Es war nie einfach
Achtzehn Jahre. So lange war es nun schon her. Sie hatte ihre Entscheidung nie bereuen müssen, auch wenn es nie einfach gewesen war.
„Ich habe einen Fehler gemacht, und ich bade ihn aus. Allein."
Oh, wie oft sie in den ersten Wochen mit sich gerungen hatte, jemanden anzufunken. Alles zu erzählen. Um Hilfe zu bitten. Aber sie war stark geblieben, weil sie hatte stark sein müssen. Und sie hatte durchgehalten. Ein paar Monate später war sie dann nicht mehr allein im Universum gewesen. Sie hatte jemanden gehabt, den sie bedingungslos geliebt hatte, und jemanden, der sie bedingungslos liebte. Das kleine Mädchen war so unglaublich winzig gewesen, hatte so unfassbar zerbrechlich gewirkt, und sie hatte riesige Angst gehabt, vor der Aufgabe, die das Universum ihr gestellt hatte, vollkommen zu versagen, und ihr auf irgendeine Art und Weise weh zu tuen. In den ersten Monaten war sie oft krank gewesen, die meisten Ärzte, zu denen ihre Mutter sie brachte, hatten ihr gesagt, dass sie es nicht schaffen würde. Aber das hatte sie. Anya war schon damals eine Kämpferin gewesen.
„Alles wird anders für dich sein, als es für mich war, als ich aufgewachsen bin, das verspreche ich dir. Du wirst ein gutes Leben haben. Ganz egal, was es kostet."
Nach einer ganze Weile ging den Beiden das Geld aus, dass die Mutter über all die vergangenen Jahre angespart hatte. Anya war gerade mal zwei Jahre alt, als sie zum ersten Mal die Nacht allein im Schiff verbrachte.
„Schlaf gut, ad'ika. Wenn du aufwachst bin ich wieder da. Morgen wird alles besser sein.", hatte ihre Mutter ihr versprochen, bevor sie gegangen war.
Oh, wie oft war dieser Satz das Letzte gewesen, was Anya gehört hatte, bevor sie einschlief. Er hatte sie in ihren jungen Jahren ständig begleitet. Und manchmal war es nicht so gewesen, dass ihre Mutter am nächsten Morgen zurück war. Manchmal war sie mit leeren Händen zurückgekommen, manchmal sehr viel später als angegeben, manchmal halb bewusstlos. Aber es hatte sie nie gekümmert, solange es ihrer Tochter nur gut ging. Egal, wie viele Jobs sie abarbeiten musste... das Einzige, was wirklich zählte, war, dass es Anya gut ging, dass sie glücklich war, und dass sie nicht hungrig ins Bett gehen musste. Es war nicht zu definieren, wie viel Blut, Schweiß und Tränen in ihre Erziehung geflossen waren. Zu sagen, dass ihre Mutter alles für sie aufgegeben hatte, wäre noch untertrieben gewesen. Die Beiden waren immer auf sich gestellt, wegen der Arbeit ihrer Mutter lebten sie auf dem Raumschiff und reisten zu viel, um irgendwo tiefergehende Kontakte zu knüpfen.
Und schließlich kam der Tag, an dem Anya zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in Händen hielt. Sie war kaum älter als acht gewesen, und doch erinnerte sie sich an manche Worte noch viel zu genau. Zu dem Zeitpunkt hatte sie noch nicht gewusst, was für eine Art Jobs ihre Mutter erledigte, und welche Gefahren sie bargen.
„Die Welt da draußen ist kalt und hinterhältig. Alles und jeder will dir böses. Sie werden dich verletzten, dir das Herz rausreißen, und drauf treten. Dir alles nehmen, was du hast. Deshalb möchte ich, dass du lernst, dich zu wehren."
„Ich helfe lieber Anderen als sie zu verletzen."
„Ich weiß, ad'ika. Aber es gehört zu unserer Kultur. Und besser eine Waffe führen können und keine brauchen als eine brauchen und keine führen können. In dieser Gesellschaft heißt es fressen oder gefressen werden. Und ich werde nicht zulassen, dass dir jemand weh tut."
Das Mädchen nickte bloß stumm und schloss ihre Hand um die Waffe, beinahe verzog sich ihr Gesicht zu einem Grinsen.
„Wie fangen wir an?"
„Das Schlüsselwort lautet Training. Kondition. Wiederholung, Tag für Tag, bis du es schließlich wie im Schlaf kannst."
„Das war aber mehr als ein Schlüsselwort."
„Für so ein kleines Mädchen hast du eine ziemlich große Klappe." Sie hatte gelacht. Und dann hatte sie genau das getan, was ihre Mutter ihr aufgetragen hatte.
Fünf Jahre später hatte sie dabei zugesehen, wie ein Junge auf der Straße von ein paar Älteren zusammengeschlagen wurde. Danach hatte sie mit ihrer Mutter darüber geredet, wie sehr sie das Gefühl in ihrem Inneren gehasst hatte. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, der Nutzlosigkeit. Ihre Mutter hatte sie an die Brust gedrückt, ihr über die Haare gestrichen und ihr tief in die Augen gesehen.
„Du bist nie nutzlos, und du darfst nicht zulassen, dass andere dir das Gefühl geben, es zu sein. Als deine Mutter sollte ich dir sagen, dass Rache zu nichts führt."
„Aber?"
„Ich hoffe du weißt es besser."
Anya hatte fast ein wenig grinsen müssen, als sie ihren Kampfstab zur Hand nahm.
„Du meinst wir schnappen uns die Kerle?"
„Fürs Protokoll, gesagt habe ich das nie.", hatte ihre Mutter gelacht, aber sie hatte sie auch nicht davon abgehalten, das zu tuen, was sie tuen wollte, sondern hatte sie gehen lassen, in dem Wissen, dass ihr Mädchen nun erwachsen werden musste... Und dass sie ihr eines Tages ebenso das Herz brechen würde, wie es schon so viele andere in ihrem Leben getan hatten, und sie vielleicht nie bereit dazu sein würde, die einzige Person gehen zu lassen, von der sie jemals wirklich geliebt worden war.
Die Jahre verstrichen, und Anya war immer häufiger allein im Schiff, bekam ihre ständig abwesende Mutter nur noch hin und wieder zu Gesicht, und langweilte sich dermaßen, dass sie immer häufiger auf eigene Faust die Welten erkundete, auf denen sie sich gerade befanden. Das ein oder andere Mal begleitete sie ihre Mutter auch zur Arbeit.
Eines Morgens stand Anya auf und fand ihre Mutter, wie regelmäßig einmal die Woche, vor ihrem Holobildschirm. Wie erstarrt saß sie da, ihre Augen weit aufgerissen und auf den Bildschirm fixiert.
„Mom? Mom, was ist los?" Anya rüttelte an ihrer Schulter, besorgt, als sie immer noch nicht reagierte. „Ist alles in Ordnung?"
Langsam schüttelte ihre Mutter den Kopf.
„Nein. Nein, nichts ist in Ordnung. Wir werden nach Coruscant fliegen. Sofort."
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