Kapitel 77 - Ab Freitag, 16.9. (*1*)

Karl weckte sie um sieben, als sein Dienst zu Ende war. Er sah eine Weile auf das Liebespaar, das aneinander gekuschelt auf dem Bett lag, glücklich lächelnd, obwohl es so schwere Zeiten für sie waren.

Er hatte Kaffee und Sandwiches mitgebracht, sie frühstückten schlaftrunken, küssten sich immer wieder, schenkten sich kleine Zärtlichkeiten. Sie wussten, dass sie sich liebten, und das konnte ihnen niemand nehmen. Dann durften sie duschen, Sina war am Abend kurz nach Hause gelaufen und hatte ein paar Sachen geholt.

Um zehn wurde Tom ins Vernehmungszimmer geführt, der Wahnsinn ging in die zweite Runde.
Sina unterhielt sich mit Andreas und Christoph, als der Chef sie alle lachen hörte, gesellte er sich dazu.

Sie unterhielt schließlich das halbe Revier mit ihren Geschichten. Sie erzählte von Toms Flügen, von ihrem Urlaub, der Rettung von Kevin und Peter.
Unglaublich, dachte sie einmal, ich sitze tatsächlich hier, erzähle, was mir in den Sinn kommt, die Männer hören mir zu, interessieren sich dafür, was ich erzähle!

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Bernadette war überrascht, wie gut Tom aussah. Sie hatte keinen hässlichen Mann erwartet, aber diese hübsche Gesicht, diese gute Figur waren schon der Hammer.
Und dieser Mann soll eine Frau zum Sex gezwungen haben? So recht wollte sie das jetzt nicht mehr glauben.

„Also, Herr Bergmann, wir sind hier, um noch einmal über die Ereignisse am 31. Juli zu sprechen. Ihre Aussage liegt mir vor. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?"
Tom lächelte gequält. „Nein, habe ich nicht!"

„Sie haben ausgesagt, es handle sich um einen Racheakt Ihrer Schwägerin, weil sie eifersüchtig auf Ihre Freundin sei."

„Nein, so stimmt das nicht! Sie war immer eifersüchtig auf ihre kleine Schwester. Das hat nichts mit mir zu tun. Sina war mit 15 schon ein entzückendes Mädchen, Jungs, die zu Susanne wollten, haben sich reihenweise in sie verliebt. Sie hat dann durch sehr subtile Beeinflussung ihrer Eltern dafür gesorgt, dass Sina bei ihrem späteren Mann blieb, damit sie als Konkurrentin ausgeschaltet war. Das hat sie auch mehrmals zugegeben. Warum sie gerade jetzt so am Rad dreht, wo Sina glücklich ist, geht mir nicht recht ein, aber sie hat es Sinas Zwillingsbruder mehr oder weniger eingestanden, dass sie mich vernichten wird, um ihre Schwester zu treffen!"

Tom fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
„Frau Sina Christen ist Ihre erste längere Beziehung?" Sie wusste jetzt nicht recht, warum sie diese Frage gestellt hatte, aber der Typ interessierte sie. So einen Mann hatte sie noch nie getroffen!

Tom sah sie verwundert an. „Nein, ich war schon einmal verheiratet!" räumte er ein.
Aha, dachte sie. Und deine Frau hat deine Weibergeschichten wohl nicht mehr ausgehalten.
„Und woran ist diese Ehe gescheitert?"

„An der Kokainsucht meiner" Er zögerte vor dem nächsten Wort „meiner Frau. Ich war immer sehr engagiert im Kampf gegen Drogen, ich konnte das nicht hinnehmen, dass sie mein Geld für Drogen ausgab!"

Sie konnte den Blick nicht von seinen grünen Augen wenden. Er war auch als Mensch ein interessanter Typ! Schließlich räusperte sie sich. „Sie sind sexuell sehr aktiv?"

