Kapitel 63 - Montag, 29.8. (*2*)

Sina sprang aus dem Bett, duschte ausgiebig und hüpfte nach unten. Sie tanzte in den Gastraum.
„Hunger!" rief sie. „Bitte ein halbes Schwein!"

Anna kam angerannt. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht! Tom war mit dem Rad wieder ins Tal gesaust, Sina war noch gar nicht aufgetaucht an diesem Morgen und Vormittag. Hoffentlich hatten die beiden keinen Zoff!

„Hallo! Schön dich zu sehen, Sina!" stellte sie erleichtert fest.
„Danke, liebste Anna! Auch wenn es korrekter Weise heißen müsste: Schön, euch zu sehen!" Der Schalk saß in ihren Augen.

„Aber Tom ist doch gar nicht da! Der ist doch wie ein verrückter losgeradelt!"
„Korrekt! Du musst aber trotzdem ihr zu mir sagen, nicht mehr: du!"
Anna verstand erst einmal gar nichts, dann ein bisschen und schließlich alles.
„Nein! Sag bloß! Das glaube ich jetzt nicht!" Sie nahm Sina in die Arme, tanzte mit ihr durch den Gastraum.

„Glaub' s ruhig! Wir tun' s ja auch!" Sie erzählte der Wirtin die ganze eigentlich unglaubliche Geschichte.
„Und jetzt habe ich Kohldampf, aber so was von! Ich habe zwei Stunden lang gebrochen! Ich bin leerer als leer!" sagte sie, von einem Ohr zum anderen grinsend.
Anna brachte kurz darauf ein mehr als opulentes spätes Frühstück.

Tom kam gerade dazu. „Na, das ist ja nett, dass der werdende Vater heute auch einmal etwas zu Essen bekommt!" scherzte er.
Anna nahm ihn in den Arm. „Das ist der Hammer, oder, Anna? Wir kennen uns keine vier Wochen, und ich bin der glücklichste werdende Vater der Welt!"

Sie vertilgten alles, was Anna aufgetischt hatte und auch das, was die Wirtin noch anschleppte.
Dann tanzten sie verrückt vor Glück hinaus auf die Terrasse, auf den Wanderweg in Richtung Tal. Als er wieder ein Netz hatte, wählte er noch einmal Patricks Nummer, ging ein paar Schritte zur Seite.

„Also! Das Fliegen ist überhaupt kein Problem, bis zum achten Monat nicht! Luftdruck und Höhenluft beeinflussen das Kind nicht im Geringsten. Zum anderen Auftrag: Eher ja! Ein erhöhter Wert an Schwangerschaftshormonen lässt ziemlich sichere Rückschlüsse auf eine Zwillingsschwangerschaft zu.

Und diese schnelle und intensive Färbung bedeutet wohl einen erhöhten Wert von eben diesen Hormonen! Außerdem tragen Zwillingsfrauen das Gen zu Zwillingsgeburten eher in sich als Zwillingsmänner!"

Tom konnte kaum noch atmen! „Danke, Patrick!" stieß er hervor und beendete das Gespräch.
Versonnen kam er zu ihr zurück.
„Und? Gute oder schlechte Nachrichten?" fragte sie leise.

„Gute! Ja, grundsätzlich gute!" Er küsste sie. „Also, wir dürfen noch fliegen, ich muss dich nicht mit dem Zug nach Hause schicken!"

Er drückte sie an sich. „Aber, die schnelle Reaktion bei dem Test hat mir zu denken gegeben. Und Patrick hat meinen Verdacht oder meine Hoffnung, je nachdem, wie man es sieht, bestätigt! Es werden wohl zwei Babys werden!"

„Du bist verrückt! Ach, du liebe Zeit! Zwei!" Sina wusste nicht, ob sie heulen oder lachen sollte!

