Kapitel 61
Ashton
Es hatte mich unglaublich viel Überwindung gekostet, Ahilea alleine zu lassen und mich in den Kampf zu stürzen, um meinen Clangefährten zur Seite zu stehen. Ich hoffte einfach, dass Ahilea klug genug war und sich nun in Sicherheit befand. An etwas anderes wollte ich momentan gar nicht denken, da mich der Gedanke, sie könnte noch immer in Gefahr sein, nur unnötig ablenkte. Und ich brauchte jetzt jeden Funken Konzentration, der in mir vorhanden war. Ansonsten würde es ziemlich schlecht für mich aussehen, denn die DeLarias waren starke Gegner. Sehr stark sogar. Zudem waren sie eindeutig in der Überzahl, doch bis jetzt war der Kampf noch ziemlich ausgeglichen.
Es war auch nicht das, was man in erster Linie unter einem Kampf verstand, denn nirgends gab es hier Waffen wie Schwerter oder dergleichen. Es waren auch keine Männer in Rüstungen oder auf Pferden zu sehen. Nein, es waren auch Frauen anwesend und angezogen waren alle in Trainingskleider, die bequem waren und einen nicht zu sehr einengten bei komplizierteren Bewegungen. Hier wurde mit Händen und Füssen, sowie den individuellen Gaben gekämpft. Es war in etwa vergleichbar mit diesen ganzen Kampfsportarten wie Taekwondo, Karate und Jiu Jitsu. Nur um einiges krasser. Immerhin ging es hier um Leben und Tod, das dachten zumindest die meisten. Zu denen ich eindeutig nicht gehörte. Und zwar nicht darum, weil ich das hier nicht ernst nahm, denn das tat ich. Nein, ich machte meine Gegner einfach lieber kampfunfähig, um sie aus dem Weg zu schaffen.
Zudem hatte ich auch schon von Anfang, als mein Vampirdasein begonnen hatte, einen grossen Vorteil gehabt, da ich bereits als Kind Kung Fu gemacht hatte. Zur damaligen Zeit war es in unserer Heimat nicht sehr sicher gewesen und so hatte ich meiner Mutter solange damit in den Ohren gelegen, bis sie mich einen Kurs hatte machen lassen. Und meine Hartnäckigkeit zahlte sich auch heute, gut 200 Jahre später, noch aus.
Ich sah zu Chris herüber und begann, mir einen Weg zu ihm freizukämpfen, was gar nicht so einfach war. Kaum hatte ich einen Gegner ausgeschaltet, nahm auch schon der Nächste dessen nun freien Platz ein. Wütend attackierte ich einen Vampir in meinem Alter mit meinen Fäusten. Ich konnte von Glück sagen, dass dieser Vampir anscheinend über keine ihm hilfreiche Gabe verfügte und ich ihn so mit einigen brutalen Schlägen ziemlich schnell ins Jenseits befördert hatte. Und zwar, in dem ich ihm zuerst mit einem fiesen linken Haken die Nase brach, wobei ein widerliches Knirschen erklungen war. Danach setzte ich ihn mit einem gezielten Schlag in den Nacken ausser Gefecht. Ich hielt nicht viel vom Töten, daher vermied ich es so gut wie möglich. Klar, manchmal ging es nicht anders, aber ich hasste es, mir deutlich unterlegene Gegner zu ermorden.
Endlich hatte ich Chris erreicht. Mein bester Freund war gerade dabei, gegen drei Gegner gleichzeitig zu kämpfen und es sah ganz so aus, als könnte er meine Hilfe gut gebrauchen. Chris war zwar gut, aber es mangelte ihm an meiner Stärke und auch mit meiner antrainierten Schnelligkeit konnte er es nicht aufnehmen. Während ich also mit blosser Muskelkraft auf die Gegner eindrosch und sie so zu Fall brachte, nutzte Chris seine besondere Kraft, die Teleportation. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mich ebenfalls teleportieren, doch Gestaltwandel war ebenfalls sehr nützlich. Allerding verlangte es mir viel Kraft ab, und das war in einem entscheidenden Kampf von Nachteil. Daher wollte ich es erste einsetzen, wenn mir gar keine andere Wahl mehr blieb.
