Kapitel 3 - Dienstag, 2. 8. (*1*)
Um Punkt Zwölf läutete es an der Türe.
Als sie öffnete, musste sie erst einmal herzlich lachen.
Sie sah einen Turm aus Tortenschachteln, aus dem unten ein paar Beine heraussahen.
„Nimm bitte schnell eine Schachtel, bevor alles kippt!" bat er atemlos. Sie packte die oberste, da kam auch sein Kopf zum Vorschein.
Hübsch! dachte sie. Er war wirklich ein hübscher Kerl!
Schnell stellten sie alles in der Küche ab.
Er nahm sie in die Arme, gab ihr einen vorsichtigen Kuss. „Hallo, Süße!"
Mein Gott, war sie heute noch hübscher als gestern?
Klar, das Tageslicht!
„Ich muss noch mal raus!" Er schleppte noch ein paar Tüten und ein paar Pakete Kaffee an.
Dann küsste er sie noch mal. „Hallo, Süße!" sagte er lächelnd.
Sie hielt sich den Bauch vor Lachen. „Kommen noch ein paar Dutzend Leute?" fragte sie nach Luft schnappend.
Er zog sein linkes Augenlid nach unten. „Bin ich doof oder was?"
„Hör jetzt auf zu kaspern, ich ersticke vor Lachen!"
„Macht nichts, ich bin Rettungssanitäter! Ich bin gut in Mund-zu-Mund-Beatmung!" Er fühlte sich leicht, jung, albern in ihrer Nähe!
Und verliebt!
Das wurde ihm schlagartig klar.
„Tom! Schluss jetzt! Was soll das denn alles?" Sie wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Oh! Jetzt weint sie, die Süße, weil ich sie noch nicht begrüßt habe! Hallo, Süße!" sagte er und küsste sie ein drittes Mal.
Langsam wurden die Küsse ein wenig heißer.
Brav sein, Tom! ermahnte er sich.
Sina fühlte sich wundervoll!
Süße! hatte er sie genannt!
Hatte das schon jemals jemand zu ihr gesagt?
Und seine Küsse!
Olalala!
„Also, Kaffeetrinken von 12 bis 17 Uhr, ich wollte sicher sein, dass der Kuchen nicht ausgeht. In den Tüten sind Butterbrezen und Sandwiches, falls du nicht so viel Torte magst. Dann habe ich koffeinfreien Kaffee mitgebracht, einmal als Pulver, einmal ganze Bohnen, weil ich nicht wusste, was für eine Maschine du hast. Kein Mensch kann fünf Stunden lang normalen Kaffee trinken!" Er war vollkommen aufgedreht.
Sie saß auf einem Stuhl, hielt sich den Bauch. „Aber sonst ist in deinem Kopf alles in Ordnung, ja?"
„Ich weiß nicht! Ich habe heute Morgen meinen Kopf verloren und mein Herz dazu!" Er sah sie offen an, sie erwiderte seinen Blick.
Die Stimmung schlug um, wurde prickelnd, elektrisch geladen.
Sie bewegten sich einen Schritt aufeinander zu, konnten die Augen nicht voneinander lösen.
Nur noch ein halber Schritt für jeden:
Sina tat ihn nicht, sie drehte sich um, fing an, die Kuchenschachteln zu inspizieren.
Tom tat ihn schon, aber weiter ging er nicht.
Er hatte sich selbst ein Versprechen gegeben.
„Und?" fragte er leise. „Ist was dabei, was du magst?"
Ja! dachte sie. Was ich mag, was ich sehr mag, steht hinter mir!
„Ja, doch, bestimmt!" brachte sie mühsam hervor.
Sie atmete tief durch, versuchte sich zu konzentrieren, fühlte seine Nähe, seinen Atem auf ihrem Nacken, die Wärme, die er ausstrahlte, roch seinen Duft, leicht zitronig.
„Also, Kaffee kochen!" ermahnte sie sich. „Erst normalen, dann koffeinfreien! Okay, Wasser, Bohnen sind drin, einschalten!"
Tom lächelte.
So ganz unbeteiligt schien sie auch nicht zu sein.
„Hast du eine Kuchenplatte?" fragte er, atmete ihren Duft ein.
„Kuchenplatte?" Wenn sie nur die Watte aus ihrem Kopf bekommen würde, wenn nur das Blut, das nach irgendwo da unten geschossen war, wieder in ihr Gehirn zurückkäme! „Kuchenplatte? Ich habe keine Ahnung!"
„Kann ich mal suchen?" Noch immer stand er so nah hinter ihr.
„Was suchen? Ah, ja, eine Kuchenplatte! Natürlich habe ich eine Kuchenplatte!" Sie öffnete eine Schranktüre, zog eine heraus.
„Und ein Messer? Und vielleicht einen Tortenheber?"
Sie suchte beides. „Eine Arbeit macht der Mann!" Ihre Schlagfertigkeit kam langsam wieder zurück.
Tom grinste. „Hättest du mich auf ein paar Küsse eingeladen, hättest du nicht so viel Arbeit gehabt!"
„Und billiger wär's auch gewesen!" meinte sie mit einem Blick auf die Berge, die er eingekauft hatte.
„Das außerdem, ja!"
„Dumm von mir, oder?"
„Ziemlich!" Er stand kurz vor einem Lachanfall.
Mein Gott, war das Mädchen süß!
„Aber du weißt ja, dass ich mich mit dates nicht auskenne! Nächstes Mal mache ich es dann besser!"
„Sicher?"
„Sicher!"
„Morgen?"
„Ah, ja, morgen!"
„Morgen lädst du mich dann auf ein paar Küsse ein?" Ihm wurde heiß!
Noch heißer als bisher!
„Ja!"
