreten war.
"Darf ich erfahren, worum es geht?", fragte Geza.
Zu ihrer Erleichterung rückte Richard ihr einen Stuhl zurecht.
"Darian, erzählen Sie bitte meiner Frau, worüber wir uns unterhalten haben."
Darian schaute zu der Fürstin und fing an.
"Ich mache mir Sorgen wegen meines Bruders. Seit er nach dem Tod unseres Vaters..." Hier bekreuzigten sich Geza und Richard und murmelten: "Möge er in Frieden ruhen." Darian fuhr indessen fort:...Als König regiert, weiß ich gar nicht, was ich denken soll. Wie ihr bestimmt schon bemerkt habt, ist er sehr gut mit Gideon befreundet. Es geht sogar soweit, dass sie sich gegenseitig besuchen. Was sie während dieser Besuche treiben, wage ich nicht in Anwesenheit einer Frau auszusprechen. Mein Bruder und ich haben uns nie besonders gut verstanden und jetzt, wo er König von Arbor ist, habe ich das Gefühl, dass er mich aus dem Weg räumen möchte. Er hat mir befohlen nach Übersee in das Kalifat Wralum zu reisen und einen Vertrag mit dem dortigen Herrscher auszuhandeln."
"Was?", fragte Geza, unfähig zu glauben, was gerade gehört hatte, "Mit diesem Reich haben wir so schon eine äußerst spannungsvolle Beziehung, ihr erinnert euch, vor vier Jahren ist es fast zu einem Krieg gekommen."
Darian nickte. "Livian hat mir die wenigen Ritter und Knappen mitgegeben, die mir dienen und mir treu sind, und mich im Grunde vor das Tor des Buchenhofs gesetzt. Außerdem wurde mir befohlen, ich solle Fürst Richard mit auf die Reise nehmen."
In der großen Halle wurde laut gesungen, während im Ratssaal tiefes Schweigen herrschte.
"Mir gefällt das ganz und gar nicht", gestand Richard, "Ich habe das Gefühl, dass Gideon und König Livian gemeinsame Sache machen und diese gemeinsame Sache uns schaden wird."
"Soweit ich das beurteilen kann, hat Gideon seine Hoffnung, sich fruchtbares Land in Quercus unter den Nagel zu reißen und sich von Arbor zu lösen, noch nicht aufgegeben. Das schlimme ist, Livian scheint nichts dagegen zu haben! Ich denke ehrlich gesagt, mein Bruder blickt in der Sache nicht durch!"
Geza fragte: "Was will eigentlich Gideon von Quercus? Acer grenzt im Westen doch auch an Maximilla und hat auch gute Acker. Was will er ausgerechnet von uns?"
"Um den Fürsten dazu zu zwingen, Gebiete abzutreten, muss er erstmal in die Hauptstadt rein", erklärte Richard, "Du kennst doch die Ahorninsel, die Hauptstadt von Acer. Das ist eine große Insel in einem riesigen See. Ohne Schiffe und Boote kommt man da nicht rein, die Stadt ist nicht einzunehmen. Bei unserer Eichenfeste ist das um einiges einfacher"
Geza verstand und meinte nachdenklich: "Jetzt ist der Prinz weggeschickt, damit er König Livian nicht beeinflussen kann, und Richard wird entfernt, damit die Eichenfeste sozusagen... vaterlos wird."
"Das gleiche dachten wir uns auch", antwortete Prinz Darian.
Wieder war es eine Weile still.
"Könnt ihr beide nicht die Reise verweigern?", wollte Geza wissen.
Beide Männer schüttelten den Kopf. "Livian ist immer noch König, wir müssen ihm gehorchen", antwortete Richard und Darian steuerte bei:
"Wenn wir uns weigern, dann machen wir uns vor dem Gesetz strafbar und können so alles verlieren, Titel, Ländereien, Burg, alles."
Geza schnaubte wütend. Die ganze Sache war ihr gar nicht geheuer und es gab auch keine Möglichkeit etwas zu verändern.
"Dann tun wir, was wir tun müssen!", sagte Richard.
Geza faltete die Hände, stütze die Ellenbogen auf den Tisch und biss sich nervös in den Zeigefinger. Die Nervosität stieg in ihr auf. Alleine, ohne Richard... Unter friedlicheren und sicheren Umständen hätte Geza gar keine Angst, aber jetzt...