Ich spähte wieder zu Chris, der gerade den zweiten Gegner erledigt hatte. Gestern war er zu mir gekommen und hatte mir gestanden, dass er Rose alles erzählt hatte. Zuerst war nicht gerade begeistert davon gewesen, doch es war seine Entscheidung gewesen und nicht die meine. Er würde aber ganz bestimmt noch Ärger erhalten und Dad wird ihn höchst wahrscheinlich für seinen Leichtsinn bestrafen. Das und dafür, das er gegen eine der wichtigsten Regeln verstossen hatte. Trotzdem konnte ich Chris auch verstehen, vor allem, sollte er dasselbe empfinden, wenn er Rose ansah, wie ich es bei Ahilea tat.
Eigentlich hatte er mir gesagt, dass er den heutigen Tag mit ihr verbringen wollte, daher nahm ich an, dass sich Rose irgendwo hier auf unserem Anwesen befand, da ja auch Chris hier wohnte. Er hatte, im Gegensatz zu mir, nie darauf bestanden, adoptiert und somit Teil einer Familie zu werden. Daher hatte er von Lukas ein Angebot bekommen, welches er nur schlecht abschlagen konnte. Immerhin konnte er gratis hier leben, was eindeutig besser war, als sich seine Wohnung selbst finanzieren zu müssen. Dafür musste er einfach auch öfters mitanpacken, als andere Clanmitglieder. Aber das schien ihn auch nicht zu stören. Dafür konnte er ja auch ein und ausgehen, wie es ihm beliebte. Und auch diejenigen mitnehmen, die er wollte, wie in diesem Fall Rose, die hier irgendwo sein musste. Ich hoffte schwer, dass auch sie in Sicherheit war, genauso wie Ahilea.
Mehr Zeit zum Nachdenken blieb mir gar nicht, denn schon wurde ich erneut attackiert und zwar diesmal von Hinten. Hier wollte es also jemand auf die hinterhältige Art und Weise angehen. Bitte, konnte er haben! Ich packte seinen Arm und warf ihn über meine Schulter. Mit einem lauten Knall landete er auf dem Boden, stand aber sofort wieder auf. Normalerweise hätte so etwas den Gegner ausgeschalten, zumal ich all meine noch vorhandene Kraft dafür eingesetzt hatte. Der fremde Vampir drehte sich zu mir um und grinste boshaft. Der wirkte ja beinahe so, als würde ihm das Ganze auch noch Spass machen.
Dann wurde mir bewusst, wen ich hier vor mir hatte. Es war Mr DeLaria. Der Anführer des DeLaria-Clans höchstpersönlich und somit auch der Mann, der diesen Kampf angezettelt hatte und derjenige, der Ahilea vor Jahren so schwer verletzt hatte, dass sie gestorben wäre, hätte DeLarias Sohn Peter sie nicht zum Vampir gemacht. Rasender Zorn überkam mich und mit einem Kampfschrei stürzte ich mich erneut auf ihn. Allerdings hatte ich seine Kraft unterschätzt und landete gleich darauf mit einem schmerzhaften Aufprall auf dem Boden. Verdammt, war das schmerzhaft!
«Nicht so stürmisch, Jungchen», lachte DeLaria mich aus. Der besass doch tatsächlich auch noch die Frechheit, zu lachen. In einer solchen Situation! Allerdings war auch er derjenige, der die Schuld dafür trug, Dass es überhaupt so weit gekommen war und jetzt überall Leichen auf der Wiese lagen. Vampire, die nie wieder aufstehen würden, nie wieder das Tageslicht sehen würden. Und es könnten auch meine engsten Verwandten und Freunde unter ihnen sein. Dies gab mir den nötigen Antrieb und mit einem Ächzen stand ich auf, um mich wieder in Angriffsposition zu begeben. Diesmal jedoch wusste ich, dass ich nicht darum herumkommen würde, meine Gabe zu gebrauchen. Und ich hatte auch keine Scheu davor. Im Gegenteil, denn ich war eins mit ihr, so tief verbunden, wie es nur bei wenigen meiner Art der Fall war. Doch bevor ich mich auf ihn stürzen konnte, nahm er mir den mit seinen Worten den Wind aus den Segeln.