„Na, ja! Sicher ist es ja noch nicht! Das kann erst der Ultraschall feststellen!"
Tom nahm sie in den Arm, sie gingen weiter auf dem Weg nach oben. „Aber der Test scheint schon darauf hinzudeuten!"
Sie sah ihn frech an. „Wenn er was macht, macht er es ordentlich, der Tom Bergmann!"

„Wahrscheinlich waren meine flotten Jungs so heiß auf deine Mädels, wie ich auf dich!" Er war schon wieder verrückt nach seinem lustigen Kobold!
Aber jetzt musste er sich zusammenreißen. Sie mussten eine Menge besprechen.
„Es ist halt so, dass Zwillingsschwangerschaften nicht so einfach sind!" Der Gedanke machte ihm ein wenig Angst.

„Ich weiß, Tom! Falls es dir entgangen sein sollte: Ich bin ein halber Zwilling! Meine Mutter musste auch einen Monat lang liegen, wir sind dann Ende siebten Monats per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, weil der riesige Patrick mich sonst zerquetscht hätte!"

Sie lachte, als sie an die Erzählungen der Eltern in ihrer Kindheit dachte. „Aber zur Strafe bin ich vor ihm geholt worden! Dann mussten wir noch einen Monat in den Brutkasten. Freilich ist das alles nicht so einfach, aber es kommen doch so viele Zwillinge gesund auf die Welt!"

Sie küsste ihn beruhigend.
„Aber leicht wirst du es nicht haben, Sina-Maus!" Er machte sich schon Sorgen.

„Wann haben wir sie eigentlich gemacht?" Sie fing an zu rechnen. „Das muss dann das Wochenende gewesen sein, als wir gekocht haben!"
„Ja" stimmte Tom lachend zu. „So weit war ich auch schon!"

„Und sie kommen dann...... im Mai, oder früher! Dann habe ich zehn Wochen Mutterschutz, da fange ich aber nicht mehr an in diesem Schuljahr! Na, mein Chef wird sich freuen, wenn er das hört!" meinte sie ironisch.

„Wie ist denn dein Chef so?" Er wusste noch immer sehr wenig von ihrer Arbeit.
„Launisch! Sehr katholisch! Er war relativ sauer, als er das mit der Scheidung mitbekommen hat!"

Oh! Oh! dachte er. Da wird er dann eine Freude haben über eine unverheiratete, schwangere Kollegin! Aber er wollte sie jetzt nicht noch mehr beunruhigen.

Sie sprachen weiter über die Zukunft. „Dann habe ich ja Semesterferien bis Oktober, anschließend müssen wir eben sehen. Vielleicht kann ich die Vorlesungen und Seminare auf den Nachmittag legen!"

„Vielleicht gehe ich dann auch in Teilzeit, meine Mutter kann bestimmt auch mal einen Tag einspringen oder Marie und Patrick! Er ist ja bis dahin  fertig mit dem Master!"
„Na, der wird eine Freude haben! Drei Babys!"
„Müssen wir uns halt revanchieren und seines mal nehmen!"
„Das ist ein guter Plan, kleine Krabbe!"

Bei dem Wort Plan sahen sie sich an, mussten herzhaft lachen. „Vielleicht sollten wir das Planen lieber lassen!" japste Tom

„Eindeutig!" stieß sie hervor. „Das ist nicht unsere Stärke!"
Sie hielten sich lachend im Arm. Als sie von vorne Stimmen hörten, ließen sie sich los.
Fünf junge Männer kamen ihnen entgegen, die Tom erkannten.
„Na, Tom? Immer noch dieselbe Frau?" fragte einer süffisant halblaut. „Seit acht Tagen?"

„Ja, klar! Aber ich hatte schon ein paar andere dazwischen! Sonst wird's ja langweilig!" antwortete der todernst. Die Gruppe sah Sina an, die sie anstrahlte. Also, entweder war die Kleine so verrückt nach dem großen Kerl, dass sie alles einsteckte, oder sie war ein wenig doof, oder Tom zog sie alle auf.

