4. Kapitel

Nach der Schule fuhr ich mit Miranda, da wir zu lange nach dem Unterricht getrödelt hatten und der Bus schon abgefahren war. Sie hatte ihre Mom angerufen, die uns darauf hin sofort einen Chauffeur schickte. Da meine Mom sowieso nicht zu Hause war, ging ich einfach mit zu ihr.

Ich vertraute ihr immer noch nicht ganz, ich kannte sie ja auch erst seid einem Tag.
Aber vielleicht wird das ja noch werden, ich weiß es nicht.

Auf der Fahrt sprach der Chauffeur überhaupt nicht. Er sagte nicht mal guten Tag oder Tschüss, als wir ausstiegen und fuhr einfach weg. Unser Chauffeur hätte sich das nicht getraut.

Als wir vor Mirandas Haus standen ging die Tür automatisch auf. Mira zuckte nur mit den Schultern und ging ins Haus.

Eine Angestellte nahm und unsere Taschen und Jacken ab und verschwand schnell wieder.

"Was willst du als Erstes machen? Irgendwelche Wünsche? Also ich hab Hunger, du nicht?"
Mein Magengrummeln war Antwort genug und Mira führte mich in die Küche.

Die Küche war genauso riesig, wie das gesamte Haus. Selbstverständlich war es eine Designerküche, die perfekt aussah.
Am Herd stand eine etwas rundlichere, kleinere Frau und hatte eine Schürze an.
Wahrscheinlich die Köchin.

Die Frau musterte mich mit zusammengekniffenen Augen und warf den Lappen in die Spüle mit dem sie gerade die Theke abgenutzt hatte.

"Mira, was habe ich dir gesagt? Schuhe ausziehen!", schrie sie uns an.
Miranda wurde immer kleiner, nickte mit ihrem Kopf und zog mich in den Flur.

"Wer war das?", fragte ich verwirrt und zog meine Schuhe aus.

"Das war unsere Putzfrau, Nanny, Köchin und zweite Mutter.", erzählte sie leise, so dass die Frau uns nicht hörte.
"Sie arbeitet schon seit 30 Jahren für unsere Familie, sie wurde sozusagen zu einem Familienmitglied. Und obwohl sie manchmal sehr garstig sein kann, hat sie ein sehr großes Herz.", erklärte sie und ging wieder zurück in die Küche.

"Dorota, wo ist Dad?", begrüßte Mira nun Dorota und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

"Dein Vater ist wieder einmal auf Geschäftsreise und kommt erst in einer Woche wieder.", erklärte sie und überließ uns den Raum, aber nicht ohne mir vorher einen Blick zuzuwerfen, der mich erschrocken zusammen zucken ließ.

"Also, worauf hast du Lust? Kuchen oder lieber Muffins?", fragte sie grinsend und klatschte voller Tatendrang in die Hände.

"Muffins hören sich gut an.", antwortete ich. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Am besten waren die Muffins mit flüssigem Schokokern.

Mira holte alle Zutaten die wir brauchten aus den Schränken und stellte sie auf dem Tisch ab.

"Weißt du wie lange ich nicht mehr gebacken habe!? Das ist bestimmt schon zwei Jahre her. Früher hab ich das oft mit meinem Bruder gemacht. Wir waren früher unzertrennlich, aber mein Bruder hat sich immer weiter von mir abgekapselt, bis wir fast nichts mehr mit einander gemacht haben, außer eine paar Worte zu wechseln." Sie hatte Tränen in den Augen, die sie aber schnell wegblinzelte. Ich biss mir nachdenklich auf die Unterlippe und sah auf den Boden. Leider kannte ich das.

"Das tut mir leid.", nuschelte ich wahrheitsgemäß und schluckte, wir hatten anscheinend mehr gemeinsam als ich dachte.

"Egal, das ist jetzt nebensächlich, wir sollten Spaß haben und ich sollte dir nicht mein Herz ausschütten."
Sie lachte gequält und wollte gerade die Zuckertüte öffnen, als jemand ins Zimmer gestürmt kam.

