Kapitel 05 ~ Besitzergreifend
„Du solltest keinen Alkohol trinken, du fährst doch noch.“ , flüsterte ich Vlad zu, als dieser seinen Cocktail entgegen nahm und der Kellnerin dabei ein viel zu freundliches Lächeln schenkte.
„Mach dir darüber keine Gedanken, Mina. Ich bringe dich schon sicher wieder nach hause zurück.“ , flüsterte Vlad zurück und wandte sich mir zu.
„Ihr seid also zusammen hergekommen, ja?“ , fragte Aidan mürrisch. Langsam schien er zu bemerken, dass Vlad nicht einfach ein ganz normaler Freund aus Kindertagen von mir war.
„Ja. Vlad hat sich praktisch auf gezwängt.“ , sagte ich scherzend und lehnte mich über den Tisch zu Aidan hinüber, damit dieser mich trotz der lauten Musik auch gut verstehen konnte.
Genervt rollten Dean und Aidan mit den Augen. „Das glaube ich sofort.“ , sagte Dean und beäugte Vlad etwas genauer, während er an seinem Getränk nippte.
„Oh, ich wollte euch auf keinen Fall stören, doch möchte ich euch lieber gleich von einer herben Enttäuschung bewahren. Es ist nämlich so, dass ihr beide absolut keine Chance bei Mina hättet. Ob ich nun dabei wäre oder eben nicht.“ Wütend schnaubend drehte ich mich zu Vlad um, der ein breites Lächeln auf den Lippen trug und mich musterte.
„Wieso sagst du so etwas?“ , fragte ich schockiert und versuchte nicht auf die perplexen Gesichter der anderen zwei Männer zu achten.
„Weil es so ist.“
„Du bildest dir zu viel ein.“
Einen ganzen Moment lang diskutierte ich mit Vlad, bis er schließlich lächelnd verstummte und mich bloß noch anblickte.
„Du bist wirklich unmöglich.“ , sagte ich und widmete mich wieder Dean und Aidan zu.
„Es tut mir wirklich leid. Ich hätte ihn nicht mitbringen sollen.“ , gab ich leise zu und sah die zwei entschuldigend an. Natürlich wollte ich nichts von den beiden, aber sie waren nett und es hätte ein schöner Abend unter angehenden Freunden werden können. Stattdessen musste ich mich mit Mister Obermacker rumschlagen und seine Blicke ertragen, die mich wahnsinnig machten.
„Ist schon in Ordnung. Lasst uns noch etwas trinken.“ , sagte Dean freudig und fing an zu lachen.
„So ist es sowieso besser. Hättest du dich für einen von uns entschieden, hätten wir uns wahrscheinlich gestritten.“ , gab Aidan zu und schlug Dean kumpelhaft auf die Schulter.
Zufrieden lehnte Vlad sich nach hinten und verschränkte die Arme. Er sollte sich bloß nicht zu sicher sein …
Kurze Zeit später bestellten wir eine weitere Runde Cocktails und irgendwann begann der Alkohol zu wirken. Die Stimmung wurde ausgelassener und die Leute in der Bar begannen zu tanzen.
„Wir sollten auch tanzen!“ , lallte Dean, der gerade an seinem fünften Getränk nippte und große Zustimmung von Aidan bekam.
„Ich kann nicht tanzen.“ , brachte ich gerade noch hervor, doch schon waren Dean und Aidan aufgestanden und zogen mich am Arm mit, in die Mitte der Tanzfläche.
Tollpatschig stolperte ich den beiden nach, der Alkohol hatte heute mehr Wirkung gezeigt als ich dachte. Ich hätte mehr als bloß dieses kleine Stück Pizza essen sollen!
Unsicher begann ich im Takt der Musik meine Hüften zu bewegen und nach ersten, anfänglichen Schwierigkeiten machte es sogar richtig Spaß mit den beiden zu den beklopptesten Liedern zu tanzen. Nachdem der ganze Saal zu „Atemlos“ von Helene Fischer getanzt und gegrölt hatte, Gott wie sehr ich dieses Lied verabscheute, spielte der DJ ein etwas langsameres Stück und viele der Tanzwütigen, zu meist betrunkenen Gäste, verließen die Tanzfläche, um noch mehr Flüssigkeiten aufzunehmen.
