Das Leben auf der Straße
Es war mitten am Tag. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Ich konnte den Wind spüren und das Gras riechen.
Herrlich!
Dennoch war ich solch Helligkeit nicht gewohnt und konnte so gut wie nichts sehen. Erst nach einer Weile erkannte ich zumindest grobe Umrisse. Direkt rechts von mir befand sich ein Wald, also rannte ich vorerst dort hinein.
Nach langer Zeit verwandelte ich mich wieder komplett in meine Wolfsgestalt und es war unbeschreiblich.
Das frische Moos unter mir zu spüren war atemberaubend. Ich beschloss, mein Tempo zu beschleunigen. Immer tiefer stieß ich meine Pfoten in den Boden, sprang über den ein oder anderen Baumstamm und lief Slalom um die Büsche.
Als ich an einer kleinen Lichtung beschloss, Rast einzulegen, entdeckte ich eine weiße Spiegelung im Wasser eines kleinen Bachs. Verwirrt kam ich dem Bild näher und entdeckte die Umrisse eines weißen Wolfs. Ich schaute an mir runter.
Ich war es, die sich in dem Wasser abbildete!
Mein Fell war nicht mehr das kastanienbraune, das ich von meinem Vater vererbt bekommen hatte.
Es war weiß! Schneeweiß!
Doch wie konnte das sein?
Ist doch egal! Die Hauptsache ist, wir sind frei!
Ja. Ich bin frei. Damit heulte ich vor Freude auf und bekam sogar eine Antwort aus dem tieferen Wald im Osten.
Mit dazu meldete sich auch mein Magen, also machte ich mich abermals auf die Suche nach etwas Essbarem.
Es stellte sich heraus, dass ich noch nicht in der Verfassung war, jagen zu gehen. Selbst der Versuch ein Kaninchen zu fangen überforderte mich. Mir fehlte einfach die nötige Ruhe und Konzentration. Somit beschloss ich, mich in der Stadt umzuschauen.
Ich lief als Mensch die Straßen entlang und kassierte viele komische Blicke, die ich aber gekonnt ignorierte.
Es wurde schon dunkel und ich kam in dem düsteren Teil der Stadt an.
Da kommen einem doch Heimatgefühle hoch.
Ich schaute mich um und entdeckte zu meiner Verwunderung eine schick gekleidete Frau. Sie trug ein dunkelrotes Kleid und hohe Schuhe, gepaart mit einer passenden Handtasche.
Sie bekam nicht mit, dass ich sie beobachtete, da sie mit ihrem Handy beschäftigt war und währenddessen über Kopfhörern Musik hörte.
Du weißt, was zu tun ist.
Ich bog in eine kleine Gasse ein und wartete geduldig im Schutz der Dunkelheit.
Sobald sie an mir vorbei lief, schnappte ich sie mir und noch während sie zum Schrei ansetzte, rammte ich ihr den Griff des Messers gegen die Schläfe, sodass sie in meine Arme sackte und ich sie neben dem Müllcontainer ablegte.
Plötzlich kam in mir ein brennendes Verlangen auf, weiter zu machen. Schon fast benebelt starrte ich wie gebannt auf die Frau, den Griff ums Messer stärker werdend, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Ich wollte mehr. Ich wollte mehr als sie nur bewusstlos dort liegen zu sehen. Es übermannte mich, als verlor ich nach und nach die Kontrolle über meinen eigenen Körper und dieses... Gefühl überflutete mich.
Im nächsten Moment sah ich wieder klar und ließ zitternd das Messer fallen.
Okay... Das war neu.
Wieder im Geschehen durchwühlte ich das Täschchen, das sie bei sich trug. Es war zwar recht klein, doch passte ordentlich was hinein. Neben dem ganzen nebensächlichen Zeugs fand ich ein Portemonnaie, welches mit satten $160 gefüllt war.
Jackpot!
Das reichte dicke, um mir die nötigsten Sachen zu holen und ein paar Tage versorgt zu sein.
Ich steckte das Geld ein, warf den Rest in die Tonne und ließ den Deckel mit lautem Knall zufallen. Dann machte ich mich auch schon auf die Suche nach dem nächsten Kiosk.
Die Stimme blieb für den Rest des Tages still.
♪♬∵°゚º❍。∵♪♬∵°゚º❍。∵♪♬∵°゚º❍。
Ein paar Ecken weiter fand ich einen kleinen Supermarkt in dem ich mir fertige Sandwiches, ein paar Flaschen Wasser und einen Rucksack "perfekt für unterwegs" kaufte.
Später die Straßen entlang sah ich einen Obdachlosen, der Decken in einem Einkaufswagen umherschob und sie zum Verkauf anbot.
Besser kann dieser Tag gar nicht mehr werden! Ich bräuchte nur noch ein geschütztes Plätzchen für die Nacht.
Die Wolken zogen sich bedrohlich zu, weswegen ich mich beeilte und wider Erwarten schnell was geeignetes gefunden hatte.
Ich konnte niemanden wittern geschweige denn hören. Die meisten Obdachlosen schlafen auch eher tagsüber, da es nachts gefährlicher ist, deswegen hatte ich genug Auswahl an freien Plätzen für mein Lager und fand schnell eine sichtgeschützte Seitengasse für die Nacht.
Ich machte es mir gemütlich. Die Decke taugte zum Glück etwas und hielt mich ausreichend warm. Es fehlte nur noch der Ausblick auf den wolkenlosen, mit Sternen versehenen Nachthimmel, dann wäre es perfekt gewesen.
Binnen Sekunden schlief ich zufrieden ein.
So lief das dann die nächsten Wochen ab.
Ich führte ein - für meine Verhältnisse - sorgenfreies Leben. Ich hatte alles:
Essen, Trinken, eine warme Decke.
Aber Glück hält ja bekanntlich nicht lange an, somit wurde das Budget immer knapper, bis schließlich nichts mehr übrig war.
Natürlich könnte ich jetzt, da ich wieder voll bei Kräften war, Jagen gehen, doch ich war schon so tief in die Stadt gewandert, dass der Weg zum Wald zu weit gewesen wäre und um ehrlich zu sein, hatte ich auch nicht wirklich Lust darauf.
Ich wählte also die leichte Variante: Stehlen.
Was sollte schon schwer daran sein? Einmal in den Laden gehuscht, etwas einstecken und wieder raus. Die Leute würden meine Anwesenheit nicht einmal zur Kenntnis genommen haben, ehe es erledigt wäre.
Doch ganz so reibungslos verlief es dann doch nicht...
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