Lambda


Der Raum in dem ich stand war so leise das ich meinen eigenen Herzschlag laut und deutlich hören konnte. Viel zu schnell schlug er gegen meine Brust. Adrenalin schoss durch meinen Körper und suchte nach einem Ausweg. Mein Denkvermögen war überlastet und mein Kopf fühlte sich an wie Blei.

„Was? Ich..." ,ich war noch immer verwirrt durch die Worte die Stany mit Bedacht ausgesprochen hatte. Ich wusste nicht womit ich anfangen sollte.

Sollte ich mich verteidigen? Ich bin nicht wie er! Oder bin ich das wirklich?

Ein Schmerz bohrte sich tief in meine Seele.

Mein Vater?! Warum erwähnte er meinen Vater.

Ich brach schließlich die unerträgliche Stille: „Was willst du damit sagen Stany? Was hat mein Vater damit zu tun? WAS VERDAMMT NOCHMAL IST DEIN PROBLEM!"

Ich schnappte nach Luft, denn so allmählich überwältigte der Gefühls-Sturm in mir, meine Geduld.

"Stany, hör zu wir können wirklich nichts dafür. Wir wurden...", versuchte Ilias nun die Anspannung im Raum zu lockern und wurde abrupt von Stany unterbrochen.

"RUHE! Du  bist erstmal ruhig!" , zischte er und funkelte Ilias mit einem hasserfüllten Blick an.

Langsam drehte er seinen Kopf wieder zu mir: "Du weist also nicht was mein Problem ist ja?! Dann erklär ich dir mal mein Problem!! Mein verdammtes Problem ist das ich euch eine Chance gegeben habe zu beweisen das ihr mehr taugt als eure scheiß Väter!! Mein Problem ist das ihr gedacht habt ihr könnt mich verarschen!! Mein Problem ist das ich jetzt einen scheiß Problem habe mit einem der mächtigsten scheiß Kerlen im Untergrund!! Und mein Problem ist das ich ein scheiß LOCH in meinem Fuß habe!!"

Mit einem Faustschlag auf den Schreibtisch beendete Stany seine Ansage und schnaubte hörbar.

Er war noch lange nicht fertig und ich konnte in seinen Augen erkennen das er auf Rache aus war. Die Anspannung lag in der Luft und wickelte sich langsam aber fest um meinen ganzen Körper. Ich wusste ganz genau das jedes Wort das ich von mir geben würde, ihn noch wütender und somit auch noch unberechenbarer machen würde aber in mir kochte es.

"Mir ist es egal was du über uns denkst! Aber du solltest aufpassen was du über unsere Väter sagst!!", zischte ich leise aber deutlich.

Ich spürte wie jetzt alle Blicke auf mich gerichtet wurden, Stany hob seinen Augenbrauen an und ich konnte ein Funkeln in seinen Augen erkennen. Sein grinsen wurde breiter und bitterer.

Mir wurde langsam bewusst das mein Vater mehr als nur Geld von einem möchtegern klein Mafiosi geliehen hatte, er musste mit meinem Onkel für ihn gearbeitet haben.

Plötzlich spürte ich wie sich ein Gedanke aus dem durcheinander in meinem Kopf hervorhob. Er drängte sich kämpfend durch und lag jetzt klar und deutlich vor meinen Augen. Ich fühlte wie mein Körper unter Strom stand und wie meine Hände sich zu Fäusten verkrampften.

"Du warst das! Das war kein Autounfall! Du hast unsere Väter auf dem Gewissen!", meine Stimme klang so gar nicht nach meiner. Etwas kaltes, fremdes schien sich auf den Klang gelegt zu haben.

"Was?!" , Ilias trat nun ein Schritt vor und schaute abwechselnd mich und Stany verwirrt an.

"Wartet stop! Verdammt was ist hier los?!!" ,hauchte er mit weit geöffneten Augen.

"Verstehst du denn nicht. Unsere Väter müssen für ihn gearbeitet haben. Irgendwas ist schief gelaufen und er hat sie umgebracht! Das war kein Unfall!"