"Liebling!", sagte Richard und nahm ihre Hände in die seinen, "Ich möchte nicht hier alleine lassen. Ich sehe, die Situation ist sehr beängstigend und völlig neu. Wir haben aber keine andere Wahl!"
Frustriert fuhr sich Richard mit den Händen durch die Haare.
"Du hast Recht...", murmelte sie, "Tun wir, was wir tun müssen!"
Sie atmete durch und und sammelte jegliche Courage. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um die Eichenfeste zu beschützen!"
Richard konnte da nur lächeln. "Die Einstellung gefällt mir schon mehr", meinte er und gab ihre einen Kuss, "Wir müssen jetzt Theodor und die anderen darüber unterrichten."
* * *
Die Abreise war schon am nächsten Morgen. Darian und sein Gefolge wartete auf dem Burghof, während Richard sich von seiner Burg verabschiedete:
"Ritter und Knappen! Ich werde für eine unbestimmte Zeit verreisen! Unterstützt, solange ich weg bin, meine Frau, eure Fürstin, in allem!" Ein zustimmendes Murren machte sich in der Eingangshalle breit.
Danach wand sich Richard leise an seine Frau. Seine nächsten Worte galten nur ihr. "Geza! Ich vertraue dir diese Burg und die Provinz voll und ganz an! Pass auf die Burg, auf die Provinz, auf Theodor und natürlich auf dich selbst auf!" Er drückte Geza fest an sich. Sie hoffe, ein letztes Mal seine Körperwärme zu fühlen, doch das eisige Kettenhemd war im Weg. Sie schaute zu ihm hoch und gab ihm eine langen Kuss auf den Mund, den Richard genauso herzlich erwiderte. Danach nahm Richard seinen Siegelring vom Finger und überreichte ihn Geza. Zuletzt nahm er Theodor beiseite und flüsterte ihm was ins Ohr. Theodor nickte und auch die beiden umarmten sich.
Geza schaute von der Mauer aus, wie der Zug im Wald verschwand, und winkte mit einem Taschentuch hinterher. In der Abgeschiedenheit ihres Zimmers vergoss sie leise einige Abschiedstränen, während sie den Siegelring auf der Hand hielt. Er war ihr zu groß, also hatte sie ihn an einer Kette um den Hals gehängt. Theodor kam, um nach ihr zu sehen.
"Mutter, ist alles in Ordnung?", fragte er.
Geza wischte sich die Tränen von den Wangen.
"Der Abschied hat mich tief getroffen. Und ich weiß nicht, wie ich alleine die Burg verwalten soll. Es kann gut sein, dass es eine schwierige Zeit für die Eichenfeste wird", erklärte sie.
Theodor setzte sich neben seine Mutter aufs Bett.
"Du bist nicht alleine. Du hast über zwanzig Ritter, die alles für dich und die Eichenfeste tun werden. Und außerdem hast du mich! Wir schaffen das alle zusammen."
Geza lächelte, umarmte ihren Sohn und gab ihm einen Kuss auf die blonden Haare.
Die nächsten Tage waren wie alle anderen Tage. Das Leben in der Burg nahm seinen gewohnten Lauf. Geza besuchte Hekate, sie war inzwischen sehr alt und konnte nicht mehr jagen, also fütterte sie Geza mit Fleischresten oder mit Opfern der Mäusefallen.
"Wie ist das menschliche Leben so?", fragte Hekate mit hohler und etwas schwacher Stimme.
Geza erzählte und warf ihr die toten Mäuse vor den Schnabel: "Richard ist auf Reisen und ich passe alleine auf die Burg und die Provinz auf."
Die Eule hob den Blick und ihre Augen leuchteten auf: "Inzwischen kein Problem mehr für dich"
Geza zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass eine schwierige Zeit naht und ich weiß nicht, ob ich damit klarkommen werde."
"Bestimmt!", ermutigte die alte Eule Geza und schluckte eine Maus runter.
Doch kurz nach Maria Himmelfahrt wurde Geza aus dem Keller geholt. Vom Bergfried wurde die Fahne Maximillas auf der Straße gesichtet. Die Fürstin beeilte sich nicht. Die ungebetenen Gäste sollten ruhig sehen, dass sie sich alle Zeit der Welt ließ. Als sie endlich zum Haupteingang hinausschritt, sah sie Gideon und seine Ritter. Es waren nicht alle, sonst hätten sie nie im Leben auf dem Burghof Platz gefunden. Gideon stand am Treppenabsatz und sein rechtes Bein zitterte.
