-3.4- März

Am Dienstag hatten wir die erste Prüfung: Mathe.
Ich löste mit Leichtigkeit alle Aufgaben und gab die Prüfungsunterlagen weit vor Ablauf der Zeit ab. Statt mir danach eine Pause zu gönnen, steuerte ich direkt die Bibliothek an, um mir meine Unterlagen für die Geschichtsprüfung am Nachmittag noch einmal anzusehen. Nur kurze Zeit später ließ Kuroo sich auf dem Stuhl neben mir fallen. Ich sah auf und schenkte ihm ein breites Lächeln.
„Wie war es?" fragte ich flüsternd. Er zuckte mit den Schultern. „Kein Problem."
Ich nickte. „Die Aufgaben waren ziemlich einfach."

Mittags gingen wir zusammen in die Mensa und fragten uns während des Essens gegenseitig ab. Yaku und Kai gesellten sich ebenfalls zu uns und stiegen direkt mit in die Fragerunde ein. Am Ende der Pause hatte ich ein gutes Gefühl, was die Geschichtsprüfung betraf, ich hatte alle Fragen während des Essens beantworten können. Kai hingegen raufte sich die kurzgeschorenen Haare und lief vor dem Prüfungsraum auf und ab. „Das geht sowas von schief," murmelte er immer wieder, bis Yaku ihn zum Anhalten zwang und böse anfunkelte. „Reiß dich mal zusammen, man! Du steckst noch alle mit deiner Nervosität an."
„Sprich nur für dich," mischte Kuroo sich ein, der mit den Händen in den Hosentaschen neben mir an der Wand lehnte, die Augen geschlossen hielt und die Ruhe selbst war.
Ich hielt mir eine Hand vor den Mund und kicherte leise, wodurch ich mir ebenfalls einen bösen Blick von Yaku einfing.
Als die Türen zu den Klassenzimmern aufgingen und nach und nach alle Drittklässler reingelassen wurden, schenkte ich den Dreien ein aufmunterndes Lächeln. „Wird schon schief gehen, viel Erfolg, Jungs," sagte ich zuversichtlich.
„Viel Erfolg," murmelten Yaku und Kai und gingen zu ihrem Klassenraum hinüber. Kuroo hielt mich am Handgelenk fest, zog mich zu sich und hauchte mir noch schnell einen Kuss auf die Lippen. „Wir sehen uns danach, Kätzchen"
Ich lächelte. „Bis später."

Sowohl am Dienstag wie auch am Mittwoch gingen Kuroo und ich nach den Prüfungen zu ihm nach Hause, um dort zu lernen. Seine Mutter bestand darauf, weil sie sicher gehen wollte, dass wir zum einen wirklich lernten und zum anderen nicht vergaßen uns ordentlich zu ernähren. Am Dienstag blieb ich über Nacht bei Kuroo, doch am Mittwochabend wurde mir der Trubel zu viel. Beim Abendessen langte ich kaum zu, folgte den Gesprächen nicht und fühlte mich unwohl.
Kuroo sah immer wieder zu mir und als er mich hinterher fragte, was los sei, erklärte ich ihm, dass ich einfach etwas Zeit für mich brauchte.

Widerwillig ließ Kuroo mich schließlich gehen, er brachte mich bis zur Bushaltestelle und verabschiedete sich dort von mir.
Er schob seine Hände in die Hosentaschen und sah mich missmutig an. „Es gefällt mir nicht, dass du allein fährst."
Ich legte ihm eine Hand auf den Oberarm und lächelte leicht. „Tetsu, bitte... Wir hatten das doch besprochen, ich brauche einfach mal etwas Zeit für mich. Ich mag deine Familie, aber ich brauche einfach etwas Ruhe."
„Das erklärt aber nicht, warum ich nicht mitkommen darf."
„Bitte..."
Er seufzte, zog seine Hände aus den Taschen, legte seine Arme um mich und zog mich fest an sich. Ich schlang meine Arme um ihn und drückte mich an seine Brust. „Kenma freut sich bestimmt, wenn du zur Abwechslung mal ihn besuchst und ihn vom Zocken abhältst," murmelte ich in seinen Pullover und entlockte Kuroo dadurch ein leises Lachen. „Klar, er wird Freudensprünge machen."

