1.

"So, Kind, Ihr seid bereit", murmelte Adelaida vor sich hin, während sie den traditionellen Zopf für die letzte Nacht vor einer Hochzeit auf Junas Kopf zu einem Knoten feststeckte. "Jetzt solltet Ihr euch unverzüglich zur Ruhe begeben, damit Ihr euch optimal mit der Energie, die es für das morgige Ritual braucht, aufladen könnt"

Als Juna keine Anstalten mache sich zu bewegen, und weiterhin reglos ihr Spiegelbild anstarrte, fasste die Zofe sie leicht an den Schultern, drehte sie herum und geleitete sie mit sanftem Nachdruck in ihr Schlafgemach. Auf dem frisch bezogenen Laken lagen verschiedenste Kräuter verstreut, die zusätzlich zu dem speziellen Zopf dazu dienen sollten, die zukünftige Braut mit möglichst viel spiritueller Energie aufzuladen - nur um diese Energie dann am nächsten Tag unwiderruflich an einen Mann zu binden. Sie zu seiner Dienerin zu machen. Der jungen Frau entfuhr ein frustrierter Seufzer.

Ihre Zofe verstand diesen offenbar falsch. "Macht euch keine Sorgen. Der morgige Tag ist perfekt organisiert. Alles wird glatt laufen, und bereits morgen Abend werdet Ihr die Herrin eines prächtigen Hauses sein und euch nie wieder, solange euer Ehemann lebt, wegen irgendetwas sorgen müssen!", sagte sie mit aufmunternder Stimme zu ihrer Herrin. Juna schwieg. Es wäre sinnlos gewesen, wenn sie versuchte es zu erklären. Es wäre sinnlos zu widersprechen. Wie Adelaida gesagt hatte, alles war bereits geregelt. Morgen um die Mittagszeit würde man ihr gesamtes Leben in die Kontrolle von irgendeinem Edelmann geben, der doppelt so alt wie sie war, den sie einmal gesehen und mit dem sie noch nie gesprochen hatte. Man würde sie in seinem Anwesen einquartieren, die Bediensteten würden sie mit "Herrin" ansprechen, doch sobald sie einen Fuß vor die Tür dieses Anwesens setzte, war alles, was sie tat, unter seiner Kontrolle. Er konnte ihre Energie anzapfen, wann immer ihm danach war, und er konnte ihr verbieten, Magie zu wirken, wenn er es wollte. Sie würde seine Kinder großziehen, während er sich vergnügte oder in Kriege zog, und alles worauf sie hoffen konnte, war, dass irgendeiner ihrer Söhne, wenn sein Vater starb und er das gesamte Vermögen erbte, sich erbarmen würde für seine Mutter zu sorgen. Um nichts mehr Sorgen machen - außer um ihre Freiheit und ihre Zukunft. Aber so war das nun mal. Das war die einzige Perspektive, die eine Frau hatte.

Juna versuchte, sich ihre düsteren Gedanken nicht anmerken zu lassen, während Adelaida einige Blütenblätter auf ihrem Kopfkissen verstreute. Die Zofe meinte es nur gut, das wusste sie. Sie hatte Juna praktisch aufgezogen und wollte nur das Beste für sie. Nur gab es in dieser Welt leider nichts gutes.

"Gute Nacht! Ich wecke euch morgen, damit wir die Zeremonie vorbereiten können!", Mit diesen Worten ging sie hinaus.
"Danke, Adelaida!", sagte Juna leise. Als ihre Zofe den Raum verließ, gingen die Lampen aus. Die junge Adlige wartete noch einen Moment, dann erhob sie sich wieder.

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