Als Geza oben auf der Treppe erschien, murmelte er: "Na endlich!" und stieg die Treppe zu ihr hoch.
Mit den Jahren war er dünner und blasser geworden, seine Haare waren nicht mehr so dicht wie früher und in seinem Blick bemerkte Geza ein gieriges Glänzen.
"Gideon! Welchem Umstand verdanke ich...", begann Geza und musste eine Pause machen. Sie wusste nicht wie sie weitersprechen sollte. "Die Freude" wäre gelogen, "das Missvergnügen" würde zwar Gezas Gefühle genau widerspiegeln, allerdings wäre diese Wortwahl viel zu unhöflich. Also entschied sich Geza für einen neutralen Begriff. "Welchem Umstand verdanke ich deinen Besuch?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Können wir uns unter vier Augen unterhalten?", fragte er und seine dunklen Augen blitzten.
Geza war bei sich Zuhause und dachte gar nicht daran, sich vor Gideon zu fürchten. Sie machte eine einladende Bewegung in Richtung Ratssaal und sagte lächelnd:
"Aber sicher doch. Tritt ein!"
Gideon machte kurz ein verwirrtes Gesicht, er hatte wohl mit mehr Gegenwehr gerechnet. Geza ließ ihm den Vortritt und wollte schon die schließen, als Wilhelm ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Er und ihr Sohn standen auf der Treppe.
"Herrin, wenn was sein sollte, wir sind hier in der Nähe", meinte er. Theodor pflichtete mit einem Nicken bei.
Geza nickte zurück und ließ die Tür einen Spalt breit offen.
"Worüber wolltest du sprechen, Gideon? Fass dich kurz, ich habe viel zu tun", bat Geza und lehnte sich an den Kaminsims.
"Jetzt, wo dein Gatte nicht da ist, wollte ich mein Angebot wiederholen. Wir zwei, zwei Provinzen, ein Land", meinte er und Blickte ihr forschen ins Gesicht.
Geza konnte nicht glauben, dass er das jetzt wirklich gesagt hatte. Er hatte fünfzehn Jahre gewartet, Bedingungen geschaffen und jetzt stellte er die Frage erneut. Vor Entrüstung konnte sie erstmal keinen Satz formulieren und Gideon schien sich an ihrer Verwirrung zu erfreuen. Als sie sich wieder gesammelt hatte, stellte sie fest: "Du hast mir diese Frage schon einmal gestellt."
"Genau, damals hast du nicht geantwortet", meinte Gideon und machte einen Schritt auf sie zu.
Geza entfernte sich vom Kamin und stellte sich neben den Tisch.
"Ich hoffe, dir ist nicht entfallen, dass ich glücklich verheiratet bin", sagte sie. Im Moment fiel ihr nichts besseres ein, aber sie sprach mit hoch erhobenen Kopf und sah ihrem Gegenüber genau ins Gesicht.
"Und ich habe dir gesagt, dass mich das nicht im geringsten stört", flüsterte Gideon. Inzwischen stand er hinter ihr. Sie fühlte seine Hände. Sie fuhren über ihre Hüften in Richtung Bauch.
Jetzt hatte sie genug.
"Ich halte dich nicht länger auf, Gideon. Wilhelm! Theo!", rief sie, die Tür flog auf und Theodor stürmte mit Wilhelm hinein. Gideon fuhr zurück, doch es war zu spät. Theodor und Wilhelm hatten genug gesehen.
"Gideon, mir scheint es, du hast unsere Gastfreundschaft missbraucht. Theo, Wilhelm, zeigt unserem Gast den Ausgang", sagte Geza in eisigem Ton.
"Wer sagt, dass ich einfach so gehe!", antwortete Gideon im gleichen Ton.
Hier trat Wilhelm vor. "Theo, hilf mir Mal!"
Die Männer rangen kurz miteinander. Theodor half bei Bedarf mit einigen gezielten Faustschlägen von der Seite. Schließlich hatten Wilhelm und Theodor seine Arme fixiert und beförderten ihn nach zur Tür hinaus. Als Abschluss gaben sie ihm die Treppe runter einen Stoß, sodass er unten hinfiel und sich mit den Händen auffangen musste.
Sofort sprang er auf und brüllte: "So schnell wirst du mich nicht los!"
Geza blieb in der Tür stehen und wand sich an ihren Sohn: "Theo, was hindert mich daran, diese ungebetenen Gäste aus meiner Burg zu schmeißen?"