Als der Bus in Sichtweite kam, löste ich mich aus Kuroos Armen und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund. „Wir sehen uns morgen, Tetsu."
Er brummte mürrisch, zog mich für einen weiteren Kuss noch einmal an sich und ließ mich dann unter Protest in den Bus einsteigen.
Ich suchte mir einen Platz am Fenster und winkte ihm lächelnd zu. Zögernd erwiderte er mein Lächeln und hob die Hand zum Abschied.


Am nächsten Tag verschlief ich und musste mich beeilen, rechtzeitig zur Schule zu kommen. Das letzte Stück musste ich rennen und als ich an meinem Spind ankam, waren die Gänge bereits wie leergefegt. Mein Herz raste wild und mein Atem ging flach. Ich erlaubte mir einen Moment zum Durchatmen, dann tauschte ich schnell die Schuhe und eilte zur Englischprüfung. Völlig aus der Puste kam ich am Klassenraum an und stellte erleichtert fest, dass ich noch pünktlich war. Der Prüfer hatte den Raum gerade erst geöffnet und damit begonnen die Schüler einzulassen. Kuroo kam mir ein paar Schritte entgegen und sah mich besorgt an.
„Wo zum Teufel warst du?" fragte er leise.
Ich hielt mich an ihm fest und rang nach Atem. „Hab verschlafen," keuchte ich und sah zum Prüfer. Ich griff nach Kuroos Hand. „Komm, wir müssen rein."
Der Prüfer hakte unsere Namen ab, wies uns unsere Plätze zu und teilte dann die Prüfungsblätter aus. Mit voranschreitender Zeit fiel es mir immer schwerer mich auf die Aufgaben zu konzentrieren und ich bekam Kopfschmerzen. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit und veranlasste mich dazu, den Stift an die Seite zu legen, meine Augen zu schließen und tief durchzuatmen.

Ich öffnete die Augen und blinzelte in die helle Deckenlampe über mir. Langsam hob ich meine Hand an den Kopf und sah mich irritiert um. Ich befand mich im Krankenzimmer und lag in einem der Betten. Dann fiel mir ein, dass ich eigentlich gerade Englischprüfung hatte ich und setzte mich schnell auf. Mir wurde schwindelig, ich schloss die Augen und ließ mich zurück in die Kissen fallen.
Die Schwester bemerkte, dass ich wach war und kam zu mir herüber. „Wie geht es dir?"
„Es geht..." gab ich als Antwort und sah auf meine Hände hinab.
„Was ist passiert?" fragte ich leise.
„Du bist während deiner Prüfung ohnmächtig geworden."
„Oh..."
Sie lächelte mich zaghaft an. „Brauchst du etwas? Sonst geh ich nach nebenan, den Schriftkram erledigen und du kannst etwas schlafen."
Ich runzelte kurz die Stirn, schüttelte dann den Kopf. „Ich brauche nichts."
„In Ordnung. Wenn doch, ruf mich einfach, ja?"
„Okay."

Kuroo kam ins Zimmer gestürmt und sah sich besorgt um. Als er mich erblickte, wach und im Bett sitzend, beruhigte er sich etwas. „Gott sei Dank..." murmelte er und kam zu mir herüber. Ich lächelte ihn entschuldigend an.
„Was ist passiert?" fragte er aufgeregt.
„Mir ging es kurz vor Ende der Prüfung nicht so gut, mir war schwindelig, alles drehte sich. Aber es geht schon wieder."
„Hast du deine Tabletten genommen."
„Natürlich."
„Hast du gefrühstückt?"
Auf frischer Tat ertappt, biss ich mir auf die Unterlippe und schüttelte langsam den Kopf. Der Schwarzhaarige seufzte, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr ich ihm über den Mund.
„Ich weiß..." flüsterte ich leise und starrte auf meine Hände hinab, Tränen sammelten sich in meinen Augen. Er seufzte erneut, setzte sich auf die Bettkante und nahm meine Hand. Er atmete einmal tief ein und wieder aus und versuchte seine Wut unter Kontrolle zu bringen. „Du musst besser auf dich Acht geben."
Ich nickte stumm und wischte mir die Tränen weg. Kuroo beugte sich zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich kann dich nicht verlieren..." flüsterte er leise und versetzte mir damit einen Stich direkt ins Herz.

