Kapitel 24 - Donnerstag, 11.8. (*1*)

Sie kamen um acht Uhr auf dem Hubschrauberflugplatz an.
„Ah! Unser Starpilot! Schön dich zu sehen, Tom!" begrüßte ihn der junge Mann an der Theke. Er klatschte ihn ab. „Und ein Engelchen hast du heute auch dabei!" Er gab Sina die Hand. „Angenehm! Tobias!"
„Sina!" antwortete sie.

„Na, bei ihm bist du in den besten Händen!" versicherte Tobias.
„Das bin ich immer, ich weiß!" sagte sie und strahlte Tom an, der sie schnell ein wenig küssen musste.
„Ich zieh mich grad mal um!" erklärte er dann. „Bea?" rief er in den Nebenraum. „Kannst du der kleinen Krabbe einen Anzug raussuchen?"

Eine sehr hübsche Frau kam, himmelte ihn an, ermordete Sina mit Blicken.
„Na, komm!" Sie sah die Overalls durch, zog einen heraus. Sina schlüpfte hinein, verlor sich fast darin. Sie krempelte die Hosenbeine und die Ärmel mehrfach um, band den Gürtel um die Taille, weil die Löcher nicht ausreichten. Grinsend sah Bea sie an und ging wortlos hinaus.

Als Sina in die Halle zurückkam, schüttete sich Tom vor Lachen aus. „Ach du liebe Zeit! Wie hat die dich denn zugerichtet!" Er suchte nach der Größenangabe. „XXL! Die spinnt doch!"
„Bea! Hast du einen Augenfehler? XXL! Such sofort einen in S heraus!" Er sprach sehr scharf.

„Wir haben keinen kleineren!" entgegnete die Angesprochene.
„Erzähl keine Märchen!" Langsam wurde er richtig wütend.
Sie rührte sich nicht von der Stelle.
„Gut, dann such ich eben selber!"

„Das ist die Damenumkleide!"
„Ich weiß! Aber ich sehe partout keine Dame hier, außer meiner Kleinen! Und die habe ich mit Sicherheit schon in Unterwäsche gesehen!"

Sina war es peinlich so im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu stehen!
Er zog sie in die Umkleide, suchte eine Minute, hatte einen Anzug in S gefunden .
„Na, also! Blöde Kuh!" schimpfte er.
„Aber das wäre schon gegangen!"

„Nein, Süße, wäre es nicht! Wenn wir einen Notfall haben, musst du dich bewegen können, musst du laufen können! Und das weiß die Zicke genau!"
„Du kannst aber ganz schön böse werden!" stellte sie lachend fest.

„Ja, bei der schon! Das ist schon sehr nah an sexuelle Belästigung gekommen, was die in der Vergangenheit so aufgeführt hat!" Er schüttelte den Kopf. „Eine Zeitlang bin ich lieber bis Deggendorf gefahren, bloß damit ich sie nicht treffe!"
„Aber hübsch ist schon!" wandte Sina ein.
„Und dumm wie Stroh! Sorry Lady, aber alles habe ich mir auch nicht ins Bett geholt! Ein paar Ansprüche hatte sogar ich!" Er grinste sie an.

„Na, da bin ich aber froh!" erklärte sie süffisant.
Sie wollte gerade aus dem großen Overall schlüpfen, als er lieber die Flucht ergriff.

Er besprach einstweilen mit Tobias die Route, die er fliegen wollte. Bea stellte sich neben ihn, rieb ihren halbnackten Oberschenkel an seinem. Da riss ihm der Geduldsfaden.
„Willst du schnell eine Nummer mit mir schieben?" fragte er.
„O ja, Tommilein!"

„Dann geh doch einstweilen unter die Männerdusche! Ich mag's gern nass!"
Sie warf ihm einen tiefen Blick zu, ging hüftschwingend in Richtung Männerumkleide.
Als er das Wasser rauschen hörte, zog Tom innen den Schlüssel ab und sperrte die Türe von außen zu.

