Kapitel 29 - Sonntag, 14.8.

Den Sonntag wollten sie ruhig angehen lassen. Sina ging ins Arbeitszimmer, um endlich ihre Ordner in die Regale einzuräumen. Da sah sie den Umschlag auf ihrem Schreibtisch liegen. 

„Was ist das?" fragte sie Tom, der an seinem Schreibtisch saß und sie beobachtete. „Von dir?"
„Von deinem Vater!" antwortete er mit gemischten Gefühlen.

„Noch ein Brief?" wunderte sie sich, und riss das Kuvert auf. 5000 Euro fielen heraus. „Was soll das denn?"
„Du sollst dir etwas Schönes kaufen, hat er gemeint!" erklärte er.

„Etwas Schönes?" Sie lachte. „Für 5000 Euro?" Sie schüttelte den Kopf. „Will er jetzt plötzlich Schulden abbezahlen?"
Tom zog sie auf seinen Schoß, erzählte von dem Gespräch mit ihrem Vater, erwähnte auch das Geld, das dieser für Sina bereithielt.

„Wow, Tom Bergmann! Ich bin ja direkt eine gute Partie!" Sie grinste ihn an, war nicht im geringsten beleidigt oder gekränkt.

„Stimmt!" Er ging auf ihren gelösten Ton ein. „Und wann heiraten wir?" Es war als Scherz gedacht gewesen, natürlich mit einem ernsten Hintergrund. Er hätte sie am nächsten Tag geheiratet, hatte nicht die geringsten Zweifel.

„Gar nicht!" sagte sie kurz angebunden.
Tom, du Trottel! Nach diesen zwei verrückten Wochen redest du von Heirat! schalt er sich wieder einmal.
Er sah sie an. „Ist schon klar, Süße!" versuchte er seinen Vorstoß zu entkräften.

Es entstand eine Pause. „Was soll ich denn jetzt damit anfangen?" fragte sie ihn mit Blick auf die Geldscheine.

Tom lächelten sie an. „Stecke sie in die Schublade, vergiss sie, und in ein paar Monaten freust du dich vielleicht, das Geld zu finden!"

„Das ist ein hammermäßiger Plan, Tom Bergmann!" Sie lächelte ihn an. „Ein hammermäßiger Plan von einem hammermäßigen Mann!" Sie schien eine Weile zu überlegen. „Ich könnte dich aber auch heute zum Essen einladen!"

„Okay, Lady! Kannst du! Aber ich bezahle!"
„Macho!"
„Never!"
„Obermacho!"
„Nie und nimmer bin ich ein Macho!"
„Dann lass mich bezahlen!"
„Niemals!" Er musste lachen über seine süße Krabbe und ihren verzweifelten Blick.

Sina dachte an das, was er ihr von dem Gespräch mit ihrem Vater erzählt hatte. Sie schüttelte den Kopf. „Und er hat echt angedeutet, du sollst dir ein neues Auto kaufen?"
„Ja! Aber wenn ich zugestimmt hätte, hätte ich so was von verloren gehabt!"
„Das ist typisch mein Papa! Geld und Zahlen! Als könnte man Glück bezahlen oder berechnen!"

Tom sah sie ernst an. „Das kann man aber nicht, oder, süße Sina? Das Glück trifft einen vollkommen unberechnet und ist unbezahlbar!"

„Ja, Tom! Aber es trifft einen dann wie ein Hammer!" Sie zog seinen Kopf zu sich, musste ihn küssen, musste seine federleichten Küsse jetzt spüren, jetzt genießen, diese Küsse, die sie wahnsinnig machen konnten! Mein Gott, konnte dieser Wahnsinnsmann küssen!

Lange Zeit später hatten sie wieder soweit auf die Erde zurückgefunden, dass sie mit dem Einordnen der Unterlagen in ihr Regal fortfahren konnten.
Er schnappte sich einen Ordner mit der Aufschrift: Zeugnisse.
„Kann ich?" fragte er.
Sina grinste ihn an. „Ja, schon! Aber meine Zeugnisse sind sehr langweilig!"

„Langweilig?" fragte er verdutzt.
Dann fing er an zu blättern. Vier Jahre Grundschulzeit nur Einsen, außer Handarbeit. Da gab es immer eine 3.

Tom musste lachen. „Mit dem Stricken hast du es wohl nicht gehabt?"
„Ich war immer sauer! Stricken und häkeln, so ein Quatsch, es gab doch alles fertig zu kaufen! Ich wollte werken, wie Patrick! Mit Holz, Ton oder Kleister arbeiten, mit Säge und Hammer!" erzählte sie.

Schon damals wollte sie kein Hausmütterchen sein! dachte Tom glücklich.
Dann kamen die Zeugnisse des Gymnasiums. Unglaublich! Wieder nur Einsen, aus der 3 in Handarbeit wurde manchmal eine 4.
In der neunten kam Französisch als dritte Fremdsprache, eine erstaunliche 4!