Mein schlechtes Gewissen drohte mich zu übermannen, doch da öffnete sich die Tür erneut und Dr. Yoshida betrat im selben Moment den Raum, in dem die Krankenschwester aus dem Nebenzimmer zurückkehrte. Sie erklärte ihm schnell die Situation und ging dann wieder davon.
„Es hätte wirklich ausgereicht, wenn du, wie geplant, heute Nachmittag zu deinem Termin gekommen wärst," sagte Dr. Yoshida lächelnd, während er zu mir herüberkam.
Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse und drückte Kuroos Hand, der dreinblickte als würde er meinem Arzt gleich an die Gurgel gehen.
„Was machen Sie hier?" fragte ich und sah zu Dr. Yoshida hinauf.
„Die Schulschwester hat mich angerufen, ich bin als dein behandelnder Arzt als dein Notfallkontakt eingetragen."
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Wann ist das denn passiert?"
Er lächelte unbeirrt weiter. „Kurz nach deiner Diagnose. Alles mit deiner Tante besprochen."
„Verstehe."
„Also, was ist passiert?"
Ich zögerte kurz und ehe ich meinem Arzt eine Antwort geben konnte, ergriff Kuroo das Wort: „Sie ist während der Prüfung ohnmächtig geworden. Sie hat nicht gefrühstückt und gestern Abend ging es ihr auch schon nicht so gut."
Ich warf Kuroo einen finsteren Blick zu. „Ernsthaft?"
Er erwiderte meinen Blick und zuckte mit den Schultern. „Ich erzähle deinem Arzt nur die Fakten, damit du gar nicht erst auf die Idee kommst, etwas zu verschweigen."
„Aber..."
Dr. Yoshida räusperte sich. „Vielleicht klärt ihr das später lieber allein, ich habe nicht so viel Zeit und muss gleich zurück in die Klinik."

Kuroo ließ sich auf einen der Stühle neben dem Bett fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Ich warf ihm noch einen finsteren Blick zu, dann richtete ich die Aufmerksamkeit auf meinen Arzt. „Ich hab heute Morgen verschlafen, da hatte ich keine Zeit mehr zum Frühstücken. Ich weiß, das war dumm."
Mein Arzt nickte. „Und gestern?"
„Wurde mir alles etwas zu viel und ich wollte einfach nur ein bisschen Ruhe."
„Verstehe."
Er stellte seine Tasche auf dem Tisch neben meinem Bett ab und öffnete sie. „Ich werde dir Blutabnehmen und zur Bestimmung deiner Werte ins Labor geben. Dann brauchst du heute Nachmittag auch nicht mehr vorbeikommen."
Ich krempelte den Ärmel hoch, streckte ihm stumm meinen Arm entgegen und während er alles vorbereitete, drehte ich meinen Kopf zur Seite, sah traurig zu Kuroo. Doch seine Miene war noch immer so finster, dass ich meinen Blick schnell zur Wand richtete.
„Du kannst die Faust lösen," sagte Dr. Yoshida und desinfizierte meine Haut. Ich schloss die Augen und presste meine Lippen aufeinander, wartete auf den Einstich der Nadel. Normalerweise machte mir Blutabnehmen nichts aus, aber in den vergangenen Wochen hatte ich so oft eine Nadel in meinem Arm, dass ich es einfach leid war.

