Training

Es waren nun viele Monate vergangen, die ich bei Steve verbrachte und mit der Zeit wurde es auch immer kälter.
Schneeflocken fielen auf die Straßen von Brooklyn und bedeckten sie mit weißer Watte. Mir war zuvor nie aufgefallen, wie schön der Winter sein konnte, da ich ihn früher immer als sehr lästig empfand. Doch sich die Landschaft aus der Wärme heraus anzuschauen war sehr viel angenehmer. Vor allem morgens während des Joggens, wenn mein ganzer Körper warm war, doch meine Pfoten in den kalten Schnee stapften. Für Steve und besonders Sam war es nur nicht so toll, wie für mich. Sie mussten sich zu dieser Jahreszeit selbstverständlich dicke Pullover, Schals und Mützen anziehen, was sie ordentlich schwitzen ließ. Da hatte ich einen deutlichen Vorteil.

Apropos Sam.

Er hatte sich anfangs nicht so schnell an den Gedanken gewöhnen können, dass der weiße Wolf und ich ein und dasselbe Lebewesen waren, doch er fand sich damit ab, indem er mich, je nach dem was für eine Form ich annahm, auch genauso behandelte.
In anderen Worten hieß das: viele viele Streicheleinheiten, was mir durchaus mehr als recht war.

Apropos zum zweiten: Pullover.

Pullover sind das beste, was es auf dieser Welt gibt! Mit Eis, Chips und Pasta.
Ich würde am liebsten nichts anderes mehr tragen, sie sind so bequem und warm~.
Aber das beste ist immer noch, wenn es kalt ist und man in der Wohnung Plüschsocken trägt, einen zu großen Pullover trägt und eine heisse Schokolade trinkt, während man sich vorm Fenster im Sessel die weiße Landschaft anschaut. Einfach nur herrlich!
Das war auch so ziemlich genau das, womit ich den ganzen Tag verbrachte und was ich auch jetzt in diesem Moment tat.

Ein Blick auf die Uhr an der Wand verriet mir, dass in ca. 40 Minuten Miss Martin auftauchen würde. Die Lehrerin von damals.
Nun ja, Steve wollte, dass ich eine Schule besuche, doch da ich das nicht wollte, einigten wir uns darauf, weiterhin sie kommen zu lassen. Das war das beste für alle Beteiligten und man wird es mir nicht glauben, aber Stark bezahlte sie weiterhin für uns.

Die anderen habe ich auch bisher noch nicht wieder gesehen, was mich aber nicht sonderlich interessierte. Ich habe mich nur manchmal gefragt, was wohl Bruce gerade machen würde.

Es klingelte an der Tür und ich schaute überrascht wieder zur Uhr.
9:45Uhr

Schon?

Die Zeit verging wie im Flug und die 40 Minuten waren bereits um. Ich stand auf und lief die Treppen hinunter zum Eingangsbereich, in welchem ich ihr die Tür öffnete und sie hinein bat.

Wir setzten uns an den großen Wohnzimmertisch, so wie jedes Mal und begannen. Zuerst Geschichte, dann Mathe und zum Schluss noch ein wenig Englisch.

"Bist du heute allein zu Hause?"

Ich musste grad eine Analyse über das Gedicht "Men and Women" von Robert Browning in Stichpunkten schreiben.

"Steve ist unterwegs. Er wollte sich einen neuen Anzug kaufen, da seiner zu alt war."

"Gibt es denn einen besonderen Anlass?"

"Er hat ein Date am Samstag."

Ich reichte ihr das voll geschriebene Blatt Papier und sie musterte es. In der Zwischenzeit ging ich in die Küche und machte mir was zu trinken.

"Mit Sharon?"

Ich gab ein bestätigendes Summen von mir und setzte mich wieder zu ihr.
Sie händigte mir wieder das Blatt aus und ich schaute es mir an.

"Bis auf ein paar Grammatikfehler, sehr gut. Du machst Fortschritte."

Ich lächelte sie dankend an und wir verabschiedeten uns. Gerade als sie durch die Tür gehen wollte, stolperte Steve in sie hinein.

"Oh, 'Tschuldigung."

"Nein. Ich entschuldige mich, es war meine Schuld."

Sie lächelten sich noch einmal zu und dann war sie schon wieder weg.
Er legte die Tüten in sein Zimmer und ich schnappte mir das Buch, was ich derzeit las. In der Buchhandlung meinte die Verkäuferin, dass es perfekt für mich wär, da ich etwas in die Richtung "Horror" gesucht hatte.
Es heißt 'Der Hof' und ist von Simon Beckett.
Er selber habe den Ruf, alles sehr gut bis ins kleinste Detail beschreiben zu können, was einen in die Lage bringt, das Empfinden der Personen gut nachvollziehen zu können.
Kurz: Ich habe ein Buch gesucht, dass mir Albträume verschaffen sollte und mich Überwindung koste, weiterzulesen, doch ich bin nun bei der Hälfte des Buches angekommen und es ist nichts dergleichen passiert...
Okay, einmal schon.
Die Hauptperson ist in eine Bärenfalle getreten und bei der Beschreibung wurde mir "etwas" übel.
Aber sonst nichts gruseliges.

