Kapitel 08 ~ Zu spät zum Weglaufen

Die gesamte folgende Woche hörte und sah ich nichts mehr von Vlad, doch ließ mich das unheimliche Gefühl nicht los, dass er trotz dessen in meiner Nähe zu sein schien. Ich arbeitete viel und hart, um mich auf andere Gedanken zu bringen, was mir tagsüber auch wirklich gut gelang.

Nachts verfolgten mich noch immer Alpträume, doch hatten diese sich verändert und waren längst nicht mehr mit solch Schrecken und Grauen erfüllt wie zu Anfang. Den Fledermausanhänger hatte ich an meinem Haustürschlüssel angebracht und jedes mal wenn ich diesen in der Hand hatte, fand ein Lächeln den Weg auf meine Lippen.

Am Freitagnachmittag, nach Feierabend, ich war gerade auf dem Weg zu meinem Auto, sprach mich eine Kollegin an, mit der ich mich sehr gut verstand und sie fragte, ob wir abends noch etwas Trinken gehen wollten. Ich stimmte zu, froh über jede weitere Ablenkung.

Und so kam es, dass ich mit Lana, an einem Freitagabend, in einer kleinen Bar nahe meiner Wohnung saß und Cola trank, denn vom Alkohol hatte ich erst einmal genug gehabt.

„Ist alles in Ordnung bei dir, Mina? Du wirkst in letzter Zeit so nervös." , fragte mich meine Kollegin, nachdem wir bereits einige Zeit in der Bar verbracht hatten.

„Ich? Nein. Bei mir ist alles in Ordnung." , sagte ich etwas zu schnell und ohne Lana dabei in die Augen zu sehen. Ich wollte ihr nichts erzählen, konnte nichts sagen, ohne das sie mich für verrückt erklären würde. Und wer auf dieser guten Erde hätte mir bitte geglaubt, dass ich einem Vampir begegnet war? Denn da war ich mir sicher, er musste ein Vampir sein ... oder wenigstens so verrückt und sich für einen halten ...

„Na schön. Aber wenn dich etwas bedrückt, du darfst gerne zu mir kommen. Ich weiß ja, dass du hier noch nicht so viele Leute kennst, weil du noch nicht lange in Hamburg wohnst."

„Ja. Das ist lieb von dir. Danke Lana." , sagte ich matt, doch erzählen wollte ich ihr trotzdem erst mal nichts.

Der Abend verlief ganz unkompliziert weiter und wir hatten uns wirklich eine Menge netter Dinge zu erzählen. Lana wurde mir immer sympathischer und ich freute mich, dass ich mich dazu entschieden hatte mit ihr her zu kommen.

„Hast du eigentlich einen Freund?" , wollte Lana plötzlich wissen, nachdem sie mir von ihrem Chris erzählt hatte.

„Einen Freund? Nein. Ich habe hier wohl noch niemanden kennengelernt, der zu mir passen könnte." , sagte ich und musste sofort an Vlad denken. Wie von selbst glitt meine Hand in die Seitentasche meiner Lederjacke und umschloss den silbernen Anhänger an meinem Schlüssel.

„Das ist aber schade. Ich kann mich ja mal umhören. Chris hat einige nette Freunde. Vielleicht können wir uns ja mal mit denen treffen." , Lana schien dieses Thema richtig spannend zu finden, denn ihre Stimme sprang sofort einige Oktaven hör, als sie mir von einigen der Freunde erzählte.

„ ... dann sind da noch Tony, Richard, Aidan, Dean ..." , zählte sie einige der Namen auf.

„Aidan und Dean? War der eine von den beiden kürzlich bei uns im Krankenhaus?" , fragte ich und musste mir ein Lachen verkneifen. Solch einen Zufall konnte es nicht geben.

„Ja genau. Dean war wegen seinem Magen kurz bei uns. Du weißt davon? Ist doch gar nicht deine Station, oder?" , fragte sie erstaunt.

„Mhm? Nee. Ich hab die beiden auf dem Parkplatz kennengelernt." , gab ich zu. Lana's Laune besserte sich sofort noch mehr und freudestrahlend sah sie mich an.

„Ach dann bist du meine Kollegin von der Aidan so geschwärmt hatte. Sag das doch!" , freudig klatschte sie sich in die Hände. „Das wird super." , feixte sie und lächelte. Langsam machte sie mir Angst ...