Tom wusste langsam nicht mehr, was all diese Fragen sollten, riss sich aber zusammen, blieb höflich. „Ich war es, ja vielleicht kann man es so bezeichnen! Ich denke, ich war ein ganz normaler junger Mann, aber ja, ich hatte eine Reihe von Frauen!"

Leider war ich nicht dabei, dachte Bernadette und wurde bei diesem Gedanken etwas rot.
„Susanne Christen kannten Sie aber nicht aus der Vergangenheit?"
„Nein!"
„Finden Sie sie attraktiv?"

„Ich habe sie ein einziges Mal gesehen, morgens um halb sieben, nach einem Nachtdienst, als ich erfahren hatte, dass sie Sina sehr verletzt hatte und ich sie zur Rede gestellt habe! Und nein, ich finde sie nicht attraktiv! Ich finde überhaupt keine Frau mehr attraktiv, außer Sina!"

Dieser Satz brachte etwas in der kühlen Untersuchungsrichterin zum Klingen. So einen Satz hätte sie auch einmal gerne aus dem Mund eines Mannes gehört! Scheinbar gab es doch noch Männer, die so fühlen konnten.

Ihr Herz hatte sich in den letzten Jahren mehr und mehr verschlossen, es hatte Männer eher bekämpft anstatt sich ihnen zu öffnen. Sie räusperte sich wieder.

„Und Sie waren an besagtem Abend nicht im Club?"
„Nein, ich hatte Bereitschaft. Ich nehme meinen Beruf sehr ernst. Vielmehr, ich nahm ihn ernst, denn ich werde ab Oktober Medizin studieren, ich hoffe es zumindest!" fügte er sarkastisch hinzu. „Ich bin nie weggegangen, weil ich immer so schnell wie möglich an der Klinik sein wollte. In 80 Prozent aller Bereitschaftsdienste wurde ich angepiepst, es wäre unvernünftig gewesen, wenn ich dann erst meine Hose wieder hätte hochziehen müssen!"

Er konnte nicht anders, er verlor nun doch die Geduld, er musste ein wenig Druck abbauen!
„Sie sind ein sehr guter Pilot?" Bernadette mochte den Kerl, er tat ihr fast schon leid. Diese Sina musste eine glückliche Frau sein!

„Ja, man sagt es!"
„Sie haben viele aussichtslose Fälle gerettet?"
„Ich hatte viel Glück, ja!" Er sah sie ernst an. „Bei einem der spektakulärsten in jüngster Zeit hat übrigens Sina einem vierjährigen Jungen das Leben gerettet! Sie hat ihn aus einem Felsspalt hochgebracht, durch den ich nicht gepasst habe, obwohl sie eine totale Phobie vor Höhlen hat!"

Es gefiel ihr, wie er bescheiden von seinen Verdiensten ablenkte und seine Freundin in den Mittelpunkt brachte.
Ihr Urteil war eigentlich gefällt. Dieser Mann hatte nie und nimmer versucht, eine Frau zu vergewaltigen.

 Er brauchte eher seine ganze Kraft dafür, sich der Annäherungen zu erwehren!
Plötzlich dachte sie an Sven, einen Kollegen, der sie schon eine Weile umschwärmte. Er sah zwar nicht so gut aus wie dieser Tom Bergmann, war aber doch recht attraktiv.

 Er könnte ein Mann sein, der mit Frauen so umging wie dieser hier! Vielleicht sollte sie doch eine seiner Einladungen annehmen. Sie räusperte sich noch einmal, als sie merkte, dass ihre Gedanken abgedriftet waren.

„Also, das wäre es dann erst einmal, Herr Bergmann. Ich danke für das Gespräch!" Sie wunderte sich über ihre Worte, aber sie war ihm wirklich dankbar, dass er ihr Männerbild etwas zum Positiven hin zurecht gerückt hatte. „Ich muss noch ein paar Gespräche führen, werde dann heute Nachmittag entscheiden!"