„Jetzt bin ich dran.“ , hörte ich plötzlich eine Stimme neben meinem Ohr flüstern. Mit einem beinahe schüchternen Lächeln hielt Vlad mir seine Hand hin und neigte leicht seinen Kopf vor mir. Aidan und Dean verdrehten die Augen und aus dem Augenwinkel sah ich, dass die zwei sich wieder an den Tisch setzten und weitere Getränke bestellten.
„Ich kann wirklich nicht tanzen, Vlad.“ , sagte ich leise, doch schon legte er sanft seine Hand auf meine Hüfte und führte mich willenlos auf die Tanzfläche.
„Du brauchst nicht tanzen zu können, lass dich einfach führen.“ , hauchte er und schon glitten wir zu „Thinking out loud“ von Ed Sheeran, durch die Menge.
„Warum tust du das alles?“ , fragte ich, während ich mich wie von selbst unter seiner Hand bewegte.
„Was meinst du?“ , fragte er betont unschuldig und lächelte bloß.
„Das weißt du genau Vlad. Du tauchst plötzlich auf. Wartest auf mich. Mischt dich in mein Leben ein und …“ , weiter kam ich nicht, denn durch die vielen Drehungen und den Alkohol wurde mir schwindelig.
„Wir sollten an die Luft gehen.“ , sagte Vlad, ohne auf meine Frage zu antworten und führte mich schnell durch die Menge, zur Tür hinaus.
Draußen angekommen genoss ich die kühle Luft auf meinen völlig überhitzen Wangen und schloss die Augen.
„Du solltest weniger trinken, Mina.“ , sagte Vlad und noch immer hielt er meine Hand fest in seiner. Seine Stimme hatte etwas anklagendes an sich, doch ich versuchte es zu ignorieren.
„So viel wars gar nicht.“ , hickste ich und versuchte mich von ihm loszumachen, was mir natürlich nicht gelang und mich nur ins Wanken brachte, sodass er, ganz der höfliche Retter, seine Arme um mich schlang.
„Nein, so viel wars nicht.“ , lachte er und drückte mich näher an sich. Wieder schloss ich meine Augen und verdammt, ich genoss die Nähe zu ihm und jeden noch so kleinen Moment in seinen Armen, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte.
Vorsichtig gingen wir ein kleines Stück um die Ecke und ich lehnte mich gegen die Hauswand, wenige Meter vom Eingang der Bar entfernt. Um uns herum liefen Leute hin und her, ein streitendes Pärchen lief schreiend an uns vorbei und auf der großen Hauptstraße fuhren noch immer eine Menge Autos entlang.
„Ich sollte dich Heim bringen, Mina.“ , sagte Vlad und sah mich an. Eine Hand hatte er in die Tasche seiner dunklen Jeans gesteckt, die andere ruhte plötzlich an der Hauswand, direkt neben meinem Gesicht. „Ja, vielleicht. Aber du hast doch genauso viel getrunken.“ , flüsterte ich und ich war mir nicht sicher ob es die Schuld des Alkohols war, dass mich meine Stimme verließ.
„Mach dir darüber keine Gedanken. Ich werde deine Tasche holen, warte bitte hier.“ , sagte er und schon war er um die Ecke verschwunden. Meine Güte war das wieder peinlich …
Nach kurzer Zeit tauchte Vlad wieder auf, hinter ihm Dean und Aidan, die mich vielsagend angrinsten. Vlad drückte mir meine kleine Tasche in die Hand und schuldbewusst blickte ich zu den anderen beiden. „Tut mir leid, Jungs. So habt ihr euch das sicher nicht vorgestellt.“
„Ach, halb so schlimm, Mina. Wir hatten unseren Spaß und ich denke ihr auch. Können das gern wiederholen.“ , brabbelte Dean munter drauf los und lächelte sein unglaublich breites Strahlemannlächeln.
„Wir gehen jetzt.“ , sagte Vlad bestimmend und blickte abschätzend zu den anderen beiden, während er mich fest am Oberarm packte.
„Ja, ist ja gut. Ist ja nicht so, dass sie dir gehören würde, man.“ , maulte Aidan, als wir gerade an ihm vorbeigingen. Urplötzlich hielt Vlad inne. Sein Griff an meinem Arm wurde fester und begann zu schmerzen. „Vlad, aua, du tust mir weh.“ , sagte ich und versuchte mich loszumachen, doch er löste seinen Griff nicht.
