Kapitel 68 - Montag, 5.9.
Am Montag fuhren sie zur Uni, damit Tom sich einschreiben konnte. Lachend liefen sie Hand in Hand vom Parkplatz zum Fakultätssekretariat. Er fühlte sich jung, glücklich, verknallt, mit seinem strahlenden Mädchen im Arm.
Die Sachbearbeiterin freute sich über das glückliche Paar, nahm lächelnd seine Personalien auf, übergab ihm seinen Vorlesungsplan und ein paar Broschüren.
„Jetzt laufen wir noch ein bisschen über den Campus!" bat er sie. „Ich muss mich daran gewöhnen, Student zu sein!"
Gerne erfüllte Sina ihm seinen Wunsch. Er hob sie hoch, drehte sich mit ihr im Kreis. „Ich muss mich ja an einiges gewöhnen in nächster Zeit!" flüsterte er in ihr Ohr.
Sie schlenderten durch die Gebäude der medizinischen Fakultät, aßen in der Mensa zu Mittag, küssten sich in Treppenhäusern und Aufzügen.
Sina sah die vielen hübschen Mädchen, die sich nach ihm umdrehten, ihr Herz wurde ein kleines bisschen schwer. Tom dagegen sah die Blicke der jungen Männer, ihr Lächeln, das eine oder andere Blinzeln.
„Ich bin froh, dass nicht du zu studieren anfängst! Ich weiß nicht, ob ich so viel Konkurrenz jeden Tag ertragen könnte!"
Sie strahlte ihn an. „Und ich muss es schon aushalten, oder was?"
„Was? Konkurrenz?" Er sah sie verwundert an. „Zeig mir eine Frau, die schöner ist als du!"
„So blöd werd ich grad sein!" gab sie zurück.
„Oh Sina-Maus! Du weißt genau, dass es für dich keine Konkurrenz gibt! Nie geben wird!" Er lächelte sie verliebt an, küsste sie zärtlich auf ihren wundervollen Mund. „Nie!"
Sie strich ihm den schräg geschnittenen Pony aus dem Gesicht, vergrub ihre Hände in seinem vollen Haar, sah hingebungsvoll sein hübsches Gesicht an.
„Ja, ich weiß, Tom!" sagte sie leise und strich mit dem Daumen über seine volle, weiche Unterlippe.
„Vorsicht, Mäuschen! Sonst fliege ich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses von der Uni, bevor ich angefangen habe!" Seine Küsse wurde heißer. Sie versuchten beide, wieder auf den Boden zu kommen.
„Hast du eigentlich einen Frauenarzt oder sollen wir an der Klinik einen suchen? Vielleicht kann Benno uns jemanden empfehlen?" fragte er eine Weile später.
„Nein, ich war da ein bisschen schludrig! Das wäre gut, wenn wir hier einen fänden!"
Sie liefen zum Auto, fuhren zum Klinikum. Benno freute sich, die beiden zu sehen.
„Na, ihr strahlt ja nicht schlecht!" begrüßte er sie.
„Wir sind schwanger!" platzte Tom glücklich heraus und zog seine Süße noch näher an sich.
Benno bekam einen Lachanfall. „Ihr seid ja echt von der schnellen Truppe!"
„Wer kann, der kann!" zog ihn Tom auf. Und wieder einmal erzählte er die Geschichte ihres Babys. Sina gefiel seine extrovertierte Art unheimlich, schon die ganze Zeit mochte sie, wie offen er über seine Gefühle zu ihr mit allen sprach. Nichts war ihm peinlich, alle sollten von seiner Liebe erfahren!
Benno sah sie ernst an. „Ihr habt recht! Jetzt ist der beste Zeitpunkt! Meine Frau und ich haben es immer hinausgeschoben, haben gewartet, bis es zu spät war. Sie hatte ein Myom, die Gebärmutter musste entfernt werden!" berichtete er. Das war das einzige, was er in seinem Leben wirklich bereute, dass sie seine Karriere vor den Kinderwunsch gestellt hatten, weil sie gedacht hatten, noch viel Zeit zu haben.
„Das tut mir leid!" Sina wusste aus Erfahrung, was es hieß, ein Kind zu wollen und keines bekommen zu können!
„Kannst du uns einen Gynäkologen empfehlen?" fragte Tom.
„Klar! Ich melde euch beim Proff an! Nur das Beste für euch!"
Er führte ein kurzes Telefonat. „In einer Stunde habt ihr einen Termin!"
Sie plauderten noch eine Weile, dann machten sie sich auf den Weg zu seinem ehemaligen Team.
Es gab ein großes Hallo, sie fielen sich in die Arme. Der Neue stand ein wenig unsicher dabei.
