Kapitel 103 - Januar bis April 2003 (*2*)
Mitte März hatte Sina Geburtstag. Sie nahm ihm unter Androhung der Todesstrafe das Versprechen ab, niemanden einzuladen, den Tag einfach zu ignorieren. „Ich werde nicht als Walross Geburtstag feiern, nie im Leben!" verkündete sie. „Nächstes Jahr, wenn ich diese Monster los bin, feiere ich zweimal."
Er wusste, dass sie es nie so meinte, wenn sie von ihren Kindern sprach. Es war der reinste Selbstschutz. Je näher der Geburtstermin rückte, je weniger sie die Schwangerschaft ignorieren konnte, desto ängstlicher wurde sie. Sieben Monate waren um, doch der Gynäkologe war sicher, dass sie noch eine Weile durchhalten würde: „Jede Woche zählt!"
Marie bekam ihren Sohn zwei Tage nach dem Termin, es war eine eher leichte Geburt. Zwei Tage später waren Mutter und Kind schon wieder zu Hause.
Mitte des achten Monats bekam Sina leichte Blutungen, doch der Professor gab Entwarnung. „Jetzt legen wir Sie ins Krankenhaus, Sie geben Ruhe, wir schaffen sicher noch ein paar Tage."
Sie bezog ein Einzelzimmer, wofür der Chefarzt gesorgt hatte. Tom hatte für beide je eine Reisetasche gepackt.
„Und, wo ist mein Bett?" fragte er die einweisende Stationsschwester.
Die sah ihn verständnislos an. „Wie, ihr Bett? Wir sind eine gynäkologische Station."
„Ja, und ich war von Anfang an mehr schwanger als sie." Er deutete auf Sina, die sich vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten kann.
Die Schwester wusste nicht recht, ob sie jetzt verulkt wurde - oder ob es dem jungen hübschen Mann ernst war.
„Aber, bitte! Sie können nicht auf einer Entbindungsstation bleiben."
„Wenn Sie sich da nur nicht irren. Wenn ich kein Bett bekomme, hole ich ein Feldbett oder eine Liege oder eine Luftmatratze. Aber ich werde keinen Schritt von der Seite meiner mittlerweile Riesenkrabbe weichen. Aus! Basta!"
Der Chefarzt hatte die Szene seit einer Weile beobachtet. Nun kam er seiner Stationsschwester zu Hilfe, oder genauer gesagt, Tom.
„Schwester Inge, geben Sie auf. Die beiden bekommen Sie nicht auseinander. Und das ist auch gut so!" erklärte er lächelnd. Zu Tom gewandt versprach er: „Sie bekommen Ihr Bett."
„Na also! Geht doch!" sagte der nur, brachte sein Süße ins Zimmer, packte die Taschen aus.
Kurz darauf schoben zwei Pfleger sein Bett herein. Er grinste sie an, sie grinsten zurück, hatten schon von dem Auftritt des Typen gehört.
„Sie essen auch hier?" fragte der eine sicherheitshalber.
„Wenn möglich. Aber ich kann auch meiner Süßen alles wegfuttern. Sie ist eh zu dick!" scherzte er, was ihm einen gewaltigen Knuff einbrachte.
Lachend gingen die Pfleger hinaus.
Das war vielleicht ein Pärchen!
Der Chef berichtete im Stationszimmer ein wenig aus dem Leben der beiden. Da verstanden sie Toms Hartnäckigkeit ein bisschen besser. Der Junge hatte panische Angst, sein Mädchen alleine zu lassen.
Das gesamte Personal verwöhnte die beiden, brachte ihnen das beste Essen, half, wo sie konnten.
Zwei Tage danach lagen Tom und Sina in den Betten, hielten sich an der Hand. Sie unterhielten sich über die Nachnamen der Kinder. „Annika Christen! Felix Christen! Sina Christen! Tom Bergmann!" maulte er. „Das ist ungerecht."
„Wir können auch Bergmann eintragen lassen!" schlug sie vor. „Annika Bergmann! Felix Bergmann! Tom Bergmann! Sina Christen!"
