Kapitel 58

Ahilea

Befreit lachte ich auf. Es fühlte sich einfach nur so unglaublich gut an, zu wissen, dass auch ich eine Gabe besass. Und was für eine. Niemals hätte ich gedacht, dass mir eine solch mächtige Gabe vergönnt war. Ich hatte einfach nur unfassbar viel Glück gehabt, dessen war ich mir bewusst. Und ich wusste es auch zu schätzen. Da hatte sich die lange Wartezeit allemal gelohnt!

Immer noch lächelnd machten wir uns auf den Rückweg. Ich wollte mir eine heisse Dusche gönnen, um meine angespannten Muskeln zu lösen. Ja, das hatte ich mir jetzt verdient. Immerhin war es nicht gerade einfach gewesen, das alles zu erreichen und es hatte mich fast meine gesamte Energie gekostet. Umso dankbarer war ich Ash auch gewesen, als er kurz verschwunden war und mit je einem Glas Blut für Logan und mich wieder zurückgekehrt war. Wir beide hatten es dringend nötig gehabt. Und gerade auch in Zeiten wie diesen war es wichtig, dass man immer genügend Energiereserven auf Lager hatte. Schliesslich konnte man nie wissen, was auf einen zukam. Das konnte sich von einer Sekunde auf die nächste um 180 Grad drehen.

In meinem Zimmer angekommen, schlüpfte ich aus meiner verschwitzten Kleidung und stand als erstes unter die Dusche. Erlöst seufzte ich auf, als das heisse Wasser über meinen erschöpften Körper floss. Was für eine Wohltat! Meine verkrampften Muskeln lösten sich und ich stand für einige Minuten einfach nur untätig unter dem heissen Strahl, ehe ich mich dazu überwinden konnte, nach dem Shampoo zu greifen, welches Ashley mir geliehen hatte. Das Shampoo verströmte den Duft nach Pfirsich, der Ashley stets anhaftete. Ich atmete ihn tief ein und schloss verzückt die Augen, so herrlich duftete er.

Nur mit einem kurzen grauen Handtuch bekleidet, betrat ich anschliessend das Ankleidezimmer und suchte mir eine schwarze kurze Hose und ein schlichtes dunkelgrünes Shirt heraus. Ich hatte wirklich grosses Glück gehabt, dass die Kleider von Elenas verstorbener Schwester mir fast perfekt passten. Trotzdem war es ein wenig seltsam, die Kleider einer Verstorbenen zu tragen, die ich nicht einmal gekannt hatte. Aber es war besser als nichts. Und ich wollte hier nicht undankbar erscheinen. Denn das war ich ganz bestimmt nicht. Meine Haare liess ich lufttrocknen und somit war ich kurze Zeit später bereit, mich auf den Weg nach unten zu machen, von wo aus mir schon der köstliche Duft von gebratenem Fleisch entgegenwehte. Auf Make-up jeglicher Art hatte ich verzichtet. Ich hätte auch gar nicht gewusst, was ich genau mit den hunderten verschiedensten Produkten anfangen hätte sollen, die ich in einem Badezimmerschrank gefunden hatte. Ich besass nicht Lillians oder Roses geschickte Finger und ihr Talent, ich hatte mir aber auch nie die Mühe gemacht, es zu erlernen. Nein, dafür war es mir nicht wichtig genug erschienen und deshalb nur reine Zeitverschwendung meiner Meinung nach.

Ich war die letzte, die das Speisezimmer betrat und Ash war gerade dabei, seinen Eltern von meiner Gabe zu erzählen. Lächelnd hörten die Beiden ihm zu und sahen mich anschliessend anerkennend an. Lukas prostete mir zu. «Willkommen im Club, Ahilea» Fragend sah ich ihn an. Was genau meinte er damit? «Dad verfügt ebenfalls über Elementarmagie», erklärte Ash mir. Interessiert musterte ich ihn. Lukas nickte bestätigend. «Ich beherrsche das Feuer.», fügte er hinzu. Interessant. Nun wusste ich zumindest, dass ich mich bei offenen Fragen an ihn wenden konnte. Er würde sie mir garantiert am ehesten beantworten können. Ich verspürte grossen Respekt für den Clananführer der Westfalls. Immerhin verfügte er über gleich zwei Gaben, was ihn zu einem sehr ernsten Gegner machte. Zum Glück jedoch nicht für mich, schliesslich gehörte ich jetzt irgendwie zur Familie.