Mit jedem einzelnen Wort das aus meinem Mund kam, wuchs der Schmerz in mir und verwandelte sich in Wut um. Ilias schaute mich noch einige Sekunden verwirrt an und verarbeitete was ich ihm gerade zugeworfen hatte. Ich konnte sehen wie sein Kopf arbeitete und mit jeder Sekunde sein Körper sich mehr und mehr anspannte. Sein Atem wurde scheller und seine Augen verengten sich.

"Ich sage doch, dieses Mädchen ist schlau!" ,zurückgelehnt in seinem Sessel und die Hände hinter seinem Nacken, beobachtete Stany uns und schien sich mächtig darüber zu amüsieren. Ohne seine Mimik zu ändern, warf er einen Blick hinter uns und nickte unerkennbar seinen Männern zu. Bevor ich die Zeit hatte nach zu sehen was er vorhatte, sprang Ilias ein paar Schritte nach vorne, holte aus und wurde direkt von zwei Männern festgehalten. Währenddessen hatte Stany, der beinah eine Faust von Ilias abbekommen hatte, sich nicht ein Zentimeter bewegt.

"LASST MICH LOS!! Du kleiner Pisser. Ich bring dich um Stany! Du hast uns von vorne bis hinten verarscht! Ich hab gesagt ihr sollt mich loslassen!" ,während Ilias wutentbrannt versuchte sich loszureisen und noch etliche Schimpfwörter raushaute, stand ich Seelenruhig da und starrte Stany an. Ich konnte nicht fassen wie unberührt und amüsiert er da saß und kein Wort sagte.
Konnte ein Mensch wirklich so Gefühlskalt sein? War ich das etwa auch?
Ich wusste nicht ob ich seine Skrupellosigkeit fürchten, oder ob ich darüber entsetzt sein sollte. Mir saß die Erkenntnis bis tief in meine Knochen und alles schien gerade zusammen zu brechen.

Unsere Blicke trafen sich und ruhten aufeinander bis er sich nach vorne lehnte und mit einer Handbewegung, noch zwei Männer auftauchten, mich festhielten und nach vorne zogen. Ich wehrte mich nicht. Irgendetwas in mir war gerade zerbrochen und legte sich wie ein schleier auf alle Gefühle die gerade noch drohten auszubrechen. In mir entstand eine Leere. Etwas kaltes umklammerte mein Herz und zog daran. Erst als ich fühlte wie ich innerhalb Sekunden anfing zu schwitzen, wusste ich was es war; blanke Panik!
Ein so gewissenloser Mensch war zu allem fähig!

Während die Männer Ilias und mich auf die Leder Couch zwangen und an den Schultern festhielten konnte ich meine Augen nicht von Stany lösen. Meine Reaktionsfähigkeit war komplett eingefroren. Auch als ich hörte wie Ilias eine verpasst bekam weil er nicht aufhörte sich zu wehren, nahm ich mein Blick nicht eine Sekunde von Stany seiner absurd glücklichen Visage.

"Ihr zwei Kakerlaken habt wirklich den falschen versucht zu verarschen. Habt ihr geglaubt, ich lass euch einfach so davon spazieren ?! Niemand verarscht Stany!!"

Während die Männer die uns festhielten nun fesselten, kam ein weiterer mit einem Aktenkoffer rein und blieb vor Stany stehen: "Hier ist das Geld Boss" ,er hob den Koffer etwas in die Höhe. "Sehr gut. Gib es Tomy! Was ist mit dem Paket ?", fragte er während der Mann den Aktenkoffer Tomy reichte der verwirrt zwischen Stany und dem Koffer hin und her schaute. "Paket ist bereit" ,antwortete der gefragte und stellte sich wieder gegenüber von Stany auf.

"Sehr schön! So muss es laufen. Du kannst gehen Alex."

