und so trug es sich zu ...

🎼 »Dornröschen, schlafe hundert Jahr, hundert Jahr, hundert Jahr, Dornröschen, schlafe ...«

»Ruhe!«, donnerte König Ulis Befehl durch den großen Saal des Rosenschlosses. »Jetzt wird nicht geschlafen! An die Arbeit mit euch Faulpelzen! Und schaff Sie die Prinzessin in den Garten. Frische Luft ist gesund. Wir brauchen Ruhe zum Nachdenken!«

Sofort verstummte der Gesang der Kinderfrau, nicht jedoch das Gebrüll der kleinen Rosaliana Petulia Amalie Esmeralda Grazia von und zu Dornstich.

»Der süße Brei bekommt ihr nicht«, klagte die Amme.

»Irgendeiner muss ihn aber essen. Der quillt schon durch sämtliche Schlossgänge!« Stöhnend massierte sich König Uli die lichten Schläfen. »Außerdem war der Topf ein sauteures Mitbringsel von der Zwerg-Nase-Kochshow. Den können wir nicht nur rumstehen lassen!«

Mit düsterer Miene beäugte er die ausgebreitete Pergamentrolle auf der langen Tafel. »Man schicke mir meine Gemahlin!«

Eine halbe Stunde später rauschte die Königin samt Gefolge aufgebracht herein. »Was bitte, ist so dringlich, dass ich mein Wellness-Programm unterbrechen muss? Die Stutenmilch wird kalt und einen neuen Termin beim Hairstylisten bekomme ich nicht einfach so.« Mit einem Fingerschnipsen verdeutlichte sie ihre Meinung. »Eine Haarverlängerung ist äußerst anspruchsvoll und bedarf genauester Planung.«

»Liebste Lorelei, Euer Haar ist wunderschön. Ich habe Euch nicht von diesem Felsen geholt, damit Ihr nun statt meiner Schiffe meine Staatskasse versenkt.«

»Sind wir heute ein wenig indigniert, Eure Hoheit?« Lorelei klimperte vorwurfsvoll mit ihren geschwungenen Wimpern. »Lange Zöpfe sind die neueste Mode. Unsere Gäste sollen uns doch nicht für langweilige Hinterwäldler halten.«

»Ha!« König Uli trommelte mit den Fingern auf die lange Namensliste. »Gäste ist genau das richtige Stichwort. Es sind viel zu viele! Diese Taufe ruiniert uns! Die Schatzkammer ist doch kein Fass ohne Boden. Wir können ja nicht nur süßen Brei servieren!«

»Ach, darum habe ich mich längst gekümmert.« Die Königin legte ihrem Mann beruhigend die Hand auf den Arm. »Neulich war doch dieser Bittsteller da. Der Bursche, der eine Lehrstelle zum Fürchten lernen gesucht hat. Den habe ich zum Teufel geschickt, die drei goldenen Haare holen. Damit können wir uns jeden Wunsch erfüllen.«

»Welch guter Gedanke!« Der König küsste seine Königin und freute sich, dass sein Weib nicht nur wunderschön, sondern auch überaus klug war.

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Zur gleichen Zeit, am anderen Ende des Königreiches, in einem tiefen, finsteren Wald ...

Eine seltsame, verhüllte Gestalt schlich um das kleine Häuschen am Wegesrand. Lange schwarze Krallen kratzten über die hölzerne Tür.

»Ihr Kinderlein, lasst mich herein. Euer lieb Mütterchen ist zurück«, säuselte eine verstellte Stimme.

Die Tür öffnete sich schwungvoll und ein stämmiger, kleiner Mann mit einer roten Zipfelmütze trat griesgrämig grummelnd heraus. In einer Hand hielt er ein Pfeifchen, in der anderen eine große Axt.

»Wer stört? Kannste nicht lesen? Hier ist Privatgrund. Betteln und Hausieren verboten!«

Die Gestalt musste niesen und weißer Mehlstaub puderte die Umgebung.

»Verzeihung. Sind die Sieben Geißlein zuhause?«

»Hä?« Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Da bist du irgendwo falsch abgebogen, Kumpel. Hier ist Hinter den Sieben Bergen. Haste kein Navi? Die Sieben Geißlein sind übrigens in die Stadt gezogen. Wieder eine bäuerliche Erzeugergemeinschaft, die pleite ist. Die Welt ist noch nicht reif für Bio.«

»Mist«, quietschte der Wolf. »Dafür habe ich nun ein Pfund Kreide gefressen.«

»Warum wartest du nicht an der Blumenwiese auf Rotkäppchen?«, fragte der Zwerg und zupfte unauffällig an seiner roten Mütze.

»Ey, Alter! Wo lebst du denn? Die Großmutter wartet doch nicht, bis ihre Enkel in die Puschen kommen. Die bestellt ihren Wein online! Aber die Postkutsche bewachen die vier Musketiere, das ist mir zu heikel.« Der Wolf schüttelte sich und weiteres Mehl rieselte zu Boden.

»Mach mal sachte«, beschwerte sich der Zwerg. »Ich muss das alles wieder wegfegen! Schneewittchen ist verdammt pingelig.« Er paffte zwei kräftige Züge aus seiner Pfeife. »Mit dem Königreich geht es bergab. Wenn jetzt selbst die Palastwachen einen Nebenjob brauchen«, brummte er missbilligend.

»Entschuldigung.« Der Wolf versuchte, um ihn herum ins Haus zu spähen. »Ihr habt nicht zufällig drei kleine Schweinchen da?«

»Schön wär's«, sehnsüchtig blickte der Zwerg in die Ferne. »Seit wir Schneewittchen beherbergen, gibt es nur noch Grünkernbratlinge und Spinat-Smoothie.«

Vereint seufzten beide.

»Als Fleischfresser wird man ganz schnell zum Staatsfeind Nr.1 erklärt«, jammerte der Wolf. »Das ist diskriminierend!«

»Hey, warte mal ...«, rief der Zwerg und eilte zurück ins Haus. Kurze Zeit später kehrte er mit einem großen blütenweißen Umschlag zurück, auf dem das königliche Siegel prangte.

»Hier, die Einladung kannste haben. Haus von und zu Dornstich lädt zur Taufe der kleinen Rosa Dingsbums. Wir gehen da eh nicht hin. Der König will uns nur wieder die Schürfrechte abluchsen und Schneewittchen isst ungern auswärts. Apfelallergie«, fügte er erklärend hinzu. »Du kannst dich dort durchfuttern und gleich deine Beschwerde anbringen. Vielleicht brauchen sie bei Hofe noch einen Schurken vom Dienst. Bösewichter sind heutzutage gefragte Leute.«

Gerührt nahm der Wolf das Schreiben entgegen. »Vielen Dank. So was Nettes hat mir noch keiner gesagt.«

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