Kapitel 14

Ashton

Nachdem ich Ahileas Zusage, sich mit mir zu treffen, erhalten hatte, machte ich mich sofort auf den Weg. Ahilea hatte Recht, irgendetwas stimmte hier nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Richard Night es einfach dabei belassen würde, dass Ahilea den Kontakt zu uns abbrach. Dafür war die Sache zu ernst. Ich kannte das Oberhaupt von Ahileas Clan zwar nur vom Sehen, aber diesen Mann durfte man nicht unterschätzen, das war mir klar. Ich hatte schon öfters den Fehler begangen, etwas zu leichtfertig für unwichtig zu befinden und hatte daraus gelernt. Und zwar nicht gerade auf die sanfte Tour.

Ich betrat das Café, welches an diesem frühen Montagabend recht voll war. So würden wir auch nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns lenken. Das gute Aussehen eines Vampires brachte eben auch viele Nachteile mit sich. Ständig wurde man angestarrt und wurde so auf Schritt und Tritt beobachtet, was mich ziemlich störte.

Sobald ich mich an einen freien Tisch setzte, kam auch schon eine rothaarige Kellnerin auf mich zu. «Guten Abend», grüsste ich sie und die Kellnerin erwiderte meinen Gruss mit einem freundlichen Lächeln. Die Leute hier in dieser Stadt waren generell echt freundlich, fiel mir schon zum widerholten Mal auf. Ganz anders als in der Grossstadt, aus der ich herkam. Dort waren immer alle so gehetzt und man wurde sehr leicht einfach nur abgefertigt, anstatt freundlich und zuvorkommend behandelt zu werden, wie es hier der Fall war. Etwas, was ich eindeutig nicht vermisste an meiner alten Heimat. Nein, ganz bestimmt nicht.

Während ich auf Ahilea wartete, bestellte ich mir schon einmal einen Kaffee, welcher mir keine zwei Minuten später auch gebracht wurde. Die Bedienung hier war echt top. Nicht nur nett, sondern auch noch schnell. Ich war es mir gewohnt, stundenlang nur auf mein Getränk zu warten, geschweige denn auf das Essen selbst. Geniesserisch trank ich einen Schluck meines schwarzen Kaffees, welcher echter Balsam für meine müde Seele war. Man konnte beinahe sagen, dass ich Koffeinsüchtig war, soviel Kaffee, wie ich in mich hineinkippte. Aber nur beinahe. Innerhalb von Sekunden war meine Tasse leer und ich bestellte mir einen neuen, um mir die Zeit zu vertreiben. Auch dieses Mal stand die Tasse mit meinem Lebenselixier innerhalb einer Minute vor mir. Doch die zweite Tasse wollte ich geniessen, weshalb ich nur kleine Schlucke daraus nahm und währenddessen meinen Gedanken nachhing, bis das Bimmeln der Tür und ein Kribbeln in meinem Nacken mir Ahileas Ankunft verriet.

Sie schob sich auf die rote Lederbank mir gegenüber und griff sich die Speisekarte, welche ein echt beeindruckendes Angebot vorzuweisen hatte. Man konnte sich wirklich nicht beklagen, was den Service hier betraf. Kurz sah sie auf und murmelte einen Gruss, bevor sie sich wieder damit beschäftigte, das Angebot zu studieren, während ich mich erstmals genauer umsah. Überwiegend war der Raum in roten und braunen Tönen gehalten, abgesehen von den Schwarzen Tischen, welche schon älter aussahen und der Lack dementsprechend bereits an einigen Stellen abgesplittert war. Doch dies schien niemanden zu stören und die Blumensträusse, die auf den Tischen standen machten diesen kleinen Makel auch längst wieder wett. Der blumige Duft zahlreicher Rosen in den verschiedensten Farben umgab mich, zusätzlich zu dem herrlichen Duft allerlei köstlicher Gerichte, die auf den Tischen rund herumstanden. Im Hintergrund konnte mein feines Vampirgehör vernehmen, wie jemand zu leiser Musik mitsang. Vermutlich einer der Köche, der gerade dabei war, all die köstlichen Gerichte zu kochen, die ich in dieser kurzen Zeit schon zu sehen bekommen hatte, als die Kellner mit ihren vollen Tabletts geschäftig an unserem Tisch vorbeigeeilt waren.

Ich zwang mich dazu, meinen Blick von den Leinwandbildern mir gegenüber zu lösen und mich auf die Speisekarte zu konzentrieren und wenig später hatten wir uns auch entschieden und unsere Bestellung aufgegeben. Ich hatte mich, wie eigentlich jedes Mal, für einen Burger mit Pommes entschieden, während es bei Ahilea die hausgemachte Lasagne und ein Erdbeermilchshake wurde. Während des Wartens verfielen wir in Schweigen und hingen unseren Gedanken nach. Erst als die Kellnerin das Essen vor uns auf dem Tisch abstellte, erwachten wir aus unserer Trance. «Also, erzähl mir alles von deinem Gespräch mit Mr. Night», forderte ich Ahilea auf und steckte mir eine Pommes in den Mund. Diese kam der Aufforderung ohne zu zögern nach.