Der musste loslachen. Die fünf waren bei der freiwilligen Feuerwehr, sie hatten sich immer wieder Mal bei Einsätzen getroffen. Er wollte es sich nicht ganz mit ihnen verderben.
„Nein! Quatsch! Das ist Sina, meine Liebe! Und sie wird es auch bleiben!" Die jungen Männer begrüßten Sina herzlich, stellten sich vor.

„Er ist ein feiner Kerl!" lobte ihn einer. „Wenn man nicht gerade eine Frau ist!" schränkte er grinsend ein, was ihm eine ordentliche Kopfnuss einbrachte.
„Und du bist Sina, die den Kevin aus dem Spalt geholt hat? Respekt, Mädchen!" merkte ein anderer an. „Vielleicht hat er ja auch nur nach einer wie dir gesucht! Zwar fleißig gesucht, aber immerhin!"

Tom nahm seinen Kopf zwischen seine Hände, gab ihm einen kräftigen Schmatz auf die Wange.
„Danke, Daniel! Wenigstens einer, der mich versteht!"

Der wehrte sich vehement, schubste Tom im Spaß, im Nu war eine kameradschaftliche Rangelei in Gange. Das brauchte er jetzt! Ein wenig Kräftemessen mit einem gleichstarken Mann, um den Druck in ihm etwas abzubauen, den das Glück hatte entstehen lassen. Als Daniel lachend am Boden lag und um Gnade flehte, fiel Tom sein Mädchen wieder ein.

Sie stand umringt von den anderen Vieren, die die Zeit intensiv genutzt hatten, sie auszufragen. Wie sie heiße, wo sie herkomme, wie alt sie sei, was sie arbeite, wie sie Tom kennengelernt hatte und wann usw.

Tom stützte die Hände auf die Hüften. „Ah! Da schau her! Ein ganz neuer Trick! Einer lenkt ab und vier baggern! Sina, bei Fuß!"

Sie lachte Tränen über den verrückten 30jährigen Mann, der sich aufführte wie ein Teenager.
Sie lief folgsam zu ihm, er legte den Arm um sie. „So ist es brav!" Ein Kuss belohnte sie.
Dann wandte er sich an die Feuerwehrler.

„Also jetzt mal im Ernst! Ihr könntet eigentlich meinen Ruf im Ort verbessern! Sina und ich sind seit vier Wochen zusammen und wir werden es für immer bleiben. Langsam habe ich es satt, dass ich für alle den Casanova spielen soll, nur weil ich einmal ihm Jahr ein Mädchen nicht habe abblitzen lassen, das mich angebaggert hat!"

Er hatte sich tatsächlich ein wenig in Rage geredet. „Das meiste, was geredet wird, existiert eh nur in der Fantasie mancher weiblichen Wesen! Wenn ich mit allen geschlafen hätte, die das behaupten, stünde ich wohl im Gueness Book der Rekorde!"

Daniel grinste. „Du hast wohl die neueste Ausgabe noch nicht gelesen?"
Tom verdrehte die Augen.
„Nein!" besänftigte ihn Charlie, einer der anderen. „Wir werden alles tun, um dich zu rehabilitieren! Ist eh praktischer, wenn wir nicht immer alle Frauen unter 40 einsperren müssen, wenn du einfliegst!"

Sina hielt sich die Seite vor Lachen.
„Sie nimmt es locker, oder?" stellte Charlie verwundert fest.
„Sie weiß ja auch, dass das alles vorbei ist!" Er drückte sein Mädchen an sich.

Das Liebespaar machte sich zusammen mit den Jungs auf den Rückweg. Auf der Alm wollten sie noch etwas zusammen essen und trinken. Josie und Inga kamen angeflitzt, fielen Sina um den Hals.
„Herzlichen Glückwunsch! Mama hat es uns erzählt!" Sie umarmten auch TomTom.

