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Ich muss am Wochenende durcharbeiten und außer den üblichen Sporteinheiten ist mein einziges Highlight, dass ich Samstagmorgen vor der Arbeit mit Louis losziehe und er endlich einen Verlobungsring für Anna kauft. Louis entscheidet sich für ein schönes, goldenes Exemplar im Vintagestil mit einem ovalen, hellgrünen Amethysten als Hauptakteur. Anna liebt grün und sie ist kein Fan von Chichi, weshalb ein standardmäßiger Blingbling-Ring nicht zu ihr passen würde.

Nun freue ich mich auf meine zwei dienstfreien Tage, vor allem, weil ich Esmeralda endlich wiedersehe.

Wir haben die Tage seit unserem letzten Date, ausgenommen unseres kurzen Aufeinandertreffens im Restaurant, mit pausenlosem Schreiben und heimlichen Telefonaten, wann immer wir die Gelegenheit dazu bekamen, überbrückt. Die digitale Aufmerksamkeit der schönen Frau hilft dabei, mich über Wasser zu halten, doch nichts ersetzt das Gefühl, das ich habe, als ich Esmeralda am Hauptbahnhof abhole und sie endlich wieder in meine Arme schließen kann.

Esmeralda trägt an diesem Spätsommertag eine schwarze Leggings, ein cremefarbenes, gestricktes Croptop und eine lockeres, oranges Hemd, welches sie lässig übergeworfen hat. An ihre kleine, weiße Handtasche hat sie ein Satintuch mit bunten Ornamenten gebunden, die schmalen Handgelenke und das Dekolleté mit feinem Goldschmuck behängt.

Ich habe mich heute für eine beige Cargohose und ein weißes Shirt entschieden - eine simple Kombination, mit der man wenig falsch machen kann.

"Endlich habe ich dich wieder bei mir", freue ich mich und verschränke unsere Finger miteinander, während ich ihr noch einen Kuss auf die Wange drücke.

Sie schenkt mir ein zufriedenes Lächeln, ihre grünen Augen strahlen mit der Sonne um die Wette.

"Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich, welche willst du zuerst hören?"

Esmeralda legt den Kopf schief und mustert mich kurz, während wir gemeinsam zu meinem Auto laufen.

"Die Schlechte."

"Ich muss nochmal kurz nachhause. Ich habe den Schlüssel meiner Mutter versehentlich mitgenommen und jetzt kommt sie weder in ihr Auto noch wieder ins Haus, sollte sie es verlassen", grinse ich schief und schenkebihr einen entschuldigenden Blick.

Esmeralda schüttelt tadelnd den Kopf. "Wo bist du denn nur mit deinen Gedanken?"

"Bei dir", raune ich ihr ins Ohr und küsse sie erneut auf die Wange, bevor ich ihr die Beifahrertür aufhalte. Ich kann mir nicht helfen, die schöne junge Frau macht mich zu einem verliebten Teenager, der seine Finger nicht bei sich behalten kann.

"Ist aber eigentlich ganz gut, dann kann ich mich deiner Mama wenigstens schon mal in Ruhe vorstellen, bevor ich am Samstag gleich auf deine ganze Familie treffe", verkündet sie zu meiner Überraschung, während sie sich anschnallt und ich den Motor starte.

"Echt? Das finde ich schön. Ich wäre auch eben schnell alleine reingesprungen, aber meine Mutter wird sich freuen, wenn du ihr kurz Hallo sagst. Sie ist schon ganz gespannt auf dich."

"Bloß keinen Druck aufbauen, genauuuu" lacht sie und wirft ihr volles Haar nach hinten. Ich lenke den Wagen souverän auf die Autobahn und verschränke meine Finger wieder mit ihren.

Als ich wenig später in unsere Straße fahre, macht meine entzückende Beifahrerin große Augen. "Hier wohnst du?"

Ich nicke beiläufig, während ich auf unser Haus zusteuere und meinen Wagen gekonnt in die Auffahrt lenke.

