Kapitel 23 ~ Abgezählt
Mina
Ich erwachte in den Armen von Vlad. Ich hatte geschlafen. Noch schien das zu funktionieren, obwohl das Vampirblut wie heiße Lava durch meinen Körper strömte.
„Guten Morgen, My Lady." , hauchte Vlad mir ins Ohr und ließ mich lächeln. Meine Liebe zu ihm wurde von Tag zu Tag stärker.
„Wie geht es dir?" , fragte er mich leise. Das war der Moment, in dem ich begann meinen Körper zu spüren. Den stechenden Schmerz, dessen Quelle in meiner Kehle lag und sich wallend in jeder noch so kleinen Ecke meines Körpers ausbreitete. Schweißtropfen liefen mir die Stirn herab und ich befreite mich energisch aus Vlad's Armen.
„Wie lange muss ich noch durchhalten, bis ich wieder normal werde?"
„Es sind noch genau 41 Stunden. Du hast es bald geschafft." , er strich mir vorsichtig eine Strähne von der schweißnassen Stirn und sah mich besorgt an. Ein Gefühl schrecklichen Verlangens durchfuhr mich und ließ mich aufspringen. Der Durst gewann die Oberhand.
„Ich kann nicht mehr." , jammerte ich willenlos hervor und versuchte mit letzter Kraft meinen Drang zu unterdrücken, aus dem Fenster zu springen und jemanden die Kehle aufzuschlitzen.
Vlad's Augen weiteten sich kaum merklich. Auch er fürchtete sich vor dieser Situation. Mir war klar, dass er mir nicht wehtun wollte, doch wenn ich ihm keine andere Wahl ließe ... Wer weiß ...
„Beruhige dich Mina. Bitte, du musst dich beruhigen." , er kam langsam auf mich zu und nahm meine Hand. Mein Willen war noch stark genug um es zu zulassen und er zog mich zurück auf das Bett, um erneut seine Arme um mich zu legen und mich festzuhalten.
Ich schlief und wachte in unregelmäßigen Abständen. Jedes Mal fragte ich Vlad die selbe Frage:
„Wie lange noch?"
„39 Stunden." - „35 Stunden." - „30 Stunden." - „26 Stunden" - „25" - „24"
Ich lag da und starrte entweder an die Decke des abgedunkelten Schlafzimmers, oder in das sorgendurchzogene Gesicht von Vlad.
„22 Stunden noch." , hauchte er, als ich erneut die Augen öffnete. Ich seufzte. So wie die anderen mal auch.
„Wurde es bei dir auch immer schlimmer?" , fragte ich ihn.
„Ja. Der Vampir will überleben. Um jeden Preis. Du darfst mich nachgeben Mina. Du bist stark genug." Weitere Stunden vergingen quälend langsam. Sekunden dauerten Tage, Minuten Wochen.
„Wie lange noch Vlad?" , keuchte ich. Schmerz durchzog mich bei jeder meiner Bewegungen. Meine Zähne schmerzten und verlängerten sich von selbst. Meine Augen brannten und ich war mir sicher, dass ich schlimm aussehen musste. Wie ein Monster ...
„Noch 4 Stunden." , hauchte er und hielt meine Hand. Es war unerträglich und ich wollte mir nicht vorstellen auch nur eine einzige Minute länger durchzuhalten.
„Hoffentlich funktioniert das und ich verwandle mich wirklich zurück."
„Es wird funktionieren. Es muss."
„Ich hab dein Blut getrunken." , meine Stimme brach vor Verzweiflung ab.
„Es war aber kein Menschenblut." , hauchte Vlad so überzeugend wie möglich.
„Ich könnte es noch einmal tun. Etwas von deinem Blut trinken." Ich versuchte mich aufzurichten, doch Vlad drückte mich kraftvoll zurück.
„Nein Mina."
„Noch 3 Stunden" ...
„2,5 Stunden."
Eine Hitze überfiel meinen gesamten Körper. Brennend heißes Feuer kroch zäh durch meine Venen. Ich musst etwas trinken!!! Vlad gab mir Wasser ... Ich spuckte es aus ...
„2 Stunden noch. Mina du schaffst es."
Vlad saß nun aufrecht vor mir und ließ meine Hand nicht mehr los. Ich roch seine Angst. Hörte jedes noch so kleine Keuchen seines Körpers, obwohl er ein Vampir war ...
„Noch eine Stunde Mina. Wir haben es fast geschafft." Erleichterung durchfuhr mich kurz, doch wurde diese sofort von dem fiesen Brennen und Stechen meines Körpers zu nichte gemacht. Ich konnte nicht mehr! Aber ich musste durchhalten!!!
Vlad sah so schrecklich aus, wie ich mich fühlte. Angst und Sorge zeichneten sein Gesicht und er sah auf eine Weise fertig aus, wie ich es noch nicht gesehen hatte ...