Theodor hustete und antwortete: "Mutter, unsere Ritter und fast alle Knappen sind noch auf der Jagd."
Stimmt, da war ja was. Geza nickte nachdenklich und meinte nur: "Dann werden wir warten. Schließt alle Türen!", befahl sie den Dienern.
Kaum waren die Türen zu rief Theodor: "Mutter! Wir müssen unserer Ritter doch warnen!"
"Du hast absolut Recht, mein Sohn. Das wirst du tun."
"Ich?", fragte er, "Aber wie?"
Geza legte ihren Finger auf die Lippen.
"Mach dich fertig und komm in den Weinkeller", befahl sie, "Es ist wohl Zeit, dass ich dich in ein kleines Geheimnis einweihe."
Die wenigsten Bewohner der Eichenfeste wussten, dass eins der Fässer eigentlich die Tür zum Geheimgang war. Theodor staunte nicht schlecht, als seine Mutter einen Schlüssel von ihrem Gürtel nahm und das Fass wie eine Tür öffnete. Zum Erklären blieb aber nicht viel Zeit.
"Der Gang endet in der Nähe des Klosters, in dem früher deine Großmutter gelebt hatte. Östlich davon ist die Jagdhütte, dort findest du unsere Ritter. Eigentlich wollten sie noch eine Weile unterwegs sein, aber daraus wird wohl nichts mehr. Sag ihnen, was passiert ist", ratterte Geza die Anweisungen runter. Danach atmete sie durch und umarmte ihren Sohn.
"Pass unterwegs gut auf dich auf. Dir darf nichts passieren!"
Theodor legte den Kopf schief und deutete auf das Kurzschwert an seinem Gürtel. Für Geza war das nur ein kleiner Trost. Sie gab ihm eine Laterne und er verschwand in der feuchten Dunkelheit des Ganges.
Abends trat Geza und die anderen Frauen ans Fenster. Die Ritter der Eichenfeste wurden von Weitem gesichtet und nun wollten sie Zeuge sein, wie Gideon und seine Männer aus der Burg geworfen wurden. Allerdings war das wenig spektakulär. Die Ritter der Eichenfeste ritten nacheinander in einem Zug und der rothaarige Maximilian vorneweg tat das, was er besten konnte. Er brüllte aus vollem Hals, während er sein Schwert schwang:
"Verschwindet auf der Stelle! Raus aus unserer Burg!"
Gideon und seine Männer mussten sich murrend zurückziehen und die Burg verlassen, die Ritter der Eichenfeste waren in der Überzahl.
Doch Gideon schaute zu den Fenstern hoch und rief: "So einfach gebe ich nicht auf!"
Jetzt atmeten alle erleichtert auf.
"Was wollte Gideon überhaupt?", fragte Theresa die Fürstin.
"Er wollte hinter Richard Rücken eine Allianz mit mir eingehen", sagte Geza.
Theresa war zuerst sprachlos. "Ich habe nur zwei Fragen. Warum? Und was dachte er sich dabei?", sagte Theresa halb entsetzt halb belustigt.
"Das ist ganz einfach", erklärte Geza, "Jetzt, wo Richard weg ist, kommt er durch mich an Quercus ran. Und außerdem würde sonst kein Fürst, Ritter oder auch Verwalter seine Tochter an ihn verheiraten. Bei dem Alter und dem Ruf, den er hat!"
"Was ein Schuft!", fasste Theresa zusammen und legte Geza einen Arm um die Taille, "Dich kriegt man aber nicht so schnell klein!"
Endlich tauchte auch Theodor auf, bis eben hatte er Friedrich aus der Rüstung geholfen, er war schließlich immer noch Page. Geza umarmte ihn.
"Das hast du großartig hinbekommen, mein Junge! Danke dir! Geht es dir gut?" Sie wollte ihn küssen.
"Mutter! Immer gerne! Aber küss mich nicht vor so vielen Leuten!", flüsterte er.
Geza lächelte und klopfte ihrem Sohn auf die Schulter. Erst vor ein paar Monaten hatte er noch kein Problem damit. Der Junge wurde langsam aber sicher erwachsen...
"Kommt, wir danken noch den Rittern!", forderte Geza die anderen Frauen auf und zusammen eilten in die Eingangshalle.
Am nächsten Morgen kam ein Bote von Gideon in der Eichenfeste an und brachte eine Nachricht von Gideon. Es war eine Fehde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top