"Mira!", schrie eine kleines Mädchen und rannte auf Miranda zu.
Sie lachte das Mädchen an, welches in ihre Arme sprang und ihr Gesicht in Ihren Haaren vergrub.

"Tessa, ich hätte nicht gedacht, das du schon da bist.", flüsterte sie in Richtung des kleinen Mädchens, doch ich verstand es trotzdem.

"Oma wollte früher nach hause.", sagte sie mit einer zuckersüßen Stimme und strahlte sie an.

Süß!

Miranda setzte Tessa ab und schaute sie liebevoll an.

"Und wer bist du?" Das kleine Mädchen wandte sich an mich und schaute mich mit großen Kulleraugen an.

"Ich bin Hailey." Ich beugte mich zu ihr runter und lächelte sie an.

Sie sah so unglaublich niedlich in ihrem kurzen Sommerkleid, mit kleinen Blumen darauf und den zwei geflochtenen Zöpfe.

"Du bist hübsch.", sagte sie, bevor sie sich umdrehte und sich auf den Thekenstuhl hiefte.

Ein wenig überrumpelt stand ich wieder auf und sah Miranda fragend an.

"Das ist meine Schwester Tessa. Die meiste Zeit wohnt sie bei meiner Grandma, weil mein Vater so wenig zu Hause ist.", erklärte sie mir und nahm Tessa den Salzstreuer aus der Hand, als sie anfing Salz auf die Theke zu streuen.

"Mira, darf ich mit backen?", fragte sie lächelnd und malte kleine Herzen in den Salzhaufen.

"Aber nur wenn du keinen Unsinn machst.", sagte sie schmunzelnd und hob mahnend einen Finger.

Mein Herz ging auf, als ich die beiden sah. Ich wollte schon immer eine kleine Schwester haben, der ich Tipps fürs Leben geben konnte, mit ihr Blödsinn machen oder einfach nur kuscheln.
Doch stattdessen musste ich meine ganze Kindheit mit meiner Nanny verbringen, die ich nicht mal ausstehen konnte.

"Versprochen. Matrosen Ehrenwort." Sie salutierte wie ein Seefahrer und kicherte.

Mira nickte schlussendlich und sah kurz zu mir rüber.
Nachdem die Milch schon in der Schüssel war, öffnete Miranda die Mehltüte und wollte etwas auf die Waage kippen, doch Tessa hatte eine andere Idee.

Sie nahm sich eine Handvoll Mehl, schmiss sie Mira ins Gesicht und kicherte wie eine Verrückte.

"Bist du geistes krank?!", schrie Mira sie sauer an und versuchte sich irgendwie das Mehl aus ihren Augen zu reiben, was jedoch kläglich scheiterte.

Doch Tessa antwortete nicht, nahm sich die nächste Hand voll Mehl, welche jetzt in meinem Gesicht hing.

Ein wenig überfordert versuchte ich das Mehl aus meinem Gesicht zu wischen, doch es verteilte sich lediglich auf der Uniform.

"Du glaubst doch nicht wirklich das ich das einfach so hinnehme?", fragte ich sie fies grinsend und nahm mir eine handvoll Mehl.

Sie kicherte und rannte um die Theke herum, sodass ich nur ihren Rücken erwischte.

"Also wirklich! Ich hätte gedacht sie hätten Manieren Lady Hailey." Gespielt empört schlug Mira sich eine Hand vor den Mund und lachte verstohlen hinein.

Gerade wollte ich mich umdrehen und mir neues Mehl nehmen, da bekam ich eine riesige Portion auf meine mal rote Schuluniform, die jetzt kreidebleich aussah.

Das würde Mira bereuen! Ich nahm den ganzen Mehlsack, holte aus und das ganze Mehl schoss auf Miranda zu.

Mira bückte sich in der letzten Sekunden und das Mehl flog weiter auf...

Alec!

Er war von oben bis unten voller Mehl, weshalb Mira und Tessa sich lachend auf dem Boden kugelte.