Tobias kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein.
Dann besprachen die beiden weiter, welche Strecke Tom vorhatte zu fliegen. Sina kam zurück. „Eindeutig besser!" freute sich Tom.

Da klopfte Bea von innen an die Türe. „Tommilein? Hast du abgeschlossen?"
„Ja, Beaschatz! Damit du mir nicht wegläufst!"
„Kommst du bald, Schatzi?"

„Ja, ich streite nur gerade mit Sina, weil die nicht will, dass ich mich vor dem Flug noch schnell ein bisschen mit dir vergnüge!"
Sina begriff, welches Spiel da ablief, musste sich das Lachen schwer verbeißen.
„Mir wird langsam kalt!"

„Ich heiz dir gleich ein!"
„Schick die Zicke doch weg!"
„Ich hab's versucht, Beaschatz! Aber sie sagt, sie will unbedingt zuschauen! Vielleicht machen wir auch einen flotten Dreier? Aber dusch nur noch ein wenig! Wir kommen gleich!"
Kurz darauf ging die Dusche wieder an.

Tom nahm Sina in den Arm und ging mit ihr zum Startplatz. „Du bist vielleicht fies!" lachte sie.

„Ich? Ich bin der friedlichste Mensch der Welt! Aber die hat doch den Vollschlag!"
Er half ihr auf den Copilotensitz, stieg selber ein, setzte ihr den Helm auf, schloss den Sprechfunk an.

Dann erklärte er ihr den Ablauf.
„Also, zuerst muss ich ein paar Starts und Landungen machen, hier auf dem Gelände, dann ein paarmal kreisen, immer enger. Dann fliegen wir nach Deggendorf, dort gibt es eine künstliche Klamm, da muss ich ein paarmal durch. Dann geht es in die Berge, da muss ich ein paar Almen anfliegen, hinunter an den Inn, ein paar Wasserrettungen simulieren. Danach können wir uns überlegen, wo wir noch hinwollen. Alles klar?"

„Ey, ey, Captain!" sagte sie lachend. Sie freute sich wahnsinnig. Außerdem sah er aus wie ein Gott in seinem Overall.
„Keine Angst? Magen stabil?" fragte er zur Sicherheit noch nach.
„Nein! Ja!" antwortete sie.

Er gab per Funk den Startzeitpunkt durch und startete das erste Mal. Sie war fasziniert, wie routiniert er sein Programm absolvierte. Hochkonzentriert startete er und landete, flog immer engere Kurven und Runden. Sie genoss jede Sekunde.

Auf dem Flug nach Deggendorf sah er sie lächelnd an. „Mutiges Mädchen! Ich bin stolz auf dich!"

In den Bergen wurde es dann noch schöner. Sie flogen von Alm zu Alm, damit er sich immer wieder die Landeplätze und Gegebenheiten vor Ort einprägen konnte.
Um zwölf schaltete er den Motor ab. „Mittagspause!" sagte er. „Das ist Vorschrift!"

Die Almwirtin, eine dralle Frau um die 40 begrüßte ihn herzlich.
„Ah, unser Starpilot!" rief sie erfreut und begrüßte auch Sina freundlich. „Na, da schau her! Er hat mal ein Mädchen dabei! Und gleich ein so hübsches!" Sie führte die beiden an einen Tisch, auf dem ein Reserviert-Schild stand. „Speckknödel mit Salat?" fragte sie.
Tom sah Sina fragend an, die begeistert nickte. „Zweimal, Anna, danke! Und zwei Wasser!"

Sie setzten sich nieder, viele Blicke lagen auf dem attraktiven Piloten und seiner hübschen Begleitung.

„Ich platze gleich vor Stolz auf den heißen Typen neben mir!" flüsterte sie. Tom küsste sie sehr zur Enttäuschung des weiblichen Anteiles unter den Gästen zärtlich.
„Warum bist du der Starpilot?" musste sie dann doch fragen.
„Na ja, ich bin ein paar Bergrettungen geflogen in den letzten Jahren!" spielte er das Ganze herunter.

Anna brachte das Essen. „Josie und Inga kommen gleich! Sie wollen ihren Lebensretter unbedingt begrüßen!" sagte sie lächelnd, strich ihm über den Kopf. 