Als ich den Namen hörte blickte ich abrupt auf. Das war einer der miesen Kerle die meine Mutter mitnehmen sollte. Ich versuchte aufzustehen und realisierte erst jetzt die Fesseln an meinen Handgelenken und den festen Griff der Männer die mich festhielten. "Wo ist meine Mutter!! Ihr Schweine!" Stany horchte auf und schaute mich mit einem Stirnrunzeln an. Er senkte den Kopf und es schien so als ob er versuchte den Grund meiner plötzlichen Interesse zu verstehen.  Alex hatte sich schon zum Gehen gewandt und unsere Blicke trafen sich als er an mir vorbei lief. Seine eiskalten Augen trafen mich wie ein Blitz und als ich sein grinsen erkannte füllten sich meine Augen mit Tränen.

"Ihr miesen Schweine!!! Wenn ihr was passiert bring ich euch alle um!", rief ich verzweifelt hinterher. Ich versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bringen und richtete meinen Blick wieder zu Stany als Alex aus dem Raum war.

"Hm interessant.", Stany beobachtete mich durch seine, zu Schlitzen verengten Augen bis er sich wieder Tomy zu wandte: "Bring das Geld dem Doktor. Üblicher Übergabeort. Er wird in einer Stunde da sein."
Tomy reagierte im ersten Augenblick nicht, hob jedoch sein Kopf und schaute Stany ausdruckslos an.

"Tomy du Idiot! Bist du schwer hörig?!" ,einer der Männer die mich festhielten mischte sich mit ein und zog Stanys blick für einen Augenblick auf sich. Tomy nutzte die Gelegenheit und  drehte seinen Kopf zu uns rüber und unsere Blicke trafen sich. In seinen Augen lag bedauern und er schien nicht recht zu wissen was er tun sollte.

Ich konnte an seinen Blick erkennen das er zu allem bereit war, ich musste nur um seine Hilfe bitten. Ihm ein Zeichen geben. Er war bereit zu kämpfen, er würde diesen Raum nicht verlassen, wenn ich es nicht wollte. Ich konnte spüren wie sich ein unsichtbares Band zwischen uns spannte und er wartete nur darauf das ich an diesem Band zog. Obwohl jeder einzelne Zelle in mir verzweifelt nach Hilfe schrie, konnte ich das nicht zulassen, denn er würde es nicht überleben. Wir würden es alle nicht überleben.
Ein Mann würde nicht gegen die ganze Mannschaft, die hier versammelt zu sein schien, ausreichen. Mir blieb also nichts anderes übrig als meine Angst und den drang um Hilfe zu betteln runter zu schlucken, einen klaren Kopf zu bekommen und zu überlegen wie ich am besten vorgehen könnte um uns alle hier rauszuholen. Am besten ohne Kratzer, denn alles andere könnte ich mir nicht verzeihen.

Ich schüttelte unauffällig den Kopf, Tomy verstand und nickte mir leicht zu während ich meinen Blick wieder Stany zu wandte. Im gleichen Augenblick viel sein Blick zurück auf mich. Ohne seine Augen von mir zu nehmen befahl er dem Typ hinter mir die Klappe zu halten und drehte sich zurück zu Tomy.

"Du kannst gehen Tomy...oder willst du mir noch etwas sagen?" ,die Augen zusammen gekniffen wartet er auf die Reaktion von Tomy, der ohne ein weiteres Worte sich umdrehte und den Raum verließ.