„Das ist auch ungerecht! Dir gegenüber!" wandte er ein.
„Mir ist das egal!" beruhigte sie ihn.
Er legte sich auf den Bauch, sah sie an, nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Wir könnten aber auch eintragen lassen: Eltern Sina und Tom Bergmann, Kinder Annika und Felix Bergmann!"
Sie hielt seinem Blick stand. „Da müssten wir aber heiraten."
Auch er wich ihrem Blick nicht aus. „Ich weiß!"
„Wir wollten das aber nicht." Sie begann zu lächeln.
„Wir hatten es anders geplant, ja!" stimmte er zu.
„Und wir planen öfters mal Sachen, die dann ganz anders kommen?" bohrte sie nach.
„Könnte man so sagen." Er hielt die Luft an. Sollte es sein, dass ...
„Auch dieses Mal?" Sie lächelte intensiver.
„Wäre schön, ja!" Seine Stimme wurde heiser vor Aufregung.
„Dann machen wir das halt so! Hauen wir wieder mal einen Plan in die Tonne." Sie war kurz vor einem Lachanfall.
„Du meinst ... Du meinst ... wir heiraten?" Er konnte es noch nicht so recht fassen.
Dass sie zustimmen würde!
Dass sie so schnell zustimmen würde!
Er hatte nicht damit gerechnet, nicht wirklich!
Er stürmte zu ihrem Bett.
Es waren nur ein paar Zentimeter, doch er stürmte wirklich!
Er war bei ihrem Gespräch damals auf dem Berg durchaus überzeugt gewesen, dass ihr Standpunkt nachzuvollziehen war, dass es richtig wäre, nicht zu heiraten, dass es genug wäre, die Liebe eines Lebens zu sein.
Aber die Zeit hatte ihn seine Meinung in Frage stellen lassen.
Er wollte nicht ihr Lebensgefährte sein, ihr Freund.
Er wollte ihr Mann sein, ihr Ehemann - und ihr Freund.
Er wollte sie als seine Frau vorstellen, ohne immer das Gefühl zu haben zu schwindeln.
Er wollte heiraten, ganz einfach.
„Du wirst meine Frau werden? Du wirst Sina Bergmann werden?"
„Klar!" sagte sie lapidar, aber in ihren Augen glänzten Tränen. „Warum nicht? Gibt Schlimmeres!"
Er lachte wieder über ihre trockene Art.
Sie war unglaublich!
Seit Wochen zerbrach er sich den Kopf, wie er sie umstimmen könnte, wie er sie überreden könnte, hatte Argumente gesammelt, Reden in seinem Kopf zurecht gelegt.
Und jetzt? So leicht gab sie ihren Standpunkt auf?
„Warum jetzt doch?" fragte er sicherheitshalber.
„Ich habe mich getäuscht. Das hatte sich gut angehört damals, aber es war Quatsch. Natürlich will ich deine Frau werden. Wir sind so sehr eins. Wir werden Kinder haben. Und blöd wäre ich auch, einen Mann wie dich nicht zu heiraten, so wie ich aussehe." Sie versuchte einen Scherz, um ihre Rührung zu überspielen.
„Und ... und ... wenn ich dich jetzt nicht noch einmal gefragt hätte?"
„Ich wusste, du würdest mich noch einmal fragen. Du weißt wie ich, dass Dinge sich ändern können und es auch tun. Außer unserer Liebe."
„Die ändert sich auch! Die wird täglich größer!" flüsterte er.
Dann sprang er auf, raste aus dem Zimmer.
Zwei Stunden später kam er schweratmend zurück. Im Schlepptau hatte er den Krankenhauspriester, einen Standesbeamten, den Bernadette überredet hatte sowie Marie und Patrick als Trauzeugen.
Eine weitere halbe Stunde später waren sie vor Gott und dem Gesetz Mann und Frau. Sina war schließlich verwitwet, und Tom hatte Simone nicht kirchlich geheiratet. Das war damals gerade nicht in gewesen.