Es war nur noch eine halbe Stunde, die ich durchhalten musste, als es passierte ... Wir hörten einen schrecklich lauten Knall und plötzlich Schreie, die durch das Fenster hineinwehten. Stimmen schrien wild durcheinander. Noch ein Knall ertönte.
Ich nahm die Geräusche nur am Rande wahr. Der Duft frischen Blutes ließ mich augenblicklich erzittern und bevor Vlad auch nur einen Handschlag tätigen konnte, war ich ihm entkommen und zur Tür hinaus. Geleitet von dem Durst der Dunkelheit.
Vlad
„Mina nicht!!!" , schrie ich ihr hinterher, doch es nutze nichts, sie war bereits durch den Flur und hatte die Haustür erreicht. So schnell es ging öffnete ich die Jalousien des Fensters und blickte auf die Straße, die nur noch vom schwachen Lichtschein der Straßenlaternen beleuchtet wurde.
Unter einer dieser Lampen hatte sich das Szenario scheinbar abgespielt. Ein Auto war von der Fahrbahn abgekommen und hatte wohl einen armen Fußgänger erwischt, der gerade einen Nachtspaziergang tätigte. Eine beachtliche Blutlache war auf den Gehweg gesickert und auch der Fahrer des Kleinwagen war tot. Kein Herzschlag war mehr zu hören. In weiter Ferne hörte ich bereits das Martinshorn, welches den Krankenwagen und sicherlich auch gleich die Polizei ankündigte.
„Mina!" , rief ich nochmal, doch sie ignorierte mich und kurz sah ich zu, wie sie sich langsam der Unfallstelle nährte. Verdammt! Sie musste doch bloß noch 20 Minuten durchhalten!!!
Ich sprang aus dem Fenster, lief über die Straße und blieb wenige Meter von ihr entfernt stehen. Ihr Gesicht hatte sich bereits verändert, es war die Fratze eines Vampirs im Blutrausch.
„Mina ... nicht." , hauchte ich bloß. Ich konnte sie nicht angreifen.
Keine fünf Meter trennten sie mehr von der Blutlache und den Unfallopfern. Ein Gedanke durchfuhr mich. Ein Teil in mir wollte sie einfach machen lassen, wollte das sie ewig lebte und mit mir zusammen blieb. Doch der andere Teil dachte an ihre Verletzbarkeit und an Williams dreckige Visage. Mina wollte nicht so leben, sie hasste es! Ich musste sie schützen! Kurz bevor sie das Blut erreichte stürzte ich mich mit aller Kraft auf sie. So zart und klein wie sie war, überwältigte ich sie und rang sie zu Boden, doch der Blutrausch und die neu gewonnenen Vampirkräfte waren noch unkontrolliert und ungezügelt. Ich hielt ihre Hände am Boden, setzte mich auf sie und drückte sie mit aller Kraft die ich aufbringen konnte, nach unten. Mina fauchte und wandte sich unter mir.
„Mina! Bitte hör auf!" , schrie ich. Das Martinshorn kam näher. Gleich würden hier einige Helfer herumlaufen und Mina würde wahrscheinlich durchdrehen. Ein rascher Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass sie noch 15 Minuten durchhalten musste! Nein ... wir mussten durchhalten. Doch Mina nutze die kurze Ablenkung und verpasste mir einen heftigen Tritt, der mich kurz außer Gefecht setzte. Sie hechtete weiter zu der Leiche.
„Mina!" , wieder schrie ich, doch es schien sie nicht zu erreichen. In letzter Sekunde erreichte ich ihren Arm und zerrte sie zurück. Wütend und voller Hass in den kalten toten Augen, sah sie mich an.
„Lass mich." , zischte sie giftig und beinahe hätte ich sie vor Schreck losgelassen.
„Nein." , sagte ich bestimmend. Noch 10 Minuten ... Mina wehrte sich.
Sie kratzte und riss an meinem Arm. Sie trat nach mir und beschimpfte mich, doch ich behielt die Oberhand. Ich hielt sie fest.
Noch 5 Minuten ...
Plötzlich spürte ich einen Lufthauch hinter mir. Noch bevor ich mich umwenden konnte, riss mich etwas kraftvoll zurück und hielt mich im Würgegriff fest. Mein Griff um Mina wurde schwächer und sie drohte mir zu entgleiten, doch ich konnte mich nicht rühren.
„Du hast es nicht anders gewollt. Du hast es nicht anders verdient. Dracula." , zischte mir William von hinten ins Ohr und zerrte an mir.
Noch 3 Minuten ...
„Lass mich los. Bitte William. Das darf nicht passieren."
„Oh, aber es wird passieren." , William lachte laut auf und in diesem Augenblick riss Mina sich los und setzte auf die leblosen Körper zu, die blutgetränkt an der Straße lagen und sie in ihr neues Leben einluden.
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