Ich verzog das Gesicht, als Dr. Yoshida mit der Nadel in meinen Arm stach.
„Tut mir leid, dauert nicht lange," sagte er leise, als ich kurz zuckte.
Eine Hand schob sich in meine und als ich die Augen öffnete, blickte ich in Kuroos wunderschöne Augen. Sein Gesichtsausdruck war nicht mehr ganz so finster, er gab sich wirklich Mühe, einfach für mich da zu sein, obwohl er wütend war. Er wischte mir eine Träne von der Wange und schenkte mir ein trauriges Lächeln.
Dr. Yoshida zog die Nadel heraus und drückte einen Tupfer auf die Einstichstelle. „Das wars, hältst du bitte kurz fest?"
Ich drehte meinen Kopf, legte zwei Finger auf den Tupfer und wartete, bis der Arzt mir ein Pflaster draufgeklebt hatte.
Dr. Yoshida verstaute seine Sachen und packte vorsichtig die Blutproben ein. „Morgen Nachmittag müssten die Ergebnisse da sein. Wir sehen uns dann um 17 Uhr."
„Kann ich die Prüfung heute Nachmittag mitschreiben?" Ich warf einen unsicheren Blick zu Kuroo, doch er verzog keine Miene.
Mein Arzt sah mich stirnrunzelnd an. „Wann findet die statt?"
„Ähm..."
Kuroo sah auf die Uhr. „In zwei Stunden."
Dr. Yoshida musterte mich einen Augenblick, seufzte dann. „Wenn du dich bis dahin ausruhst und etwas isst, spricht nichts dagegen. Aber danach fährst du bitte nach Hause und gönnst dir etwas Ruhe."
Ich nickte langsam. „Danke."
„Wir sehen uns dann morgen."
Dr. Yoshida ging und ließ mich allein mit Kuroo zurück, der alles andere als begeistert aussah.

Kuroo lehnte sich auf dem Stuhl nach vorne, stützte seine Arme auf seinen Knien ab und fuhr sich mit den Händen einmal übers Gesicht. Er hob den Blick und starrte mich aus müden Augen an.
„Tut mir leid..." murmelte ich leise und streckte meine Hand nach ihm aus. Doch statt mir seine zu reichen, stand er auf, drehte sich von mir weg und ging zur Tür. „Ich besorg dir was zu Essen. Schlaf ein bisschen."
Als die Tür sich schloss, sammelten sich Tränen in meinen Augen und diesmal ließ ich ihnen freien Lauf.

Der Schwarzhaarige kehrte erst nach einer halben Stunde wieder zurück. Er trat schweigend ans Bett, reichte mir Onigiri und einen Apfel.
„Danke..." murmelte ich leise.
„Klar," entgegnete er und ließ sich mit ausdrucksloser Miene auf den Stuhl fallen. Er atmete tief ein und aus, streckte seinen Arm aus und griff nach meiner Hand.
„Tut mir leid," sagte er leise.
Ich schüttelte den Kopf. „Mir tut es leid," hauchte ich.
Kuroo stand auf, kletterte zu mir aufs Bett, legte eine Hand auf meinen Bauch und lehnte seinen Kopf an meinen. Wir schlossen beide die Augen und schwiegen.

„Du musst das Essen," murmelte Kuroo irgendwann leise und reckte sein Kinn in Richtung Onigiri.
Ich nickte, richtete mich auf, griff danach, packte es aus und biss unter Kuroos wachsamen Blick hinein. Anschließend aß ich auch noch den Apfel und trank ein großes Glas Wasser.
Kuroo verschränkte die Arme hinter seinen Kopf und starrte ausdruckslos an die Decke.
Ich ließ mich zurück in die Kissen fallen, verschränkte meine Finger auf meinem Bauch und folgte seinem Blick.
Nach einer Weile drehte er sich auf die Seite, legte seine Hand auf meine verschränkten Finger und legte sich mit dem Gesicht nah an meins.
„Lass und nicht mehr streiten, ja?" sagte er leise und hauchte einen Kuss auf meine Wange. Ich nickte stumm.