Ich war auch nah dran los zu prusten, bis ich sein Gesicht sah.

Er sah nicht besonders glücklich aus, sondern eher als würde er jede Sekunde auf mich los gehen.

Ich kam mir vor wie in einem Löwenkäfig, der abgeschlossen war.
Es gab kein Entkommen.

Doch plötzlich als hätte er einen Sinneswandel, zog er einen Mundwinkel nach oben.
Ich war total überrascht, sodass ich keinen Ton heraus bekam. Das Lächeln stand ihm viel besser als die grimmige Miene, die er immer aufsetzte.

Gerade wollte ich ihn auch an lächeln als ich sah, dass er mich gar nicht anschaute.
Verwirrt drehte ich mich um.
Natürlich schaute er Tessa an, wie dumm konnte ich auch sein!

"Brudiii!", schrie sie bevor sie sich auch in seine Arme schmiss.

-

Als  ich gerade durch die Tür von unserem Haus kam, wartete meine Mom bereits auf mich.

"Wo warst du?", fragte sie verärgert und tippte immer wieder mit ihrer Fußspitze auf den Boden.

"Ich war bei einer Schulfreundin.", antwortete ich schnippisch und zog meine nassen Schuhe aus, da es angefangen hatte zu regnen.

"Wie kannst du einfach nicht nach Hause kommen?! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!
Und überhaupt kannst du das Mädchen doch erst seit nicht mal 24 Stunden kennen!", schrie sie mich an.

"Das ist jetzt nicht dein ernst? Du sagst mir gerade das du dir Sorgen gemacht hast? Du dir Sorgen um mich? Wohl eher darum das ich nicht mehr zurück komme und du deinen guten Ruf verlierst! Du schehrst dich doch sowieso einen scheiß um mich! Was hat es dich dann zu interessieren, warum ich nicht nach Hause gekommen bin!"

Ich ließ ich all meinen Frust raus, den ich seit Jahren angesammelt hatte. Meine Mutter war einfach nur ein weiterer unnötiger Mensch auf dieser Welt, der viel zu eingenommen von sich selbst war und es einen scheiß interessierte, wie es den Menschen in ihrem Umfeld ging.
Sie macht mich so unfassbar wütend!

"Ich bin deine Mutter! Seitdem du geboren bist mach ich mir Sorgen um dich!", donnerte meine Mom zurück.

"Das kam mir aber noch nie so vor!", schrie ich erbost zurück und atmete schwerer. Meine Augen sprühen funken und zerdolchten sie imaginär.

"Du weißt gar nicht wie schwer es ist eine gute Mutter zu sein!"

"Nein, das weiß ich wirklich nicht! Aber du warst niemals eine Mutter für mich, also musstest du dich überhaupt nicht anstrengen!"
Damit drehte ich mich um, rannte die Treppe hoch und knallte die Tür hinter mir zu. Meine Mom konnte mich mal!

Mein Handy fing an zu vibrieren, aber ich hatte jetzt keinen Bock mit irgendwem zu telefonieren.
Ich nahm mein Handy aus meiner Hosentasche und schmiss es gegen die Wand.

Scheiße! Wie dumm war ich eigentlich?!

Mein Handy lag zertrümmert vor mir auf dem Boden und sah aus als wäre ein Lastwagen drüber gefahren.

Warum hatte ich nicht vorher gedacht und dann erst gehandelt?

Ich nahm eine kalte Dusche, sodass die Wut auf meine Mom abfiel. Dabei fiel mir auf, dass mein Conditioner leer war.

Na toll! Konnte der Tag eigentlich noch schlimmer ausgehen?

Anscheinend ja.
Als ich wieder mit einem Handtuch bekleidet in mein Zimmer ging, sah ich meine Schuluniform auf dem Bett liegen.

Mindestens zwei Nummern zu klein war.

Jetzt war dieses Biest echt zu weit gegangen!