"Wow, das ist ja eine richtige kleine Villa", staunt sie und lässt ihren Blick durch unseren gepflegten Vorgarten mit Wegen aus weißen Kieselsteinen und akkurat im Form geschnittenen Buchsbäumen gleiten. Die magentafarbenen Rosen, der ganze Stolz meiner Mutter, und die blauen Hortensien blühen um die Wette und geben dem sonst neutral gehaltenen Gesamtbild einen schönen Farbtupfer.

"Quatsch", winke ich ab und mustere sie kurz. "Von einer Villa sind wir weit entfernt, schön ist es trotzdem, aber das ist ja nicht mein Verdienst, sondern einzig und allein der meiner Eltern. Ich hoffe, ich kann meinen Kindern irgendwann auch mal so ein schönes Haus bauen." Ich ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss und sehe Esmeralda erwartungsvoll an. "Wollen wir?"

Sie nickt ein wenig eingeschüchtert und schnallt sich zögerlich ab. Ich greife nach dem Schlüsselbund meiner Mutter, den ich in die Mittelkonsole gelegt habe und steige aus dem Wagen.

Als ich den Haustürschlüssel einen Augenblick später ins Schloss stecke, halte ich kurz inne und frage Esmeralda: "Du hast keine Angst vor Hunden, oder?"

Schmunzelnd winkt Esmeralda ab. "Ich bin einer Stadt groß geworden, in der es nur so vor Straßenhunden wimmelt."

Zufrieden schiebe ich die massive, glasbesetzte Tür auf und kraule Nike über den Kopf, die gleich angelaufen kommt. Interessiert beschnuppert sie meine Begleitung und legt zufrieden den Kopf schief, als auch Esmeralda die Weimaraner-Hündin mit einer kurzen Streicheleinheit begrüßt.

"Mama?", rufe ich durch den Hausflur. Es dauert nicht lange, bis die hübsche Blondine aus dem geräumigen Wohn-Ess-Bereich in den Flur gelaufen kommt. "Ja, Nick?"

Als sie bemerkt, dass ich nicht alleine bin, streicht sie hektisch ihr rosafarbenes Langarmshirt glatt und fährt sich durch die hellblonden Haare, die locker mit einer Spange zusammengesteckt sind.

"Mama, das ist Esmeralda, meine Freundin", stelle ich meine Begleitung vor und bemerke selbst den stolzen Unterton in meiner Stimme, während mein Herz aufgeregt schlägt. Es ist ungewohnt, diesen Satz aus meinem eigenen Mund zu hören.

Sofort hält Esmeralda ihr höflich die Hand hin. "Hallo Frau Klingenthal."

Sofort schüttelt meine Mutter energisch den Kopf. "Eva", korrigiert sie und schüttelt ihre Hand. Dabei legt sie ihre zweite Hand schützend auf Esmeraldas, eine liebevolle Geste, die sie nur bei Leuten benutzt, die sie wirklich gern hat.

"Schön, dich endlich kennenzulernen, nachdem ich schon so viel von dir gehört habe", strahlt sie. Meine Wangen werden heiß und ich greife beschämt in meine Hosentasche. "Hier Mama", lenke ich daher schnell vom Thema ab und überreiche ihr ihren Schlüsselbund. "Tut mir wirklich leid, ich war mit meinen Gedanken woanders", gebe ich zerknirscht zu.

"Ist mir klar", antwortet sie grinsend und zwinkert mir wissend zu. Dann wendet sie sich wieder an Esmeralda. "Wollt ihr was essen? Ich habe gerade gekocht. Es gibt Spaghetti Alio e Oglio mit Garnelen und dazu Rucola-Salat mit Parmesan und Walnüssen."

Esmeralda wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich habe ihr bisher noch nicht verraten, was ich für den heutigen Tag geplant hatte. Ich wollte mir ihr nach Köln fahren, essen gehen, vielleicht den Dom besichtigen und gemütlich durch die Altstadt schlendern in der Hoffnung, vielleicht nebenbei ein Geburtstagsoutfit für mich zu finden.