„Mochtest du Französisch nicht?" fragte er erstaunt.
„Doch schon! Aber da starb der Mann unserer Lehrerin sehr jung, sie war krankgeschrieben, wir hatten nur Referendare! Die 4 war da noch super!"
In der zehnten dann war der Unfall passiert. Aus den Einsen wurden Zweien, in Französisch gab es eine glatte 6, keine 1 war mehr da zum Ausgleichen! Klassenziel nicht erreicht!

„Das war der totale Schock für dich, oder? Immer Spitzennoten und dann durchgefallen!"
Er verstand gut, was in ihr vorgegangen war. „Da war meine süße Sina beleidigt, stimmt's?"
„Aber so was von! Dann musste ich die Besondere Prüfung machen, um die Mittlere Reife zu bekommen! In Fächern, in denen ich gut war!"

„Schnitt 1,00?" Er ahnte schon, dass sie es damals allen hatte zeigen wollen.
„Du hast geguckt!"
„Nein, Bienchen, aber ich kenne dich schon ein bisschen!" Er streichelte ihr Gesicht, in dem noch heute die Erinnerung an den Groll von damals stand. „Und warum hast du nicht wiederholt?"

„Na warum wohl? Hat Max mir ausgeredet, und was Max sagte, war Gesetz, war für mich das Beste!" Die Wut kroch wieder in ihr hoch. Nur Patrick hatte sich dafür ausgesprochen, dass sie am Gymnasium bleiben sollte. Er hatte getobt, gebrüllt, gebockt, nichts hatte die anderen umstimmen können, und sie selbst war zu dieser Zeit schon rechtlos!

„Aber, jetzt im Nachhinein war das für mich trotzdem der richtige Weg! Ich bin zufrieden mit meinem Beruf, musste nicht auf irgendwelche Käffer zum Vorbereitungsdienst, habe mit 19 schon Geld verdient, als die anderen erst begonnen habe zu studieren! Das holen die mit den zwei Gehaltsstufen nie rein!"

„Aber hast du nie daran gedacht, das Abi nachzuholen?" Tom wunderte sich nur noch, wie Eltern ein so offensichtlich hochbegabtes Kind so vernachlässigen konnten.

Sie sah ihn verwundert an. „Ich habe Abitur, Mister Snob! Die Ausbildung brachte das Fachabitur, und mein guter Schnitt und zwei Wahlfächer das Vollabi!"

Tom lächelte sie entschuldigend an. „Sorry, Maus, das war jetzt etwas daneben!" Hätte er nur weiter geblättert, hätte er diesen Blödsinn nicht gefragt!
Die Zeugnisse der Ausbildung: 1,00, Abiturzeugnis: 1,00, Lehramtsprüfungen: 1,00!
Sie hatte einen besseren Schnitt als er mit seinen 1,2! Sie hätte sogar Medizin studieren können!

Er grinste sie an. „Na, da brauche ich mir ja auf meinen 1,2 Schnitt nichts mehr einzubilden! Und meine früheren Zeugnisse verstecke ich lieber! Bei mir ist erst relativ spät der Knoten aufgegangen!"

Er zog sie auf seinen Schoß. „Komm her, mein schlaues Bienchen! Ich wollte schon immer mal mit einer hochintelligenten Frau schlafen!" flüsterte er ihr ins Ohr. Seine Lippen wanderten tiefer. Ihr knappes Top bot viele Haut zum Küssen.

Sie schob seinen Kopf ein wenig zur Seite. „Pf! Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich mich mit so einem eingebildeten Gymnasialabiturienten mit so einem schlechten Schnitt überhaupt noch abgeben will!"
„Touchè, ma Generalissima!" lachte er. „Das habe ich wahrlich verdient!"

Er hatte schon am ersten Abend in der Disco gemerkt, dass sie intelligent war, an ihrer Ausdrucksweise, an ihrer Auffassungsgabe. Aber er musste sich eingestehen, dass er sie in seiner Arroganz auch unterschätzt hatte!

„Und was muss ich tun, Süße, damit du dich wieder mit mir abgibst?" fragte er zerknirscht.

„Du musst dich von mir heute Abend zum Essen einladen lassen!" Jetzt hatte sie ihn! „Und mich aber dann auch zahlen lassen! So richtig: Sina verlangt die Rechnung, zieht ihren Geldbeutel aus der Tasche, gibt dem Ober einen Geldschein, bestimmt die Höhe des Trinkgeldes, nimmt das Wechselgeld entgegen!"

Tom fasste an sein Herz. „Das überlebe ich nicht! Nie und nimmer!"
Sina wollte aufstehen, er hielt sie fest. „Kompromiss? Du darfst mich mal auf einen Kaffee einladen!"