Mit vor Wut hoch rotem Kopf lief ich nach unten ins Wohnzimmer, doch meine Mutter saß nicht wie gewohnt auf der Couch.
Ich ging in den Flur doch ihre Schlüssel waren auch weg, anscheinend war sie abgehauen.
Gut für sie.

-

Am nächsten Morgen stand ich unschlüssig vor meiner Schuluniform. Sollte ich meine viel zu kleine Schuluniform anziehen?
Diesen Triumph würde ich meiner Mutter nicht gönnen, sie wollte mich blamieren? Tja, da hatte sie sich geschnitten.

Ich brauchte gefühlte 8 Stunden um mich in die Schuluniform zu zwängen.

Leider hatte jetzt einen sehr, sehr tiefen Ausschnitt, der bestimmt viele männliche Blicke auf sich ziehen lassen wird, aber die Krönung war der Rock oder besser gesagt der Minirock.
Er ging mir so gerade über den Po. Oh Gott das kann doch nicht wahr sein! Noch kleiner hätte sie es nicht machen können!

"Egal, das wird schon alles nicht so schlimm werden!", rede ich mir mit mehr Selbstvertrauen ein als ich hatte und seufzte.

In der Küche hatte mir meine Mom einen Post-it Zettel hinterlassen, dass ich heute früh nach Hause kommen soll, weil sie mit mir und ihrem neuen Manager essen gehen will.
Na Super!
Nachdem ich meine Cornflakes in Sekunden schnelle gegessen hatte, weil ich keine Zeit mehr hatte, durch das rein zwängen der Uniform, rannte ich nach draußen und blieb aprubt stehen.

Mein Baby stand in der Einfahrt!

Ich quietschte auf, nahm mir den Autoschlüssel und lief auf den Lamborghini zu.

Ich schmiss die Tür auf und ließ mich auf den Fahrersitz fallen.
Der gewohnte Duft von Leder und Blumen stieg mir in die Nase. 
Erleichtert lehnte ich mich an die Lehne und schloss meine Augen. Der einzige Lichtblick an diesem Tag.

Ich steckte meinen Schlüssel ein und ließ den Motor aufheulen.
Wahrscheinlich waren alle im Umkreis von einem Kilometer nun wach.

Vorsichtig fuhr ich aus der Einfahrt. Als ich auf der Straße ankam, wartete ich einen Moment und trat dann mit all meiner Kraft auf das Gaspedal, so dass ich in den Sitz gedrückt wurde.

Die Häuser flogen nur so an mir vorbei. Rasant lenkte ich in der Kurven und überholte hupende Autos, doch mir war das gerade vollkommend egal.
Ich hatte mein Baby wieder und das zählte.

Mit hohem Tempo fuhr ich auf die Schulparkplätze zu und parkte mit einer Vollbremsung perfekt in die Parklücke.

Bevor ich ausstieg richtete ich im Rückspiegel noch einmal kurz meine Haare und zog meine Uniform ein wenig nach unten.

Ich öffnete die Türe und stieg selbstbewusst aus.
Alle Augen der Schüler hingen auf mir oder meinem Auto, doch ich ignorierte sie gekonnt und ging auf Mira, Kaylan und Malara zu, die sich an die Wand gestellt hatten und mich grinsend beobachteten.

Sie kamen auf mich zu und blieben 10 Meter vor mir stehen und musterten mich mit hochgezogener Braue.

"Na? Heute mal ein bisschen freizügiger?", lachte Kaylan und boxte mir in die Seite.

"Meine Mom hat sie Ausversehen einlaufen lassen.", log ich und warf ihnen vernichtende Blicke zu. Das ausversehen war eindeutig fehl am Platz.

"Ich könnte schwören, das Ava stink sauer sein wird, dass sie nicht zuerst auf die Idee gekommen ist ihre Schuluniform einlaufen zu lassen!", lächelte Malara und hakte sich bei mir ein.

Ich glaube sie mochte mich jetzt mehr. Anscheinend brachte es bei ihr Pluspunkte rebellisch zu sein.

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