Kapitel 17 ~ In letzter Sekunde


Ich wusste nicht wie viel Blut nötig war um einen Vampir zu retten. Ich stach fest mit der Glasscherbe zu, bis ich auf etwas hartes stieß. Das musste mein Knochen sein, dachte ich mir und biss mir auf die Unterlippe. Schmerz verspürte ich keinen, nur die Sorge, mein Plan könne nicht funktionieren. So tief wie es ging und mit fahriger Hand, zog ich das Glas durch mein Fleisch und durchtrennte Sehnen und Haut, bis eine etwa zehn Zentimeter große Wunde an meinem Unterarm entlang klaffte. Blut lief in rauen Mengen, heiß und zähflüssig, meinen Arm herab, über die Hand und tropfte schließlich auf die leblosen Lippen Vlads.

Die Glasscherbe hielt ich noch immer fest in der anderen Hand und schnitt mir mit den Kanten in die Haut, als ich mich auf dem Boden abstütze, um mich näher über Vlad zu beugen.

Noch immer zeigte er keinerlei Regung, meine Hoffnung, das mein Plan funktionieren würde, sank und ein betäubend grausamer Schmerz stach durch meinen Arm. Immer mehr meines Blutes floss über meine Finger auf Vlad herab und vermischte sich mit seinem eigenen Blut, welches aus der Wunde am Hals sickerte.

„Vlad." , flüsterte ich mit erstickter Stimme, doch ich hatte keine Kraft um mehr zu sagen. Schwindel überkam mich und ich spürte ganz deutlich, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde.

„Vlad." , keuchte ich ein weiteres Mal verzweifelt und ließ schwach meinen Kopf sinken. Meine Knie gaben nach und auch mein Arm konnte mich nicht mehr aufrecht halten. Schlaff sank ich über Vlad zusammen. Mein Atem ging schnell, doch ich hatte das Gefühl keine Luft zu bekommen. Immer noch rann das Blut über meinen Arm, immer mehr der roten Flüssigkeit verbreitete sich auf dem Teppich und über Vlads Körper.

Meine Augen wurden schwer und ein greller Piepton durchzog meinen Kopf, bis auch dieser verstummte und ich schließlich nicht einmal mehr meine Augen offen halten konnte.

Ich hatte mich selbst umgebracht. Mein Plan ihn zu retten war gescheitert ... Es war eine dumme Idee gewesen. Selbst wenn er aufgewacht wäre ... Wäre ich zu stark verletzt gewesen...

Dunkelheit, Kälte und Schwindel übermannten mich und ein letztes Mal seufzte ich seinen Namen, bevor ich fiel.


Vlad


„Vlad." , hörte ich ihre Stimme in weiter Ferne flüstern. Blut ... Ich roch Blut ...

Mein Körper schmerzte und ich spürte, dass ich ohne menschliches Blut nicht weiter existieren konnte.

„Vlad." , ihre Stimme klang schmerzerfüllt und schwach ... Etwas tropfte in meinen Mund, bevor ich einen warmen Körper auf meinem spürte. Es kostete mich alles an Kraft, den Mund zu schließen und das Blut hinunterzuschlucken.

Kaum gelangte es in meinen Kreislauf, verspürte ich neue Energie und so etwas wie Leben in mir aufkeimen. Ich hatte es geschafft, ich war nicht gestorben. Eine verzweifelte Gier überkam mich. Menschenblut ... Ich hatte so lange keines mehr getrunken ...

Schlagartig öffnete ich die Augen und blickte an die Decke meines Wohnzimmers. Ich wusste wer mir das angetan hatte ... „William" , zischte ich und richtete mich auf, ohne dem auf mir liegenden Körper Beachtung zu schenken, der an mit herabglitt. Meine Hand führte ich zu meinem Hals, da war noch immer eine Wunde, doch sie verheilte bereits. Das Blut tat seine Wirkung.

Ich wollte aufstehen, stieß jedoch erneut gegen den leblosen Körper. Endlich richtete ich meinen Blick auf diesen ...