Nach der Chemieprüfung am Nachmittag nahm Kuroo meine Tasche, griff mit seiner freien Hand nach meiner und wir verließen zusammen die Schule.
„Meine Mutter wartet bestimmt schon mit Tee oder so." sagte er beiläufig, während wir durch die Straßen liefen. Ich blieb abrupt stehen.
„Ich komme nicht mit zu dir," sagte ich bestimmt.
„Was?"
„Ich möchte nach Hause Tetsu, zu mir. Ich muss mir die Sachen für morgen noch einmal ansehen, genau wie du. Aber meine Sachen liegen alle in meiner Wohnung."
„Dann hole ich deine Unterlagen eben."
„Nein."
„Du verlangst allen Ernstes, dass ich dich zu dir bringe? Nachdem du gerade erst in einer Prüfung umgekippt bist, weil du einfach nicht auf dich aufpasst?"
„Ich verlange überhaupt nichts von dir!" rief ich aufgebracht zurück. „Ich kann super allein nach Hause gehen!"
Unsere Stimmen waren immer lauter geworden, ohne dass wir es bemerkt hatten. Ein paar Passanten blieben irritiert stehen und sahen zu uns herüber. Ich schnappte mir meinen Rucksack aus Kuroos Händen und stapfte wütend davon.
„Ist das dein Ernst?" rief er mir hinterher, machte keine Anstalten mir zu folgen. Ich ignorierte ihn und marschierte weiter. Ich würde die Prüfung am folgenden Tag um keinen Preis der Welt verpassen und ich würde dafür lernen, bei mir zu Hause.

In meiner Wohnung angekommen war ich völlig fertig. Meine Wut war verpufft und machte der Erschöpfung Platz. Ich kochte mir einen Tee und zwang mich noch etwas zu essen. Währenddessen starrte ich auf mein Handy. Keine Anrufe, keine Nachrichten. Kuroo hatte sich nicht gemeldet. Ich schluckte. Warum sollte er auch? So wie ich mich verhalten hatte? Er war immer so gut zu mir und ich machte es immer alles nur kompliziert.

Ich legte die Reiswaffel zurück auf einen Teller. In meinem Magen hatte sich ein riesiger Knoten gebildet. Ich stand auf und stopfte alles was ich benötigte in meinen Rucksack. Als ich meine Haustür öffnete blickte ich irritiert in das Gesicht des Schwarzhaarigen, der mit erhobener Hand dort stand und offenbar gerade klopfen wollte.
„Tetsu..." sagte ich leise und spürte wir mir ein Stein vom Herzen fiel.
Er sah mich überrascht an, musterte dann den Rucksack auf meiner Schulter. „Du wolltest weg?"
Tränen liefen mir aus den Augen, während ich ihn erleichtert anlächelte. „Zu dir."
Er verstand, was ich mit diesen zwei Worten sagen wollte, ließ seine Tasche, die mir bis dahin gar nicht aufgefallen war, auf den Boden fallen und zog mich in seine Arme.


Nach dem die Prüfungen am Freitag geschafft waren, machte ich mich auf den Weg in die Klinik. Kuroo wäre gerne mitgekommen, doch er hatte versprochen zum Training zu gehen und mir war es ohnehin lieber, wenn er nicht dabei war.
Schwester Kamiko hatte Dienst und begrüßte mich fröhlich, als sie mich aufrief und ins Behandlungszimmer begleitete. Wir unterhielten uns kurz, dann entschuldigte sie sich und ließ mich allein.
Bald darauf öffnete sich die Tür und der Arzt kam, mit meiner Akte in den Händen, in den Raum.
„Sie machen ein ziemlich ernstes Gesicht, Doc."
Dr. Yoshida klappte die Akte zu und legte sie auf seinen Schreibtisch. „Deine Werte sehen nicht so aus, wie ich es gehofft hatte. Deine Leukozytenzahl steigt wieder."
„Verstehe." Ich klemmte meine Hände unter die Oberschenkel und ließ meine Beine baumeln, den Blick zu Boden gerichtet. „Das heißt?"
„Wir müssen deine Medikamente umstellen, mehr nicht."
Ich lächelte meinen Arzt traurig an. „Sie können mir ruhig die Wahrheit sagen."
Er zögerte einen Augenblick. „Es begeistert mich nicht gerade, dass die aktuellen Medikamente wieder ihre Wirkung verlieren."
Ich nickte, senkte den Blick zurück zu Boden. „Werde ich sterben?" fragte ich leise.
Dr. Yoshida seufzte, ließ sich auf seinen Stuhl fallen und rollte damit zu mir herüber. „Nicht, wenn ich es verhindern kann, und noch haben wir Optionen." Seine Hände ruhten auf seinem Schoß und er sah zu mir herauf.
„Wie lange?" flüsterte ich.
„Ein langes, erfülltes Leben."
„Sie lügen."
„Nein, wie ich bereits sagte, noch haben wir Optionen und solange die nicht ausgeschöpft sind, bleibe ich optimistisch."