Sie setzte sich zu den beiden. „Meine Zwillingstöchter waren letztes Jahr klettern. Sie sind sehr erfahren, aber dann hat sich ein Haken gelöst. Josie ist angestürzt und hat Inga mitgerissen, sie lagen mit gebrochenen Beinen in der Kluft. Drei Piloten aus der Nähe haben abgebrochen, es war zu gefährlich.

Da hat sich die Wirtin der Nachbarhütte an Tom erinnert. Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit er kommen konnte, und er hat's durchgezogen. Fünf Versuche, immer musste er wieder hochsteigen, aber er hat nicht aufgegeben. Dann ist er hinunter geklettert und hat sie rausgeholt."

Sina hörte atemlos zu, griff nach seiner Hand, ihre Finger verschränkten sich mit seinen.
„Und warum hat sich die andere Wirtin an Tom erinnert ?" fragte sie leise.
„Er hat ihren Mann mit Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus geflogen. Es war ein schreckliches Gewitter, Sturm, Hagel, Starkregen! Alle haben abgewinkt! Tom hat's gepackt!"

In diesem Moment kamen zwei identisch aussehende ca. 16jährige Mädchen angelaufen und fielen Tom um den Hals. „TomTom!" riefen sie, küssten ihn auf die Wange, drückten ihn, redeten beide gleichzeitig auf ihn ein. Anna schimpfte mit ihnen, sie ließen von ihm ab.

„Sie sind die einzigen, die ungestraft TomTom sagen dürfen, weil sie zu zweit sind!" erklärte er lachend. Sina lächelte die beiden an. „Hallo, ich bin Sina!"
„Bist du seine Freundin?" fragte die eine.
„Ja, ich denke schon!"

„Siehst du, Josie! Ich habe dir ja gesagt, dass er nicht auf uns wartet!"
„Oh je!" meinte Tom. „Was sollte ich denn gleich mit zwei solchen Schönheiten! Da müsste ich mich ja aufteilen!"

Es wurde eine lustige Mittagspause. Etwas später kam auch noch der Wirt von der Nachbaralm, fiel Tom ebenfalls um den Hals. Er zog aus seinem Rucksack eine große Speckseite, ein Dutzend geräucherter Würste und eine Flasche selbstgebrannten Obstler.

„Na, Süße, komm! Die köpfen wir jetzt!" scherzte er. Anna brachte eine Tüte und einen Kuchen zum Mitnehmen.
„Ah, Kuchen hatten wir schon lange nicht mehr!" freute er sich und blinzelte ihr zu. „Da kann ich meine kleine Krabbe einmal auf eine Tasse Kaffee einladen!"

„Fliegst du noch zu Sonnenalm und zur Kinzer Hütte?" fragte Anna.
„Nein", antwortete Tom lächelnd. „Für heute habe ich mein Soll erfüllt! Wir fliegen noch zum Tanken nach Garmisch und dann vielleicht auf die Zugspitze, oder Süße?" Sina schwirrte der Kopf, sie konnte das alles noch gar nicht verarbeiten! „Ja! Ja! Klar! Wie du willst!"

Er drückte sie an sich. „Normaler Weise ist sie nicht so schweigsam, meine Kleine! Aber heute habt ihr sie ein wenig zugetextet!" sagte er lachend.

„Sie soll ruhig erfahren, was sie sich für einen tollen Hecht geangelt hat!" meinte Josie. „Auf der Sonnenalm hat er das letzte Baby der Familie auf die Welt gebracht, eine Steißgeburt, und auf der Kinzer Hütte vier Turnschuhtouristen aus einer Gletscherspalte gerettet, er und Fabian! Im Urlaub!"

„So, jetzt reicht es! Komm Engelchen, wir fliegen weiter!" erklärte er lächelnd. Er wollte zahlen, Anna zeigt ihm einen Vogel. Heimlich steckte er Inga und Josie einen Schein zu. 16jährige sind pragmatisch, wenn es um Kohle geht!




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