„Tom Bergmann?" fragte er schließlich. „Ich hab schon viel von dir gehört!" Er lächelte die beiden herzlich an.
„O Gott! Jetzt kommt die Tour wieder!" Tom sah etwas gequält zu seinem Nachfolger.
Der sah ihn verdutzt an. „Ja! Du sollst ja ein fantastischer Pilot sein! Und die hübsche Sina ist ja wirklich mehr als hübsch!" Er lächelte sie freundlich an.
Fabian grinste, Bastian lachte laut auf, Clemens schlug ihm auf die Schulter.
„Jetzt ist dir kalt und heiß geworden, oder?" fragte Fabian, der mittlerweile sein Nachfolger als Teamleiter geworden war.
Tom boxte ihn. „Ich bin es bloß leid, dauernd ein Thema um die Ohren geklatscht zu bekommen!"
„Ist schon klar! Aber die Zeiten sind ja vorbei!" Fabian nahm Sina in den Arm. „Das haben wir schon begriffen!"
Und wieder musste Tom seine Baby-Geschichte loswerden. Ja, wenn das Herz so voll war...!
Es gab viele Glückwünsche, viel Schulterklopfen, viele Küsschen für Sina.
„Schau, schau! Wie sie die Situation gleich wieder ausnutzen!" scherzte Tom, aber das Glück und die Freude ließen seine Augen strahlen.
„So, Süße! Wir müssen! Wir haben einen Termin beim Gynäkologen! Ich bekomme meinen Vaterpass, weil ich eindeutig mehr schwanger bin als sie!"
Lachend machten sie sich auf den Weg. Simon, der Neue, sah ihnen nach. „Na, die beiden sind aber echt gut drauf, oder?" fragte er seine neuen Kollegen.
„Ja!" sagte Fabian nachdenklich. „Aber sie haben sich ihr Glück auch verdient! Sie haben einiges durchgemacht!" Und bis zum nächsten Alarm berichteten sie ihm die Geschichte von Tom und Sina.
Sina und Tom liefen händchenhaltend durch die Gänge des Klinikums.
„Ah! Der Tommi schaut auch wieder mal vorbei!" drang plötzlich eine Frauenstimme an Sinas Ohr.
„Nenn mich nicht Tommi!" fuhr der die große, schlanke Frau an.
„Ach ja! Das magst du ja nur beim Sex!" antwortete sie und musterte Sina mit bösem Blick.
„Nein! Da mochte ich es auch nicht!" fauchte er sie an.
Angelika steigerte sich in eine irrationale Wut. „Ach, und das ist dein derzeitiger Fick? Oder, einer deiner derzeitigen Ficks?"
Sina sah sie entsetzt an, schüttelte den Kopf, bekam dann aber plötzlich einen Lachanfall.
„Also....," japste sie. „Also..... wenn... Akademikerinnen so reden, brauche ich mich über den Wortschatz meiner Schüler nicht mehr zu wundern!"
Tom nahm sie grinsend in den Arm, Angelika schien vor Wut zu platzen. Doch im Moment fehlten ihr die Worte, um der Nutte kontra zu geben.
Sina las den Namen auf dem Schild an ihrem Kittel. „Angelika – das Engelchen! Dass jetzt manchmal Namen so gar nicht passen!"
Tom unterdrückte ein Lachen. Heute war sie wieder einmal gut drauf mit Worten, seine kleine Krabbe.
Er nahm sie noch fester in den Arm und ging weiter.
„Verdammte Hure!" stieß Angelika hervor. Sie hatte allerdings nicht mitbekommen, dass ihr Chef schon eine ganze Weile ein paar Meter den Flur hinunter stand und alles mitbekommen hatte.
„Frau Dr. Rosen, kommen Sie bitte in mein Zimmer!" sagte er mühsam beherrscht.
Angelika tauchte aus der Weißglut ihres Zornes auf. Ein Jahr lang hatte sie diesen tollen Mann angebaggert, hatte sich erniedrigt, hatte sich ihm angeboten, obwohl sie jedes Mal bemerkt hatte, dass er nichts für sie empfand. Mehr als einmal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie aus einer sehr reichen Familie kam, dass sie ihm die Welt zu Füßen legen konnte. Nichts hatte geholfen!
Abend für Abend war sie in ihrem Bett gelegen, hatte sich zu ihm geträumt, sich Strategien ausgemalt, wie sie ihn doch noch erobern konnte! Und jetzt tauchte er mit dieser Frau hier auf, um sie noch mehr zu demütigen!
Im Chefarztzimmer ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. „Er hat mich sexuell belästigt! Immer wieder! Ich konnte mich nicht wehren!" stieß sie hervor.
