Wohnungsbesichtigung

Fertig gegessen machten wir uns auf den Weg zurück zum Eingang des Gebäudes, an dem bereits ein schlaksiger, braunhaariger Mann im grauen Anzug wartete. Ich ließ Rogers vorlaufen und sie stellten sich gegenseitig vor. Still beobachtete ich alles ein paar Meter weiter weg, bis sie sich nahezu zeitgleich zu mir drehten.

"Alex, komm und lerne den Makler des Hauses kennen."

Alex?

Ich ging zu ihnen und der Mann ergriff lächelnd mit zwei Händen meine rechte und schüttelte sie energisch.

"Freut mich dich kennen zu lernen, Alex. Ich bin Phil Dunphy."

Ich lächelte ihn gezwungenermaßen an und er ließ endlich von meiner Hand ab, bei der es wahrscheinlich nicht mehr lange gedauert hätte, bis sie ausgekugelt wäre.

"Weißt du, es ist echt witzig. Meine Tochter heißt zufälligerweise auch Alex. Aber gut, dann wollen wir mal, nh?"

Er ging voraus und schloss die Haustür auf. Wir kamen in einen Flur mit drei Türen und einem Fahrstuhl. Wir betraten besagten und er drückte die '3'. Der Fahrstuhl ruckelte während der Fahrt und ich schaute besorgt zu Rogers.

"Wie ihr merkt, ist das alte Ding schon länger im Betrieb, aber keine Angst, das macht er schon seit Jahren."

Er lachte herzhaft und die Tür öffnete sich. Ein langer Flur erstreckte sich in beide Richtungen, doch unser Weg führte nach rechts. Nicht lange und wir standen vor der Nummer 93.
"Da sind wir auch schon."
Er schloss auf und ließ uns zuerst in die Wohnung. Uns begrüßte ein großes, hell erleuchtetes Zimmer, welches bereits komplett eingerichtet war.
Direkt links von uns stand eine Küche mit Kücheninsel und rechts eine Vertiefung, die als Abstellkammer diente, mit einer Trennwand, welche man auf und zu schieben konnte.

Geradeaus war das Wohnzimmer mit einem relativ großen Fenster aus dem man eine wunderschöne Aussicht auf den Fluss und allem drum und dran hatte.

Ich überließ Rogers die Führung von Mr. Dunphy und erkundete schon mal die weiteren Räume. Rechts den Flur entlang entschied ich mich zuerst für die linke Tür und öffnete diese.

Woah! Das wird auf jeden Fall mein Zimmer.

Es entpuppte sich ein gemütliches Zimmer mit ebenfalls einem Fenster und links vom Bett aus gesehen ein Kleiderschrank, den man, wie die Abstellkammer, auf und zu schieben konnte. Ich schmiss mich aufs Bett und es stellte sich wie erwartet als überaus bequem raus.
Nun ging ich wieder zurück, um hinter die Tür gegenüber dieses Zimmer zu schauen. Ich fand mein zukünftiges Badezimmer mit einer Badewanne, Klo und allem was noch hinein gehörte. Wieder draußen auf dem Flur folgte ich diesem nach rechts. Rogers war gerade mal im Wohnzimmer angekommen, während ich bereits das zweite und somit letzte Schlafzimmer betrat.
Dieses war mit einem kleinen Raum nur für Kleidung verbunden.

Vielleicht sollte ich doch lieber dieses Zimmer nehmen... Ich mein', er wird ja nie im Leben genug Kleidung haben, um diesen Raum zu füllen.

Neben der Tür für den begehbaren Kleiderschrank, befand sich eine zweite, hinter der ein Riesenbadezimmer lag. Es gab eine Badewanne und eine Dusche. Der Spiegel war gigantisch, genauso wie das Waschbecken. Die Toilette hingegen war ein bisschen weiter hinten und mit einer kleinen Raumtrennung versteckt.

Ich verließ den Raum und die anderen schauten sich tatsächlich erst jetzt mein Zimmer an. Sofort kam Langeweile in mir auf und ich setzte mich vors Fenster im Wohnzimmer und beobachtete die Spaziergänger. Nach einer Weile beschloss ich dann, den mir vorgenommenen Spaziergang zu machen. Also verließ ich mit großer Vorfreude zuerst die Wohnung und dann das Haus.