„So! Hat das gschlamperte Verhältnis auch eine Ende!" stellte sie zufrieden fest. Tom lachte wieder einmal Tränen.
Er saß in ihrem Bett, sie lag zwischen seinen Beinen, die ihren Massen im Bett hielten.
„Hättest du nicht lieber eine feierliche Hochzeit gehabt, Mäuschen?" fragte er, während er ihre Haare küsste.
„Feierlicher, als wenn ich zur Liebe meines Lebens ja sage? Wenn mein absoluter Traummann zu mir, dem Walross, ja sagt? Das geht ja gar nicht!" antwortete sie lächelnd.
Er küsste ihren Hals. „Weißt du, dass du das schönste Walross der Welt bist?" fragte er und knabberte sich an ihren Schultern entlang.
„Nein, aber ich weiß, dass es Männer mit einem etwas seltsamen Geschmack bei Frauen gibt!" zog sie ihn auf.
„Da stimmt! Zu diesen Männern gehöre ich. Ich wollte nie eine Hübsche." Er knabberte sich zurück zu ihrem Nacken und zu ihrer anderen Schulter. „Ich wollte nur die Schönste!" Er biss sie leicht in die Halsbeuge. „Und ich habe sie bekommen!" Er biss sie in die andere Seite. „Und ich gebe sie nie wieder her."
Sie stöhnte in seine Armen. Seine Hände machten sich auf die Reise zu ihren Brüsten, liebkosten sie, bis sie sich versteifte. Er genoss es wie jedes Mal, wenn sie so schnell so stark auf seine Berührungen reagierte wie heute, in ihrer Hochzeitsnacht.
Sie verwöhnten sich noch lange, fanden trotz ihrer Fülle viele Möglichkeiten sich zu erregen, sich zu befriedigen. Sie hatten ja auch in den letzten Tagen fleißig geübt, denn sie war heiß wie nie auf ihn, was ihn auch über die Maßen anturnte.
Vor einigen Wochen hatte sie ihn gefragt, ob es den Kindern nicht schaden würde, wenn sie immer so erregt war. Er hatte ihr erklärt, dass jeder Orgasmus die Gebärmutter durchbluten ließ, dass das für die Kleinen besonders viel Futter bedeutete. Offen wie immer hatten sie dieses Gespräch geführt.
Gegen Morgen, kurz bevor sie in einen seligen, ermatteten Schlaf abdriftete, seufzte sie, während sie ihren Bauch rieb: „Na, hat es euch geschmeckt, meine Kleinen?"
Tom lag auf seinem Bett, kämpfte gegen einen weiteren Lachanfall, kämpfte aber auch gegen Tränen, weil er so gerührt war von ihren Worten. Und er kämpfte gegen die Atemlosigkeit, weil die Liebe zu ihr kaum eine Sauerstoffzufuhr zuließ.
„Meine Frau! Sina Bergmann!" dachte er glücklich. „Endlich und doch noch meine Frau!"
Die Nachricht von ihrem gemeinsamen Einzug im Krankenhaus verbreitete sich schnell im Freundeskreis. Sie bekamen viel Besuch, es war das lustigste Zimmer auf der ganzen Station.
Die Schwestern kamen gern zu den beiden, irgendein Spaß ging immer. Außerdem strahlte ihre Liebe auf jeden ab, der das Zimmer betrat, machte jeden ein bisschen glücklicher!
Der Professor untersuchte sie fast täglich, war immer noch sehr zufrieden.
Sie hielt durch bis zur Mitte des neunten Monates, dann platzte die Fruchtblase. Per Kaiserschnitt kamen ein wunderschöner, großer Junge und ein etwas kleineres wunderschönes Mädchen zur Welt.
Sie lagen beide auf ihrem Bauch, Tom schnitt die Nabelschnur durch, Tränen liefen ihm über sein Gesicht. Eine Schwester wischte sie ihm ab, er lächelte sie dankbar an.
Er streichelte Annikas Gesichtchen, fuhr über Felix' Wange. Jetzt waren sie reell, seine Kinder!