«Die kleine Watson bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?», wollte er wissen. Wie erstarrt hielt ich inne. Woher wusste er das? DeLaria schien mir meine Verwirrung anzusehen, denn er fügte erklärend hinzu: «Denkst du echt, wir hätten dich und deinen Clan in den letzten Tagen, in den letzten Wochen, nicht genaustens beobachtet? Wir haben sogar deinen Vater unter einem Vorwand getroffen, um genauer zu erfahren, was bei deinem Clan momentan so läuft. Ihr jungen Leute seid manchmal so naiv.» Dieser Mann war echt gerissen, fuhr es mir durch den Kopf. Und auch echt durchgeknallt.
«Und das alles nur, um Ahilea zurückzubekommen?», fragte ich resigniert. «Deswegen müssen hier und heute Vampire sterben, nur damit ihr ein einziges Mädchen zurückbekommt?» Mr DeLaria schüttelte den Kopf. «Sie ist nicht bloss ein einfaches Mädchen. Sie ist sehr mächtig und könnte für uns eine grosse Gefahr darstellen. Und das können wir nicht riskieren», fügte er erklärend hinzu. Für mich ergab das tatsächlich Sinn, auch wenn es mir nicht passte. «Ausserdem ist Peter geradezu verrückt nach ihr», merkte er noch an, was erneut eine Zorneswelle in mir hochkommen liess. «Er wird sie nicht anrühren!», knurrte ich aggressiv. Doch Mr DeLaria lachte nur. «Was denkst du, macht Peter gerade? Er unterhält sich mit ihr, von Angesicht zu Angesicht.»
Panisch sah ich mich um. Ahilea war auch hier irgendwo? Ich hätte mir ja denken können, dass sie nicht einfach untätig herumsitzen würde. Nein, so war sie nicht. Doch mit Peter DeLaria war nicht zu scherzen, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Er war stark und auch ziemlich schnell, was ihn zu einem gefährlichen Gegner machte, insbesondere für jemanden, der nicht so trainiert war, wie es bei Ahilea der Fall war. Wieder einmal verfluchte ich die Tatsache, dass uns nicht mehr Zeit geblieben war, um Ahilea trainieren zu können.
Mit einem wütenden Knurren stürzte ich mich auf Peters Vater und wechselte im Gleichen die Gestalt. Es dauerte alles nur eine Sekunde, in der ich das angenehme Kribbeln verspürte, so wie es jedes Mal der Fall war, wenn ich von meiner Gabe Gebrauch machte. Ich wurde zu einem riesigen Löwen und verbiss mich in seinem Nacken. Es hatte etwas befriedigendes, meine Zähne tief in ihn zu rammen, so wie er es auch bei Ahiea getan hatte. Er hatte den Angriff nicht kommen sehen und diesen Moment hatte ich zu meinem Vorteil genutzt. Dennoch schüttelte er mich ohne Weiteres ab und ich wurde einige Meter zurückgeschleudert. Erneut ging ich auf ihn los und wischte ihn mit einem Hieb meiner mächtigen Pranken von den Füssen. Noch im selben Moment sprang ich auf ihn drauf und wollte ihm den finalen Schlag verpassen, doch da hörte ich Ahileas durchdringenden Schrei, der nach mir rief. Er klang zu verzweifelt, dass ich abrupt in meinem Vorhaben innehielt.
Sofort liess ich von DeLaria ab. Nur widerwillig löste ich meine Zähne von seinem Nacken und knurrte ihn noch einmal aggressiv und auch warnend an. Er hatte noch einmal Glück gehabt. Ein weiteres Mal würde ich ihn nicht verschonen, doch Ahilea war wichtiger. Ich wandte mich in die Richtung, aus der ich ihren Schrei vernommen hatte und rannte so schnell ich konnte los, schneller als ich es je für möglich gehalten hatte. Doch manchmal war auch das schnellste Tempo nicht schnell genug.
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