Wir alle stiessen darauf an, dass auch ich endlich meine Gabe gefunden hatten und die Stimmung war ziemlich ausgelassen. Es wurde viel gelacht und auch heute gingen wir erst weit nach Mitternacht ins Bett. Etwas, das ich mir auf keinen Fall angewöhnen sollte, da es meinen schulischen Leistungen bestimmt nicht gut bekam, wenn ich anschliessend immer müde war.

Am nächsten Morgen musste ich alleine mit Ashley zur Schule, da Ashton später da sein musste. Der glückliche. Was hätte ich alles dafür gegeben, länger schlafen zu können. Doch wer Party machen konnte, konnte auch früh aufstehen. Elena begrüsste uns höflich, als wir die Küche betraten. Doch ich murmelte nur ein halbherziges :»morgen» Zu mehr war ich nicht imstande. Um lange Gespräche zu führen hatte ich noch zu wenig Kaffee intus. Elena schien dies ähnlich zu sehen, denn sie reichte mir eine grosse Tasse mit meinem zweiten Lebenselexier. Und zwar mit den Worten: «Trink da, du hast es nötig.» Natürlich hatte ich das, also riss ich ihr die Tasse förmlich aus der Hand, was Ashley und auch Elena grinsen liessen. Sie wussten, dass sie mir meine schlechte Laune morgens nicht übelnehmen durften, immerhin war ich fast immer so. Erst nach der zweiten oder dritten Tasse wurde es langsam besser und ich war schliesslich bereit, mich dem Übel in Form von Schule zu stellen.

Während der Fahrt schwiegen Ashley und ich, da wir ja beide ziemliche Morgenmuffel waren. Insbesondere, wenn wir nicht viel Schlaf bekommen hatten. Doch das konnten wir uns selbst zuschreiben. Wer Party machen konnte, konnte am nächsten Morgen auch früh aufstehen. Mit quietschenden Reifen hielt Ashley vor der Schule an und ich wurde nach Vorne geschleudert. Der Gurt schnitt sich schmerzhaft in meine Haut und ich sah Ashley böse an. Manchmal fuhr sie wie eine Irre, als wäre sie komplett von Sinnen. Hatte sie ihren Führerschein etwa im Lotto gewonnen? Gut möglich war es, wenn sie seit Jahren immer wieder Lose kaufen würde. Was sie aber nicht tat, um das einmal anzumerken.

Aufs Neue ignorierte ich Lillian, sah sie nicht einmal an. Ich wusste, dass es besser so war, auch wenn mein totes Herz danach schrie, zu ihr zu gehen und in ihre Arme zu fallen. Doch ich riss mich zusammen. Ich musste stark sein. Für mich, für Lillian, für Ashton und für beide Clans. Es war das Beste so. Ashley lächelte mir aufmunternd zu und zusammen machten wir uns auf den Weg ins Chemielabor, wo wir heute Frösche sezieren sollten. Igitt!

Die Mittagspause verbrachte ich alleine mit Rose, da alle anderen noch etwas zu erledigen hatten. Oder dies behaupteten sie zumindest. Doch ich wusste genau, dass sie sich diese Ausrede nur hatten einfallen lassen, damit ich mich mit Rose versöhnen konnte, denn seit gestern war die Stimmung zwischen uns ziemlich angespannt. Dies lag daran, dass Rose sehr wohl bewusst war, dass ich sie im Bezug auf Lillian und mich angelogen hatte. Und ich hatte auch immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen. Ich log nicht gerne. Vor allem nicht gegenüber meiner besten Freundin, die selbst immer ehrlich zu mir gewesen war.