Die Jungs sahen zu, wunderten sich etwas. „Hast du Geburtstag?" fragte Charlie.
Sie grinste ihn an. „Besser!"
„Verlobung?"
„Viel besser!" Tom grinste mit ihr um die Wette,

„Hochzeit?"
„Noch immer besser!"
„Was kann besser sein, als eine solchen Frau heiraten zu dürfen?" Daniel war ratlos.
„Nicht viel! Außer einem!" Wie zufällig legte Tom seine Hand auf ihren Bauch, sah sie zärtlich an.
„Ah ja!" Bei Lars hatte es Klick gemacht! Er fand jetzt zwar nicht direkt, dass ein Kind nach nur vier Wochen ein Grund zum Jubeln war, aber wenn die beiden sich freuten, war es wohl in Ordnung.

„Nachwuchs?"
„Ja! Wir bekommen ein Baby!" Glücklicher als Tom konnte diese Aussage kein Mann machen. Die Männer klatschten sich ab.
Josie brachte die Getränke, ihre Augen blieben ein wenig lang an Daniel hängen, der sie freundlich anlächelte.

Inga kam mit der Speisekarte, stolperte über Charlies lange Beine, fiel fast auf seinen Schoß, lief rot an, wartete aber tapfer auf die Bestellungen. Der Charlie gefiel ihr schon lange, war an ihrer Schule ein paar Klassen über ihr gewesen.

„Donnerwetter! Sind das hübsche Dinger geworden, die Amann-Zwillinge!" wunderte sich Daniel, als die beiden wieder weg waren. „Letztes Jahr waren sie nur Arme und Beine!"

Er schlug Tom auf die Schulter. „War gut, dass du sie rausgeholt hast!" Der grinste zufrieden.
Sina platzte wieder einmal vor Stolz auf ihren hübschen Helden. Sie legte die Hand aus Herz, er sah die süße Geste. Ja, Schönheit, ich liebe dich auch! Ich liebe dich wahnsinnig! Er fasste nach ihrer Hand, drückte sie fest.

Die Mädchen brachten das Essen, sahen die hübschen Jungs an, vertauschten die Teller, waren ein wenig konfus, lachten, lächelten die beiden hübschen Burschen an.

„Setzt euch doch ein wenig zu uns!" schlug Daniel vor, lächelte zurück. Josies und Ingas Herz hörte kurz auf zu schlagen. Die anderen machten bereitwillig Platz, damit die Mädchen sich zu Daniel und Charlie setzen konnten.

Nach einigen Schreckminuten kam bei den Zwillingen auch die Schlagfertigkeit zurück. Die vier scherzten und lachten, unterhielten sich blendend.
Die drei anderen Jungen gingen nach unten zu den Autos. Daniel und Charlie blieben sitzen.

Sina und Tom gingen nach oben, wollten sich umziehen. Es wurde dann ein Ausziehen und viel später ein Anziehen. Die vier saßen immer noch auf ihren Plätzen.

Sie drehten eine ruhige Runde in Richtung Österreich, landeten auf ein paar Notstützpunkten.
„Na, da hat es wohl ein paar erwischt!" stellte Tom fest.
„Süß, oder? So junge Leute, das ist doch herzerfrischend!"
Sie unterhielten sich, streichelten sich ein wenig, küssten sich bei den Landungen, waren nur glücklich!

„Willst du nicht deine Eltern anrufen?" fragte Tom schließlich.
„Das macht Patrick schon!" wiegelte sie ab.

Sie hatte einfach nicht das Bedürfnis, fürchtete Einwände, Vorschläge, Bemerkungen. Sie hatten sich zwar angenähert, aber bis zu einem normalen Tochter-Eltern-Verhältnis war es nach Sinas Gefühl noch ein weiter Weg. Es war einfach zu viel passiert! Zehn verlorene Jahre ihres Lebens waren einfach zehn Jahre. Das konnte niemand in ein paar Wochen vergessen.

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