Kapitel 01 ~ My Lady ?
Auf dem Markt angekommen führte mein gewohnter Weg mich zunächst an den großen, üppigen Ständen vorbei, zu einem etwas kleineren Marktstand, der Obst und Gemüse präsentierte.
Bauer Nils verkaufte seine Waren noch selbst und jede Woche unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Er war ein freundlicher, alter Mann und ich mochte es, mich mit ihm zu unterhalten.
„Das macht dann 15 Euro, Liebes.“ , sagte er, nachdem ich einen ganzen Haufen an frischen Waren geordert hatte. „Bloß so wenig?“
„Du bekommst den Lieblingskundenrabatt.“ Nachdem ich dem Bauern doch noch zwanzig Euro angedreht hatte und meine restlichen Besorgungen für die Woche erledigt hatte, schlenderte ich noch etwas über den Marktplatz. Ich mochte das bunte Treiben sehr und die vielen Menschen, die hier einkauften, waren meist sehr freundlich zueinander. Unter freiem Himmel einkaufen war einfach etwas anderes als in einen Supermarkt zu gehen und dort eingepackte Dinge von unbekannten Personen zu kaufen.
Noch eine Runde drehte ich über den Platz, bis mir der Korb zu schwer wurde und ich wohl oder übel feststellen musste, dass Vlad nicht erscheinen würde. Zugeben wollte ich es nicht, aber gehofft hatte ich schon, ihn hier wieder zu treffen. Enttäuscht schlug ich den Weg zu meiner kleinen Wohnung ein und kramte schon unterwegs, in meiner viel zu großen Handtasche, nach meinem Schlüsselbund.
Ich musste mir wirklich langsam mal einen großen Schlüsselanhänger zulegen, damit ich nicht mehr so lang in meiner Tasche herumkramen musste, doch bisher hatte ich es immerzu vergessen, einen zu kaufen. Endlich trafen meine Finger auf den Wohnungsschlüssel und ich zog ihn aus der Tasche heraus.
Seit drei Monaten lebte ich nun hier in Hamburg und die Zeit war wirklich schnell vergangen seitdem ich von Düsseldorf hierher gezogen war, doch mehr Leute als meine neuen Arbeitskollegen im Krankenhaus hatte ich noch nicht kennengelernt. Sie waren allesamt sehr nett und ab und zu trank ich mal mit einer Kollegin etwas in einer der Bars in der Nähe, doch ich fühlte mich zunehmend einsamer.
„Das ändert sich schon noch.“ , hörte ich die Stimme meiner überaus positiv gestimmten Mutter immer wieder durchs Telefon sagen, wenn ich ihr von meinen Sorgen erzählte, doch wirklich aufmuntern taten diese Worte mich nicht.
Etwas verstimmt ging ich die letzten Schritte zu meiner Wohnung, doch plötzlich verspürte ich solch ein komisches Gefühl, als wenn mich jemand beobachten würde...
Vorsichtig und ganz langsam wandte ich mich um und blickte auf die gegenüberliegende Straßenseite, doch niemand war zu sehen. Das unangenehme Gefühl blieb jedoch und etwas ängstlich wandte ich mich meiner Wohnung zu, die nur noch wenige Meter von mir entfernt war. Die wärmende Sonne hatte sich hinter einigen Wolken verzogen und es fröstelte mich sehr.
Entschlossen drehte ich mich wieder um und stand plötzlich vor einem riesigen Mann, der sich breitschultrig vor mir aufbäumte.
„Entschuldige.“ , murmelte ich erschrocken, denn um ein Haar hätte ich ihn angerempelt. Eilig huschte ich an ihm vorbei und versuchte die Panik im Zaum zu halten, die sich gerade auszubreiten versuchte. Ich war einfach zu ängstlich! War doch nichts dabei gewesen. Dieser Mann war wahrscheinlich ein ausgesprochen netter Familienvater oder so etwas.