Bisher waren sie Ultraschallbilder, Stöße in Sinas Bauch.
Jetzt lagen sie hier, dreidimensional, mit kleinen Händchen und Füßchen.
Sie hatten die Augen geschlossen, verzogen die Gesichtchen, als wollten sie lächeln. Ihre Hände bewegten sich als suchten sie etwas, fanden die Fingerchen des anderen Zwillings, hielten sich fest aneinander.
Alle im OP beobachteten die kleine Szene, hatten Tränen in den Augen.
Tom hatte immer gedacht, mehr Liebe als er für Sina empfand, ginge nicht.
Aber an diesem Tag Ende April, als er seine Kinder, seine Tochter, seinen Sohn, zum ersten Mal sah, zum ersten Mal berührte, wusste er, dass Liebe unendlich war.
Die Liebe für seine Frau war unendlich, und die für seine Kinder war auch unendlich. Unendlich und ewig, beide!
Sina lächelte ein ganz neues Lächeln.
So hatte er sie noch nie gesehen.
So wunderschön, so überglücklich, so selig.
Das Lächeln einer Mutter, der Mutter seiner wunderschönen Kinder!
Er küsste die Liebe seines Lebens zärtlich. „Danke!" brachte er gerade noch heraus.
„Bitte!" antwortete sie und grinste ihn frech an. „Ich bin froh, dass ich die Biester endlich los bin!" Das Personal lachte. Es hatte sich schon herumgesprochen, wie lustig die Kleine war, die mit ihrem Mann in Zimmer 302 wohnte.
Die Kinderschwestern nahmen die beiden mit, um sie zu waschen und anzuziehen. Der Kinderarzt holte sie ab, um sie zu untersuchen.
Sofort traf das frisch gebackene Elternpaar der Verlust wie ein Hammer. Man hatte ihnen ihre Kinder wegegenommen!
„Aber wiederbringen!" rief Sina dem Arzt nach. Der drehte sich lächelnd um. „Mit Sicherheit! Ich habe schon vier!" erklärte er lachend.
Eine Stunde später lag Sina, frisch geduscht, mit einem neuen, hübschen Nachthemd, das Tom ihr gekauft hatte, bekleidet im Bett.
Tom lag neben ihr, sie hatten wieder Platz in einem Bett.
„Sie sind hübscher als auf den Fotos, oder?" fragte sie schelmisch.
Er küsste seinen Clown, konnte noch immer nicht sprechen, streichelte nur ihr Gesicht.
„Jede Mutter findet ihre Kinder besonders hübsch, aber unsere sind wirklich wunderschön, nicht wahr?" Sie war vollkommen aufgedreht.
Tom nickte nur.
„Es sind die besten Kinder der Welt! Die schönsten! Die hübschesten!" Sie konnte nicht aufhören zu reden, die Worte purzelten nur so aus ihrem Mund.
Er verstand, dass sie erleichtert war, dass alles gut gegangen war, dass die Kinder gesund waren, dass sie so lange durchgehalten hatte, dass es ihren Kindern jetzt gut ging!
Er musste etwas sagen, aber er konnte nur ihr schönes Gesicht abküssen. Er war glücklich, er war ihr so dankbar, er war alles, aber er konnte nichts davon über die Lippen bringen, nur drei Worte schaffte er: „Ich liebe dich!"
Aber sein Blick, sein Lächeln sagten alles, was er hätte aussprechen sollen in diesem besonderen Augenblick. Seine Hände, die über ihren Bauch strichen, ganz sanft über ihre Wunde fuhren, sprachen mehr, als sein Mund es je hätte sagen können.
Dann brachten die Schwestern zwei Bettchen mit ihren Kindern. Die Hebamme kam und legte Annika an ihre Brust. Die Kleine begann zu saugen und bekam auch sofort Milch.
Tom hatte nie etwas Schöneres in seinem Leben gesehen, als seine kleine Tochter, die genüsslich an der Brust seiner Frau trank. Felix machte es seiner Schwester nach, er bekam die andere Brust. Tom sah seinem Sohn verliebt zu.
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