Tom verließ das Zimmer, ging wieder zu Sina, nahm sie in den Arm. „Und? Wie ist es gelaufen?" fragte sie ängstlich.
„Keine Ahnung! Das war alles ein wenig seltsam! Sie hat mich mehr über mein Sexualleben ausgefragt als über den Tatbestand, wie sie das Ganze hier nennen!"

„So!So! Ist die Tussi interessiert an meinem Supertom?" Ihre Nervosität musste mit einem Scherz bekämpft werden.
Er küsste sie lachend. „Na, wenn es hilft, hier raus zu kommen, kann ich ja meine männlichen Reize ein wenig einsetzen!"
„Das kannst du schon probieren! Das Nudelholz liegt griffbereit zu Hause!"

Andreas informierte Bernadette, dass Sina schon im Hause wäre, falls sie das Gespräch mit ihr vorziehen wollte.
„Okay! Schicken Sie sie rein!" Sie war schon gespannt auf dieses Wunderwesen, das einen Mann wie ihn so an sich binden konnte.

Als Sina hocherhobenen Hauptes das Zimmer betrat, war Bernadette etwas verblüfft. Sie hatte ein durchgestyltes Upper-Class-Girl erwartet, nicht so ein schönes, unschuldig aussehendes, junges Mädchen.

„Wie alt sind Sie?" fragte sie vollkommen unüberlegt.
„25!" antwortete Sina verwundert.
„Ah! Sie sehen etwas jünger aus, sorry!" Bernadette war wirklich beeindruckt! Diese Augen, dieser Mund, diese Figur konnten einen Mann schon umhauen.

„Sie haben eine Beziehung mit Tom Bergmann und sind die Schwester von Susanne Christen?"
„Ja, ich liebe Tom, und dass Susanne meine Schwester ist, dagegen kann ich leider nichts machen!"

Bernadette lächelte. „Die Vorwürfe ihrer Schwester gegen ihren Lebensgefährten sind ja mittlerweile kein Geheimnis mehr. Wie sehen Sie das Ganze?"

„Das ist völliger Unsinn, aus der Luft gegriffener Quatsch!"
„Warum, glauben Sie, sollte ihre Schwester sich so etwas ausdenken?"
„Sie ist verrückt! Sie hat vor ein paar Tagen das Haus meiner Eltern zerlegt, nur weil sie bei uns zum Essen waren! Sie hat das gesamte Geschirr zertrümmert!"

Bernadette machte sich eine Notiz. Davon hatte sie bis jetzt noch nichts gewusst.
„Wissen Sie, ob Herr Bergmann einen Tag, bevor Sie ihn kennengelernt haben, schon in diesem Club war?"

„Ich war nicht da. Aber wenn er nein sagt, dann war er auch nicht da!"
„Waren Sie schon öfter in diesem Club? Kannten Sie Herrn Bergmann schon, so vom Sehen?"
„Ich war das erste Mal in meinem Leben in einer Diskothek an diesem Montag und hatte das irrsinnige Glück, dass Tom auch dort war!" erklärte Sina lächelnd.

Bernadette sah sie fragend an. „Wie das? Sie sind doch ein sehr hübsches Mädchen?"
„Wollen Sie meine ganze Lebensgeschichte hören? Als ich sie Tom an diesem ersten Abend erzählt habe, waren wir drei Stunden an der Bar und haben nur geredet!"

„Gibt es auch eine Kurzform?" Irgendwie interessierte sich die Untersuchungsrichterin für die Geschichte dieses Paares.

Sina versuchte es. Sie schaffte es, in einer halben Stunde das Drama ihrer Jugend, das Glück mit Tom, die schrecklichen Ereignisse um Max zu schildern. Bernadette hörte gebannt zu, das war ja der reinste Roman. Sie liebte solche Geschichten!
Danach war sie noch sicherer, dass die Geschichte dieser Susanne frei erfunden war.


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