"Eigentlich wollte ich dich gleich zum Essen einladen", antworte ich schnell, um ihr einen möglichen Ausweg zu schaffen.

"Ich würde gerne mit deiner Mutter essen, wenn das für dich okay ist", erklärt sie mit einem entwaffnenden Lächeln und berührt mich sanft am Oberarm.

Ich zucke mit den Schultern. "Wie du magst, Süße." Der Kosename rutscht mir eher ungewollt raus, doch er entlockt meiner Mutter ein seichtes Grinsen.

"Na dann kommt mit", fordert meine Mama uns auf und nickt mir zu.

Wohlerzogen schlüpft Esmeralda im Flur aus ihren Schuhen und ich tue es ihr gleich. Ich schlinge einen Arm von hinten um ihre schmale Taille und ziehe sie eng an mich. "Ist das wirklich okay für dich? Nicht, dass meine Mutter dich jetzt einspannt und du dich unwohl dabei fühlst", hake ich besorgt nach.

Esmeralda dreht sich in meiner Umarmung um 180 Grad und schlingt ihre Arme um meinen Hals. "Dann würde ich das sagen", antwortet sie selbstsicher. "Ich bin ein absoluter Familienmensch und weiß es sehr zu schätzen, wenn deine Mami mich so lieb einlädt."

Ich nicke zufrieden und lasse mir einen liebevollen Kuss von ihr auf die Lippen drücken. Zärtlich erwidere ich ihn, fahre mit meiner Hand in ihre offenen Haare und schiebe meine Zunge in ihren Mund. Sie küsst mich so gefühlvoll, dass mir ganz schwindelig wird und ich mich kaum von ihr lösen kann. "Wir sollten deine Mama nicht warten lassen", wispert sie an meine Lippen.

"Einmal noch", gebe ich fast tonlos zurück und erobere ihre Lippen erneut. Der Kuss wird immer leidenschaftlicher. Meine Hände wandern wie ferngesteuert an ihren nackten Bauch und schieben sich langsam unter den Bund ihres gehäkelten Oberteils. Ich spüre an meinen Lippen, wie sie unter meiner Berührung lautlos stöhnt und bin kurz davor, meine Fassung zu verlieren. Mein ganzer Körper kribbelt und verzehrt sich nach ihr.

Wie gerne würde ich sie jetzt die Treppen hoch ziehen und auf mein Bett legen, sie ihrer Kleidung entledigen und ihren nackten, perfekten Körper mit meinem Mund und meinen Händen erkunden.

Esmeralda löst sich abrupt von mir und atmet tief durch. Ihre Augen glitzern erregt, ihre Wangen sind rosarot gefärbt.

"Stop, bevor wir gleich nicht mehr stoppen können", flüstert sie leise. "Wo ist denn euer Badezimmer? Dann können wir uns die Hände vor dem Essen waschen", sagt sie dann deutlich lauter. "Eiskalt waschen", flüstert sie wieder und zwinkert mir zu. Ich räuspere mich kurz und deute mit einer Handbewegung auf die hinter ihr liegende Tür.

"Das war ganz und gar nicht fair", raune ich, als ich am Waschbecken neben ihr stehe und meine Hände einseife.

"Das sagt der Richtige", zischt sie zurück. "Du kannst mich doch nicht zehn Meter von deiner Mutter entfernt so küssen", schimpft sie.

"Ich will dich so sehr, Esmeralda", rutscht es mir heraus. Sie verharrt in ihrer Bewegung und sieht mir tief in die Augen. "Ich weiß ja nicht, was du geplant hast, aber von mir aus können wir auch hier bleiben und da weiter machen, wo wir aufgehört haben", schlägt sie vor, ihre Stimme vor Aufregung und Erregung leicht zitternd.

Ich schließe kurz die Augen und atme einmal tief durch. Wie soll ich mich bitte jetzt noch aufs Essen konzentrieren?