Auf meinen Beinen zusammengesackt und kaum noch atmend lag Mina. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, was sie getan hatte, als ich ihren Unterarm sah, aus dem noch immer frisches Blut quoll.

„Mina!" , brachte ich entgeistert hervor. Ich spürte sofort, wie sich mein Durst nach Blut kontrollieren ließ und ich bloß noch ein einziges Ziel hatte: Ihr Leben zu retten!


Mina


Alles was ich spürte waren unerträgliche Schmerzen, von denen ich nicht einmal sagen konnte, wo sie herkamen, oder an welcher Stelle meines Körper ihr Auslöser lag.

Alles tat weh ... alles ...

Um mich herum gab es nichts. Ich war schwerelos in der Dunkelheit, die mich vollkommen umgab und niemals wieder loslassen würde.

Dann hörte es auf. Alles hörte auf zu existieren ... Der Schmerz, die Schwerelosigkeit, die Dunkelheit. Da war nichts mehr. Einfach nichts. Ich war wie betäubt.

Ich versuchte mich an etwas zu erinnern ... Das erste was mir einfiel war meine Name ... Mina ... wie Mirena ...

Dann sah ich grüne Augen vor meinen ... sie hatten einen alles durchdringenden Blick, mit dem sie mich fixierten. Vlad ...


Vlad


Nachdem ich den Ärzten mehrfach erklärt hatte, dass Mina nicht versucht hatte sich umzubringen, sonder auf meinen Glastisch gefallen war, ließen sie mich endlich in Ruhe ...

„Sie haben sie gestoßen!?" , fragte eine besonders mutige Ärztin und seufzend erklärte ich auch ihr die ganze scheiß ausgedachte Geschichte.

- Mina kam zu mir, wir unterhielten uns und sie erzählte mir von einer Freundin, mit der sie Streit hatte ... Sie war so aufgebracht, dass sie nicht hinsah und über meine Whiskeyflasche stolperte ... Dann war da der Tisch ... -

Keine gute Geschichte, aber sie glaubten mir, was definitiv besser für ihr Leben war ...

Wie in Trance blickte ich auf meine Hände, an denen noch immer Blut klebte. Mein eigenes und das von Mina ... Mein Hemd war getränkt, doch ich hielt es für unnötig und irrsinnig mich jetzt darum zu kümmern. Minas Leben war jetzt das wichtigste.

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und mein Durst nach menschlichen Blut machte mir den Aufenthalt in einem Krankenhaus nicht gerade leichter! Überall waren verwundete Menschen und Blutkonserven ...

Es kostete mich einiges an Kraft und Willensstärke hier zu bleiben ... Doch ich musste wissen, wie es um Mina stand.

Nachdem ich sie in die Notaufnahme gebracht hatte, wurde sie in den OP-Saal gebracht. Ihr Arm musste behandelt werden, es waren Splitter vom Glas in ihrem Knochen. Sie hatte wirklich alles gegeben um mich zurückzuholen ...

Oh Mina." , seufzte ich leise und legte mein Gesicht in meinen Händen ab. Ich wartete nun schon seit einer geschlagenen Stunde vor dem OP-Saal darauf, dass ich endlich eine Auskunft bekommen würde, doch keiner dieser ach so wichtigen Ärzte schien etwas zu wissen, oder sagen zu wollen.

„Herr ... ähm, Vlad?" , hörte ich eine männliche Stimme hinter mir und ich drehte mich sofort auf dem Absatz um.

„Ja. Was gibt es? Wie geht es Mina?" , fragte ich den zierlichen, jungen Arzt, der unsicher vor mir stand und an seinen Fingern herumknetete.

„Sie wird überleben." , sagte er bloß und schenkte mir ein Lächeln, welches ich gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte.

„Und weiter? Was ist mit ihr? Wann wacht sie auf? Wie schlimm sind die Schmerzen?" , brummte ich ihn an und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich war nie gut in Aggressionsbewältigung und dieser Kerl machte mich aggressiv mit seinen Gestammel!

