Kapitel 33
Ahilea
Natürlich war ich auch nicht gerade davon begeistert, Ashton sofort wieder nach Hause zu schicken, aber das Risiko, ihn hierzubehalten, war einfach zu gross. Wir konnten es uns nicht leisten, zusammen mit ihm gesehen zu werden, vor allem ich nicht, nachdem Mr. Night mich gewarnt hatte und mir den Kontakt zu Ashton verboten hatte. Und ich wollte jetzt nichts Blödsinniges machen und somit auch möglicherweise verbannt zu werden. Klar, man hatte mir ja gesagt, dass ich bei den Westfalls jederzeit willkommen war und sie mich auch in ihrem Clan aufnehmen würden, doch ich wusste nicht, ob das auch für meine Schwester galt, denn ich konnte Lillian hier nicht im Stich lassen. Das war etwas, das ich niemals tun würde. Egal, unter welchen Umständen.
Nachdem Ashtons Wagen hinter einer Kurve verschwunden war, blieb ich noch eine Weile stehen, da ich mich nicht dazu überwinden konnte, gleich zurückzukehren und mich der Realität in Form eines Gespräches mit Lillian zu stellen. Einem sehr ernsten Gespräch. Eines von der Sorte, die ich ansonsten lieber vermied. Doch mir war klar, dass es nichts brachte, es hinauszuzögern, ich musste es früher oder später eh führen. Also besser früher, dann hatte ich es schneller hinter mir und wir konnten die ganze Sache vorerst abhaken, wenn auch nur für eine sehr kurze Zeit. In den nächsten Tagen, es konnte sich aber auch nur um Stunden oder Minuten handeln, würde eh einer von Richard Nights Lakaien hier auftauchen. Und dies bereitete mir Angst. Eine ganze Menge Angst. Daher sollte ich besser gleich zur Sache kommen und mit Lil reden.
Daher lief ich eilig zurück ins Wohnzimmer, wo Lillian sich nicht von der Stelle bewegt hatte. Sie sass immer noch mit genau derselben eleganten Haltung auf dem Sessel, wie sie es zuvor schon getan hatte. Einmal mehr beneidete ich meine grosse Schwester für ihre grazile Art. Lil konnte sich auf eine Weise bewegen, wie ich es nie hinkriegen würde, selbst wenn ich mich so sehr anstrengen würde, dass ich Blut schwitzte. «Du magst ihn wirklich sehr, nicht wahr?», fragte sie mich, nachdem ich mich wieder auf dem Sofa niedergelassen hatte, die Beine überkreuzt und mit keinesfalls geradem Rücken, wie es sich eigentlich gehörte. Vermutlich würde ich früher oder später über grauenhafte Rückenschmerzen klagen, so schief wie meine Haltung in letzter Zeit geworden war.
Lillian beobachtete bei jeder meiner Bewegungen genaustens meine Reaktion, sodass ihr auch ja keine Gefühlsregung meinerseits verborgen blieb, als sie mir sagte, dass ich Ash sehr mochte. Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse, widersprach ihr jedoch nicht, da sie recht hatte und sich dessen auch nur zu deutlich bewusst war. «Das habe ich dir doch schon gesagt, Lillian» Das hatte ich in der Tat, weshalb es also auch kein grosses Geheimnis gewesen war. Seufzend liess ich mich weiter zurück auf die Couch fallen und lehnte den Kopf an. Langsam wurde mir alles zu viel. Jetzt erst wurde mir bewusst, wie ruhig mein Leben vor dem allem gewesen war, einmal von meiner Vergangenheit und ihrer Auswirkungen auf die Gegenwart abgesehen. Lillian musterte mich weiterhin und schüttelte den Kopf. «Was hast du bloss angestellt, Ahilea?», sagte sie. Tatsache war, dass ich das selbst nicht so genau wusste. Und das machte die ganze Sache auch nicht einfacher, im Gegenteil, es verkomplizierte sie nur.
Einige Zeit sassen wir einfach nur schweigend nebeneinander, ehe schliesslich Logan kam, um nach uns zu sehen. Lillian hatte ihn anscheinend angerufen, während ich Ash zur Tür begleitet hatte, doch davon hatte ich nichts mitbekommen. Allerdings überraschte mich sein Kommen keineswegs, er gehörte ja beinahe schon zur Familie. Er und Lillian waren schon eine Ewigkeit ein Paar und kannten sich noch viel länger. Von Anfang an hatte Logan gut in unsere Familie hereingepasst und wir hatten ihn freundlich aufgenommen. Meine Eltern waren riesige Fans von ihm, genauso wie ich es war. Daher störte mich seine Anwesenheit jetzt auch nicht.
Logan umarmte mich. «Es ist gut dich zu sehen, Kleine», murmelte in mein Haar und drückte mich fest. Diesen Spitznamen hatte er mir schon ziemlich früh verpasst, aber er passte auch zu mir, da er ebenfalls ein Riese war und mich somit um mehr als einen Kopf überragte. Kurz darauf liess er mich wieder los und ich setzte mich wieder hin, nachdem ich aufgestanden war, um ihn begrüssen zu können. Doch dieses Mal beschlagnahmte ich den Sessel und überliess Lil und Logan die Couch.
