Kapitel 1

Ahilea

Ganz tief in meinem Inneren wusste ich, dass heute kein guter Tag werden würde. Alles fing schon damit an, dass ich verschlief, da mein Wecker wieder einmal kaputt war. Kam vielleicht davon, dass ich ihn so ziemlich jeden Morgen gegen die Wand knallte. Tja, ich war halt kein Morgenmensch. Vampire sind ja bekanntlich nachtaktiv. Hihi, war nur ein kleiner Scherz. Wir leben am Tag und das Sonnenlicht macht uns auch nichts aus. Ich hasste diese ganzen Mythen, die über uns erzählt wurden. Aber meine Schwester Lillian fand sie ganz interessant. Sie liebt auch diese Twilight-Bücher.... Bah, die können mir gestohlen bleiben, da ist doch eh alles erfunden... Und dieser Edward erst...

Aber egal, das war hier nicht die Sache. Nein, viel wichtiger war, dass ich Hunger hatte. Richtig Hunger. Aber ich hatte keine Zeit mehr zu essen, oder besser, zu trinken. Das wiederum hiess, ich sass jetzt mit knurrendem Magen im Unterricht und lauschte dem langweiligen Vortrag meines Mathe-Lehrers. Mathe ergab für mich einfach keinen Sinn. Selbst nach all den Jahren Unterricht, die ich schon über mich ergehen lassen musste. Das kam halt davon, wenn man schon mit 18 Jahren zum Vampir geworden ist. Ich musste dringend mal mit unserem Clananführer reden, was meine Schulzeit betraf. Ich war der Meinung, die war jetzt lange genug und ich könnte endlich mal anfangen, etwas zu studieren. Lacht mich jetzt nicht aus, aber ich will unbedingt Medizin studieren. Ich weiss, ich weiss, ein Vampir als Arzt. Das tönt schon ziemlich lächerlich, aber ich hatte mich sehr gut im Griff, was das Blut von Menschen betraf. Ich trank nur Blut von Spendern. Mein Dad besorgte es mir, da er ebenfalls Arzt war. Aber soweit ich wusste, ernährten nur wir zwei uns von Spenderblut. Die anderen... naja, sie waren halt die klassischen Vampire, die Menschen aussaugten.

Naja, nicht ganz. Unser wichtigstes Gesetz war nämlich, die Menschen am Leben zu lassen. Und daran hielten wir uns auch. Es blieb ja gar nichts Anderes übrig, da man ansonsten vernichtet wurde. So einfach war das. Oder so hörte es sich zumindest an. Denn, soweit ich wusste, war es für Vampire nicht einfach, das Trinken zu unterbrechen und den Menschen somit nicht zu töten. Aber ich hatte keine Erfahrung mit sowas.

„Miss Watson", vernahm ich nie nervtötende Stimme von Mr. Smith. „Könnten sie bitte wiederholen, was meine letzten Worte gewesen waren?", verlangte er.

Mist, ich hatte überhaupt nicht zugehört und konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, was er gesagt hatte. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, streckte die Schultern durch und sagte klar und deutlich: „Ihre letzten Worte waren: Miss Watson."

Die ganze Klasse brach in Gelächter aus. Nur Mr. Smith passte meine Antwort wohl nicht so ganz. „Halten sie mich für einen Narren?", fragte er mit knallrotem Gesicht. Ohoh, da war wohl jemand ziemlich angepisst. „Nicht doch", säuselte ich in bester Flirtmaniere. „Das würde ich niemals wagen." Wortlos wandte er sich wieder Tafel zu und fuhr mit seinem Unterricht fort. Keine fünf Sekunden später landete ein gefalteter Zettel auf meinem Tisch.

„Gut gemacht, Ahi, sein Gesichtsausdruck war zum Schreien", stand da drauf. Grinsend drehte ich mich zu meiner besten Freundin Rose um, welche mich verschmitzt lächelnd ansah und beide Daumen in die Höhe reckte. Ich sah wieder nach vorne und begegnete Mr. Smiths bohrenden Augen. Ich verbiss mir ein schadenfrohes Lächeln und konzentrierte mich wieder voll und ganz auf den Unterricht *husthust*. Nach dem Klingeln packte ich in Windeseile meine Sachen zusammen und wollte schon das Klassenzimmer verlassen, als ich die Stimme meines Lehrers vernahm. „Miss Watson, auf ein Wort." Innerlich seufzend drehte ich mich um und schaute ihn an. „Hören Sie, Watson. So geht das nicht weiter. Konzentrieren sie sich gefälligst auf den Unterricht, ich werde so etwas nicht noch einmal dulden. Verstanden?" „Ja", murmelte ich und verliess das Zimmer als Letzte, nachdem Mr. Smith mir mit einer Handbewegung klargemacht hatte, dass ich entlassen war.