Der Chef sah sie ernst an. „Nein, Frau Dr. Rosen! Das hat er nicht getan! Eher haben Sie ihn belästigt! Ich beobachte das schon eine Weile, wie Sie ihn angefasst haben, wo immer Sie ihn getroffen haben." Es war ihm unangenehm, was er da gerade mitbekommen hatte, aber er konnte jetzt nicht länger untätig sein.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie den Ruf eines erstklassigen Kollegen ruinieren! Sie sind eine gute Ärztin, aber unsere Klinik kann gut auf Sie verzichten! Wenn ich also noch einmal das geringste wahrnehme, das Sie gegen Herrn Bergmann unternehmen, können Sie ihre Papiere abholen! Ich schreibe ein Gedächtnisprotokoll aller Vorkommnisse, und Sie können sicher sein, dass mein Wort immer mehr Gewicht haben wird als Ihres!"
Angelika zog den Kopf ein. Ihrem Vater würde es nicht gefallen, wenn sie in einen solchen Skandal verwickelt wäre. Wahrscheinlich würde er sie sogar enterben! Sie senkte den Blick.
„Es... es tut mir leid!" stammelte sie. „Aber ich habe mich in ihn verliebt!"
„Damit müssen Sie selbst fertig werden! Liebe kann man nicht erzwingen!" Der Chef war etwas gnädiger gestimmt. „Also, dann haben wir uns verstanden?"
„Ja!" antwortete sie kleinlaut und ging wieder an ihre Arbeit.
Tom und Sina hatten mittlerweile die Privatpraxis des Chefarztes der Gynäkologie erreicht. Er hatte den ganzen Weg lachen müssen, wie sie Angelika fertig gemacht hatte. Er war so stolz auf sie, dass sie seine Vergangenheit so locker hinnahm, wusste genau, dass er im umgekehrten Fall nicht so hätte reagieren können.
Der Professor begrüßte sie herzlich. Er machte einen Ultraschall, die Klinik hatte bessere Geräte, also konnte auch in diesem frühen Stadium schon eine Untersuchung durchgeführt werden, genau wie bei Marie am Münchner Klinikum.
„Ja!" Er freute sich ihnen ein eindeutiges Ergebnis mitteilen zu können. „Zwei Babys sind im Anmarsch! Ganz klar!"
Tom drückte seine Süße ganz fest. Endlich Klarheit!
„Möchten Sie einen Ausdruck?"
„Ja!" Beide antworteten gleichzeitig, erinnerten sich an das Bild von Maries und Patricks Baby.
„Ich hoffe, unsere sind hübscher!" Sinas trockener Humor flashte ihn wieder einmal. Auf dem Ausdruck war nichts zu sehen als zwei dunkle Punkte in viel Grau, aber für sie beide war es das schönste Bild der Welt: Das erste ihrer Kinder!
Sie stellten überglücklich wieder viele Fragen, eine zweite Meinung konnte ja nicht schaden.
Der Professor genoss das Glück der beiden unsäglich. In seinem Beruf musst er zu oft schlechte Nachrichten überbringen, da tat es auch einmal gut, am Glück von zwei so verliebten Menschen teilzuhaben.
Sie vereinbarten weitere Termine, dann liefen sie selig zum Auto.
„Können wir noch am Grab meiner Eltern vorbeifahren?" fragte Tom, obwohl er wusste, dass er nicht zu fragen brauchte.
Auf dem Friedhof stand er tränenüberströmt da und hielt Zwiesprache mit Vater und Mutter, die er jetzt so gerne, so verdammt gerne noch bei sich gehabt hätte, vor allem, damit sie ihm einen Teil des Glückes abnehmen konnten, das ihm immer mehr den Atem nahm!
Sina spürte wieder die Kraft, die von dieser letzten Ruhestätte ausging, und sie war in diesem Moment sicher, dass alles gut werden würde, dass ihre Kinder gesund zur Welt kommen würden, wenn der Weg bis dahin auch nicht einfach werden würde.
„Ich danke euch für diesen Sohn!" flüsterte sie, und Tom nahm sie aufschluchzend in die Arme, hielt sie fest, hielt sie fest, hielt sie fest!
Und in diesem Augenblick schlossen sie den Bund fürs Leben – inniger, als sie es je in einer Kirche oder auf einem Standesamt hätten tun können. In stillem Einvernehmen zogen sie die Ringe von den Fingern der linken Hand und steckten sie sich an die der rechten.
„Für immer!" flüsterte Tom.
„Für immer!" antwortete sie, bevor er sie in seine Arme riss und küsste.
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