«Und dann hat er mich einfach entlassen, ohne noch etwas dazu zu sagen», schloss Ahilea ihre Erzählung und sah mich fragend an. «Was denkst du, hat er vor? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das einfach auf die leichte Schulter nimmt. Dafür ist in der Vergangenheit zu viel geschehen.» Ich nickte zustimmend. «Ich denke, er will, dass du für ihn spionierst und dazu will er erst dein Vertrauen gewinnen, indem er dich für dein Handeln nicht bestraft. Er sieht darin vermutlich eine gute Gelegenheit, unsere Schwachstellen herauszufinden um uns anschliessend von hier zu vertreiben. Ich habe noch nicht mit meinem Anführer über dich oder deinen Clan gesprochen, aber ich denke nicht, dass ich es in absehbarer Zeit tun werde, da ich denke, dass meine Meinung von ihm nicht geteilt wird. Ich bin all diese Feindschaft und Rivalkämpfe so satt. Wir sollten einfach einen Schlussstrich ziehen und von neu beginnen», sagte ich voller Überzeugung, «Mir ist durchaus bewusst, dass dies kein Spaziergang wird, aber wir können es schaffen. Auch mit der Unterstützung unserer Geschwister und Freunde. Ich habe mit Ashley schon darüber geredet und sie teilt meine Meinung. Was ist mit Lillian?»

Ahilea zuckte die Schultern, was mir zeigte, dass ihre Schwester noch nichts von der ganzen Sache zwischen uns wusste. Ok, dass hörte sich jetzt ein bisschen falsch an, aber egal. «Ich bin noch nicht dazu gekommen, ihr davon zu erzählen, aber das werde ich heute Abend noch tun», antwortete sie mir und sah auf ihren nun leeren Teller. Dann seufzte sie. «Ich hätte nie gedacht, dass ich, gerade ich, einmal so etwas tun würde und meinen Clananführer hintergehe.» Sie zögerte kurz, fuhr dann aber fort. «Du musst wissen, ich hänge sehr an meiner Vergangenheit und ich verabscheue es auch, ein Vampir zu sein. Ich habe mich nie richtig damit abgefunden, nicht mehr menschlich zu sein und ich wäre auch lieber gestorben damals, aber ich versuche, das Beste aus der ganzen Sache zu machen.»

So etwas hatte ich mir schon gedacht. Dennoch fand ich es schön, dass sie mir soweit vertraute und zugab, dass bei ihr nicht alles in bester Ordnung war. Dies bedeutete mir einiges, denn ich konnte mir vorstellen, wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, dies zuzugeben. «Du kannst jederzeit mit mir darüber reden», bot ich ihr an. Doch sie sollte zu mir kommen, falls sie dies wollte. Ich würde sie garantiert nicht dazu drängen, mir davon zu erzählen. Nein, ganz bestimmt nicht. Ahilea lächelte schwach. «Das weiss ich sehr zu schätzen, aber im Moment bin ich dazu noch nicht bereit. Zu oft habe ich in den letzten Jahren den Falschen vertraut und wurde enttäuscht. Ich möchte derartiges kein weiteres Mal erleben.»

Ich ahnte schon, dass sich hinter Ahileas Schutzmauer eine schlimme Vergangenheit befinden musste und dies erweckte das Verlangen in mir, ihr zu helfen, sodass es ihr besser ging. Ich wollte ihr zeigen, dass sie mir durchaus vertrauen konnte und dass ich sie niemals bewusst verletzen würde. Doch dafür würde ich später noch genügend Zeit haben. «Lass mich einfach wissen, wann du dazu bereit bist, mir von deiner Vergangenheit zu erzählen und ich werde da sein und dir zuhören.» Dankbar lächelte sie mir zu.

Nachdem wir bezahlt hatten, ich hatte die Rechnung übernommen, schliesslich war ich ein Gentleman, traten wir nach Draussen und ich brachte sie noch zu ihrem Auto. Ich zog sie in eine Umarmung und beobachtete interessiert, wie ihre Wangen eine tiefrote Farbe annahmen. Sah ganz hübsch aus. Schnell flüchtete sie ins Innere ihres Wagens, lächelte mir durch die Scheibe aber noch einmal zu, was mir die Sicherheit gab, dass auch sie sich der Anziehung, die zwischen uns herrschte, eindeutig bewusst war.

Ich wartete noch, bis ihr Auto hinter einer Kurve verschwand, ehe ich mich auch auf den Nachhauseweg machte.

Später am Abend meldete das Klingeln meines Handys mir, dass eine Nachricht eingetroffen war. Ahilea war der Absender.

Ahilea: Danke noch einmal für die Einladung😊 Ich habe mit meiner Schwester geredet, erzähle dir morgen mehr.

Ich: Gern geschehen. Bis morgen und schlaf gut.

Ahilea: Danke, du auch.

Zufrieden legte ich mein Handy weg. Bis jetzt lief alles ziemlich gut und die Operation «Neuanfang» konnte beginnen.

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