Mit der Hoffnung, dass es sich ändern würde, verschanzte ich mich wieder in den Sessel und las weiter.
Ich näherte mich dem Ende und es war ganz schön spannend geworden.
Sean, der Protagonist, versteckte sich mit Mathilde, der Tochter des Hausherrens, bei dem er unterkommen durfte, bis sein Fuß verheilt war und nun noch länger, vor Arnaud, dem Hausherren, in einem kleinen Schuppen. Arnaud machte mit seinem Gewehr jagt nach ihm, da Sean "zu viel wusste".

"Essen!"

Ich war ein wenig verwirrt, bis ich merkte, dass gar nicht Arnaud zum Essen gerufen hatte, sondern Steve. Zurück in der Realität begrüßte mich bereits ein köstlicher Geruch, den ich vorher gar nicht zur Kenntnis genommen hatte.
Die Sonne stand hoch und war bereits wieder dabei, den Weg zum Boden einzuschlagen. Die Uhr verriet mir, dass es 16:37Uhr war.
Ich legte mein Buch auf den kleinen Tisch neben mir und stand auf.

"Was ist das?"

Ich setzte mich hin und bestaunte das vor mir liegende Essen.

"Thunfischsteak mit Limetten-Marinade in Sesam und dazu Bandnudeln mit gerösteten Pinienkernen und Zucchini."

Stolz setzte er sich zu mir und wir begannen zu essen. Am besten schmeckten mir die Nudeln, da mir der Thunfisch zu trocken war. Steve meinte, dass er ihn zu lange hat braten lassen und er eigentlich fast roh serviert werden müsste, damit er gut schmeckt.

"Willst du eigentlich mal mitkommen zum Trainieren?"

Wow! Das kam jetzt plötzlich.

"Also ich meine, schaden würde es dir nicht und dann wärst du über die Zeit nicht allein zu Hause."

Ich hatte kein Problem damit, allein zu Hause zu sein, doch die Idee fand ich gar nicht mal so schlecht.

"Ja, klingt cool."

Ich lächelte ihn an und er erwiderte es.

"Gut, dann können wir ja gleich los."

Er stand auf und räumte die Teller ab, während ich noch ein wenig baff über die Plötzlichkeit war.

"Wie? Jetzt sofort?"

"Na klar, oder hast du noch was vor?"

"Ha ha."

Ich schickte ihm einen sehr witzig!-Blick und er grinste darauf nur selbstgefällig.
Ich ging in mein Zimmer und zog mir eine bequeme Jogginghose, Sport-BH und graues T-Shirt an. Dann ging ich ins Bad, um mir einen Zopf zu machen.
Meine Haare waren sehr lang geworden, weshalb ich sie mir nach hinten flocht und nahm zur Sicherheit noch einmal Deo.
Wieder zurück in meinem Zimmer kramte ich noch einen Rucksack aus dem Schrank und packte diverse Sachen ein, wie ein Handtuch, zwei Wasserflaschen und einen Wechselpullover.
Letztendlich packte ich diesen wieder aus und zog ihn direkt über. Es war schließlich Winter und ich wollte mir keine Erkältung holen.
Ich zog meine Vans an und noch die Winterjacke, dann war ich startklar.

Wir fuhren mit dem Motorrad, wofür ich nebenbei angemerkt nun einen eigenen Helm hatte und waren bereits nach kurzer Zeit angekommen. Es war sehr unscheinbar, erregte nicht viel Aufsehen.
Wir betraten einen großen Raum. Er sah sehr altmodisch aus, was mir irgendwie gefiel. Die Wände in blau gehalten und Decke, wie auch Fußboden, aus Holzdielen.
Ich zog meine Jacke und meinen Pullover schon mal aus, während Steve zwei der auf den Boden liegenden Sandsäcke mit Leichtigkeit hochhob und sie nebeneinander an eine Vorrichtung aus Metall befestigte. Nun kam er zurück und nahm Fixierbinden, wie man sie zum verarzten von Leuten brauchte, heraus.

"Komm mal her."

Er wickelte mit den Binden meine Hände ein, sodass ich sie kaum bewegen konnte.

"Das sind Bandagen. Die schützen deine Knochen und Gelenke vor Verstauchungen."

Er machte sich selber auch welche um und deutete mir, zu sich zum Sandsack zu kommen.

"Mach mir einfach alles nach."

Er stellte sich nun direkt vor ihn hin und schlug einmal feste gegen. Das Teil schwang mit einer Wucht in die entgegengesetzte Richtung und als er wieder zurück kam, fing er ihn auf.

"So, jetzt du."

Etwas unsicher stellte ich mich auf seinen Platz und schlug gegen ihn.
Er "zuckte" nur ein wenig.

"Du musst tiefer stehen."

Er stellte sich hinter mich, schob meine Füße weiter auseinander und drückte mich tiefer in die Knie.

"Probier's noch einmal."

Und ich probierte es noch einmal. Diesmal wackelte er sogar ein bisschen.

"Die Mitte ist das Ziel."

Er kam nun ganz dicht an mich ran und nahm meine Hände in seine. Langsam führte er mit ihnen die Bewegung eines Schlages aus. Das wiederholte er dreimal und ging dann er ein paar Schritte zurück.
Ich atmete tief ein und aus.

Komm, du schaffst das!

Ich fixierte mein Ziel und schlug mit aller Kraft gegen den Boxsack.
Daraufhin pendelte er nun vor mir hin und her. Erfreut lächelte ich.

"Ja, das war gar nicht mal so schlecht."

Wir trainierten noch bis spät in die Nacht hinein, bis wir dann nach Hause fuhren und ich sofort nach dem Duschen erschöpft ins Bett fiel.

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