Nach dem Termin nahm ich den Bus und fuhr nach Hause.
Die Sonne hatte sich nach ein paar wärmeren Tagen vorerst wieder verkrochen und hatte einen wolkenverhangenen, grauen Himmel zurückgelassen. Ich schloss meine Jacke bis oben, vergrub meine Hände tief in den Taschen und zog den Kopf ein, während ich von der Bushaltestelle nach Hause lief.
In meiner Wohnung kochte ich mir einen Tee und kuschelte mich unter meine Bettdecke. Eigentlich hätte ich noch für die letzten Prüfungen in der kommenden Woche lernen müssen, aber der Arzttermin hatte meine Stimmung auf einen Tiefpunkt befördert. Ich schaltete den Fernseher ein und ließ mich von irgendeiner Realityshow berieseln, während meine Gedanken immer finsterer wurden.
Ich rollte mich unter meiner Decke zusammen, weinte, bis ich erschöpft einschlief.

Ich wachte auf, als die Tür aufgeschlossen wurde und Kuroo hereinkam. Er hatte am Vortag einen Schlüssel von mir bekommen, da ich nicht wusste, wie lange ich in der Klinik sein würde.
Ich sah mich verwirrt um, draußen war es bereits dunkel und ich hatte kein Licht an.
„Kätzchen?" fragte Kuroo leise.
„Ja...ja, ich bin hier," entgegnete ich mit brüchiger Stimme.
Ich räusperte mich, drehte mich zur Seite, um eine Lampe einzuschalten und griff dann nach meiner Wasserflasche.
Kuroo entledigte sich seiner Jacke und Schuhe, stellte eine Einkaufstüte auf dem Tisch ab und kam zu mir herüber.
Er setzte sich zu mir aufs Bett, strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete mich besorgt.

„Wie war es beim Arzt?" fragte der Schwarzhaarige leise.
Ich senkte den Blick, krallte meine Finger fest in die Decke, schwieg.
„Nicht so gut, also," stellte Kuroo fest.
Ich nickte.
Er schwang die Beine aufs Bett, legte sich hin und zog mich dabei fest an seine Brust. „Wie schlimm ist es?"
Ich schluckte schwer. „Die Werte haben sich wieder etwas verschlechtert und die Leukozytenzahl steigt. Ich bekomm jetzt eine andere Kombination der Medikamente."
„Das heißt, sie wirken zwar, aber nicht so optimal wie sie sollten, weil ihr die richtige Dosierung noch nicht gefunden habt?"
„Ich...weiß nicht..." antwortete ich leise. „Vielleicht."
Dann zögerte ich.
„Es kann auch sein, dass..." begann ich.
„Nein," sagte der Schwarzhaarige bestimmt und schnitt mir das Wort ab.
„Denk nicht mal daran."
„Tetsu..."
„Nein."
Tränen stiegen in meine Augen. „Aber wir müssen diese Möglichkeit in Betracht ziehen," schluchzte ich und fing an zu zittern.
„Nein," sagte Kuroo erneut, aber seine Stimme wurde brüchiger. Er strich mir beruhigend über den Rücken, während mein Schluchzen schlimmer wurde.
Seinen freien Arm hob er über den Kopf und versteckte seine Augen in der Armbeuge.

„Tetsu..." murmelte ich nach einer Weile, als wir uns beide wieder beruhigt hatten. Der Schwarzhaarige nahm seinen Arm zögerlich von seinem Gesicht und sah mich aus geröteten Augen an. Er hatte geweint und der Anblick zerriss mir das Herz. Ich verzog gequält das Gesicht.
„So weit wird es nicht kommen," sagte Kuroo leise und strich mir über die Wange. Ich biss mir auf die Unterlippe, schloss die Augen und nickte langsam. „Okay..." hauchte ich, ließ meinen Kopf zurück auf seine Brust sinken und drückte mich fest an ihn. Mein Wecker zwang uns schließlich zum Aufstehen. Ich musste meine Medikamente nehmen und, um einen erneuten Streit zu vermeiden, bereitete ich anschließend etwas zu Essen zu, auch wenn ich keinen Hunger hatte. Kuroo gesellte sich stumm zu mir und half mir beim Kochen. Anschließend aßen wir schweigend und verzogen uns dann zurück ins Bett. Keiner von uns hatte Lust, sich zu unterhalten und so schalteten wir einfach den Fernseher ein und verbrachten den Abend Arm in Arm, bis wir schließlich einschliefen.