Anschliessend liess er sich die ganze Geschichte von Lil und mir noch einmal erzählen und hörte aufmerksam zu. Sobald wir geendet hatten versprach er uns, dass er auf unserer Seite war und uns unterstützen würde. Damit hatte ich schon gerechnet, aber es tat gut, es aus seinem Mund zu hören. Sozusagen nochmal als Bestätigung, um auf Nummer sicher zu gehen. Denn man konnte nie vorsichtig genug sein. Aber auf Logan konnte man eben zählen, denn er war stets für einen da.
Zur Feier des Tages hatten wir uns Pizza bestellt, was etwa einmal im Jahr vorkam, da meine Eltern keine grossen Fans vom Lieferservice waren und wir eigentlich immer selber kochten, vor allem wenn wir Besuch hatten. Meist übernahm dann Lil das Kochen, sie war die beste von uns und liebte es, ihre Familie und vor allem auch Logan mit köstlichen Gerichten zu verwöhnen. In vielen Dingen verhielten wir uns nicht wie gewöhnliche Vampire. Wir assen öfters menschliches Essen, Dad und ich tranken nur Spenderblut, genau wie die Westfalls, wie ich inzwischen herausgefunden hatte. Eine weitere Tatsache, die ganz eindeutig für diese Familie sprach.
Nun sassen wir alle drei mit einer Pizzaschachtel vor dem Fernseher und sahen uns einen Film an. Es handelte sich doch tatsächlich um den ersten «Twilight-Film». Ich war kein besonders grosser Fan von Edward, aber Logan hatte es sich nicht nehmen lassen, diesen Film auszusuchen und zumal heute er dran gewesen war, hatten Lillian und ich absolut keine Chance gehabt, zu protestieren. Nun sah ich also zu, wie Edward Bella aus den Fängen von James rettete. Und ich musste zugeben, dass es doch eigentlich eine ganz romantische Geschichte war. Naja, zumindest soweit, bis Jacob kam und alles zunichte machte im zweiten Film. Ich konnte den Jungen einfach nicht leiden, noch weniger als Edward himself. Andauernd musste er dazwischenfunken und konnte Bella nicht gehen lassen, da er einfach nicht akzeptierte, dass zwischen den Beiden nichts werden kann. Mann, er war echt anstrengend. Dies war auch ein weiterer bedeutender Grund, weshalb ich kein Fan der Reihe war. Daher widmete ich meine Aufmerksamkeit lieber meiner Salamipizza, die ich genüsslich vertilgte.
Wir waren so in den Film vertieft und Edward war gerade dabei, sich im Spital schlafend zu stellen, dass wir alle zusammenzuckten, als es an der Tür klopfte. Ich hatte schon eine ungute Vorahnung, dass es nicht einfach um einen netten Besuch eines Clanmitglieds handelte, sondern um Richard Night persönlich. Und diese Vermutung bestätigte sich, als ich aufgestanden war und die Tür geöffnet hatte, was mich so einiges an Überwindung gekostet hatte. Doch es war meine Sache, ihm entgegenzutreten und nicht Lillians oder Logans. Ein Schwall kalter Luft kam mir entgegen, doch das war nichts im Gegensatz zu dem eisigen Ausdruck auf Mr Nights Antlitz. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus und unwillkürlich machte ich einen Schritt nach hinten, da ich mich bedroht fühlte. Diese Reaktion war reiner Überlebensinstinkt.
«Ahilea Watson, ich verlange eine Erklärung!», donnerte er. Doch als ich den Mund aufmachen wollte, um ihm diese zu geben, fuhr er dazwischen. «Nicht hier und jetzt, sondern morgen um 12:00 in meinem Büro. Und bring deine Schwester mit, hast du verstanden?» Hart blickte er mich an und kniff dabei die Augen leicht zusammen. Eingeschüchtert nickte ich und ehe ich mich versah, war er auch schon wieder verschwunden. Gott, manchmal verfluchte ich diese vampirische Schnelligkeit. Lillian war inzwischen hinter mich getreten und sah mich an, als wolle sie sichergehen, dass ich ok war. Technisch gesehen war ich das auch, schliesslich war ich unverletzt. Zumindest körperlich, mental sah es da ganz anders aus. «Wer war es?», wollte sie leise wissen, wahrscheinlich hatte sie schon eine Ahnung. Ich sah sie nur an und dies schien ihr Antwort genug zu sein.
Genau das, was ich unbedingt hatte verhindern wollen, war nun doch geschehen. Lillian wurde in die ganze Sache hineingezogen, obwohl sie gar nichts damit zu tun hatte. Es waren alles meine eigenen Entscheidungen und diejenigen von Ash gewesen, und ganz bestimmt nicht ihre. Wir sahen uns lange an und wir beide wussten, dass vom morgigen Tag und dem Verlauf dieses einen Gespräches viel abhängen würde.
Und wir sollten Recht behalten.
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