„Es ist besser, wenn ihr euch fernhaltet, Aidan. Geht. Jetzt!“ , knurrend blickte Vlad zu den beiden, sodass ich sein Gesicht nicht mehr sehen konnte, doch ich war mir sicher, dass alle Freundlichkeit verschwunden war.
„Vlad!“ , stieß ich entsetzt aus, denn langsam hatte ich das Gefühl, mein Arm würde absterben, wenn er ihn nicht bald loslassen würde.
„Du hast echt n Problem, man.“ , sagte Aidan, doch die beiden gingen tatsächlich davon. Großartig, dass war sie, die Chance auf neue Bekanntschaften lief geradewegs fort und wollte sehr wahrscheinlich nichts mehr von mir wissen.
„Vlad!“ , schrie ich nun so laut, dass sich die anderen Bargäste vor der Tür zu uns umsahen. Sofort lockerte er seinen Griff und blickte mich wieder an. Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben und ich erschrak bei diesem Anblick.
„Es tut mir leid, Mina. Aber sie können froh sein, dass sie noch leben.“ , raunte er und zog mich, den Weg entlang, zu seinem Wagen. Dort angekommen, ließ er endlich von mir ab und sah mich entschuldigend an. Zitternd blickte ich auf.
„Was kann ich sagen, um mein Benehmen wieder gut zu machen?“ , fragte er leise und sah mich ehrlich traurig an.
„Fahr mich bitte einfach nach hause.“ , antwortete ich ihm und rieb mir die Stelle meines Armes, an der er mich festgehalten hatte. Das würde mindestens einen blauen Fleck geben...
„In Ordnung. Steig ein.“ , sagte er geknickt und hielt mir die große Wagentür auf, sodass ich hineinklettern konnte und mich anschnallte.
„Mina, ich... es...“ , begann er, doch ich wollte von alldem nichts mehr hören.
„Lass gut sein, Vlad.“ , sagte ich und blickte stur aus dem Fenster. Ich mochte ihn. Sehr. Doch heute Abend hatte er es wirklich übertrieben! Ich war nicht einmal mit ihm zusammen und er stellte die höchsten Besitzansprüche und meint mich herumschubsen zu können. Nein, so etwas wollte ich nicht mit mir machen lassen.
Schnell lenkte Vlad seinen Wagen durch den Verkehr und hielt direkt vor meiner Haustür.
„Wir sind da.“ , sagte er leise.
„Das sehe ich.“ , flüsterte ich und löste langsam den Gurt, ohne dem Mann ins Gesicht zu schauen.
„Mina?“
„Vlad?“
„Es tut mir leid. Ich habe versucht mich unter Kontrolle zu kriegen. Ich wollte dir nicht wehtun und ich wollte deine Freunde nicht verschrecken. Jedenfalls nicht so …“
Langsam legte ich meine Hand auf den Türgriff.
„Ich weiß.“ , sagte ich schließlich und stieg aus, ohne ihm noch einmal in die grünen Augen zu blicken. Warum musste ich ausgerechnet an einen solch kranken Kerl geraten!? Warum ich!?
Wütend und traurig zugleich ging ich über die Straße und fingerte in meiner Tasche nach meinem Schlüssel. Als ich ihn endlich gefunden hatte, schaute ich doch noch einmal zu dem großen, schwarzen Wagen, der dort drüber stand und wartete, dass ich das Haus betrat. Seufzend öffnete ich die Tür und ging hinein.
In meiner Wohnung angekommen, warf ich Schuhe und Tasche von mir und ließ mich in meinem Kleid aufs Bett fallen. Der Abend hatte mich in vielerlei Hinsicht geschafft. Vollkommen erschöpft schlief ich ein.
„Mina. Komm zu mir. Mina.“ , wieder hörte ich seine Stimme und öffnete meine Augen. Vor mir stand sein Auto, doch Vlad saß nicht darin. Plötzlich gingen die Scheinwerfer an. Sie blendeten mich. Angst überkam mich und ich lief davon. Unter meinen Füßen verwandelte sich der Asphalt in Schlamm und plötzlich befand ich mich doch wieder in einem Wald. Um mich herum schwärmten Fledermäuse. Sie umkreisten mich. „Hab keine Angst. Mina.“ , hörte ich die Fledermäuse mit seiner dunklen Stimme flüstern.
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