Wir nutzten das Wochenende, um für unsere letzten beiden Prüfungen am Montag zu lernen, Physik und Japanisch. Wir vermieden es, über meine Krankheit zu sprechen und nach und nach löste sich die angespannte Stimmung zwischen uns wieder auf. Am Sonntag verbrachten wir den Nachmittag an der frischen Luft, die Sonne zeigte sich und so hatten wir keine Lust, im Haus zu bleiben. Danach fuhren wir zu Kuroo, aßen mit seinen Eltern zu Abend und blieben über Nacht bei ihnen. Kuroos Wecker klingelte am Montag nach meinem Geschmack viel zu früh und ich zog mir jammernd die Decke über den Kopf.
Kuroo hingegen war direkt aufgestanden, im Bad verschwunden und stand kurze Zeit später angezogen vor dem Bett. Er zog mir mit einem Ruck die Decke weg. „Los, Kätzchen, aufstehen."
„Ich will nicht," murrte ich, rollte mich ein und versteckte meinen Kopf unter dem Kissen. Ein leises Lachen ertönte und ich spürte die Matratze neben mir einsinken, ehe zwei Arme mich packten und Kuroo mich einfach aus dem Bett hob. Ich krallte mich an ihm fest, doch es half alles nichts, er ließ mich sanft mit den Füßen auf den Boden ab und stellte mich aufrecht hin. „Das Frühstück wartet, beeil dich."
Ich jammerte weiter, aber gab mich meinem Schicksal dabei geschlagen, schnappte mir meine Schuluniform und verschwand im Bad. Als ich endlich fertig war und in Kuroos Zimmer zurückkehrte, war dieser bereits verschwunden. Ich seufzte, stiefelte die Treppe nach unten und zu dem Schwarzhaarigen in die Küche. In der Tür blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte auf den reich gedeckten Tisch.
„Ah guten Morgen," begrüßte Kuroos Mutter mich mit einem Lächeln.
„G-guten Morgen..." stammelte ich und betrachtete sie überrascht. Sie trug ein schwarzes Businesskostüm, darüber eine rosa Schürze und füllte Reis in zwei Schalen. Eine drückte sie mir in die Hand und lächelte erneut. „Setz dich und iss."

Die andere Schale stellte sie vor Kuroo ab, dann löste sie die Schleife der Schürze und zog sich das Teil über den Kopf. Sie klopfte ihrem Sohn auf die Schulter. „Viel Erfolg heute,"
„Danke," antwortete Kuroo, sah kurz zu ihr auf, ehe er seinen Blick zu mir wandte.
Ich stand noch immer verwirrt in der Tür, mit der Schale Reis in der Hand. Kuroos Mutter trat auf mich zu, legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte sanft. „Dir auch viel Erfolg bei den Prüfungen, ich muss leider schon los. Wir sehen uns später?"
„D-danke, für alles." Überfordert mit der Situation verneigte ich mich unbeholfen vor ihr.
Sie hob die Hände und winkte ab. „Nicht doch, Liebes."
Ein rosa Schimmer legte sich auf ihre Wangen, sie kicherte verlegen und eilte aus der Küche. Kuroo konnte sich ein Lachen nicht länger verkneifen und sorgte so dafür, dass ich rot anlief.
„Hör auf zu Lachen," sagte ich verärgert, entlockte ihm dadurch aber nur ein weiteres Auflachen.
„Jetzt setz dich endlich," sagte er schließlich breit grinsend.
Gehorsam ließ ich mich am Tisch fallen und frühstückte, ehe wir uns gemeinsam auf den Weg zur Schule machten und die letzten Prüfungen hinter uns brachten. 

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