Ich hatte schon einige weitere Schritte getan und zückte meinen Schlüssel, da vernahm ich diese dunkle, tiefe Stimme, die mir viel zu bekannt vorkam.
„My Lady, ich habe mich zu entschuldigen.“
Ich riss meinen Kopf hoch und blickte den Mann entgeistert an. Ein Lächeln huschte über meine Lippen und auch er sah mich freundlich an. „Vlad? Ich habe Sie gar nicht erkannt.“ , sagte ich verlegen und fummelte an meinen Schlüssel herum. Jetzt da ich vor ihm stand, war ich leider nicht mehr so mutig wie in meinen Träumen und schon spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
„Es ist ja auch schon ein Weilchen her, dass wir uns trafen.“ , hauchte der große, nahezu fremde Mann und setzte in paar Schritte auf mich zu.
„Ja, eine Woche, um genau zu sein.“ , flüsterte ich und verdammt noch eins, ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden!
Seine nicht ganz schulterlangen, nahezu schwarzen Haare hingen ihm leicht ins Gesicht und aus den stechend grünen Augen sah er mich lächelnd an. Seine Kleider waren überwiegend Schwarz und auf eine, mir unerklärliche Weise, strahlte er etwas sehr geheimnisvolles aus. Er machte mich neugierig, oh ja …
„Ich hatte gehofft, Sie heute erneut auf dem Markt anzutreffen.“ , sagte er und kam die letzten paar Schritte auf mich zu. „Nun treffe ich Sie allerdings hier und sehe, Sie haben bereits eingekauft.“
Ein kurzer Blick seinerseits huschte zu dem Korb in meiner Hand, bevor er sich wieder auf mich konzentrierte. „Öhm, ja, also ich … habe bereits eingekauft, richtig.“ , stammelte ich unsicher und hob kurz meinen Korb ein wenig an. Das ich ebenfalls gehofft hatte, ihn auf dem Markt anzutreffen, verschwieg ich lieber.
„Und nun bringen Sie die Waren nach Hause?“ , fragte er wissend. Er machte mich wahnsinnig unsicher mit seinem höflichen Gehabe und ich brachte nichts weiteres zu Stande als ein leichtes Nicken.
„Soll ich Sie begleiten?“ , fragte er nach einem kurzen Moment des Schweigens.
„Ich, also, ich wohne hier.“ , sagte ich und deutete mit einem weiteren Nicken auf meine Haustür, die sich neben uns befand.
„Sie wohnen also hier? Keine gute Gegend für ein solch junges, hübsches Fräulein, wenn Sie mich fragen.“ , sagte er und blickte zu den Fenstern meiner Wohnung hinauf.
Hatte er mich gerade hübsch genannt … ?
„Wie meinen Sie das?“ , fragte ich und sah ebenfalls zu meiner Wohnung hinauf.
„Ich meine es, wie ich es sage. Diese Gegend ist voll von Kriminellen und anderen Leuten, von denen Sie Abstand halten sollten, Mina.“ , flüsterte er beinahe und sah mich eindringlich an. Herrje, diese Augen … und sogar meinen Namen wusste er noch …
„Es ist günstig und ich habe keine Angst.“ , log ich und grinste. Langsam wurde der Korb in meiner linken Hand wirklich schwer, doch ich wollte nicht unfreundlich erscheinen und den Mann abwimmeln.
„Na schön, aber ich würde mich freuen, wenn Sie sich nach einer anderen Bleibe umsehen.“
Verwirrt runzelte ich die Stirn. Ich mochte meine kleine Wohnung im Dachgeschoss und ich mochte es, dass Sie so nahe an der Innenstadt und doch ruhig lag. Niemals würde ich umziehen, bloß weil ein fremder Mann es mir riet.