Nachdem wir noch zwei weitere Stunden in der Bar verbrachten und Lana mir ausgiebigen Bericht über Aidan erstattet hatte, verabschiedeten wir uns voneinander und beschlossen, öfter mal etwas mit einander zu unternehmen. „Dann aber mit Aidan, hörst du!?" , rief sie mir noch zu, als sie in das Taxi stieg und losfuhr. „Ja ja." , sagte ich und lächelte dabei. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Aidan noch etwas von mir wollte und ich konnte mir auch nicht vorstellen, etwas von ihm zu wollen, solange Vlad noch in meinem Kopf herumspukte.

Und dennoch ging ich gut gelaunt den Weg zurück zu meiner Wohnung. Ich hatte mich bewusst gegen ein Taxi entschieden, da die Bar tatsächlich bloß drei Straßen von meinem Zuhause entfernt war. Das Geld konnte ich mir sparen.

Schnell ließ ich die viel befahrene Straße hinter mir und bog in die kleine Seitengasse ein, die mich zu meiner Wohnung führen sollte. So mutig wie ich zwar immer war, die Dunkelheit machte mir schon ein wenig Angst.

Ich beschleunigte meine Schritte, um so schnell wie möglich an mein Ziel zu gelangen, dann hörte ich plötzlich Schritte hinter mir. Schnelle, schwere Schritte. Ohne mich umzusehen setzte ich zum Laufen an und bog mit schneller Geschwindigkeit um die Ecke. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich wollte bloß noch eines, heile nach hause kommen. Warum hatte ich nicht einfach auch in dieses Taxi steigen können!?

Die Schritte entfernten sich, doch ich selbst wurde nicht langsamer. Eilig bog ich um die nächste Ecke und somit in meine Straße ein. Es war dunkel und viel erkannte ich nicht, da einige der Laternen ausgefallen war. Als ich um die Ecke lief, stieß ich plötzlich gegen etwas hartes.

Schaudernd blickte ich hinauf und erschrak im ersten Moment sehr, denn ich sah in die tief grünen Augen, die mir so bekannt waren.

„Vlad." , keuchte ich außer Atem. „Du hast mich erschreckt. Da war jemand hinter mir" , japste ich weiter und hielt mir angestrengt die Seiten, die begannen zu stechen.

„Du solltest nicht allein in der Dunkelheit sein." , sagte Vlad mit tiefer Stimme und sah mich stirnrunzelnd an. Sofort kamen mir wieder die Bilder in den Sinn, die mich jede Nacht verfolgten. Sofort sah ich wieder diese Fratze vor mir ...

„Ja ... ich ... ich wollte kein Taxi nehmen. Es war nicht weit." , begann ich, ohne zu wissen weshalb ich mich gerade rechtfertigte.

„Weit genug." , war seine Antwort und noch immer wandte er seinen Blick in keinerlei Weise von mir ab. „Ja ... also ... Vlad..." , begann ich, doch ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Er machte mir Angst und es ärgerte mich, dass ich ihn wieder traf, hatte ich ihn doch gerade für einige Stunden so gut wie aus meinem Kopf verbannt.

„Ja, Mina?" , fragte er. Seine grünen Augen ließen mich erschaudern, doch auch ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden.

„Ich öhm ... danke für den Anhänger." , flüsterte ich, nicht im Stande etwas halbwegs Vernünftiges zu sagen.

„Gern. Ich hoffe er gefällt dir."

„Sehr, ja." , sagte ich und lächelte nun doch. „Erzählst du mir, was los ist?" , fragte ich ihn nun endlich, nachdem ich all meinen Mut zusammengenommen hatte und das war wahrlich nicht mehr besonders viel.

„Ich kann nicht. Nicht alles." , sagte er und wieder hörte ich eine gewisse Trauer aus seiner Stimme heraus. „Aber ... etwas?" , fragte ich leise nach und er nickte kaum merklich.

Und auch wenn das, was ich dort tat, gegen alles sprach, was man Vernunft nannte, nahm ich Vlad's kalte Hand in meine und führte ihn, ohne ein weiteres Wort zu meiner Wohnung und lies ihn hinein.


„Warum tust du das?" , fragte Vlad mich nachdem wir uns auf das Sofa gesetzt und uns einige Zeit lang angestarrt hatten.

„Was tue ich denn?" , fragte ich verwirrt.

„Mich zu dir holen ... nachdem ich ... naja ... nach unserem letzten Treffen.", sagte er, ohne mich dabei anzusehen.

„Ich möchte gerne wissen, was los ist. Und ich ... naja. Ich kann halt einfach nicht anders." , gab ich kleinlaut zu und sah, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln formten.

„Ich kann dir nicht alles erzählen Mina. Bitte versteh das."