„Sie hat eine Unmenge an Blut verloren. Sie wird einige Zeit brauchen um wieder gesund zu werden. Hab noch nie gesehen, dass jemand so hinfällt." , sagte er mit Nachdruck.

„Einmal ist immer das erste Mal." , fauchte ich ihn an. „Wann kann ich zu ihr?"

„Sie ist gerade raus aus dem OP. Ich denke in einer halben Stunde wird sie auf ihrem Zimmer sein. Am besten sie wenden sich dann an eine der Schwestern auf Station 3." , mit diesen Worten drehte sich der Arzt auf dem Absatz um und ging mit hüpfenden Schritten den Gang entlang und um die nächste Kurve.

Station 3 also ...

Keine zwanzig Minuten später machte ich mich auf den Weg zu Station 3. Ich hatte ein unwohles Gefühl dabei, denn ich wusste genau, dass es ihre Station war, ihr Arbeitsplatz, auf dem sie nun dank mir selbst lag und gepflegt werden musste. Doch trotz all der Trauer, Wut, Angst und Sorge empfand ich einen winzig kleinen Teil von Glück und Stolz ... Mina hatte ihr Leben riskiert um meines zu bewahren ... Auch wenn ich so etwas niemals von ihr verlangen würde und keinesfalls ihr Blut trinken wollte, sie musste eine Menge für mich empfinden, um so zu handeln ...

„Ich möchte bitte zu Mina. Sie wurde eben operiert." , sagte ich an die nächste beste Schwester auf Station 3 gewandt.

„Wer sind sie?" , fragte die alte Frau mich giftig. Mein Gott ...

„Ihr Freund."

„Haben sie ihr das angetan? Unserer Mina?" , fragte sie und ihre kleinen, wässrigen Augen traten deutlich hervor.

„Nein. Natürlich nicht. Wo ist sie?" , fragte ich ruhig und beherrscht.

„Das werde ich nicht verraten." , sagte die Alte und reizte meine Geduld beinahe aus.

Doch zum Glück hörte ich eine vertraute Stimme aus dem Schwesternzimmer dringen und im nächsten Moment kam Lana über den Flur geeilt.

„Vlad. Ich wusste doch das ich deine Stimme gehört habe." , sagte sie freudestrahlend und legte betont freundschaftlich ihren Arm auf meinen.

„Komm ich bringe dich zu ihr." Lana bedeutete mir, mit ihr mitzugehen und ich ließ mich über den Flur geleiten, nicht ohne der Alten einen letzten Blick zuzuwerfen, den sie nicht minder giftig erwiderte.

„Wer war die denn?" , murmelte ich Lana zu.

„Unsere Granny. Sie ist hier Schwester seit zich Jahren und hütet uns wie ihre Enkel. Eigentlich ist sie sehr lieb. Kocht immer Kakao und so etwas für die Pausen." , erklärte mir Lana und blieb schließlich vor eine großen, weißen Tür stehen, auf der eine schwarze 5 geklebt war.

„Hier ist sie. Sie hat den Mitarbeiterbonus und dadurch ein Einzelzimmer." , scherzte Lana und zwinkerte mir zu, bevor ihr Blick ernster wurde.

„Ihr Wunde war extrem tief und es war so viel Blut... Vlad, was ist passiert?" , flüsterte Lana mir nun zu und sah sich vorsichtig um.

„Das muss sie dir selbst erzählen." , flüsterte ich und blickte ihr vielsagend in die Augen. Ich mochte sie. Sie war eine gute Freundin für Mina und sie machte keinen riesen Aufriss um mich, obwohl sie Bescheid wusste.

„In Ordnung. Ich bin ja öfter mal hier." , sagte sie zwinkernd und wandte sich schließlich von mir ab.

Nervös sah ich ihr nach, bis ich endlich die Türklinke drückte und in Minas Zimmer ging.

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