"Und wir werden uns jetzt mal Unterhalten..."

~~~

Ich atmete tief ein, schaltete das Durcheinander in meinem Kopf aus und versuchte mich zu konzentrieren.
Stany würde nur das hören, was er auch hören wollte. Darum musste ich etwas finden womit ich ihn ködern konnte um ihn dazu zu bringen mir zuzuhören.

"Stany hör zu..." ,fing ich, mit einer bemitleidenswerten Stimme an.
"Wir haben diesen Finger nicht! Ich schwöre es dir!"
Bingo!
Ich hatte seine Aufmerksamkeit. Er legte seine Stirn in Falten und kniff die Augen zusammen.

"Was für ein Finger?!! Von was redest du da?" ,er lehnte sich zurück und setzte sein grinsen auf.
Obwohl seine Haltung uns vorspielen sollte das er uns kein Wort glaubte, konnte ich in seinen Augen erkennen das er mehr wissen wollte.

"Na die Ware! Den Finger den wir aus dem Safe für deinen Kunden geholt haben. Was sollen wir bitte mit einem abgeschnitten Finger Stany ! Ich bitte dich! Ich weiß nur eins, wem er auch immer gehört, er scheint nicht nur für deinen Kunden wichtig zu sein!"
Ich versuchte zu schlucken aber vor Aufregung und Angst war mein Hals ausgetrocknet und es blieb ein vergeblicher Versuch.

Stany neigte sein Kopf zu Seite und durchbohrte mich mit seinen Blick als ob er versuchte meine Gedanken zu lesen.
"Was meinst du damit?! Rede!" ,seine Stimme klang gereizt und ich wusste nicht recht wie ich weiter machen sollte.

Ilias hatte sich endlich gefangen und wie es aussieht brannte er darauf zu erklären was passiert war: "Wir wurden überfallen verdammt nochmal! Wir waren schon auf dem Schrottplatz und unterwegs zum Übergabeort als uns eine Gruppe Angriff und den Finger mitgenommen hat!!"

Ein schweigen füllte den Raum und außer das schnelle ein und ausatmen von Ilias und mein rasendes Herz war nichts zu hören.
Stany saß mit dem Blick zur Decke auf seinem Sessel und bewegte sich nicht.
Gerade als ich mir erlauben wollte Ilias anzuschauen , zuckte ich zusammen und weitete vor Schreck die Augen.
Stany hatte plötzlich angefangen zu lachen; ein kratziges gestörten lachen brach aus ihm heraus.
Das erschreckende daran war das es aus tiefstem Herzen kam!
Während er noch lachte hob er die Hand und winkte jemanden hinter mir  zu sich.

Einer der Männer kam an sein Tisch, stellte ein Laptop darauf und öffnete ihn. Gebeugt stand er am Gerät während Stany nach Luft schnappte und sich allmählich beruhigte.

"Der war..." ,es schnappte erneut nach Luft: "Der war echt gut! Muss ich schon sagen. Ein Finger?! Euer ernst?!"
Abermals fing er an zu lachen und hörte erst auf als der Typ mit dem Laptop ihm kurz zunickte und sich hinter ihn stellte.

"Ihr seit ja dümmer als eure Väter! Unglaublich. Haltet ihr mich wirklich für so bescheuert? Aber ihr habt es versucht. Nun ja. Ich würde sagen wir haben genug Zeit verschwendet. Findet ihr nicht?!"
Er hatte wirklich keine Ahnung und mein Entsetzen darüber das er uns nicht glaubte überschnitt sich mit der Angst um das was uns bevorstand.
Ich öffnete mein Mund um zu protestieren und wurde scharf abgeschnitten: "Wage es nicht!! Das nächste was aus eurem Mund kommt, wird nichts außer die Wahrheit sein! Ich will wissen wo die Ware ist für das mir Mr. With in den Fuß geschossen hat! Und hier ist euer Anreiz um mir zu sagen was ich wirklich wissen will!"

Stany drehte den Laptop um und unser Blick traf auf einen schwarzen Bildschirm der langsam immer deutlicher wurde.
Als ich es erkannte weiteten sich meine Augen schmerzhaft und ich fing am ganzen Körper zu zittern an. Mir wurde heiß und kalt zu gleich und mein Herz wurde in mein Magen geschleudert.
Augenblicklich wurde mir schlecht und am liebsten hätte ich mich übergeben.
Ich hörte neben mir Ilias keuchen und das einzige was ich mich selbst sagen hörte war:

"Mama?!"

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo meine lieben! Es tut mir leid das ihr etwas länger warten musstet. Dafür ist dieser Kapitel etwas länger als sonst. Ich hoffe das macht euch eine Freude.
Mal sehen ob es euch gefällt.
Über eure Kommentare, Anregungen und Kritiken würde ich mich wie immer riesig freuen.
Hoffe es ist euch ein Sternchen wert.
Danke !!! :*

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top