„Was ist mit dir passiert?" , fragte ich noch einmal und dieses mal etwas eindringlicher.

„Mina. Bitte. Nicht." , hauchte er und blickte mir mit seinen dunkler werdenden Augen in meine.

„Was ist mit deinen Augen?" , fragte ich und ein normaler Mensch wäre wahrscheinlich sofort zurückgewichen. Nicht aber ich ... Reglos blieb ich sitzen und beobachtete, wie die wunderschöne Iris seiner grünen Augen sich dunkler und dunkler färbte. Es faszinierte mich aus irgendeinem Grund ... er faszinierte mich. Vorsichtig und langsam beugte ich mich zu ihm vor, um noch genauer hinzusehen, doch er schloss die Augen.

„Lass es mich sehen." , flüsterte ich und legte ihm eine Hand an die Wange. Ich spürte wie sich sein ganzer Körper anspannte und verkrampfte, doch er öffnete erneut seine Augen und sah mich an.

„Mina. Ich bin ein Monster. Glaub mir." , wieder flüsterte er mit rauer Stimme.

„Das glaube ich nicht." , erwiderte ich leise und rückte noch näher an ihn heran, sodass er erneut die Augen schloss. Sein Körper begann zu beben und seine Hände waren zu Fäusten geballt.

„Vlad?" , fragte ich leise.

„Mina. Es ist besser wenn ich gehe. Du bist bei mir nicht sicher." , sagte er und ich konnte deutlich erkennen, dass seine Zähne länger und spitzer wurden. Angst überkam mich, doch ich versuchte ruhig zu bleiben, es ihm nicht zu zeigen.

Plötzlich riss er seine Augen auf und richtete seinen gehetzten Blick auf mich. Sein Gesicht glich wieder dem, meiner Alpträume, doch dieses mal war ich darauf vorbereitet.

„Vlad, bitte beruhige dich." , fiepste ich. Ich konnte nicht verhindern ein Stück zurück zu weichen.

„Du fürchtest dich." , knurrte er mit tiefer Stimme.

„Ja, ich fürchte mich. Aber nicht vor dir selbst, sondern vor dem, was du sein könntest." , versuchte ich so ruhig wie möglich zu sagen. Seine fast schwarzen Augen fixierten jede meiner Bewegungen und ich spürte, wie ich vor Aufregung und Angst zu zittern begann.

Einen Moment noch blickte er mich an, leckte sich mit der Zunge über die Zähne, doch dann bildete sich das schreckliche Gesicht zurück und es war nur noch Vlad der mich ansah.

„Ich könnte dich töten, Mina."

„Aber das wirst du nicht tun." , gab ich zurück.

„Ich hoffe es." , knurrte er und mit einer schnellen, fließenden Bewegung packte er mich am Arm, legte mich mit dem Rücken auf das Sofa und bäumte sich über mir auf.

„Hast du jetzt Angst?" , raunte er und ein Lächeln umspielte dabei seine Lippen.

„Nein."

Blitzschnell beugte er sich zu mir hinab, sodass nur noch wenige Zentimeter zwischen unseren Lippen frei waren.

„Und nun?" , fragte er wieder, doch als Antwort darauf zog ich ihn am Kragen seines schwarzen Shirts zu mir herab und küsste ihn. Ein tiefes, unterschwelliges Knurren drang aus seiner Kehle, bevor er den Kuss verlangend erwiderte. Mein Herz raste und hüpfte vor lauter Adrenalin und Glücksgefühlen.

„Du solltest aber Angst haben." , keuchte er nach einiger Zeit. „Wenn du so weiter machst ..."

Konzentriert schloss er die Augen. Ich sah, wie sich die feinen Äderchen an den Lidern abzeichneten. Es musste ihn einiges an Überwindung kosten und an Selbstbeherrschung.

„Ich habe mich schon als Kind nicht vor Fledermäusen und Vampiren gefürchtet." , sagte ich und berührte mit einer Fingerspitze die Haut unter seinem Auge. Erstaunt blickte er mich an. „Du weist es?" , fragte er.

„Es gab keine andere Erklärung." , gab ich zurück und lächelte. Es war mir ganz egal, was er war und wie er war, Hauptsache er war bei mir.

„Und trotzdem ..."

„Ja, trotzdem." , sagte ich, bevor er seinen Satz zu ende sprechen konnte und küsste ihn erneut.

„Mina, du machst mich wahnsinnig!" , knurrte er und leckte sich mit seiner Zunge über die spitzen Zähne, bevor seine Hände unter meinem Kleid verschwanden ...

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