Nun sassen wir uns also hier gegenüber und ich brachte es einfach nicht über mich, zu beginnen. Es gab so vieles, dass ich hätte sagen können. Sagen musste. Aber mir viel einfach nicht ein, wie ich es ihr am besten verkaufen konnte, sodass es nicht zu grausam oder erschreckend klang. Abwartend sah Rose mich an, doch als ich den Mund aufmachte und zu einer Erklärung ansetzte, unterbrach sie mich.

«Spar dir weitere Lügen. Ich weiss über euch Bescheid, Chris hat mir alles erzählt.» Meine Augen weiteten sich. Was? Das war strengstens verboten! Chris hatte damit gegen eine unserer wichtigsten Regeln verstossen. «Chris und ich hatten gestern ein Date und da hat er mir alles über sich erzählt», fügte Rose erklärend hinzu, als sie meine Verwirrung bemerkt hatte.

«Du weisst also, dass ich ein.. nun, dass ich ein...» Ich konnte es nicht aussprechen, doch Rose tat mir den Gefallen. «Ein Vampir bist? Dann ja, ich weiss es.» Erleichterung machte sich in mir breit. So lange schon hatte ich ihr davon erzählen wollen und sie schien nicht einmal böse zu sein, geschweige denn hatte sie Angst. Es wirkte fast so, als wäre sie nur neugierig, was ich aber auch gut verstehen konnte. Mir war es schliesslich nicht anders ergangen, als Peter mir damals erzählt hatte, dass er und seine gesamte Familie Vampire waren.

Also sprach ich das aus, was Rose vermutlich von mir hatte hören wollen. «Was willst du von mir wissen?» Es folgte Frage um Frage. Meine Güte, war ich etwa auch so schlimm gewesen, als ich von Peter erfahren hatte, dass es Vampire gab. Die Antwort darauf lautete ganz klar ja. Rose hörte gar nicht mehr auf, sich über das Vampirdasein zu erkundigen. Über meine Ernährung, meine Stärken, meine Verwandlung und auch über meine Gabe. Stolz konnte ich nun erzählen, über welch mächtige und bedeutende Gabe ich verfügte und Roses Augen wurden gross wie Untertassen. «Ist ja cool!», entfuhr es ihr und ich grinste wissend.

Dann jedoch kehrte ich den Spiess um. Schliesslich wollte ich auch noch so einige Dinge erfahren. «Du und Chris, ja? Erzähl mir alles. Ich will jedes noch so kleine Detail erfahren!»

Roses Wangen röteten sich, doch sie kam meiner Aufforderung nach und erzählte ihr, wie Chris sie um ein Date gebeten hatte und sie sich anschliessend noch am selben Tag in einem kleinen Café getroffen hatten. Dort hatte er auch gleich zu Anfang, nachdem sie sich ihre gegenseitigen Gefühle für den jeweils anderen gestanden hatten, reinen Tisch gemacht und ihr alles erzählt. Sie sei zuerst geschockt gewesen, doch dies war laut Roe schnell wieder verschwunden und der Neugier gewichen.

Ich freute mich für sie und ich war auch der Meinung, dass Chris ein guter Kerl war, der eine solch tolle Freundin, wie Rose es war, durchaus verdient hatte und auch gut behandeln würde.

So hatte auch die Mittagspause ziemlich schnell ein Ende gefunden, wenn auch ein gutes. Ich erblickte am anderen Ende der Kantine Ashley und Simon, die mich fragend ansahen. Lächelnd hielt ich hinter Roses Rücken beide Daumen in die Höhe und grinste. Die beiden erwiderten es und gaben sich ein Highfive. Schien ganz so, als steckten sie zusammen unter einer Decke.

Und eines wusste ich ganz gewiss, früher oder später würde ich auch Simon die Wahrheit erzählen, das hatte er verdient. Der richtige Zeitpinkt dafür war nur noch nicht jetzt, aber er würde schon noch früh genug kommen.

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