„Schon wieder? Und du bringst Kuchen für eine Kompanie mit?" zog sie ihn auf.
„Nein! Ich darf ja mein Leben lang nicht mehr in Konditoreien einkaufen!" schoss er zurück. Plötzlich nahm er ihren Kopf in seine Hände. „Mein Gott, Sina! Weißt du, dass das nicht einmal zwei Wochen her ist?" Er konnte es selbst kaum glauben! Was war in dieser Zeit alles passiert!

Aber noch unglaublicher war es, wie nah sie sich inzwischen waren, wie vertraut miteinander, wie offen sie miteinander sprechen konnten!
„Es waren wundervolle Tage, Mäuschen!" sagte er leise und bekam wieder einmal feuchte Augen.
„Ich habe mir nie vorstellen können, so glücklich zu sein!"

Sina kuschelte sich an ihn. „Manchmal glaube ich immer noch, dass ich träume! Und dann bekomme ich Panik, dass ich aufwache, und dich gibt es gar nicht!"
Er küsste sie zärtlich. „Süße, mich wird es aber immer geben! Genauso wie dich, oder?"
„Ja! Immer!" stimmte sie zu. 

„Wenn ich an den ersten Tag denke, in der Disco!" erinnerte sich Tom. „Ich stand da an der Säule, konnte den Blick nicht von dir wenden, ab und zu hast du mich angelächelt, ich wollte dich zum Tanzen holen, aber die anderen waren immer schneller! So blöd habe ich mich auch noch nicht angestellt! Aber da hatte ich schon kräftig Watte im Kopf!"

„Und ich habe mir gedacht: Warum sieht der mich immer an? Wundert er sich über uns vier so sehr, dass er uns nur anstarren kann? Nach jeder Tanzrunde hatte ich Angst, dass du weg bist!"

„Und ich hatte Panik, dass du nach einem Tanz nicht mehr an den Tisch zurückkommst! Dass dich einer abschleppt, der mutiger war als ich!" gestand er.

„Aber du bist doch eigentlich ein sehr mutiger Abschlepper gewesen, was man so hört!" zog sie ihn auf.

„Betonung liegt auf gewesen! An diesem Abend war irgendwie alles anders! Ich war ein verliebter Schuljunge, der gar nichts mehr wusste!"
„Da warst du schon verliebt? Ohne ein Wort mit mir gesprochen zu haben?" Sie war jetzt doch baff.

„Ja! Ich habe es erst später gemerkt, aber da war ich schon voll verknallt! Ich meine, du weißt ja vielleicht nicht, wie du auf Männer wirkst, aber dein Lächeln, deine Schönheit können einem schon die Sinne vernebeln! Und wenn man dann noch in deine unglaublichen Augen sieht, ist es ganz schnell um einen geschehen!" 

Seine Worte taten Sina unheimlich gut! Sie war nicht nur die nichtsnutzige Nervensäge, sie war eine Frau, die Männern wie ihm die Sinne vernebeln konnte! Ihr Selbstvertrauen wurde wieder ein Stückchen größer.

Sie erinnerten sich noch eine Weile an die letzten Tage, aber nur an das Schöne! An den ersten Tag bei ihr, an die Joggingrunde und ihre Folgen, an die Wohnungsbesichtigung, an die zwei Tage im Heli, an den Besuch von Patrick und Marie, an die Liebe, die sie sich geschenkt hatten in diesen knapp zwei Wochen.

„Ich liebe dich, Süße! Ich liebe dich, kleine Krabbe mit den wunderschönen Augen! Ich liebe dich, wunderhübsches Bienchen!" 

Und dann war es wieder einmal höchste Zeit, die vernebelten Sinne zu klären, sich all die Liebe zu schenken, die sie fühlten, sich die Zärtlichkeit zu geben, die in ihnen war. Das riesige Bett ließ sie erst viel später frei, und die Ordner mussten wohl noch einen Tag länger warten, bis sie ihren Platz in den Regalen fanden.

Dann zog das verliebteste Paar der Stadt wieder einmal los, lief durch die Straßen, tanzte glücklich am Donauufer, zog viele lächelnde Blicke auf sich. Schließlich landeten sie in einem Biergarten mit Donaublick, ließ sich eine deftige Brotzeit schmecken, sie hatten Unmengen von Kalorien aufzuholen.

Sie trafen Schulfreunde von Tom, die sich ungefragt zu ihnen setzten, als sie das hübsche Mädchen neben ihm sahen. Sie flirteten sie offen an, Tom genoss das Gefühl, dass die kleine Herzensbrecherin zu ihm gehörte. 

Er legte den Arm um sie, grinste die neidischen Kumpel nur an.
Hechelt nur! dachte er. Balzt ruhig um die Wette! Aber diese Traumfrau ist meine!

Lächelnd liefen sie nach Hause, setzten sich auf die wundervolle Dachterrasse, lachten über die verliebten Jungs, deren Leichen ihren Weg markierten, liebten sich noch einmal. Dann musste Tom dringend schlafen, um sechs begann sein Dienst.


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