„Gut, dann fangen wir mal mit dem Kaffeetrinken an!" schlug er vor leise vor.
„Ja! Dann fangen wir mal mit dem Küssen, ah, Quatsch, mit dem Kaffeetrinken an!"
„Na, wir können auch mit dem Küssen anfangen und morgen Kaffeetrinken!"
Puh, langsam wurde die Unterhaltung gefährlich!
„Nein, nein, das passt schon!"
Plötzlich prustete sie los, fiel wieder auf den Stuhl.
„Kann es sein, dass wir beide schon einmal eine intelligentere Unterhaltung geführt haben?"
Tom konnte das Lachen auch nicht mehr zurückhalten.
„Mit Sicherheit! Aber da waren wir an der Bar einer Disco! Hier mit dir alleine ist das schon etwas schwerer!" gestand er.
„Heißt das, dass wir immer unintelligente Unterhaltungen führen werden, wenn wir alleine irgendwo sind?"
„Könnte sein, ja!"
„Warum?"
„Vielleicht, weil unsere Sinne etwas vernebelt sind?"
„Sind deine Sinne jetzt vernebelt?" wollte sie wissen.
Gefährliche Frage!
„Gewaltig!" räumte er grinsend ein.
„Woran merkt man das? Du weißt ja, ich...
„Kenne mich mit dates nicht aus! Ich weiß, Süße! Aber ich glaube, dass du dich mit vernebelten Sinnen ganz gut auskennst!" sagte er lachend.
„Na, wenn du das sagst! Schließlich hast du ja mehr Erfahrung als ich!" Sie fand mittlerweile unheimlich Spaß an dem Spiel, fand Spaß am Locken, am Herausfordern!
Dann musst du aber auch die Konsequenzen tragen! warnte sie sich.
Aber sie fühlte sich so leicht, so locker, so losgelöst, als hätte sie Champagner im Blut.
„Das mag schon sein! Was es aber nicht leichter macht, weil ich mir versprochen habe, heute ganz brav zu sein!"
Er war relativ heiser, versuchte einen Frosch im Hals wegzuräuspern.
„Betonung liegt auf heute?"
„Betonung liegt auf heute, auf ganz und auf brav!"
„Du willst also nicht auf den Hof raus und mit mir rummachen?" Sie lachte wieder, als sie sich an Nicks Anmache erinnerte.
„Hast du denn einen Hof?" stellte er die Gegenfrage.
„Nur einen Garten!"
„Mit dunklen Ecken?"
„Im Moment nicht!"
„Also erübrigt sich deine Frage ja!"
„Touche, mon General!" Sie grinste ihn an.
Er bekam langsam wirklich echte Probleme, diesen süßen Clown nicht aufzufressen oder zumindest ein wenig anzuknabbern.
Wieder einmal atmete er tief ein und aus.
Sie war wunderschön und so drollig wie ein Kobold, wenn er auch nicht wirklich schon einmal Bekanntschaft mit einem Kobold gemacht hatte.
Aber das süßeste Exemplar dieser Gattung stand mit Sicherheit hier in der Küche neben ihm.
Sie sah, wie sein Blick sich wieder verdunkelte, beschloss, das Locken erst einmal sein zu lassen.
Aber er war schon verdammt süß, wenn man das einem fast 30jährigen Mann auch schlecht sagen konnte.
Und er war verdammt hübsch!
Sapperlot, er sah vielleicht gut aus!
Sie sah lieber weg, widmete sich wieder dem Gebäck, atmete tief durch.
„So, ich glaube, ich könnte jetzt fähig sein, dieser Maschine zwei Tassen zu entlocken!"
Auch er löste sicherheitshalber seinen Blick von ihr, brauchte etwas Luft, die er schnell holte. „Okay, dann könnte ich fähig sein, eine paar Tortenstücke auf diese Kuchenplatte zu legen!"
Sie schafften die schweren Arbeiten tatsächlich, setzten sich lächelnd an den Esstisch, versuchten lächelnd die verschiedenen Torten, fütterten sich lächelnd, tranken lächelnd die erste Tasse Kaffee, dann die zweite, von da an brühte sie Koffeinfreien auf.
Sie erzählten sich noch mehr Einzelheiten aus ihrem Leben, scherzten, alberten, fühlten sich wohl, genossen das Gespräch, die Bälle flogen hin und her, sie lachten über ihre Wortspielereien.
Ich könnte es schaffen! dachte Tom. Ich könnte mein Versprechen halten!
Sie teilten sich eine Butterbreze, er fütterte sie mit kleinen Stücken, sein Daumen berührte immer wieder ihre Lippen, sie hätte nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob mit Absicht oder zufällig.
Auf alle Fälle waren diese Berührungen wahnsinnig erregend.
Ich bin eben nicht mehr an Zärtlichkeiten gewöhnt! dachte sie.
„Puh, jetzt brauche ich eine Zigarette!", stöhnte sie.
„Du rauchst?" fragte er überrascht.
„Ja, leider! Nicht mehr viel, aber ab und zu! Und du?"
„Ja, auch, mal mehr, mal weniger, wie es halt im Job so läuft!"
Sie konnte sich vorstellen, dass er manchmal Dinge sehen musste, die einen Nikotinschub nötig machten.
Sie setzten sich auf die Terrasse, rauchten schweigend, sahen sich an, schauten lieber wieder weg, lächelten sich an, atmeten tief ein.
Es wurde heiß im Freien, sie setzten sich wieder an den Esstisch.
Da war es zwar auch heiß, zumindest empfand er es so in ihrer Nähe.
Aber hier würde er keinen Hitzschlag bekommen, eher einen Kreislaufkollaps.
Sie erzählten sich gerade von ihren Jobs, als es klingelte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top