Auf dem mit Kieselsteinen bedeckten Weg angekommen, der in den Park führte, folgte ich diesem und es war relativ viel Betrieb für einen normalen Spazierweg. Alle paar Minuten kamen einem Leute entgegen. Die einen joggten und die anderen verbrachten Zeit mit ihren Lebenspartnern und Kindern. Bei so gut wie jedem war mindestens ein Hund in der Nähe.
Alle lächelten mich freundlich an und begrüßten mich, nur die Hunde hatten sich ein bisschen zu viel für mich interessiert und teilweise auch im negativen Sinne... Dennoch gefiel mir im Großen und Ganzen der Ort sehr.
Über eine kleine Holzbrücke ging es dann endlich richtig in den langersehnten Park hinein. Überall huschten kleine Eichhörnchen über den Weg und suchten nach Futter. Mein Weg hingegen führte über mehrere unterschiedlich große Brücken und Bäche, auch gab es hin und wieder ein paar Stellen, an denen man super leicht ans Wasser kam.

Die Zeit verging wie im Flug und ich war am Ende des Parks angekommen. Vor mir befand sich eine kleine Straße, die, wenn man ihr weiter folgen würde, in die große, vor unserer eventuellen Wohnung, mündete.
Ich beschloss hier umzukehren und ging den ganzen Weg wieder zurück, bis ich einen tollen Platz zum Ausruhen fand.

Es war eine Bank direkt am Fluss, über der ein Baum Schatten spendete. Ich nahm sofort Platz und verlor mich bereits kurz darauf in meinen Gedanken. Ich dachte über all das nach, was passiert war und wie wohl die Zukunft werden würde.

Eine Wohnung mit Rogers? Kaum vorstellbar... Vor allem, wieso er? Wieso nicht Dr. Banner? Und wieso ließ sich Rogers überhaupt darauf ein? Ich sollte ihm eigentlich dankbar sein, aber ich versteh' es nicht. Er konnte mich doch gar nicht leiden.
Sicherlich mag er mich immer noch nicht... Ist ja auch verständlich nach all dem, was ich getan habe.

Meine Laune wurde von Mal zu Mal schlechter und mein Gewissen plagte mich wieder. Ich erinnerte mich an diesen Traum von damals. Die ganzen Menschenleben, die auf meinen Schultern lasteten...

Was ist nur mit mir los? Wieso bin ich so? Wieso kann ich nicht einfach normal sein?
Ich hätte damals einfach im Wald bleiben sollen, dann wäre alles nicht passiert. Nichts von all den schlimmen Sachen wäre je passiert.

Wo meine Mum wohl jetzt ist? Vielleicht bei Dad?
Was würde ich dafür geben, wenn sie noch ein letztes Mal bei mir sein könnte...

Ich erhob mich langsam und ging auf den Boden schauend den Weg entlang in Richtung Haus zurück. Keine Minute später hörte ich Rogers Stimme. Sie klang sehr verärgert und plötzlich stand er vor mir und packte mich an den Schultern.

"Weißt du eigentlich, was für Sorgen ich mir gemacht habe?! Warum haust du denn einfach ab, ohne ein Wort zu sagen?!"

Stille.

"Antworte mir!"

Nun schaute ich mit tränenerfüllten Augen hoch, direkt in sein Gesicht. Der Blick von Wut verwandelte sich sofort in Besorgnis.

"Wieso bin ich hier?"

"Also... Ich weiß nicht wirklich, was du meinst..."

Er schaute mich ein wenig ratlos an.

"Ich gehöre hier nicht hin... Ich hab das alles gar nicht verdient. Ich gehöre weggesperrt, wenn nicht sogar..."

Tränen bahnten sich den Weg über meine Wangen und ich blickte wieder zu Boden.

"Ich habe so viele Menschen... Kinder..."

Plötzlich umarmte er mich und sagte kein Wort. Ich hielt es nicht mehr aus und bekam einen totalen Nervenzusammenbruch. Ich ließ einfach alles raus, was ich die ganze Zeit unterdrückt hatte und selbst nach zehn Minuten standen wir immer noch da. Er löste die Umarmung vorsichtig, doch das hatte nur zur Folge, dass ich langsam zu Boden sank. Meine Beine fühlten sich so schwach und wackelig an. Rogers fing mich auf.

"A-"

Ruckartig musste ich schluchzen und ich versuchte es noch einmal.

"Alles gut. Ich brauch nur noch-"

Doch er griff unerwartet um und ehe ich mich versah, lag ich auf seinen Armen und er ging ohne was zu sagen los.
Ich lehnte erschöpft meinen Kopf an seine Brust.
Die Sonne stand bereits sehr tief und das letzte was ich sah, war der Sonnenuntergang, der sich im Wasser unter uns spiegelte.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top