Draussen im Gang lehnte Rose an der Wand und wartete auf mich. Sie war ein Mensch, aber das hatte mir ehrlich gesagt noch nie etwas ausgemacht. Aber sie wusste nicht, dass ich ein Vampir war. Es gab da nämlich noch so ein Gesetz. Man durfte keinen Menschen in unsere Geheimnisse einweihen. Manchmal wünschte ich nämlich, ich könnte Rose alles erzählen. Oder Simon, meinem besten Freund. Aber das ging halt nun einmal nicht. „Hat der alte Smith Ärger gemacht", wollte Rose wissen. Ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten mich vergnügt an. „Nö, hat nur ein Bisschen gemotzt, weil ich nie aufpasse." Rose begann schallend zu lachen und ich konnte nicht anders, als mit zu lachen. Roses Lachen war eben sehr ansteckend. So offen und ehrlich. „Kein Wunder, dass du nicht aufpasst, er ist der langweiligste Lehrer auf Erden", keuchte sie. Ich nickte zustimmend und hielt mir die Seiten, die mittlerweile vom Lachen richtig schmerzten.

Vampire waren eben auch nicht schmerzunempfindlich und ein Preis, den ich zahlen musste, da ich nie einen unwilligen Menschen gebissen habe, war halt, dass ich nicht so stark war, wie die anderen Vampire.

Immer noch lachend machten wir uns auf den Weg in die Kantine. Endlich, endlich gab es was zu Essen. Blut wäre natürlich am besten gewesen, aber das Menschenessen tats auch.

Wir stellten uns hinten an und warteten eine Gefühlte Ewigkeit, bis wir endlich drankamen. Heute gabs Lasagne. Das schmeckte mir wirklich gut, jedenfalls im Vergleich damit, was es sonst so in der Kantine gab. Keine Ahnung, wer diese Köche eingestellt hatte, aber er muss auf jeden Fall seinen Geschmackssinn verloren haben.

Mit dem Tablett in den Händen hielt ich Ausschau nach Simon, Logan und Lillian. Doch das war gar nicht so einfach, zumal sich an die zweihundert Schüler in der Mensa befanden. Schliesslich aber entdeckte ich Logans unverwechselbaren roten Haarschopf und konnte gleich daneben auch Simons blonde Haare ausmachen. Die drei befanden sich im hinteren Teil der Kantine. Mit dem voll beladenen Tablett schlängelte ich mich durch die Schülermenge und erreichte schliesslich mein Ziel. Grinsend liess ich mich auf einem freien Stuhl nieder und begann sofort zu essen. Lil schaute mich wissend an. Sie kannte mich einfach zu gut, aber das ist unter Schwestern wahrscheinlich normal so. Auch wenn wir nicht blutsverwandt waren. Ich hatte keine Ahnung von solchen Dingen und wenn ich es mir genau überlegte, hatte ich von Vielem keinen blassen Schimmer.

Rose setzte sich setzte sich auch dazu und begann ebenfalls zu essen, doch sie liess es sich nicht nehmen und erzählte von Mr. Smiths Unterricht. Doch wir hatten einige Mühen, sie zu verstehen, da die gesamte Kantine vom Klirren des Bestecks und den Gesprächen der anderen Schüler erfüllt war. Dementsprechend war der Lärmpegel auch sehr hoch. Rose musste schon beinahe schreien, damit mir sie deutlich hören konnten. Doch irgendwie gelang es den anderen, sie trotzdem zu verstehen. Bei uns Vampiren war es ja auch nicht so schwer, da wir ein besseres Gehör hatten als Normalsterbliche, aber wie Simon Rose verstehen konnte, war mir wirklich ein Rätsel. Lil kicherte und Simon und Logan grinsten wie die Höllenhunde, als Rose schliesslich ihre Erzählung beendet hatte. Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich ihre Anwesenheit spürte. Alle meine Härchen stellten sich auf. Lillian und Logan schien es ähnlich zu gehen, denn sie hatten ebenfalls aufgehört zu lachen. Anders als ich, schienen sie jedoch nicht überrascht zu sein. Ich kniff die Augen zusammen und starrte Lil nieder. Diese schenkte mir ein schuldbewusstes Lächeln und flüsterte mir so leise ins Ohr, dass nur ich es hörte: „Es tut mir leid, Ahilea, ich wollte es die heute Morgen noch erzählen, aber ich bin nicht dazu gekommen."

Und dann, als ich mich umsah und die Neuen entdeckte, war für mich klar, dass dieser Tag eindeutig gelaufen war.

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