„Öhm, ja, danke für den Hinweis … ich werde nun nach oben gehen und meine Einkäufe unterbringen. Einen schönen Tag noch, wünsche ich … Vlad.“ , sagte ich zunächst sehr bestimmend, doch je länger ich diesen Mann ansah, desto leiser wurde meine Stimme und zum Schluss hauchte ich seinen Namen bloß noch.
„Den wünsche ich ebenfalls, My Lady.“ , sagte er und neigte den Kopf ein wenig, bevor er nach meiner freien Hand griff und sie zu seinen Lippen führte, die diese jedoch kaum merklich berührten. Seine Augen richtete er auf meine und mein Herz machte einen gewaltigen Sprung, als er mich so ansah. Ein kurzer Schauder überkam mich, seine Hand war eiskalt, doch in mir stieg die Hitze auf.
Dann lies er von mir ab, drehte sich um und ging in Richtung Marktplatz.
Ziemlich verwirrt sah ich ihm noch eine Weile nach und schloss dann endlich die Tür zu meiner Wohnung auf, um hineinzugehen.
Nachdem ich den Einkaufskorb die Treppen hinauf gehievt und meine Wohnung erreicht hatte, setzte ich erst mal einen Kaffee auf.
Dieser Vlad ging mir absolut nicht aus meinem Kopf, doch er hatte so viel merkwürdiges an sich. Er sprach übertrieben förmlich, war höflich und doch jagte er mir einen kalten Schauer über den Rücken, wenn ich an ihn dachte. Noch dazu diese Sache mit meiner Wohnung. Was bildete er sich überhaupt ein, solche Dinge zu sagen? Schließlich kannten wir uns überhaupt nicht.
In Gedanken versunken, nippte ich an meinem Kaffee, während ich, aus dem Fenster starrend, an meinem Küchentisch saß.
Irgendetwas sagte mir, dass ich Vlad nicht zum letzten mal gesehen hatte.
Nach einiger Zeit packte ich dann endlich meine Einkäufe aus und beschloss diesen schönen Frühlingstag mit einem Spaziergang im nahen Stadtpark zu genießen.
Nachdem ich den Tag zu meiner Zufriedenheit mit einem überaus kitschigen Film beendet hatte, ging ich relativ früh zu Bett, da ich am nächsten Morgen die Frühschicht im Krankenhaus übernehmen musste und die Nacht für mich bereits um 4:00 Uhr endete.
Schläfrig lag ich in meinem Bett und blickte zu dem Kippfenster hinaus, welches über meinem Bett in die Wand eingelassen war und mir einen, meist wunderschönen, Blick auf den Sternenhimmel verschaffte.
Das Letzte was ich sah, bevor mich der Schlaf übermannte, war ein riesiger Schwarm Fledermäuse, der vor meinem Fenster hin und her flog, doch ich war zu müde, mich darüber zu wundern.
- „Über die Sehnsucht. Eine Seele verzerrt sich nach der anderen.“
Ganz allein stand ich des Nachts in einem Waldstück, welches mir nicht bekannt vorkam. Plötzlich knirschte es und die Zweige knackten. Ein riesiger Schwarm Fledermäuse flog an mir vorbei und dann zurück, wieder auf mich zu. Erschrocken setzte ich einen Schritt zurück, starrte auf die Tiere, die so schnell und leise wie der Wind auf mich zu kamen, bis ich mit meinem Rücken gegen etwas hartes stieß. Ganz sicher, gegen einen Baum gelaufen zu sein, drehte ich mich um und stand plötzlich vor Vlad. „Was ist los, My Lady?“ , fragte er mit rauer Stimme. „Die Fledermäuse … Ich, hatte … Angst.“ , gab ich zu, wandte mich um, doch der Schwarm war verschwunden. „Sie würden dir niemals etwas antun. Du brauchst keine Angst zu haben.“ , flüsterte Vlad und legte eine Hand auf meine Schulter. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich hörte mein eigenes Blut in meinen Ohren rauschen. Dann verdunkelte sich alles und ich fiel …
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