Ich hatte schon lange keinen Sex mehr, denn ich bin kein Typ für One-Night-Stands oder emotionslose Affären. Umso schwerer fällt es mir in diesem Moment, nach dieser langen Abstinenz standhaft zu bleiben.

Die Gedanken darüber, was gleich in meinem Zimmer zwischen meiner Traumfrau und mir passieren könnte, bringen mich beinahe um den Verstand.

"Denk darüber nach, ob du das wirklich willst und wenn wir gleich gegessen haben, entscheiden wir gemeinsam, wie wir den restlichen Nachmittag verbringen", antworte ich vernünftig.

Ich wasche die Seife von meinen Händen, fahre mit den kalten, nassen Fingern einmal über meine Wangen und schiebe Esmeralda dann über den Flur in den Essbereich.

Mama hat nicht zuviel versprochen. In der Luft liegt der herrliche Geruch von Knoblauch und Zitrone. Auf dem Echtholztisch liegen runde Platzdeckchen aus Wasserhyazinthen, darauf drei tiefe Teller aus weißer Keramik mit dampfend heißen Spaghetti und drei kleine Schüsseln mit Salat.

"Was möchtest du trinken, Esmeralda?", erkundigt meine Mutter sich gastfreundlich. "Wasser? Cola?", frage ich und ziehe ihr den Stuhl hervor. "Cola bitte", antwortet sie lächelnd. Ich laufe zum Kühlschrank, schütte Esmeralda Cola in ein Glas und mir Wasser. "Du auch Sprudel?", frage ich meine Mutter. Sie nickt und nimmt die zwei gefüllten Gläser von der Arbeitsplatte um sie mit an den Esstisch zu nehmen.

Ich nehme das zweite Glas Wasser für mich mit und setze mich zwischen die beiden wohl wichtigsten Frauen in meinem Leben. Kurz halte ich inne und schlucke schwer. Wie oft habe ich mir solch eine Normalität für uns gewünscht und jetzt, wo ich tatsächlich einige unbeschwerte Stunden mit ihr habe, selbst wenn es nur das gemeinsame Mittagessen mit Esmeralda und meiner Mutter ist, füllt es mein Herz bist zum Rand mit Glücksgefühlen.

Das erste Mal fühlt es sich so an, als würden wir eine richtige, eine ganz normale Beziehung miteinander führen.

Esmeralda wickelt konzentriert einige Spaghetti auf und schiebt sich die Gabel dann genüsslich in den Mund. Ich tue es ihr gleich und wende meinen Blick schwerfällig von ihr ab. "Schmeckt richtig gut", lobe ich meine Mama lächelnd und piekse parallel einige Salatblätter mit der Gabel auf. Esmeralda nickt beipflichtend. "Wirklich sehr lecker, Eva. Vielen Dank."

Wir essen gemeinsam, während Esmeralda sich mit meiner Mutter auffallend harmonisch über Gott und die Welt unterhält. Ich halte mich im Hintergrund und gebe nur selten einen Kommentar ab, wenn ich aktiv ins Gespräch einbezogen werde. Zu schön ist es für mich zu sehen, wie gut die beiden sich verstehen. Nach dem Essen räumt Esmeralda wie selbstverständlich den Tisch ab und lässt sich von meiner Mutter auch nicht davon abhalten.

"Zeigst du mir jetzt dein Zimmer?", fragt sie festentschlossen und greift nach meiner Hand. Mein Herz schlägt schneller und mein Magen beginnt zu kribbeln.

Sie meint es also wirklich ernst. Mein Mund wird trocken und meine Hände feucht. Langsam stehe ich auf.

"Wollen wir nicht mehr weg?", hake ich noch einmal nach. Esmeralda schüttelt entschieden den Kopf. "Lohnt sich doch gar nicht mehr", antwortet sie mir und zwinkert mir heimlich zu.

Ich versuche mich zu beherrschen. "Wir gehen dann hoch, Mama", informiere ich sie betont beiläufig und ziehe Esmeralda mit rasendem Herzen mit mir ins Treppenhaus.

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